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Urteilskopf

114 II 82


15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Januar 1988 i.S. Firma A. gegen X. (Berufung)

Regeste

Art. 1 aPatG. Patentfähigkeit, Bedeutung von Aufgabe und Lösung.
1. Merkmale der Erfindung nach altem Recht; Ermittlung der Erfindungshöhe, Tat- und Rechtsfrage (E. 2a).
2. Anforderungen an die erfinderische Leistung. Die Aufdeckung des Problems, das sich dem Erfinder stellt, ist keine solche Leistung. Die Erfindung kann nur in der Lösung der Aufgabe liegen, gleichviel ob die Leistung nach altem oder neuem Recht zu beurteilen ist (E. 2b und c).
3. Umstände, unter denen eine erfinderische Leistung in diesem Sinne unbekümmert um den Überraschungseffekt der gefundenen Lösung und um ausländische Patenterteilungen zu verneinen ist (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 83

BGE 114 II 82 S. 83

A.- X. ist Inhaber des Schweizer Patentes Nr. 574 026, das am 5. Februar 1974 angemeldet und am 15. Februar 1976 erteilt worden ist. Das Patent betrifft einen aus Metall bestehenden Schneehalter für Schrägdächer, die damit von der Traufe bis zum First gleichmässig bestückt werden. Nach dem Patentanspruch I ist der Halter "gekennzeichnet durch ein Profilstück mit einem Steil emporragenden Mittelstück und beidseitig daran anschliessenden Laschen, von denen eine einen mindestens annähernd 90o nach oben gerichteten Endteil aufweist". Gemäss Patentanspruch II greift dieser Endteil auf Pfannenziegeldächern unter den Rand eines höher liegenden Ziegels, der den untern, auf dem der Halter aufliegt, überlappt. Die drei Unteransprüche befassen sich insbesondere mit Befestigungsmöglichkeiten des Halters auf anderen Arten von Schrägdächern. X. lässt den von ihm entwickelten Schneehalter seit 1974 vertreiben.
Die Firma A. bringt seit 1982 "Schneestopper" auf den Markt, die dem gleichen Zweck dienen wie die Schneehalter des X., aber aus Kunststoff hergestellt sind. Einer davon weist ein senkrechtes Mittelstück und beidseits daran Laschen auf; die firstseitige Lasche ist mit einem nach oben gerichteten Endteil versehen, der in den Fussfalz des überlappenden Ziegels eingeschoben wird.

B.- Im November 1982 klagte X. gegen die Firma A. wegen Patentverletzung. Er beantragte dem Obergericht des Kantons Solothurn insbesondere, der Beklagten bei Strafe zu verbieten,
BGE 114 II 82 S. 84
seinem Patentanspruch I entsprechende Schneehalter herzustellen und zu vertreiben (Rechtsbegehren 1) und sie zu Fr. 330'000.-- Schadenersatz nebst Zins zu verurteilen (Rechtsbegehren 2).
Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und erhob Widerklage auf Feststellung, dass das Patent Nr. 574 026 nichtig sei.
Das Obergericht zog einen Gutachter bei, der die Patentwürdigkeit des vom Kläger entwickelten Schneehalters bejahte. Mit Urteil vom 12./21. Mai 1987 schloss es sich der Auffassung des Experten an, hiess das Rechtsbegehren 1 des Klägers gut und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Fr. 83'000.-- Schadenersatz nebst Zins zu bezahlen; die Widerklage wies es ab.

C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingereicht mit den Anträgen, es aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen.
Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

2. Das Streitpatent ist vor Inkrafttreten der Novelle vom 17. Dezember 1976 erteilt worden. Seine Gültigkeit ist deshalb noch nach den Bestimmungen des alten Rechts zu beurteilen (Art. 142 Abs. 2 lit. c PatG). Das gilt insbesondere für den Begriff der Erfindung und die Anforderungen, die an die Merkmale einer patentfähigen Erfindung im Sinne von Art. 1 aPatG zu stellen sind (BGE 108 II 325). Davon sind die Parteien schon im kantonalen Verfahren ausgegangen, und das Obergericht ist ihrer Auffassung zu Recht gefolgt.
a) Zum Begriff der Erfindung nach altem Recht gehört, dass die patentierte Lösung neu ist, einen klar erkennbaren technischen Fortschritt mit sich bringt und die Leistung Erfindungshöhe aufweist, d.h. nicht ohne weiteres schon von durchschnittlich gut ausgebildeten Fachleuten in normaler Fortentwicklung der Technik erbracht werden konnte, sondern einen zusätzlichen schöpferischen Aufwand erforderte (BGE 102 II 371 /72 und BGE 95 II 363 mit Zitaten). Eine Erfindung ist nur dann nicht neu, wenn sie vor der Patentanmeldung mit allen ihren Merkmalen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. a und b aPatG offenkundig oder veröffentlicht worden ist (BGE 94 II 324, BGE 93 II 510). Technischer Fortschritt sodann ist gleichbedeutend mit der Bereicherung der bestehenden technischen Mittel (BGE 71 II 318); er muss klar verwirklicht, aber nicht wesentlich sein (BGE 85 II 140 E. bb). Bei seiner Beurteilung sind
BGE 114 II 82 S. 85
die vorbekannten Lösungen der Lehre des Streitpatentes einzeln gegenüberzustellen und mit ihr zu vergleichen (BGE 92 II 52 mit Hinweisen).
Mit den durchschnittlich gut ausgebildeten Fachleuten sind Sachverständige des einschlägigen technischen Gebietes gemeint. Ob sie die angeblich neue Erfindung ohne eigenes Zutun, jedoch mit Hilfe ihres besonderen Wissens gestützt auf offenkundige oder vorbekannte Lösungen unmittelbar erkennen und wiederholen konnten, ist in erster Linie eine vom Fachmann zu beantwortende Frage. Der Richter darf sich auf dessen Auffassung stützen, wenn er keinen Grund hat, an der Sachkunde und an den Schlussfolgerungen des Fachmannes zu zweifeln. Diesfalls hat meist auch das Bundesgericht keinen Anlass, Feststellungen der Vorinstanz über technische Verhältnisse gemäss Art. 67 OG zu überprüfen. Anders verhält es sich, wenn die Auffassung des kantonalen Richters schon im Ausgangspunkt zu berichtigen ist, weil er oder bereits der gerichtliche Experte sich die technischen Fragen nicht richtig gestellt, insbesondere den Rechtsbegriff der Erfindungshöhe oder Erfahrungssätze, die bei der Ermittlung dieses Merkmals zu beachten sind, offensichtlich verkannt hat (BGE 91 II 70, BGE 89 II 163 und 173, BGE 85 II 142 und 594/95).
b) Die Rechtsprechung zu diesem Merkmal geht auf einen Entscheid aus dem Jahr 1937 zurück, mit dem das Bundesgericht die Anforderungen an den Patentschutz unter Hinweis auf die Grundgedanken des Gesetzes erhöht hat, um zu verhindern, dass technische Neuerungen, die nur einen geringen geistigen Aufwand erfordern, jahrelang monopolisiert werden können und dadurch die Handlungsfreiheit auf industriellem Gebiet übermässig beschränkt wird; die Originalität des Erfindungsgedankens sei wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und damit von der Tätigkeit des Erfinders etwas qualitativ anderes zu verlangen als vom bloss geschickten Fachmann (BGE 63 II 274 ff.). An diesen Anforderungen hat das Bundesgericht in der Folge unbekümmert um Kritik der Lehre festgehalten. Es fand, dass der Bereich des Erfinderischen erst jenseits der Zone beginne, die zwischen dem vorbekannten Stand der Technik und dem liege, was der gut ausgebildete Fachmann gestützt darauf mit seinem Wissen weiterentwickeln und noch finden könne. Entscheidend sei daher, ob ein solcher Fachmann nach all dem, was an Teillösungen und Einzelbeiträgen den Stand der Technik in seiner Gesamtheit ausmache, schon mit geringer geistiger Anstrengung auf die patentierte Lösung habe
BGE 114 II 82 S. 86
verfallen können oder ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedurft habe (BGE 89 II 109 mit Zitaten).
Bereits im Jahre 1904 hat das Bundesgericht ferner entschieden, dass das Problem als solches, die Stellung der Aufgabe, nicht patentierbar sei; Gegenstand des Patentes könne nur die Lösung sein (BGE 30 II 344 /45). Ähnlich argumentierte es 1932, als es einem Gerichtsexperten entgegenhielt, patentiert sei weder das Problem noch der beabsichtigte Zweck, sondern geschützt sei bloss das Mittel zur Erreichung des Zwecks, und auch dieses nur, soweit es durch den Patentanspruch gedeckt werde (BGE 58 II 287). Das Bundesgericht hat vereinzelt freilich eingeräumt, dass der Erfindungsgedanke ausnahmsweise schon in der Stellung der Aufgabe erblickt werden könne, sein Schutz dann aber die Angabe der Lösungsmittel erfordere, es sei denn, dass diese als bereits bekannt vorausgesetzt werden dürften; diesfalls sei mit der Aufgabe als solcher auch die technische Lösung gegeben, die dem Fachmann überlassen werden könne (BGE 81 II 296 /97 mit Zitaten). Die herrschende Lehre steht ebenfalls auf dem Boden, dass in seltenen Fällen, wo die Lösung keine Schwierigkeiten bereitet, die erfinderische Leistung schon in der Stellung der Aufgabe liegen und den Schutz rechtfertigen kann; sie warnt aber davor, die Aufgabe getrennt von der Lösung zu betrachten und für sich allein genügen zu lassen, weil dies leicht zu einer Verfälschung des allgemeinen Erfindungsbegriffes führe (BLUM/PEDRAZZINI, Schweiz. Patentrecht III, 2. Aufl. Anm. 20 zu Art. 1 und Anm. 5 zu Art. 51 PatG; TROLLER, Immaterialgüterrecht I, 3. Aufl. S. 153 und 177).
Aufschlussreich ist die Auseinandersetzung seit einigen Jahren in Deutschland, wo sich namentlich HESSE dagegen gewehrt hat, dass der Aufgabe als solcher, deren blosse Stellung noch keine erfinderische Tätigkeit sei, Patentfähigkeit beigemessen werde; sonst könnten auch triviale Lösungen Erfindungsschutz beanspruchen (GRUR 1981 S. 853 ff.). Der Bundesgerichtshof hat sich sinngemäss dem angeschlossen, indem er seitdem wiederholt festhielt, dass eine Aufgabe keine Erfindung sei; diese könne nur in ihrer Lösung liegen (GRUR 1984 S. 194 f. und 1985 S. 31 f.). Auch SCHMIEDER ist grundsätzlich der Meinung, dass nicht der Aufgabenstellung, sondern nur der Lösung Erfindungsqualität zukomme; eine neue Aufgabenstellung könne jedoch ausnahmsweise, wenn sie sich für den Fachmann nicht als selbstverständlicher Schritt erweise, eine stützende Funktion erlangen und dadurch zur Erfindungshöhe beitragen (GRUR 1984 S. 49 ff.). In ähnlichem
BGE 114 II 82 S. 87
Sinn äussert sich GRAF, der die Aufgabe in ihrem Zusammenhang mit der Lösung berücksichtigt wissen will, wenn die Erfindungshöhe zu beurteilen ist (GRUR 1985 S. 247 f.). Nach BRUCHHAUSEN dagegen erübrigen sich bei richtigem Verständnis des Aufgabenbegriffes solche Vorbehalte. Wenn man nämlich diesen Begriff von allen Elementen der Lösung, wie Lösungsansätzen, Lösungsprinzipien oder Lösungsgrundgedanken freihalte, das Problem sorgfältig von seiner Lösung scheide, sei nicht zu ersehen, dass dann das befreite Problem noch einen Beitrag einschliesse, der für die erfinderische Tätigkeit von Bedeutung sein könnte; die Problematik der "Aufgabenerfindung" erledige sich diesfalls von selbst (Festschrift 25 Jahre Bundespatentgericht, S. 125 ff.).
c) Diese Betrachtungsweise liegt genau besehen bereits BGE 58 II 287 und 30 II 344 zugrunde; an ihr ist aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit festzuhalten. Es leuchtet in der Tat ein, dass eine Aufgabe als solche noch keine Erfindung sein kann, wenn man darunter richtigerweise ausschliesslich das Problem versteht, das durch die Erfindung tatsächlich bewältigt wird; sie ist weder das Programm der Lösung noch ein Beitrag dazu (BRUCHHAUSEN S. 127). Die Aufgabe für sich allein wird denn auch nicht erfunden; sie kann höchstens gefunden und damit in der Terminologie des Patentrechts bloss entdeckt werden. Eine Entdeckung ist aber noch keine Erfindung (BGE 95 I 581 E. 3). In diesem Sinne ist das Problem auch nicht neu; es ist vielmehr stets vorhanden, zumindest latent, aber nicht offenkundig (HESSE S. 861/62, SCHMIEDER S. 550).
Die Aufgabe ist dabei allerdings in einem engeren Sinn zu verstehen, losgelöst von irgendwelchen Anregungen oder Anleitungen darüber, wie das Problem technisch zu behandeln ist. Angaben über die konstruktive Verwirklichung gehören zum Begriff der Lösung und damit zu den Erfindungselementen, welche die Patentwürdigkeit einer Fortentwicklung bestimmen oder den Entscheid über die Erfindungshöhe zumindest beeinflussen können, gleichviel ob die erfinderische Leistung nach altem oder nach neuem Recht beurteilt wird. Eine triviale Lösung beruht dagegen selbst dann nicht auf einer originellen Idee, wenn das ihr zugrunde liegende Problem verworren und seine Aufdeckung verdienstvoll ist. Das erhellt schon daraus, dass eine Erfindung nur patentierbar ist, wenn sie neu ist und eine technisch fortschrittliche Leistung mit Erfindungshöhe aufweist. Durch diese Leistung unterscheidet der Erfinder sich denn auch vom blossen Konstrukteur.
BGE 114 II 82 S. 88

3. Das Obergericht hält den Schneehalter des Klägers nicht bloss für neu und technisch fortschrittlich, sondern billigt ihm zusammen mit dem Experten auch Erfindungshöhe zu. Nach Auffassung des Experten erweist die streitige Leistung sich allerdings nur dann als schöpferisch und damit als patentwürdig, wenn die Aufgabe, die sich der Kläger gestellt hat, und die von ihm gefundene Lösung zusammen betrachtet werden. Das Obergericht seinerseits sieht die schöpferische Leistung schon darin, dass der Kläger das Problem mit seiner Erfindung verblüffend einfach gelöst habe. Es widerspricht zudem der Annahme des Experten, der streitige Schneehalter hätte 1974 vom Fachmann auch ausgehend vom damaligen Stand der Technik entwickelt werden können, andernfalls derart einfache Halter schon früher auf dem Markt erschienen wären.
a) Der technische Fortschritt des streitigen Schneehalters, der nach Auffassung des Obergerichts 1974 als neu galt, liegt unbestritten darin, dass der Halter wegen seiner einheitlichen Ausgestaltung praktisch auf allen heute üblichen Schrägdächern verwendet werden kann, gleichviel ob die Ziegel des Daches mit einem Fussfalz versehen sind, wie z.B. die Pfannenziegel, oder ob es sich um Flachziegel ohne Falz handelt, wie die Biberschwanz-, Zement- oder Eternitziegel. Bei den gefalzten, die den Grossteil ausmachen, greift der Halter mit dem Endstück der firstseitigen Lasche in den Fussfalz eines Ziegels, bei den ungefalzten wird er dagegen mit Draht am Ziegel, auf dem er liegt, oder an einer Dachlatte befestigt. Er kann selbst auf Wellblech- und Welleternitdächern angebracht werden, wo er mit einer Schraube festgehalten wird.
Der Kläger stellte sich die Aufgabe, einen allgemein verwendbaren Schneehalter zu entwickeln, dessen Verlegung im Unterschied zu vorbekannten Erzeugnissen nicht von der Form der Ziegel oder Platten eines Daches abhängt. Er hat diese Aufgabe insbesondere dadurch gelöst, dass er die firstseitige oder Befestigungslasche des Halters für alle Dächer, die mit gefalzten Ziegeln gedeckt sind, zum Einhängen im Falz am Ende nach oben gebogen hat. Die firstseitige Lasche kann wegen dieser Befestigungsmöglichkeit gegenüber vorbekannten Konstruktionen erheblich verkürzt werden, was die Standfestigkeit des Halters aber nicht beeinträchtigt, da die traufseitige Lasche der Gefahr entgegenwirkt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Halter mit Draht oder einer Schraube befestigt wird.
BGE 114 II 82 S. 89
Der gerichtliche Experte erklärte in seinen beiden Gutachten wiederholt, dass weder die gestellte Aufgabe noch die gefundene Lösung für sich allein auf die erforderliche Erfindungshöhe schliessen lasse; eine erfinderische Leistung ergebe sich nur, wenn man das dem Streitpatent "zugrunde liegende Problem und dessen Lösung gesamthaft" würdige. Damit verkennt er, dass die Aufgabe bei richtigem Verständnis dieses Begriffes kein Erfindungselement enthält, folglich auch dann keinen Beitrag zur Erfindungshöhe abzugeben vermag, wenn sich dieses Merkmal angeblich nur aus einer Gesamtwürdigung von Aufgabe und Lösung ergibt. Unter einer Erfindung ist eine Lehre zum technischen Handeln, unter der Aufgabe dagegen das technische Problem zu verstehen, das zu bewältigen ist; die erfinderische Leistung kann daher nur in der Lösung der Aufgabe liegen, und Bestandteil davon nur sein, was zur Lösung gehört (HESSE S. 854 und 856).
b) Eine andere Frage ist, ob sich aus der gefundenen Lösung eine technisch fortschrittliche Leistung mit Erfindungshöhe ergebe. Das Obergericht bejaht die Frage, hält sie in der irrtümlichen Annahme, dass die Aufgabe in die Würdigung der Lösung einzubeziehen sei, aber nicht für entscheidend. Der Experte hat sie dagegen schon in seinem ersten Gutachten mit der Begründung verneint, dass der Gegenstand des Patentanspruches I, wenn von der ihm zugrunde liegenden Aufgabe abgesehen werde, im Rahmen dessen liege, was der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann ausgehend vom Stand der Technik mit seinem Wissen und Können fortentwickeln konnte. Seine Begründung leuchtet insbesondere ein, wenn die vom Kläger beschriebenen Verwendungsmöglichkeiten mitberücksichtigt werden.
Auf den Gedanken, den Halter mit Draht oder einer Schraube an einer geeigneten Unterlage zu befestigen, konnte der Durchschnittsfachmann ohne weiteres kommen, weshalb darin zum vornherein keine erfinderische Leistung liegen kann. Mit dem Vorschlag sodann, bei gefalzten Ziegeln deren Fussfalz zur Verankerung des Schneehalters zu benutzen, verhält es sich nicht anders; auch diesfalls lässt sich weder von der Art der Befestigung noch vom Endstück, das es dazu an der firstseitigen Lasche des Halters erfordert, im Ernst sagen, die Lösung habe ausserhalb dessen gelegen, was der gut ausgebildete Fachmann nach vorbekannten technischen Erkenntnissen weiterentwickeln und finden konnte. Es handelte sich im einen wie im andern Fall nicht nur um einfache, sondern auch um naheliegende Konstruktionen, mag die Verankerung
BGE 114 II 82 S. 90
des Halters durch Einhängen in den nächsten Ziegelfalz auch neu gewesen sein, wie das Obergericht annimmt. Dies wird von der Beklagten übrigens unter Hinweis auf angeblich vorbekannte Lösungen bestritten.
Das ist auch dem Versuch der Vorinstanz entgegenzuhalten, die erforderliche Erfindungshöhe vorliegend schon "in der verblüffenden Einfachheit der gefundenen Lösung" erblicken zu wollen. Der damit angesprochene Überraschungseffekt reicht für sich allein nicht aus, um eine Leistung als schöpferisch auszugeben. Davon kann höchstens dort die Rede sein, wo mit der überraschenden Lösung gleichzeitig ein technisches Vorurteil überwunden wird (BGE 102 II 373 E. 2a, BGE 69 II 198 /99; BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 21 lit. c und Anm. 21A zu Art. 1 PatG). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Darüber hilft auch der Einwand nicht hinweg, das Bedürfnis nach einem Schneehalter, der unabhängig von der Form der Ziegel oder Platten und damit auf allen Schrägdächern verwendet werden könne, sei lange Zeit unbefriedigt geblieben. Selbst wenn das Bedürfnis, Schneehalter nach einem Muster zu vereinheitlichen, für Erfindungshöhe sprechen würde, kann es hier nicht ausschlaggebend sein, da dem angefochtenen Urteil nichts dafür zu entnehmen ist, dass die Fachwelt lange Zeit nach einer einheitlichen Lösung gesucht, sie aber nicht gefunden habe (BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 21 lit. c und Anm. 21A zu Art. 1 PatG).
c) Was zu den Einzelelementen zu sagen ist, muss auch für deren Zusammenwirken gelten; denn den Patentansprüchen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass die einzelnen Elemente sich gegenseitig in einem Zusammenspiel unterstützen, das zu einem besondern Ergebnis führen würde und damit auf eine Kombinationserfindung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schliessen liesse (BGE 92 II 55 /56, BGE 85 II 136 /37 und BGE 82 II 253). Ebensowenig liegt etwas für eine Erfindung in dem Sinne vor, dass vorbekannte Merkmale zur Erreichung einer neuen technischen Wirkung vereinigt worden wären (BGE 89 II 67, BGE 85 II 136, BGE 69 II 184 f.).
Schliesslich ist auch nicht entscheidend, dass die Patentämter Österreichs und der Bundesrepublik die Patentwürdigkeit der streitigen Erfindung angeblich bejaht haben; das hat übrigens auch das Bundesamt für geistiges Eigentum getan, da es dem Kläger dafür das Patent Nr. 574 026 erteilt hat. Die Gültigkeit eines Schweizer Patentes ist in jedem Fall unabhängig davon zu prüfen,
BGE 114 II 82 S. 91
ob die streitige Erfindung im Ausland ebenfalls patentiert worden ist oder nicht, zumal die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum alten Recht höhere Anforderungen an die Erfindungshöhe stellt, als dies z.B. in der Bundesrepublik der Fall ist (BGE 38 II 287 /88).
d) Der Entscheid des Obergerichts, das die Klage teilweise gutgeheissen hat, ist daher aufzuheben und das streitige Patent mangels Erfindungshöhe in Gutheissung der Widerklage nichtig zu erklären. Den Rechtsbegehren des Klägers ist damit der Boden entzogen, seine Klage folglich ganz abzuweisen.

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Erwägungen 2 3

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