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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_481/2020  
 
 
Urteil vom 7. Juni 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, 
Riburgerstrasse 4, Postfach, 4310 Rheinfelden. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung 
des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau 
vom 17. August 2020 (ZM.2020.126 / dh). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. 
Am 3. Juli 2020 führte die Polizei eine Hausdurchsuchung am Wohnort von A.________ durch. Dabei stellte sie sein Mobiltelefon ("iPhone") und sein Tablett ("iPad") sicher. A.________ verlangte gleichentags die Siegelung. Dem entsprach die Staatsanwaltschaft. 
 
B.  
Am 17. Juli 2020 ersuchte die Staatsanwaltschaft das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau um Entsiegelung. 
Mit Verfügung vom gleichen Tag stellte das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch A.________ zur Stellungnahme zu innert 10 Tagen seit Empfang der Verfügung. 
Die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts ging am 20. Juli 2020 beim Anwalt von A.________, Advokat Alain Joset, ein. 
Am 30. Juli 2020 reichte die Anwaltssubstitutin MLaw Hannah Frey die Stellungnahme ein, welche sie "per Alain Joset, Advokat" unterzeichnete. Sie beantragte, das Entsiegelungsgesuch lediglich teilweise gutzuheissen; die Auswertung des Mobiltelefons und des Tabletts sei zu beschränken auf die Nachrichtenverläufe sowie auf die Bild- und Videoaufnahmen, ebenso auf den Zeitraum ab der ersten tatverdächtigen Handlung. Der Stellungnahme legte MLaw Frey die ihr am 6. Juli 2020 von Advokat Joset erteilte Substitutionsvollmacht bei. 
Am 31. Juli 2020 ersuchte das Zwangsmassnahmengericht Advokat Joset, bis zum 7. August 2020 die temporäre Zulassung von MLaw Frey, ausgestellt von der zuständigen Anwaltskammer, in Kopie zuzustellen. Die Zulassung müsse auch die Befugnis, ausserkantonale Prozesshandlungen vorzunehmen, einschliessen. 
Am 6. August 2020 teilte Advokat Joset dem Zwangsmassnahmengericht mit, er sei der Ansicht, die Eingabe seiner Substitutin vom 30. Juli 2020 sei gestützt auf die bundesrechtlichen (zivilrechtlichen) Vorgaben und die gesetzliche Regelung im Kanton Aargau korrekt und damit auch gültig erfolgt. "Um weiteren Diskussionen vorzubeugen" sandte Advokat Joset dem Zwangsmassnahmengericht nochmals ein Exemplar der Eingabe vom 30. Juli 2020 zu, welche er persönlich unterzeichnete. 
 
C.  
Mit Verfügung vom 17. August 2020 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch gut und erklärte die Staatsanwaltschaft als berechtigt, das Mobiltelefon sowie das Tablett zu durchsuchen und die dabei erlangten Erkenntnisse im Strafverfahren gegen A.________ und allfällige Teilnehmer zu verwenden. Das Zwangsmassnahmengericht erwog, MLaw Frey habe Advokat Joset mit der Eingabe vom 30. Juli 2020 nicht rechtsgültig vertreten. Somit sei von A.________ innert Frist keine Stellungnahme eingegangen. Deren nachträgliche Unterzeichnung durch Advokat Joset ändere daran nichts. 
 
D.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 17. August 2020 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. 
 
E.  
Die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
F.  
Mit Verfügung vom 30. September 2020 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.  
 
1.2. Gemäss Art. 81 Abs. 1 ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer (a) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme enthalten hat und (b) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere die beschuldigte Person (Ziff. 1). Auch Letztere ist nur zur Beschwerde befugt, soweit sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (BGE 133 IV 121 E. 1.1).  
Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts und die Rückweisung an dieses zur Neubeurteilung unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 30. Juli 2020. 
Die Vorinstanz legt im ersten Absatz von Erwägung 4.2 ihres Entscheids dar, was der Beschwerdeführer gegen die Entsiegelung "gemäss der Gesuchstellerin" (d.h. der Staatsanwaltschaft) vorbringt. Die von der Vorinstanz insoweit angeführten Einwände gegen die Entsiegelung entsprechen in der Substanz dem, was der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 30. Juli 2020 dargelegt hat. Die Vorinstanz hat somit, auch wenn sie die Eingabe vom 30. Juli 2020 formell aus dem Recht gewiesen hat, zu den Einwänden des Beschwerdeführers gegen die Entsiegelung in der Sache Stellung genommen. Sie kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer mache keine Siegelungsgründe im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO genügend substanziiert geltend. 
In Erwägung 4.3 ihres Entscheids führt die Vorinstanz anschliessend aus, die Verteidigung mache in der nicht zu berücksichtigenden Eingabe vom 30. Juli 2020 keine weiteren Siegelungsgründe geltend bzw. substanziiere solche nicht. Dies stellt in der Sache eine Eventualerwägung dar. Erwägung 4.3 des angefochtenen Entscheids kann nur so verstanden werden, dass sich nach Auffassung der Vorinstanz am Ergebnis nichts geändert hätte, wenn die Eingabe vom 30. Juli 2020 zu berücksichtigen gewesen wäre. 
Unter diesen Umständen hat der Beschwerdeführer kein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung zur Neubeurteilung unter Berücksichtigung der Eingabe vom 30. Juli 2020. Hat diese die Vorinstanz in einer Eventualerwägung bereits gewürdigt, steht fest, dass sie bei einer Neubeurteilung zum gleichen Ergebnis käme. 
Bereits deshalb kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Sie wäre überdies aus folgendem Grund unzulässig. 
 
1.3. Die angefochtene Verfügung schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab. Sie stellt einen Zwischenentscheid dar. Dieser betrifft wieder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Es handelt sich um einen "anderen" Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG. Dagegen ist gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung die Beschwerde zulässig, (a) wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann, oder (b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.  
Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. 
Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG im Strafrecht um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht. Das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur soll sicherstellen, dass sich das Bundesgericht soweit möglich nicht mehrmals mit einer Angelegenheit befassen muss. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist restriktiv zu handhaben (BGE 144 III 475 E. 1.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer muss, wenn das nicht offensichtlich ist, im Einzelnen darlegen, inwiefern ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur drohen soll. Andernfalls kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 1 f. BGG) nicht eingetreten werden (BGE 142 III 798 E. 2.2 S. 801; 137 III 324 E. 1.1 S. 329; je mit Hinweisen). 
Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zur Eintretensvoraussetzung nach Art. 93 BGG. Zwar bemerkt er im Zusammenhang mit dem Gesuch um aufschiebende Wirkung, bei Durchsuchung der versiegelten Datenträger entstünde ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil (Beschwerde S. 11). Er legt jedoch nicht im Einzelnen dar, weshalb dies der Fall sein soll. Auf die Beschwerde könnte somit nur eingetreten werden, wenn dies offensichtlich wäre. 
Nach der Rechtsprechung ist bei einer Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur dann anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Geheimnisinteresse ausreichend substanziiert anruft (vgl. BGE 143 IV 462 E. 1; Urteil 1B_260/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1.2 mit Hinweisen). Letzteres tut er nach Ansicht der Vorinstanz nicht. Dass es sich klar anders verhalte, kann nicht gesagt werden. Hinzu kommt Folgendes: Die Staatsanwaltschaft legt im Entsiegelungsgesuch dar, sie wolle die im Mobiltelefon und Tablett enthaltenen Daten nicht vollständig, sondern lediglich nach Suchbegriffen durchsuchen. Es darf als selbstverständlich angenommen werden, dass diese Suchbegriffe in engem Zusammenhang mit dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Drogenhandel stehen und die Staatsanwaltschaft damit nicht darauf abzielt, allfällige rechtlich geschützte Geheimnisse auszuspionieren. Weshalb dem Beschwerdeführer unter diesen Umständen aufgrund der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG drohen soll, ist nicht offensichtlich; dies umso weniger, als er sich in der Eingabe vom 30. Juli 2020 mit der Durchsuchung des Mobiltelefons und Tabletts in erheblichem Umfang einverstanden erklärt hat. Auf die Beschwerde kann auch deshalb nicht eingetreten werden. 
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Juni 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri