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Urteilskopf

83 II 507


68. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Dezember 1957 i.S. Balmer gegen Schwarz und Mitkläger.

Regeste

Ungültigkeitsklage bei Verfügungen von Todes wegen.
Art. 519 ff. ZGB.
Aktivlegitimation und Anfechtungsinteresse.
Es ist grundsätzlich nicht unerlässlich, alle den erbrechtlichen Ansprüchen der Kläger entgegenstehenden Testamente auf einmal anzufechten.

Sachverhalt ab Seite 507

BGE 83 II 507 S. 507
Aus dem Tatbestand:
Der am 5. Januar 1954 als Witwer ohne Nachkommen verstorbene Robert Dietrich-Schwarz hatte durch öffentliches Testament vom 19. Januar 1950 u.a. die Kläger
BGE 83 II 507 S. 508
Nr. 1-3 oder ihre Rechtsvorgänger als Erben eingesetzt und verschiedene Personen, worunter die Klägerin Nr. 4, mit Vermächtnissen bedacht. Mit eigenhändiger Verfügung vom 6. November 1953 hob er dieses Testament ohne Ersatz auf. Endlich errichtete er am 4. Dezember 1953 ein öffentliches Testament, mit dem er alle frühern Testamente aufhob und die Beklagte als Alleinerbin einsetzte.
Die vorliegende Ungültigkeitsklage richtet sich nur gegen das letzte Testament. Die Kläger behielten sich die spätere Anfechtung des vorletzten, eigenhändigen Testamentes vor.
Gegen das die Klage gutheissende kantonale Urteil hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Hauptantrag auf Abweisung der Klage.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:
Zunächst erhebt sich die vom Appellationshof über gangene Frage der Aktivlegitimation der Kläger (die das Bundesgericht als materiellrechtliche Voraussetzung des eingeklagten Anspruches zu prüfen hat, vgl. BGE 74 II 216). Nach Art. 519 Abs. 2 ZGB kann die Testamentsungültigkeitsklage von jedermann erhoben werden, "der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde". Solche erbrechtlichen Ansprüche leiten die Kläger nun nicht aus dem zweitletzten, sondern aus dem drittletzten Testament her. Dieses kommt aber erst zur Geltung, wenn ausser dem letzten auch das zweitletzte Testament wegfällt. Deshalb erscheint ihre Aktivlegitimation vorerst als zweifelhaft, da ihnen die Anfechtung bloss des letzten Testamentes die aus dem drittletzten hergeleiteten erbrechtlichen Ansprüche nicht unmittelbar zu verschaffen vermag (vgl. ESCHER, 2. Auflage, N. 3, und TUOR, 2. Auflage, N. 8-10 zu Art. 519 ZGB; STEINER, Das Erfordernis des richterlichen Urteils für die Ungültigerklärung ..., S. 13, 15/16 und 81 ff.). Formuliert man aber, was als richtig erscheint, die Frage nach der Aktivlegitimation einfach dahin, wer zur Geltendmachung von Gründen der Ungültigkeit des hier angefochtenen
BGE 83 II 507 S. 509
letzten Testamentes berechtigt sei, so ist diese subjektive Voraussetzung der Ungültigkeitsklage (vgl. MÜLLER, Die Ungültigkeitsklage bei den Verfügungen von Todes wegen, S. 76/77) in der Person der Kläger gegeben. Denn sie sind es, die, um die ihnen vom Erblasser früher zuerkannten erbrechtlichen Ansprüche zur Geltung zu bringen, eben in erster Linie das letzte Testament anfechten müssen.
Indessen tritt zu der Frage der Aktivlegitimation die weitere Frage hinzu, ob es den Klägern gestattet gewesen sei, die beiden ihren erbrechtlichen Ansprüchen entgegenstehenden Testamente stufenweise, zuerst nur das letzte und dann erst das zweitletzte, anzufechten. Diesem Vorgehen steht rechtlich nichts entgegen, da das ZGB eine stufenweise Anfechtung mehrerer Testamente nicht verpönt, so sehr unter Umständen aus Gründen der Prozessökonomie die gleichzeitige Anfechtung aller Testamente, die den erbrechtlichen Ansprüchen eines Klägers entgegenstehen, erwünscht ist. Die vorliegende Klage ist somit nicht ohne weiteres deshalb unzulässig, weil sie sich nur gegen das letzte Testament des Erblassers richtet. Den Klägern blieb vorbehalten, das zweitletzte später anzufechten, sei es während der Hängigkeit des vorliegenden Prozesses, sei es auch erst nach dessen Beendigung, freilich auf die Gefahr hin, durch solches Zuwarten die zweite Anfechtungsklage verjähren zu lassen.
Im Hinblick darauf ist nicht ausgeschlossen, dass die vorliegende Klage in Wahrheit des rechtlichen Interesses ermangelt: dann nämlich, wenn das Recht zur Anfechtung des zweitletzten Testamentes verjährt sein sollte und aus diesem Grunde die auf das drittletzte Testament gestützten erbrechtlichen Ansprüche der Kläger auch bei erfolgreicher Beendigung des vorliegenden Prozesses nicht mehr durchgesetzt werden könnten. Indessen ist solche Verjährung nicht erwiesen und von der Beklagtschaft im vorliegenden Prozess auch nicht eingewendet worden. In dieser Hinsicht trifft die Kläger keine Behauptungs- und Beweislast, zumal
BGE 83 II 507 S. 510
eine Verjährung überhaupt nur auf Einrede hin zu berücksichtigen ist (Art. 142 OR). Daher lässt sich der vorliegenden Klage nicht entgegenhalten, es fehle dazu wegen möglicherweise versäumter Anfechtung auch des vorletzten Testamentes am Nachweis eines rechtlichen Interesses der Kläger. Unter diesen Umständen hatte der Appellationshof keine Veranlassung, die Frage der Verjährung einer das vorletzte Testament betreffenden Ungültigkeitsklage ins Auge zu fassen (Beginn der Frist; allfällige Hemmung der Verjährung bis zur rechtskräftigen Aufhebung des letzten Testamentes, welches an die Stelle des vorletzten trat; kurze oder lange Frist nach Art. 521 Abs. 1 und 2 ZGB), ganz abgesehen davon, dass im angefochtenen Urteil unerwähnt gebliebene Parteierklärungen und andere dem Appellationshof bekannte Tatsachen eine derartige Verjährung ausschliessen mögen (was das völlige Schweigen des Urteils über die Frage des Anfechtungsinteresses der Kläger erklären würde).

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Referenzen

Artikel: Art. 519 ff. ZGB, Art. 519 Abs. 2 ZGB, Art. 142 OR, Art. 521 Abs. 1 und 2 ZGB