I. Die Entstehung des EVG

Die Entstehung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) ist eng verbunden mit der Schaffung der obligatorischen Unfallversicherung. Grundlage dieser Versicherung bildete der von Volk und Ständen im Jahre 1880 angenommene Art. 34bis der Bundesverfassung von 1874 (BV).
Nach verschiedenen Anläufen wurde die endgültige Gesetzesfassung (das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung, KUVG) am 13. Juni 1911 von den eidgenössischen Räten verabschiedet, konnte aber - wohl wegen des Ersten Weltkrieges - erst einige Jahre später, 1918, in Kraft treten. Dessen Art. 122 KUVG sah die Schaffung eines eidgenössischen Versicherungsgerichts vor zur Beurteilung von Berufungen gegen Entscheide kantonaler Instanzen. Dass Luzern schliesslich zu seinem "Geburtsort" wurde, verdankt es dem Parlament, hatte doch der Bundesrat ursprünglich die Stadt Bern als Sitz vorgeschlagen.
Hervorzuheben ist, dass Art. 122 KUVG unter dem Zweiten Titel des Gesetzes betreffend die Unfallversicherung aufgeführt ist, welche damals einzig durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) betrieben wurde. Entsprechend erstreckte sich die Zuständigkeit des EVG in dieser Zeit nicht auf das Gebiet der Krankenversicherung; die Beurteilung von Streitigkeiten, die aus der Anwendung des Ersten Titels des KUVG entstanden, oblag dem Zivilgericht.
Dem EVG, das als zweitinstanzliches Berufungsgericht gegen kantonale Entscheide auf dem Gebiet der obligatorischen Unfallversicherung amtete, wurde ab 1. Januar 1918 zudem (als einzige richterliche Behörde) die Beurteilung militärversicherungsrechtlicher Streitigkeiten übertragen. Diese Regelung ist bis 1949 beibehalten worden, so dass das EVG sämtliche Prozesse zwischen der Militärversicherung und den Versicherten bzw. deren Angehörigen aus der Aktivzeit (Ende des Ersten Weltkrieges und dann wieder von 1939 bis 1945) zu entscheiden hatte.
Auf der Grundlage eines Bundesbeschlusses vom 28. März 1917 wählte die Bundesversammlung im Herbst 1917 zwei haupt- sowie fünf nebenamtliche Richter und legte deren Amtsantritt auf den 1. Dezember 1917 fest. Am 17. Dezember 1917 trat das Gericht unter seinem ersten Präsidenten, dem Luzerner Joseph Albisser, im Saal des Obergerichts des Kantons Luzern zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammen.
Interessant ist auch, dass das EVG seine Grundlage ursprünglich nur in einer gesetzlichen und nicht, wie andere eidgenössische Behörden, in einer verfassungsmässigen Bestimmung hatte: Der erwähnte Art. 34bis BV beschränkt sich nämlich nur darauf, dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung einzuräumen.