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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_188/2019  
 
 
Urteil vom 5. April 2019  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd 
Bundesrichterin Aubry Girardin 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Martin Zwahlen, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons 
Solothurn, Migrationsamt. 
 
Gegenstand 
Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 23. Januar 2019 (VWBES.2018.473). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geboren 1963) ist Staatsangehörige von Thailand. Sie reiste am 10. November 1994 in die Schweiz ein, heiratete einen Schweizer Bürger und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung und später die Niederlassungsbewilligung. Im Jahr 1998 zog sie ihre beiden Kinder (geboren 1986 und 1989) nach und trennte sich von ihrem Ehemann; die Scheidung erfolgte 2003. Während ihres Aufenthalts wurde A.________ wiederholt straffällig und insgesamt fünfmal verurteilt, zuletzt mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 16. Mai 2018 wegen Menschenhandel, mehrfacher Förderung der Prostitution etc. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 10.-- und einer Busse von Fr. 300.--. Zudem musste sie u.a. vom 22. Januar 2003 bis 1. Juli 2005 mit Fr. 49'632.10 von der Sozialhilfe unterstützt werden. Im Betreibungsregister Thal-Gäu ist sie mit 27 offenen Verlustscheinen im Gesamtbetrag von Fr. 38'733.55 verzeichnet. Wegen ihrer Straffälligkeit und des Sozialhilfebezugs wurde sie im Juni 2005 verwarnt.  
 
1.2. Nach der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrief das Migrationsamt des Kantons Solothurn am 5. Dezember 2018 die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies sie aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn am 23. Januar 2019 ab.  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 21. Februar 2019 beantragt A.________ dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, eventualiter sie die Sache zum Neuentscheid zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Mit Verfügung vom 25. Februar 2019 trat der Abteilungspräsident auf das Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht ein.  
 
2.  
Die gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4), aber offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid abzuweisen ist. 
 
2.1. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kognition des Bundesgerichts auf die in Art. 95 f. BGG genannten Rechtsverletzungen und die unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 BGG) beschränkt ist und neue Tatsachen und Beweismittel nur soweit vorgebracht werden dürfen, als der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Bundesgericht verfüge über volle Kognition und neue Vorbringen seien unbeschränkt zulässig, nur weil sie im vorinstanzlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, ist offensichtlich unzutreffend.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren unbestrittenermassen einen Widerrufsgrund gesetzt (Art. 62 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. a AIG [SR 142.20]; BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss aber verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AIG; Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Massgebliche Kriterien der Verhältnismässigkeitsprüfung sind unter anderem die Schwere des Delikts, das Verschulden, die Dauer der Anwesenheit und der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse sowie die Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat (BGE 139 I 16 E. 2.2 S. 19 ff.; 139 I 31 E. 2.3 S. 33 ff.). Bei schweren Straftaten muss zum Schutz der Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein geringes Restrisiko weiterer Beeinträchtigungen der dadurch gefährdeten Rechtsgüter (Gesundheit, Leib und Leben usw.) nicht in Kauf genommen werden (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34; 130 II 176 E. 4.2-4.4 S. 185 ff.). Das gilt namentlich für die in Art. 121 Abs. 3 BV aufgeführten Straftaten, die der Verfassungsgeber als besonders verwerflich betrachtet und die, wenn sie nach dem 1. Oktober 2016 begangen worden sind, in der Regel eine obligatorische Landesverweisung nach sich ziehen (Art. 66a StGB).  
 
2.2.2. Die Beschwerdeführerin ist letztmals am 16. Mai 2018 u.a. wegen Menschenhandel zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Sie hat damit eine Straftat nach Art. 121 Abs. 3 lit. a BV begangen, wobei das Strafmass ein hohes Verschulden indiziert. Die Vorinstanz hat sich eingehend mit der Straffälligkeit der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und ist zu Recht von einem erheblichen öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthalts ausgegangen (vgl. E. 4.2 und 4.3 des angefochtenen Urteils). Dabei spielt es entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nur eine untergeordnete Rolle, ob eine konkrete Rückfallgefahr besteht, weil sich die Beschwerdeführerin nicht auf das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (FZA; SR 0.142.112.681) berufen kann und generalpräventive Gesichtspunkte deshalb berücksichtigt werden dürfen (vgl. Urteil 2C_290/2017 vom 28. Februar 2018 E. 4.2). Zudem kann keine Rede davon sein, dass keine Rückfallgefahr bestehe, nur weil das Obergericht auf eine Landesverweisung und auf die Anordnung von Sicherheitshaft verzichtet habe. Die Bestimmungen über die Landesverweisung (Art. 66a ff. StGB) sind auf den vorliegenden Fall noch gar nicht anwendbar gewesen (vgl. Art. 2 StGB sowie vorne E. 2.2.1 am Ende). Die ausländerrechtliche Rückfallgefahr ist sodann vom strafprozessualen Haftgrund der Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO zu unterscheiden. Nachdem die Beschwerdeführerin über Jahre hinweg immer wieder straffällig geworden ist und sich weder von Strafurteilen noch einer ausländerrechtlichen Verwarnung hat beeindrucken lassen, kann die Rückfallgefahr ohne weiteres bejaht werden.  
 
2.2.3. Was das private Interesse am Verbleib in der Schweiz betrifft, so hat die Vorinstanz gewürdigt, dass sich die Beschwerdeführerin seit fast 25 Jahren hier aufhält. Sie hat ihr jedoch eine Integration in die hiesigen Verhältnisse abgesprochen, weil sie jahrelang im Milieu der Prostitution und des Menschenhandels verkehrt habe, hohe Schulden habe und wiederholt auf Sozialhilfe angewiesen gewesen sei. Sie habe sich auch sprachlich nicht integrieren können. An der mangelhaften Integration ändere nichts, dass sie seit der Entlassung aus dem Strafvollzug bei ihrem Lebenspartner arbeite. Sie sei erst im Alter von 31 Jahren in die Schweiz gekommen und habe sich auch hier mehrheitlich in thailändischen Kreisen bewegt. Sprache, Kultur und Gepflogenheiten ihres Heimatlandes seien ihr vertraut. Deshalb sei eine Rückkehr zumutbar (vgl. E. 5 und 6.1 des angefochtenen Urteils). Mit diesen zutreffenden Erwägungen setzt sich die Beschwerde kaum auseinander. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie lebe mit ihrem Schweizer Partner in einer eheähnlichen Beziehung, bringt sie unzulässige neue Tatsachen vor (vgl. vorne E. 2.1), die sie bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können und müssen. Im Übrigen widerspricht sich die Beschwerdeführerin selber, indem sie einerseits ausführt, sie lebe seit zwölf Jahren in einer eheähnlichen Beziehung (Ziff. 2.1 der Beschwerde), und andererseits einräumt, dass sie erst seit der Entlassung aus dem Strafvollzug mit ihrem Partner zusammenlebe (Ziff. 2.3 der Beschwerde). Zudem würde selbst ein vom Anwendungsbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK erfasstes Konkubinat die Interessenabwägung nicht entscheidend beeinflussen, weil es die Beschwerdeführerin mit ihrer wiederholten Straffälligkeit bewusst in Kauf genommen hat, dass sie die Schweiz verlassen und ihre Beziehung vom Ausland aus führen muss. Was die Zumutbarkeit der Rückkehr betrifft, so zeigt die Beschwerdeführerin mit dem pauschalen Verweis auf die fehlende öffentliche Sozialhilfe im Herkunftsstaat und ihre Erkrankung (Diabetes) kein konkretes Risiko auf (Urteil 2C_881/2018 vom 14. Dezember 2018 E. 4.3.3). Schliesslich geht auch die Rüge fehl, die Vorinstanz habe keine Härtefallprüfung nach Art. 66a Abs. 2 StGB durchgeführt. Wie erwähnt sind die Bestimmungen über die Landesverweisung nicht anwendbar. Zudem hat die Vorinstanz eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und zu Recht festgehalten, dass das öffentliche Interesse an der Wegweisung das private Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in der Schweiz überwiegt.  
 
2.3. Zusammenfassend erweist sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung als rechtmässig. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
3.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. April 2019 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger