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Urteilskopf

117 IV 286


52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Juni 1991 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons X. (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 314 und Art. 315 StGB; Konkurrenzen.
Zwischen den Tatbeständen der ungetreuen Amtsführung und der passiven Bestechung gemäss Art. 315 Abs. 1 StGB besteht überschneidende Idealkonkurrenz (E. 4b). Im Verhältnis zu Art. 315 Abs. 2 jedoch ist unechte Konkurrenz anzunehmen (E. 4c).
Art. 317 StGB; Urkundenfälschung im Amt.
Die Falschbeurkundung gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB setzt eine eindeutige schriftliche inhaltlich unrichtige Erklärung des Täters voraus. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn ein Staatsbuchhalter vom Kanton nicht geschuldete Beträge in eine kantonale (Sammel)-Zahlungsanweisung aufnimmt (E. 6c).

Sachverhalt ab Seite 287

BGE 117 IV 286 S. 287
S. war vom 1. Juli 1971 bis April 1980 Adjunkt und Stellvertreter des Staatskassenverwalters des Kantons X. Im Zuge einer Reorganisation des Finanzdepartements wurde er im Jahre 1980 hauptverantwortlicher Staatsbuchhalter. Sein Aufgabenbereich umfasste unter anderem die Liquiditätsplanung sowie die Geldanlage und -beschaffung. Im Bereich der Geldanlagen und -aufnahmen arbeitete S. vor allem mit der in Genf domizilierten Broker-Firma C. SA zusammen. Diese Firma gehörte dem Alleinaktionär L., der gleichzeitig Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer war. Mit L. und der Firma C. SA unterhielt S. auch private geschäftliche Beziehungen. Die einzelnen Anklagevorwürfe, soweit sie für das vorliegende Verfahren erheblich sind, ergeben sich aus den nachstehenden Erwägungen.
Das Kantonsgericht X. verurteilte S. am 19./21. März 1990 zweitinstanzlich wegen fortgesetzter ungetreuer Amtsführung,
BGE 117 IV 286 S. 288
wiederholter Urkundenfälschung im Amt, wiederholten Betrugs sowie fortgesetzten Sich-bestechen-Lassens zu einer Gefängnisstrafe von zwanzig Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 5'000.--.
S. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, seine Verurteilung aufzuheben und die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. a) Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht Idealkonkurrenz zwischen Art. 314 und Art. 315 StGB angenommen. Bei einer Verurteilung wegen ungetreuer Amtsführung müsse eine Verurteilung wegen passiver Bestechung entfallen.
Nach Auffassung der Vorinstanz geht es bei den Bestechungstatbeständen um die Wahrung der Sachlichkeit und Objektivität des amtlichen Handelns, die in Frage gestellt seien, wenn sich ein Amtsträger als käuflich erweise. Geschütztes Rechtsgut sei also auch das Vertrauen des Bürgers in die Pflichttreue des Amtsträgers. Art. 314 StGB schütze demgegenüber lediglich die vom betreffenden Beamten zu wahrenden öffentlichen Interessen.
b) Der Unrechtsgehalt der ungetreuen Amtsführung gemäss Art. 314 StGB liegt in der Schädigung des Staates; in der Regel handelt es sich um ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Staatswesens. Demgegenüber liegt die Tathandlung des Grundtatbestandes der passiven Bestechung gemäss Art. 315 StGB im Fordern, Annehmen oder in der Zusicherung eines dem Täter nicht gebührenden Vorteils. Die Begehung einer pflichtwidrigen Amtshandlung ist nicht Tatbestandsmerkmal; erforderlich ist einzig, dass die Tat im Hinblick auf eine künftige pflichtwidrige Amtshandlung begangen wird. Dies zeigt, dass weder der Unrechtsgehalt von Art. 314 in demjenigen von Art. 315 Abs. 1 aufgeht noch umgekehrt. Für die Konkurrenz von Art. 314 mit Art. 315 Abs. 1 StGB ist deshalb überschneidende (BGE 113 IV 67; BGE 116 IV 385) Idealkonkurrenz anzunehmen (HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 342; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, S. 760; abweichend THORMANN/VON OVERBECK, Art. 315 N 12).
c) Anders verhält es sich dagegen im Verhältnis zwischen dem qualifizierten Tatbestand von Art. 315 Abs. 2 und Art. 314 StGB. Denn die Qualifikation erfolgt gerade deswegen, weil der Täter überdies aufgrund der Bestechung die Amtspflicht verletzt hat. Zwar erfordert der Wortlaut nicht, dass die Amtspflichtverletzung
BGE 117 IV 286 S. 289
zu einer Schädigung der zu wahrenden öffentlichen Interessen führt. In der Regel wird dies jedoch der Fall sein. Berücksichtigt man, dass nach der Rechtsprechung für die Erfüllung von Art. 314 StGB auch ein ideeller Schaden genügt (BGE 114 IV 135 f. E. 1b), dann spricht dies dafür, dass mit der Bestrafung aufgrund von Art. 315 Abs. 2 auch der Unrechtsgehalt der in der Regel damit konkurrierenden ungetreuen Amtsführung abgegolten ist. Ein Gesichtspunkt dafür ist auch der erhöhte Strafrahmen von Art. 315 Abs. 2 StGB. Allerdings ist die zwingende Bussenandrohung gemäss Art. 314 Satz 2 StGB in Anwendung des Grundsatzes der Sperrwirkung des milderen Gesetzes zu beachten (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, S. 428, N 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich somit in diesem Punkte als begründet.

5. a) Mit einer Sammelzahlungsanweisung vom 7. Februar 1985 überwies der Beschwerdeführer auf das private Postcheckkonto von L. einen Betrag von Fr. 187'500.--. Gemäss Zahlungsanweisung handelte es sich dabei um "Kursdifferenzen/Courtagen" für drei verschiedene Geschäfte. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass die darin enthaltene Courtage von Fr. 62'500.-- überwiesen wurde, obwohl, wie der Beschwerdeführer wusste, L. für den zugrundeliegenden Vertrag keine Vermittlerdienste geleistet hatte. Der Beschwerdeführer habe durch Vorlage der Zahlungsanweisung den Vorsteher des Finanzdepartementes über das Bestehen einer Zahlungspflicht getäuscht und ihn damit zu einer Vermögensverfügung zu Lasten des Kantons veranlasst, wodurch diesem ein Schaden in Höhe von Fr. 62'500.-- entstanden sei. Der Beschwerdeführer habe arglistig gehandelt. Denn es habe zu seinen ständigen Aufgaben gehört, Zahlungsanweisungen, unter anderem eben auch für die Courtagezahlungen, zusammenzustellen und diese dann dem Departementsvorsteher zur Unterschrift vorzulegen. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit sei ihm bekannt gewesen, dass der Departementschef die vorgelegten Zahlungsanweisungen nicht auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfte; auch der Finanzkontrolle sei eine lückenlose Kontrolle aller Zahlungen nicht möglich. Angesichts der besonderen Vertrauensstellung, die der Beschwerdeführer als Staatsbuchhalter innegehabt habe, wie auch aufgrund der Unmöglichkeit, die materielle Richtigkeit aller Zahlungen zu kontrollieren, sei die Arglist zu bejahen.
Für eine weitere Zahlungsanweisung vom 18. April 1985 kommt die Vorinstanz zum Schluss, der Beschwerdeführer habe L. erneut
BGE 117 IV 286 S. 290
Fr. 62'500.-- überweisen lassen für einen Betrag, der ohne Vermittlungsbemühungen der C. SA oder von L. zustandegekommen sei. Betrug sei deshalb aus den gleichen Gründen wie im vorhergehenden Fall zu bejahen.
b) Die Qualifizierung dieser beiden Sachverhalte als Betrug verletzt Bundesrecht nicht. Insbesondere ist die Arglist aus dem von der Vorinstanz genannten Gründen zu bejahen. (...)

