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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_396/2019  
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Muschietti, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwalt Perler, 
Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 10. Juli 2019 (BK 19 273). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen diverser Delikte. Mit Schreiben vom 31. Mai 2019 und 8. Juni 2019 verlangte A.________ den Ausstand des die Untersuchung führenden Staatsanwalts Perler. Mit Beschluss vom 10. Juli 2019 wies das Obergericht des Kantons Bern das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 12. August 2019 beantragt A.________ die Aufhebung des Beschlusses des Obergerichts. Staatsanwalt Perler sowie Oberrichterin Schnell seien in den Ausstand zu versetzen. Zudem seien zur Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft angemessene Fotokopierkosten zu erheben. Weiter beantragt A.________ die Revision des Urteils des Bundesgerichts 1B_76/2019 vom 2. Mai 2019. 
Das Obergericht und der Beschwerdegegner haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Urteil 1B_76/2019 vom 2. Mai 2019 hat das Bundesgericht das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin gegen einen Ausstandsentscheid betreffend Staatsanwalt Perler abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Das gegen dieses Urteil gerichtete Revisionsgesuch wird in einem separaten Verfahren beurteilt (1F_40/2019).  
 
1.2. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat als letzte und einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Ausstandsgesuchs gegen Staatsanwalt Perler richtet, ist sie nach Art. 92 BGG zulässig. Der Antrag betreffend die Kopierkosten und das Ausstandsgesuch gegen Oberrichterin Schnell gehen dagegen über den Verfahrensgegenstand hinaus. Darauf ist nicht einzutreten.  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin ersucht um die Einräumung einer Nachfrist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung. Die Möglichkeit, die Beschwerdebegründung nach Art. 43 BGG zu ergänzen, wird jedoch nur ausnahmsweise auf begründeten Antrag hin in aussergewöhnlich umfangreichen oder besonders schwierigen Fällen gewährt, wenn die Beschwerdefrist für die vollständige Begründung sämtlicher Rügen nicht genügt (BGE 133 IV 271 E. 2.1 S. 273). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin hatte in der ihr zur Verfügung stehenden Beschwerdefrist hinreichend Zeit, ihre Beschwerde zu begründen. Daran ändert auch nichts, dass gemäss ihrer Darstellung die Zustellung der Akten durch die Staatsanwaltschaft fünf Tage in Anspruch genommen hat. Die Beschwerdeführerin hätte sich früher um die Zustellung bemühen oder die Akteneinsicht vor Ort beantragen können. Das Gesuch ist somit abzulehnen.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr die Akteneinsicht verweigerte. Sie habe bisher weder in die Akten des Strafverfahrens im Allgemeinen noch in diejenigen des Ausstandsverfahrens im Besonderen Einsicht nehmen können. Auch rügt sie, dass das Obergericht ihr keine Nachfrist zur Stellungnahme angesetzt hat. Durch die Verweigerung der Aktensicht sieht sie zudem ihren Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht verletzt (Art. 30 Abs. 1 BV).  
 
2.2. Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass die Vorinstanz der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 17. Juni 2019 Gelegenheit gab, innert 10 Tagen ab Zustellung der Verfügung eine Replik zur Stellungnahme des Beschwerdegegners einzureichen. Am 21. Juni 2019 stellte die Beschwerdeführerin ein Gesuch um Akteneinsicht und Fristverlängerung von 10 Tagen. Am 24. Juni 2019 wies das Obergericht das Akteneinsichtsgesuch ab, gewährte jedoch eine Fristerstreckung bis zum 5. Juli 2019. Zur Begründung führte es aus, nach der Beurteilung des ersten Ausstandsgesuchs der Beschwerdeführerin durch das Bundesgericht im Urteil 1B_76/2019 vom 2. Mai 2019 stelle sich einzig die Frage, ob der Beschwerdegegner im seitherigen Verfahren einen Ausstandsgrund gesetzt habe. Die diesbezüglichen Verfahrensschritte seien der Beschwerdeführerin bekannt, weshalb es keiner vorgängigen Akteneinsicht bedürfe, um zur Stellungnahme des Beschwerdegegners, die neun Zeilen umfasse, replizieren zu können. Nicht bekannt seien der Beschwerdeführerin einzig die Beilagen zur neu am 15. April 2019 gegen sie eingegangenen Strafanzeige, die der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 StPO noch nicht zugestellt habe. Der Inhalt dieser Beilagen sei offensichtlich ohne Belang für das Ausstandsverfahren, weshalb die vom Beschwerdegegner mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 StPO getroffene Vorkehr nicht via Akteneinsicht im Ausstandsverfahren ausgehebelt werden dürfe.  
 
2.3. Teil des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV bildet die Akteneinsicht. Das Recht darauf ergibt sich allein aus der Verfahrensbeteiligung und ist insoweit voraussetzungslos. Es ist mit anderen Worten nicht Sache des Gerichts, antizipierend darüber zu befinden, ob einem Rechtssuchenden die Akteneinsicht etwas nützt (BGE 132 V 387 E. 3.2 S. 389; 129 I 249 E. 3 S. 253; Urteil 5A_545/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 3.4.2; je mit Hinweisen). Zwar gilt der Anspruch nicht absolut und sieht der von der Vorinstanz erwähnte Art. 101 Abs. 1 StPO vor, dass Parteien (erst) spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen können. Gemäss dem angefochtenen Beschluss betrifft die in dieser Bestimmung vorgesehene temporäre Einschränkung der Akteneinsicht vorliegend jedoch nur die Beilagen zu einer am 15. April 2019 neu gegen die Beschwerdeführerin eingegangenen Strafanzeige. Darüber hinaus erfolgte die Verweigerung der Akteneinsicht somit ohne rechtsgültigen Grund. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich deshalb als begründet. Da das Bundesgericht in Bezug auf die vom Verfahrensmangel betroffenen Aspekte nicht die gleiche Kognition hat wie das Obergericht, fällt eine Heilung des Verfahrensmangels ausser Betracht (BGE 142 II 218 E. 2.8.1 S. 226 f.; 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; Urteil 1B_277/2019 17. September 2019 E. 2.1.3; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde infolge der Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Die Sache wird zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückgewiesen. Es erübrigt sich damit, auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin einzugehen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 f. BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 10. Juli 2019 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Oktober 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold