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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_377/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. Oktober 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtlicher Bundesrichter Benz, 
Gerichtsschreiber Zähndler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Erbengemeinschaft A.________, bestehend aus: 
 
1. B.A.________, 
2. C.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt David Gruber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Wallis. 
 
Gegenstand 
Kantonssteuer und direkte Bundessteuer 2011, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 16. November 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Entsprechend der Eingabe der Steuerverwaltung des Kantons Wallis vom 12. Dezember 2011 enthielt das öffentliche Inventar vom 6. März 2012 betreffend den Nachlass von A.________, der am 21. Oktober 2011 verstorben war, Forderungen für die Kantons- und die direkte Bundessteuer von insgesamt Fr. 174'093.90. Dabei trugen die Forderungen für die direkte Bundessteuer 2011 in Höhe von Fr. 1'462.20 und für die Kantonssteuer 2011 in Höhe von Fr. 5'970.60 den Vermerk "provisorisch (pro rata) ". 
Die Erben B.A.________ und C.A.________ nahmen die Erbschaft unter öffentlichem Inventar an. In ihrer Eigenschaft als Erben von A.________ reichten sie für das Steuerjahr 2011 vorerst keine Steuererklärung ein, sondern holten dies erst im August 2015 im Rahmen des Veranlagungsverfahrens nach. Mit definitiver Veranlagung vom 3. September 2015 legte die Steuerverwaltung des Kantons Wallis die Kantonssteuer 2011 auf Fr. 43'369.50 und die direkte Bundessteuer 2011 auf Fr. 24'744.25 fest. 
 
B.   
Hiergegen erhoben die Erben ohne Erfolg Einsprache. Auch ein daraufhin eingereichter Rekurs wurde mit Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 16. November 2016 abgewiesen. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 19. April 2017 führen B.A.________ und C.A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 16. November 2016 aufzuheben. In der Sache beantragen die Erben sinngemäss, die Steuerforderungen für die Periode 2011 seien entsprechend den Beträgen im öffentlichen Inventar vom 6. März 2012 festzusetzen. 
Die Steuerverwaltung des Kantons Wallis und die Eidgenössische Steuerverwaltung (diese nur für die direkte Bundessteuer) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
Mit Schreiben vom 5. Juli 2017 wurde den Beschwerdeführern das Vernehmlassungsergebnis mitgeteilt. Innert der hierfür angesetzten Frist erfolgte keine weitere (fakultative) Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend die direkten Steuern des Kantons und des Bundes. Dagegen steht gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14) und mit Art. 150 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Wallis vom 10. März 1976 (StG/VS; SGS 642.1) bzw. mit Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen.  
 
1.2. Die Vorinstanz hat die Verfahren betreffend Kantonssteuer und direkte Bundessteuer vereinigt und einen einzigen Entscheid gefällt. Die Beschwerdeführer fechten diesen Entscheid mit einer einzigen Beschwerdeeingabe an. Das ist zulässig, sofern in der Beschwerde zwischen den beiden Steuerarten unterschieden wird und aus den Anträgen hervorgeht, inwieweit diese angefochten sind und wie zu entscheiden sei (vgl. BGE 135 II 260 E. 1.3.2 S. 264 f.; 131 II 555 E. 4.2 S. 559). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, sodass auch das Bundesgericht die Beschwerde betreffend beide Steuerarten in einem einzigen Urteil behandelt.  
 
1.3. Mit dem Tod des Steuerpflichtigen treten die Erben von Gesetzes wegen in seine Rechte und Pflichten ein (Universalsukzession gemäss Art. 560 Abs. 1 ZGB bzw. Art. 12 Abs. 1 DBG [vgl. E. 2 hiernach]; Urteile 2C_342/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 1.2.1; 2C_140/2012 vom 2. August 2012 E. 3.2). Die Beschwerdeführer sind als Erben gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf das im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Rechtsmittel ist einzutreten.  
 
2.   
Gemäss Art. 8 Abs. 2 DBG bzw. Art. 5bis Abs. 2 StG/VS endet die Steuerpflicht mit dem Tode des Steuerpflichtigen. Stirbt der Steuerpflichtige, so treten seine Erben in seine Rechte und Pflichten ein. Sie haften solidarisch für die vom Erblasser geschuldeten Steuern bis zur Höhe ihrer Erbteile, mit Einschluss der Vorempfänge (Art. 12 Abs. 1 DBG; Art. 9 Abs. 1 StG/VS). 
 
Übernimmt ein Erbe die Erbschaft unter öffentlichem Inventar, so gehen die Schulden des Erblassers, die im Inventar verzeichnet sind, und die Vermögenswerte auf ihn über (Art. 589 Abs. 1 ZGB). Dagegen sind gemäss Art. 590 Abs. 1 ZGB die Erben weder persönlich noch mit der Erbschaft den Gläubigern des Erblassers haftbar, deren Forderungen aus dem Grunde nicht in das Inventar aufgenommen worden sind, weil sie deren Anmeldung versäumt haben. 
Die Art. 589 f. ZGB finden auf öffentlich-rechtliche Forderungen indes nur Anwendung, wenn das öffentliche Recht die Geltung dieser Bestimmungen ausdrücklich vorbehält (BGE 132 I 117 E. 5.1 S. 121 f.; 102 Ia 483 E. 5c und E. 6 S. 489 ff.). Dies ist im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht der Fall. Im Gegenteil: Gemäss Art. 165 Abs. 4 DBG müssen Steuerforderungen in öffentlichen Inventaren nicht angemeldet werden. Art. 165 StG/VS statuiert analog, dass eine Eingabe der Steuerforderung in öffentliche Inventare und auf Rechnungsrufe nicht erforderlich ist. Diese Regelung des eidgenössischen und des kantonalen Gesetzgebers erscheint naheliegend und sachgerecht: Das öffentliche Inventar bezweckt den Schutz vor Überraschungen. Für einen solchen Schutz besteht im vorliegenden Zusammenhang jedoch keine Notwendigkeit; das Bestehen von Steuerforderungen gegenüber dem Erblasser stellt keine Überraschung sondern vielmehr die Regel dar. Bereits rechtskräftig veranlagte Steuern ergeben sich zumeist auch aus den Papieren des Erblassers und aus öffentlichen Büchern (Steuerregister). Für noch nicht rechtskräftig veranlagte Steuern ist eine Anmeldepflicht von vornherein nicht praktikabel (BGE 102 Ia 483 E. 6b/cc S. 490). 
 
3.  
 
3.1. Die Erben bestreiten nicht, dass sie für die Steuerforderung 2011 haften würden, wenn die Behörde diese überhaupt nicht für das öffentliche Inventar angemeldet hätte. Die Beschwerdeführer rügen dagegen, dass die Steuerverwaltung proaktiv eine Forderung für die direkte Bundessteuer 2011 in Höhe von Fr. 1'462.20 und für die Kantonssteuer 2011 in Höhe von Fr. 5'970.60 mit dem Vermerk "provisorisch (pro rata) " aufnehmen liess, zumal dies bei ihnen eine konkrete Erwartung geweckt habe, die später durch die hohe Nachforderung aufgrund der definitiven Steuerrechnung enttäuscht worden sei, welche die Steuerverwaltung erst vier Jahre später - im Jahr 2015 - erstellt habe. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie nicht hätten erkennen können, dass die provisorische Steuerforderung für das Jahr 2011 unrichtig sei, weshalb sie den angemeldeten Betrag als verbindlich hätten einstufen dürfen. Gestützt darauf hätten sie die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen.  
 
3.2. Nach dem in Art. 9 BV verankerten Grundsatz von Treu und Glauben kann eine unrichtige Auskunft, welche eine Behörde dem Bürger erteilt, unter gewissen Umständen Rechtswirkungen entfalten. Voraussetzung dafür ist, dass: a) es sich um eine vorbehaltlose Auskunft der Behörden handelt; b) die Auskunft sich auf eine konkrete, den Bürger berührende Angelegenheit bezieht; c) die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, dafür zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; d) der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres hat erkennen können; e) der Bürger im Vertrauen hierauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat; f) die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunftserteilung; g) das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts dasjenige am Vertrauensschutz nicht überwiegt (BGE 141 V 530 E. 6.2 S. 538; 137 II 182 E. 3.6.2 S. 193 jeweils mit Hinweisen). Vertrauensschutz setzt nicht zwingend eine unrichtige Auskunft oder Verfügung voraus; er lässt sich auch aus einer blossen behördlichen Zusicherung und sonstigem, bestimmte Erwartungen begründendem Verhalten der Behörden herleiten (BGE 143 V 95 E. 3.6.2 S. 103; BGE 111 Ib 116 E. 4 S. 124; Urteil 8C_914/2015 vom 9. Mai 2016 E. 5.3).  
 
3.3. Vorliegend scheitert eine Anrufung des Vertrauensschutzes jedenfalls an der ersten (a) und an der fünften (e) Voraussetzung:  
 
3.3.1. Nach Art. 162 Abs. 1 DBG wird die direkte Bundessteuer entsprechend der Veranlagung bezogen; ist die Veranlagung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer noch nicht vorgenommen worden, so erfolgt der Steuerbezug vorerst provisorisch; Grundlage dafür ist die Steuererklärung, die letzte Veranlagung oder der mutmasslich geschuldete Steuerbetrag. Eine analoge Regelung für die Kantonssteuer enthält Art. 162 Abs. 1 StG/VS. Da bei der Gegenwartsbemessung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer noch nicht alle Steuererklärungen eingereicht geschweige denn verarbeitet sind, kann der Bezug nicht auf der Grundlage einer definitiven Veranlagung vorgenommen werden; den provisorischen Rechnungen aufgrund der eingereichten (und noch ungeprüften) Steuererklärungen liegt daher eine provisorische Veranlagung zugrunde, welche regelmässig die definitive Veranlagung vorbehält (Urteil 2C_586/2010 vom 24. März 2011 E. 3). Schon aufgrund dieser Ausgangslage musste den Erben klar sein, dass die Steuerbeträge für das Todesjahr des Erblassers noch gar nicht definitiv veranlagt sein können: Die Erben hatten die dafür notwendige Steuererklärung 2011 erst im Jahr 2015 eingereicht.  
Hinzu kommt vorliegend, dass sich aus dem ausdrücklichen Vermerk der Steuerforderungen für das Steuerjahr 2011 als provisorisch im öffentlichen Inventar zweifelsfrei ergibt, dass es sich bei den angemeldeten Steuerforderungen des Jahres 2011 nicht um den zu erwartenden endgültigen Steuerbetrag handelt. Die Erben mussten damit rechnen, dass die definitive Steuerrechnung je nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen massiv von der provisorischen Rechnung abweichen wird. Von einer konkreten behördlichen Auskunft über den zu erwartenden definitiven Steuerbetrag oder von einem behördlichen Handeln, aus dem sich eine konkrete Steuerforderung für das Jahr 2011 herleiten liesse, kann hier keine Rede sein. 
 
3.3.2. Die Beschwerdeführer behaupten wohl, dass sie aufgrund der provisorischen Anmeldung der Steuerforderung die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen hätten. Demgegenüber machen sie aber gerade nicht geltend, dass sie das Erbe ausgeschlagen hätten, wenn sie mit einer hohen Steuernachforderung gerechnet hätten. Hierzu hätte für die Beschwerdeführer auch kaum Anlass bestanden: Wie bereits ausgeführt (vgl. E. 2 hiervor), haften die Erben bei Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar für nicht aufgenommene Forderungen zivilrechtlich entweder überhaupt nicht (bei Säumnis der Gläubiger; Art. 590 Abs. 1 ZGB) oder nur im Umfang der Bereicherung aus der Erbschaft (bei unverschuldeter Unterlassung der Gläubiger; Art. 590 Abs. 2 ZGB). Auch für die vom Erblasser geschuldeten Steuern haften die Erben nur bis zur Höhe ihrer Erbteile, mit Einschluss der Vorempfänge (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DBG; Art. 9 Abs. 1 StG/VS). Deshalb liegt nicht auf der Hand, inwiefern den Beschwerdeführern ein nicht wieder gutzumachender Nachteil daraus entstanden sein könnte, dass sie das Erbe unter öffentlichem Inventar angenommen haben, soweit sie denn diese Entscheidung tatsächlich aufgrund des Vermerks der provisorischen Steuerforderungen im öffentlichen Inventar getroffen haben. Vielmehr ist bei dieser Sachlage davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer die Erbschaft auch angenommen hätten, wenn sie um die deutlich höheren Steuern für das Steuerjahr 2011 gewusst hätten.  
 
 
4.   
Diese Erwägungen führen zur Abweisung der Beschwerde sowohl hinsichtlich der direkten Bundessteuer als auch hinsichtlich der Kantonssteuer. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird betreffend die direkte Bundessteuer abgewiesen. 
 
2.   
Die Beschwerde wird betreffend die Kantonssteuer abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'700.-- werden den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Zähndler