6. a) Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer in bezug auf die beiden soeben erörterten Zahlungsanweisungen auch wegen Urkundenfälschung im Amt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Eigenschaft als Beamter eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet (Falschbeurkundung im Amt).
Gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB machen sich Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens strafbar, die vorsätzlich eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkunden, namentlich eine falsche Unterschrift oder ein falsches Handzeichen oder eine unrichtige Abschrift beglaubigen. Die Vorinstanz geht davon aus, die Staatsbuchhaltung sei einer kaufmännischen Buchhaltung gleichzustellen. Zu den Belegen, welche am Urkundencharakter der Buchhaltung teilhaben, gehörten zweifellos auch die vom Beschwerdeführer erstellten Zahlungsanweisungen. Diese bildeten nicht nur Voraussetzung für den Vollzug sämtlicher Zahlungen; vielmehr seien sie auch jene Belege, mit welchen die bezahlten Courtagen frankenmässig erfasst und zu jedem späteren Zeitpunkt wieder ermittelt und nachgewiesen werden könnten. Es handle sich somit um wesentliche Belege der Staatsbuchhaltung. Die Urkundenqualität sei deshalb zu bejahen. Indem der Beschwerdeführer in diesen beiden Zahlungsanweisungen wahrheitswidrig eine Pflicht zur Zahlung von Courtagen festgehalten habe, habe er eine unwahre Urkunde hergestellt. Unwahr sei dabei nicht nur die Zahlungsanweisung selbst geworden, sondern mit der Zahlung und Verbuchung auch die entsprechenden Konti der Staatsbuchhaltung.
b) Nach der neueren Rechtsprechung zur privaten Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB liegt die im Verhältnis zur schriftlichen Lüge erhöhte Überzeugungskraft der unwahren Urkunde einzig und allein dann vor, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie vor allem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen (BGE 117 IV 35). Überträgt
BGE 117 IV 286 S. 291
man diesen Gesichtspunkt auf die Auslegung von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, so könnte man aufgrund der Tatsache, dass ein Beamter im Bereich seiner amtlichen Stellung von vornherein eine erhöhte Glaubwürdigkeit besitzt, die Anwendung von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Erwägung ziehen. Gegen diese generelle Annahme bestehen jedoch erhebliche Bedenken, wie STRATENWERTH zum Problem interner Dienstrapporte (ZStR 81/1968, 198 ff.) in Abweichung von BGE 93 IV 55 f. dargelegt hat.
Die Vorinstanz will denn auch nicht auf diesen Gesichtspunkt abstellen, sondern darauf, dass die Zahlungsanweisungen in die Staatsbuchhaltung eingegangen sind. Sie stellt dabei für das Bundesgericht verbindlich fest, dass es sich bei den fraglichen Zahlungsanweisungen um wesentliche Belege der Staatsbuchhaltung handelt.
Die Lehre geht davon aus, dass die Tathandlung der Falschbeurkundung gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 derjenigen der privaten Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB entspreche (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, S. 347 N 8 f.). Deshalb ist auch hier zwischen der blossen schriftlichen Lüge und der eigentlichen Falschbeurkundung zu unterscheiden.
c) Die Frage, wo die Grenzziehung insoweit zu ziehen ist, kann vorliegend offenbleiben. Denn der Vorgang der Beurkundung im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB setzt zumindest eine eindeutige schriftliche inhaltlich unrichtige Erklärung des Täters voraus. Diese könnte vorliegend nur darin liegen, dass der Beschwerdeführer zweimal in Zahlungsanweisungen Beträge aufgenommen hat, die der Kanton nicht schuldete. Eine ausdrückliche schriftliche Erklärung des Inhalts, der Beschwerdeführer bestätige hiermit, dass der Kanton diese beiden Beträge schulde, kann in einer (Sammel-)Zahlungsanweisung nicht liegen. Dass er anderweitig eine solche Erklärung abgegeben habe, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Zahlungsanweisung lediglich ein Verfügungs-, nicht aber ein Verpflichtungsgeschäft darstellt. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich deshalb insoweit als begründet.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 4 5 6

Referenzen

BGE: 113 IV 67, 116 IV 385, 114 IV 135, 117 IV 35 mehr...

Artikel: Art. 314 und Art. 315 StGB, Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 315 Abs. 1 StGB, Art. 315 Abs. 2 und Art. 314 StGB mehr...