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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_433/2017  
 
 
Urteil vom 1. Mai 2019  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin De Sépibus. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Swisscom (Schweiz) AG, 
2. CT Cinetrade AG, 
3. Teleclub AG, 
Beschwerdeführerinnen, 
alle drei vertreten durch Dr. Marcel Meinhardt und Dr. Frank Bremer, Rechtsanwälte, 
 
gegen  
 
Sunrise Communications AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Marquard Christen und Mauro Nicoli, Rechtsanwälte, 
 
Wettbewerbskommission. 
 
Gegenstand 
Kartellverfahren; Parteistellung, 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom 21. März 2017 
(B-4003/2016). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 9. Mai 2016 sanktionierte die Wettbewerbskommission (WEKO) Teleclub AG, CT Cinetrade AG und Swisscom (Schweiz) AG wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 7 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 (KG, SR 251) auf dem Markt für Übertragungen von Spielen schweizerischer sowie ausländischer Fussball- und Eishockey-Ligen im Pay-TV und auferlegte ihnen eine Sanktion von Fr. 71'818'517.-. 
Dagegen erhoben die drei Gesellschaften am 24. Juni 2016 Beschwerde (nachfolgend "Sanktionsbeschwerde") vor dem Bundesverwaltungsgericht und beantragten die vollständige Aufhebung, eventuell Änderung und subeventuell die Rückweisung an die Vorinstanz. Dieses Verfahren ist derzeit noch hängig (Verfahren B-4003/2016; nachfolgend "Sanktionsbeschwerdeverfahren"). 
 
B.  
Sunrise Communications AG hat sich vor der WEKO gestützt auf Art. 43 KG am Verfahren beteiligt. Vor Bundesverwaltungsgericht hat sie beantragt, als Verfügungsgegnerin, zumindest aber als "andere Beteiligte" zur Vernehmlassung zugelassen zu werden. 
Mit Zwischenentscheid vom 21. März 2017 (anschliessend "Zwischenverfügung") hat das Bundesverwaltungsgericht die Beteiligung von Sunrise Communications AG am Sanktionsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gutgeheissen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 8. Mai 2017 beantragen die Beschwerdeführerinnen die Aufhebung der Zwischenverfügung. Die Beschwerdegegnerin sei nicht am Beschwerdeverfahren vor Bundesverwaltungsgericht zu beteiligen. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu zuerkennen. 
Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 beantragt die Beschwerdegegnerin, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen, subeventualiter sei sie zur Wahrung des rechtlichen Gehörs als Beteiligte ohne Parteistellung in das Sanktionsbeschwerdeverfahren miteinzubeziehen, die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen einschliesslich Beilagen sowie das Schreiben der Beschwerdeführerinnen vom 5. Juli 2016 seien ihr zur Kenntnis zu bringen und es sei ihr Frist zur Vernehmlassung anzusetzen. 
Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 beantragt das Bundesverwaltungsgericht, nicht auf die Beschwerde einzutreten. Die WEKO verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Sunrise Communications AG beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen und subeventuell sie als Beteiligte ohne Parteistellung in das Verfahren einzubeziehen. 
Es wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt. 
Mit Verfügung vom 8. Juni 2017 hat das Bundesgericht die beantragte aufschiebende Wirkung der Beschwerde abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Kartellrechts zulässig (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG, BGE 136 II 60 E. 1 S. 62). Die beschwerdeführenden juristischen Personen sind direkte Adressatinnen des angefochtenen Entscheides; sie werden durch den Entscheid beschwert und haben insofern ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Sie sind zur Beschwerdeerhebung grundsätzlich berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Beschwerden sind primär zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), sei es insgesamt, sei es unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich eines Teils (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide nach Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde nur dann zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.3. Bei dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach lit. a muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Das setzt voraus, dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt. Rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens reichen nicht aus (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80 f.; 140 V 321 E. 3.6 S. 326), denn das Bundesgericht soll sich grundsätzlich nur einmal mit einem Fall befassen müssen und diesen hierbei insgesamt beurteilen können. Deshalb sind Ausnahmen von diesem Grundsatz restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn der Zwischenentscheid zusammen mit dem Endentscheid anfechtbar ist (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG; Urteil 2C_888/2016) vom 15. Oktober 2018, E. 1.2.5).  
 
2.  
 
2.1. Zu prüfen ist vorliegend, ob die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt sind. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass ihnen aufgrund der Zulassung der Beschwerdegegnerin zum Sanktionsbeschwerdeverfahren ein nicht wiedergutzumachender rechtlicher Nachteil dadurch entstehe, weil die Beschwerdegegnerin damit Zugang zu Geschäftsgeheimnissen erhalte, an denen ein objektives Geheimhaltungsinteresse bestehe.  
 
2.2. Die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sei durch das Urteil des Bundesgerichtes in der Rechtssache  Nikon begründet worden, welches den Schutzumfang von Geschäftsgeheimnissen reduziert habe (vgl. BGE 142 II E. 5.1. und 5.2, S. 268). Gemäss dieser Rechtsprechung seien Geschäftsgeheimnisse, die im Zusammenhang mit kartellrechtlich vorgeworfenen Verhaltensweisen stehen, nicht mehr schutzfähig. Dies habe zur Folge, dass für viele Tatsachen, an denen ein objektives Geheimhaltungsinteresse bestehe, wegen ihres Zusammenhanges mit den vorgeworfenen kartellrechtlichen Verhaltensweisen kein Geheimhaltungsinteresse mehr geltend gemacht werden könne. Indem die Beschwerdegegnerin zum Verfahren zugelassen und ihr somit die Möglichkeit zur Ausübung des Akteneinsichtsrechts gegeben werde, könne eine Offenlegung von schützenswerten Geschäftsgeheimnissen nicht ausgeschlossen werden.  
 
2.3. Würde nämlich die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen im Hauptverfahren gutgeheissen und mithin festgestellt, dass die ihnen von der WEKO vorgeworfenen Verhaltensweisen ganz oder teilweise kartellrechtskonform waren, bestünde wegen fehlender kartellrechtlicher Relevanz rückblickend ein legitimes Geheimhaltungsinteresse an zuvor als schutzunwürdig angesehenen Geschäftsgeheimnissen bzw. könnten diese wieder geltend gemacht werden. Soweit die Beschwerdegegnerin aber in der Zwischenzeit Akteneinsicht erhalten habe, könne der ihr mit der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verbundene rechtliche Nachteil nicht wiedergutgemacht werden.  
 
2.4. Die Ansicht, dass mit der Einräumung von Parteirechten den Beschwerdeführerinnen ein rechtlich nicht wiedergutmachbarer Nachteil entstehe, ist unbegründet.  
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin mit der angefochtenen Verfügung am Sanktionsbeschwerdeverfahren beteiligt wird. Mit der Erteilung des Beteiligungsrechts Dritter wird besonders von Marktmissbrauch Betroffenen ermöglicht, sich an Kartellverwaltungsverfahren zu beteiligen, indem sie insbesondere Antrags-, Anhörungs- oder Beschwerderechte ausüben können. Über die Verfolgung ihrer Eigeninteressen hinaus, tragen sie damit zu einer Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen der Behörden bei und erhöhen damit die Gewähr der sachlichen Richtigkeit der am Ende des Verfahrens ergehenden Entscheidung (vgl. Philippe Borens, Die Rechtsstellung Dritter im Kartellverwaltungsverfahren, 2000, S. 107 ff.). 
 
2.5. Mit der Einräumung von Beteiligungsrechten steht Dritten grundsätzlich auch das Akteneinsichtsrecht zu. Mit der Zulassung der Beschwerdegegnerin zum Verfahren wird aber noch kein Entscheid über den Umfang dieses Akteneinsichtsrechts und mithin der möglichen Offenbarung schützenswürdiger Geschäftsgeheimnisse gefällt.  
 
2.6. Weiter geht auch das Argument der Beschwerdeführerinnen fehl, dass mit dem Urteil des Bundesgerichtes in der Rechtssache  Nikon (vgl. BGE 142 II E. 5.1. und 5.2, S. 268) der Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen des Akteneinsichtsrechts nicht mehr vollumfänglich gewährleistet wäre, weshalb der Beschwerdegegnerin keine Parteistellung eingeräumt werden dürfe.  
In diesem Entscheid beurteilte das Bundesgericht, ob Geschäftsgeheimnisse, die einen kartellrechtswidrigen Inhalt haben oder Tatsachen, welche das kartellrechtswidrige Verhalten belegen, bei der Publikation von Verfügungen der WEKO zu schützen seien. Es hielt diesbezüglich fest, dass nur Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Geheimnisherr ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse habe, schutzfähig seien (vgl. BGE 142 II 268, E. 5.2.2.2). Dies sei insbesondere dann zu bejahen, wenn die Geheimhaltung solcher Tatsachen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen bzw. zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbs als solchem dienten. Verneint wurde hingegen die Schutzfähigkeit von Handlungen, die kartellrechtlich verpönt sind (vgl. BGE 142 II 268, E. 5.2.2.3). 
 
2.7. Die Frage, in welchem Umfang Geschäftsgeheimnisse, die einen kartellrechtswidrigen Inhalt haben oder Tatsachen, welche das kartellrechtswidrige Verhalten belegen, im Rahmen des Akteneinsichtsrechts die Schutzwürdigkeit abzuerkennen sei, war nicht Gegenstand des Urteils  Nikon. Die in diesem Urteil erfolgten Erörterungen erfolgten ausschliesslich im Zusammenhang mit der Publikation von Verfügungen der WEKO.  
 
2.8. In welchem Umfang Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführerinnen im Rahmen des Akteneinsichtsrecht die Schutzfähigkeit abzuerkennen sei, muss hier nicht beantwortet werden. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass zugelassene Parteien ein Anrecht auf Akteneinsicht haben, sowohl in entlastende als auch belastende Akten, die den Wettbewerbsbehörden zum Nachweis der angeblichen Zuwiderhandlungen dienen [vgl. Philippe Borens, Die Rechtsstellung Dritter im Kartellverwaltungsverfahren, 2000, S. 76).  
 
2.9. Das Akteneinsichtrecht gilt dabei nicht absolut. Vielmehr wird die Einsichtnahme gemäss Art. 27 VwVG dann verweigert, wenn wesentliche private Interessen die Geheimhaltung erfordern (vgl. Urteil 2C_1009/2014 vom 6. Juli 2015, E. 3.3). Damit Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden können, werden die betroffenen Unternehmen aufgefordert, diejenigen Tasachen anzugeben, welche sie als Geschäftsgeheimnisse erachten. Kommt es zu keiner Einigung, so wird über den Umfang von Geschäftsgeheimnissen in der Form einer Zwischenverfügung entschieden (vgl. Simon Bangerter: in Basler Kommentar zum Kartellgesetz, N. 62 f zu Art. 25 KG).  
 
2.10. Gegen einen Entscheid zum Umfang des Akteneinsichtsrechts steht grundsätzlich die Beschwerde an das Bundesgericht offen (vgl. Urteil 2C_1009/2014 vom 6. Juli 2015, E. 3.3). Folglich kann keine Rede davon sein, dass den Beschwerdeführerinnen durch die Zulassung der Beschwerdegegnerin zum Verfahren ein rechtlich nicht wiedergutzumachender Nachteil drohe, der nicht im Rahmen eines Entscheids zum Umfang des Akteneinsichtrechts gänzlich behoben werden könnte.  
 
3.   
Die Beschwerdeführerinnen führen des Weiteren aus, dass ihnen ein nicht wiedergutmachbarer Nachteil rechtlicher Natur dadurch entstehe, dass die Beschwerdegegnerin durch ihre Beteiligung am Beschwerdeverfahren die Beschwerdeberechtigung gegen den späteren Beschwerdeentscheid in der Hauptsache des Bundesverwaltungsgerichts erlangen könne. 
Die Möglichkeit, das Verfahren bzw. seine Ergebnisse zu beeinflussen, stellt keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur dar. Dieser ergibt sich auch nicht daraus, dass ein für die Beschwerdeführerinnen günstiger Entscheid im Sanktionsbeschwerdeverfahren nicht in Rechtskraft erwächst. Es besteht grundsätzlich kein schützenswerter Anspruch auf einen mit Rechtsmängeln behafteten Entscheid. Wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung sind dies rein tatsächliche Nachteile, die nicht durch Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG geschützt sind (vgl. dazu auch Urteil 2C_I009/2014 vom 6. Juli 2015, E. 3.1, E 3.2). 
 
4.  
Nach dem Gesagten wird auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht eingetreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin wird eine Parteientschädigung von Fr. 3000.- zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerinnen haben der Sunrise Communications AG für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.- auszurichten. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Wettbewerbskommission, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II, und dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Mai 2019 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: De Sépibus