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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_574/2021, 9C_575/2021  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
9C_574/2021 
Kanton Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, 
Beschwerdeführer 1, 
 
gegen  
 
Arcosana AG, Abteilung Recht & Compliance, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
9C_575/2021 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, 
Beschwerdeführer 2, 
 
gegen  
 
Arcosana AG, Abteilung Recht & Compliance, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerden gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 5. Oktober 2021 (S 21 30 / S 21 31). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1976 geborene A.________, litauischer Staatsangehöriger, wurde am 2. April 2019 in der Schweiz verhaftet. Nach rund fünfmonatiger Haft im Kanton Zürich wurde er am 9. September 2019 in die Justizvollzugsanstalt Tignez im Kanton Graubünden verlegt, wo er voraussichtlich bis Anfangs 2023 seine Haftstrafe verbüssen wird. 
 
Nachdem die Arcosana AG (nachfolgend: Arcosana) A.________ am 17. Juli 2019 per 1. April 2019 vorerst in die obligatorische Krankenpflegeversicherung aufgenommen hatte, hob sie die Versicherung am 17. August 2019 rückwirkend auf. Der Sozialdienst des Gefängnisses Zürich bemühte sich vorerst um Reaktivierung der annullierten Police. Weil diese Bemühungen erfolglos blieben, ersuchte er um Erlass einer anfechtbaren Verfügung. Mit solcher vom 11. August 2020 lehnte die Arcosana die gesetzliche Versicherungspflicht nach KVG ab mit der Begründung, A.________ habe keinen Wohnsitz in der Schweiz. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 18. Februar 2021 fest. 
 
B.  
Die dagegen vom Kanton Zürich (Verfahren S 21 30) und von A.________ (Verfahren S 21 31) erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit zwei Urteilen vom 5. Oktober 2021 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen der Kanton Zürich (Verfahren 9C_574/2021) und A.________ (Verfahren 9C_575/2021), es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und festzulegen, dass für A.________ ab dem 2. April 2019 eine obligatorische Unterstellung unter die schweizerische Krankenversicherung bestehe, wobei die Versicherungsdeckung bei der Arcosana bestehe; eventualiter sei die Sache zur hinreichenden Abklärung und anschliessendem erneuten Entscheid an die Arcosana bzw. an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Arcosana schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Weil den beiden Beschwerden in den Verfahren 9C_574/2021 und 9C_575/2021 derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 144 V 173 E. 1.1 mit Hinweis). 
 
2.  
Die Vorinstanz bejahte die in den kantonalen Verfahren je umstritten gewesenen Beschwerdelegitimationen nach Art. 59 ATSG. Die entsprechenden Erwägungen in den angefochtenen Entscheiden, wogegen vor Bundesgericht nichts vorgebracht wird, geben zu keinen Weiterungen Anlass (vgl. auch BGE 138 V 292 E. 3, wonach der Begriff des schutzwürdigen Interesses für das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht gleich auszulegen ist wie derjenige nach Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG für das Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht). 
 
3.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
4.  
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer 2, welcher über eine litauische Staatsangehörigkeit verfügt, der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt ist. Einigkeit besteht dahingehend, dass er seit seiner Verhaftung vom 2. April 2019 gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat und folglich auf alle ihn seither betreffenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen Schweizer Recht anwendbar ist (vgl. Art. 8 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681] und Art. 1 Abs. 1 Anhang II FZA in Verbindung mit Art. 11 lit. e und Art. 1 lit. j der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit [SR 0.831.109.268.1]). 
 
5.  
 
5.1. Gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG ist jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt, wobei sich der Wohnsitz nach Art. 23-26 ZGB definiert (Art. 1 Abs. 1 KVV). Der Bundesrat kann die Versicherungspflicht auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen (Art. 3 Abs. 3 KVG). Dies hat er mit Art. 1 Abs. 2 KVV getan, wobei keiner der dort genannten Tatbestände hier anwendbar ist.  
 
5.2.  
 
5.2.1. Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz (Art. 23 Abs. 1 ZGB).  
 
Für die Begründung des Wohnsitzes im Sinne des ersten Teilsatzes von Art. 23 Abs. 1 ZGB müssen zwei Merkmale (kumulativ) erfüllt sein: Ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen. Massgebend ist somit der Ort, wo sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen befindet (BGE 133 V 309 E. 3.1; 125 V 76 E. 2a; je mit Hinweisen; SVR 2019 AHV Nr. 1 S. 1, 9C_600/2017 E. 2.2). Im zweiten Teilsatz von Art. 23 Abs. 1 ZGB wird eine - widerlegbare - Vermutung angestellt, wonach die Unterbringung in einer Strafanstalt nicht bedeutet, dass auch der Lebensmittelpunkt an den fraglichen Ort verlegt worden ist; er umschreibt somit im Ergebnis negativ, was der erste Teilsatz zum Wohnsitz in grundsätzlicher Hinsicht positiv festhält. Bei der Unterbringung in einer Anstalt, d.h. der Anstaltseinweisung durch Dritte, die nicht aus eigenem Willen erfolgt, wird man regelmässig eine Wohnsitznahme von vornherein ausschliessen müssen (BGE 138 V 23 E. 3.1.2; 133 V 309 E. 3.1). 
 
5.2.2. Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz (Art. 24 Abs. 2 ZGB).  
 
Im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 ZGB richtet sich die Frage, wann eine Person ihren ausländischen Wohnsitz aufgegeben hat, nach Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG. Gemäss dieser Bestimmung hat eine natürliche Person ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Von einer Aufgabe des ausländischen Wohnsitzes ist auszugehen, wenn die Person den Ort des bisherigen Lebensmittelpunktes definitiv verlassen hat, wobei unerheblich ist, ob nach dem ausländischen Recht der ausländische Wohnsitz noch weiterbesteht. Die Aufgabe des einmal begründeten Wohnsitzes ist im internationalen Verhältnis wesentlich einfacher als im innerstaatlichen. Sie ist auch dann anzunehmen, wenn die Person zwar weiterhin einen ausländischen Wohnsitz hat, die Beziehungen dazu jedoch stark gelockert erscheinen (Urteil 9C_295/2019 vom 18. Juni 2019 E. 2.2.2 mit Hinweis auf SVR 2006 KV Nr. 12 S. 38, K 34/04 E. 3 mit zahlreichen weiteren Hinweisen; DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 6. Aufl. 2018, N. 8 zu Art. 24 ZGB; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 5. Aufl. 2020, S. 128 Rz. 422 ff.). 
 
6.  
Das kantonale Gericht stellte fest, der Beschwerdeführer 2 verfüge weder in seinem Heimatstaat Litauen, noch in einem anderen Mitgliedstaat der EU über eine Krankenversicherung, was von den Parteien nicht bestritten wird. In Bezug auf die fraglichen Voraussetzungen für eine Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium nach Art. 3 Abs. 1 KVG verneinte die Vorinstanz eine Wohnsitznahme gestützt auf die Art. 23-26 ZGB. Insbesondere verneinte sie die Anwendbarkeit von Art. 20 IPRG. Demnach schloss sie betreffend den fiktiven Wohnsitz im Sinne von Art. 24 Abs. 2 ZGB, es sei mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 144 V 427 E 3.2) erstellt, dass der Beschwerdeführer 2 vor seiner Einreise in die Schweiz im März 2019 Wohnsitz in Litauen gehabt habe. Gleichzeitig fehlten Hinweise, dass er diesen hätte aufgeben wollen. Namentlich lasse sich aus der Einreise als Kriminaltourist nicht ableiten, er habe seinen bisherigen Lebensmittelpunkt definitiv aufgeben wollen. Mangels Wohnsitznahme in der Schweiz unterliege der Beschwerdeführer 2 nicht dem Versicherungsobligatorium gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG, was mit der Verfassung vereinbar sei. Es habe somit gar nie eine Versicherungspflicht gegeben, weshalb die rückwirkende Annullierung des Versicherungsabschlusses auch nicht gegen die Art. 5 Abs. 3 und 7 Abs. 5 KVG verstosse. 
 
7.  
Die Beschwerdeführer verlangen eine Unterstellung des Beschwerdeführers 2 unter das Versicherungsobligatorium gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG. Zur Begründung machen sie zum einen geltend, die Nichtunterstellung würde das Grundprinzip der Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung, das Diskriminierungsverbot und das Gleichbehandlungsgebot verletzen. Zum anderen berufen sie sich auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 IPRG, welcher den gewöhnlichen Aufenthalt zur Ersatzanknüpfung für den Wohnort und damit für eine Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG erkläre. Der Wohnsitz sei im internationalen Kontext nach den Normen des IPRG und nicht nach denjenigen des ZGB zu bestimmen. Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang auf das bereits zitierte Urteil K 34/04. Bei diesem handle es sich um einen Grundsatzentscheid, der seither von keinem weiteren solchen korrigiert worden sei. Von Bedeutung sei deshalb nach wie vor, dass die Aufgabe eines einmal begründeten Wohnsitzes im internationalen Verhältnis wesentlich einfacher sei als im innerstaatlichen. Eine solche Aufgabe sei auch dann anzunehmen, wenn die Person zwar weiterhin einen ausländischen Wohnsitz habe, die Beziehungen dazu jedoch stark gelockert seien. So verhalte es sich im vorliegenden Fall, wo keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, dass beim Beschwerdeführer 2 ein hinreichender Bezug zu einem allfälligen früheren Wohnsitz in Litauen bestehe. Zentral sei demgegenüber, dass dieser sich bereits seit geraumer Zeit und weiterhin effektiv in der Schweiz aufhalte und hier verschiedene Leistungen beziehe und Pflichten zu erfüllen habe. 
 
8.  
 
8.1. Es erübrigen sich Weiterungen zum vorinstanzlichen Schluss, eine Wohnsitznahme in der Schweiz gestützt auf Art. 23 ZGB sei auszuschliessen, weil wohl die objektiven, nicht aber die subjektiven Voraussetzungen, mithin die Absicht des dauernden Verbleibens, erfüllt seien. So stellen die Beschwerdeführer die fehlende Absicht nicht in Abrede und es deckt sich der von der Vorinstanz zur Anwendung gebrachte Art. 23 Abs. 1 Teilsatz 1 ZGB mit dem von den Beschwerdeführern angerufenen Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG; Abweichungen ergeben sich lediglich daraus, dass im Rahmen des IPRG die Bestimmungen über den abgeleiteten (Art. 25 ZGB) und den fiktiven Wohnsitz (Art. 24 Abs. 1 ZGB) sowie die Vermutung von Art. 26 ZGB nicht anwendbar sind (Urteil K 34/04 vom 2. August 2005 E. 3 mit Hinweisen; DANIEL STAEHELIN, a.a.O., N. 4 zu Art. 23 ZGB); daraus resultiert auch, dass die Aufgabe eines einmal begründeten Wohnsitzes im internationalen Verhältnis wesentlich einfacher anzunehmen ist als im innerstaatlichen (vgl. E. 5.2.2 hievor).  
 
8.2. Anders als die Vorbringen der Beschwerdeführer suggerieren, bestimmt das Bundesgericht den Wohnsitz in sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten seit je her auch in internationalen Sachverhalten anhand der Normen des ZGB (vgl. BGE 135 V 249 E. 4.4; 129 V 77 E. 4.2; Urteile 9C_546/2017 vom 30. April 2018; 9C_600/2017 vom 9. August 2018 E. 2.2; 9C_10/2016 vom 16. Februar 2016). All diese Urteile, auf welche auch die Vorinstanz Bezug genommen hat, ergingen in Rechtsgebieten, wo das ATSG anwendbar ist. Folglich verfängt der - im Übrigen unzutreffende - Einwand der Beschwerdeführer nicht, die Urteile würden allesamt nicht den Krankenversicherungsbereich betreffen. Es besteht kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. So bestimmt das öffentliche Recht den Wohnsitzbegriff in seinem Bereich autonom (vgl. BGE 137 II 122 E. 3.5; DANIEL STAEHELIN, a.a.O. N. 3 zu Art. 23 ZGB). Art. 13 Abs. 1 ATSG verweist ausdrücklich auf die Art. 23-26 ZGB, nicht aber auf die Normen des IPRG (vgl. dazu auch UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N. 14 zu Art. 13 ATSG). Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, lassen sich auch den Materialien (vgl. Parlamentarische Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung Bericht der Kommission des Ständerats vom 27. September 1990, BBl 1991 II 185 ff. sowie Bericht der Kommission des Nationalrates vom 26. März 1999, BBl 1999 IV 4523 ff.) keine Hinweise darauf entnehmen, dass mit der Formulierung von Art. 13 ATSG in Bezug auf internationale Sachverhalte die Sachnorm von Art. 20 IPRG mitgemeint sein sollte. Auch das KVG enthält keine Regelungen, welche den gegenteiligen Schluss nahelegten (vgl. Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung, BBl 1992 I 93 ff.).  
 
8.3. Soweit sich die Beschwerdeführer auf das Urteil K 34/04 vom 2. August 2005 stützen gilt es zu beachten, dass das Bundesgericht den Wohnsitz auch damals gestützt auf das ZGB bestimmte. Es wies aber darauf hin, die Frage, wann eine Person mit Wohnsitz im Ausland ihren ausländischen Wohnsitz aufgegeben habe, richte sich nach Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG. Im Urteil 9C_295/2019 vom 18. Juni 2019 bestätigte das Bundesgericht diese Rechtsprechung, wobei es in E. 2.2.2 ergänzte, dies gelte "im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 ZGB" (vgl. auch Staehelin, a.a.O., N 8 zu Art. 24 ZGB). Ob an dieser Ausrichtung an Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG mit Blick auf die diesbezügliche Kritik im angefochtenen Entscheid sowie das zuvor in E. 8.2 Dargelegte festzuhalten ist, braucht hier nicht abschliessend geklärt zu werden. Denn selbst wenn sich die Frage nach der Aufgabe des ausländischen Wohnsitzes durch den Beschwerdeführer 2 im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 ZGB nach Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG richtete und eine solche deshalb wesentlich einfacher anzunehmen wäre als in innerstaatlichen Verhältnissen, wäre mit Blick auf die vorliegenden Begebenheiten eine solche mit der Vorinstanz dennoch zu verneinen:  
 
8.3.1. Es kann den Beschwerdeführern insofern nicht gefolgt werden, als sie Anhaltspunkte auf einen hinreichenden Bezug zu einem "allfälligen früheren Wohnsitz in Litauen" in Abrede stellen. Wie das kantonale Gericht diesbezüglich feststellte und unbestritten blieb, reiste der Beschwerdeführer 2 am 19. März 2019 als Kriminaltourist, das heisst zur Verübung von Straftaten in die Schweiz. Nur wenige Tage später wurde er verhaftet und sitzt seither in verschiedenen Strafanstalten der Kantone Zürich und Graubünden ein. Über diese erzwungene physische Präsenz in den Strafanstalten hinaus sind keinerlei relevante Beziehungen des Beschwerdeführers 2 zur Schweiz dargetan oder ersichtlich. Daran vermag weder seine freiwillige Einreise noch der blosse Umstand etwas zu ändern, dass er im Rahmen der Verbüssung seiner Strafe nun gezwungenermassen verschiedene Leistungen bezieht und Pflichten zu erfüllen hat.  
 
8.3.2. Im Gegensatz dazu verfügt der Beschwerdeführer 2 gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen nicht nur über eine litauische Staatsangehörigkeit, sondern insbesondere eine Wohnadresse in X.________/ Litauen, wo er eine Ehe mit B.A.________, geboren C.________, führt. In Bezug darauf schloss das kantonale Gericht, es fehlten Hinweise für die Aufgabe der Wohnadresse oder für eine selbst gewählte Trennung der Eheleute. Gestützt auf diese für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen bestehen nach wie vor gewichtige Beziehungen zum Heimatland Litauen. Die Beschwerdeführer stellen diese Beziehungen auch gar nicht in Abrede. Sie äussern sich lediglich vage zu einem "allfälligen früheren Wohnsitz in Litauen" und gestehen ein, für die Annahme eines solchen könne eine Ehe "allenfalls relevant sein". Tatsächlich bestreiten sie indessen weder das eine noch das andere. Stattdessen beschränken sie sich auf den allgemeinen Vorwurf, das kantonale Gericht habe diesbezüglich keine Abklärungen vorgenommen, was nicht genügt (vgl. dazu auch nachfolgend E. 8.4).  
 
8.3.3. Auch wenn Art. 23 Abs. 1 Teilsatz 2 keinen Einfluss auf den Wohnsitz am Aufenthaltsort gemäss Art. 24 Abs. 2 ZGB hat und somit ein Aufenthalt lediglich zu einem Sonderzweck grundsätzlich Wohnsitz begründen kann (vgl. Staehelin, a.a.O., N 19c zu Art. 23; BGE 93 II 10; 80 II 2018), lässt sich unter den gegebenen Umständen nicht schliessen, der Beschwerdeführer 2 habe seinen bisherigen Lebensmittelpunkt definitiv verlassen. Die erzwungene physische Absenz von diesem mag vor allem bei längerer Dauer ein nicht unerhebliches Indiz für gelockerte Beziehungen zum ausländischen Wohnsitz sein und für dessen Aufgabe sprechen. Der Zeitpunkt, wann eine massgebliche Lockerung der Beziehungen eingetreten ist, hängt aber nicht einzig von der Dauer der physischen Absenz ab, sondern ist unter Berücksichtigung sämtlicher wesentlicher Umstände zu bestimmen (vgl. HEINZ HAUSHEER/REGINA E. AEBI-MÜLLER, a.a.O., S. 128 Rz. 422). Damit zielt auch der Einwand der Beschwerdeführer ins Leere, subjektive Elemente seien nicht massgebend. Wie diese richtig geltend machen, hängt wohl die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts gemäss Art. 24 Abs. 2 ZGB nicht von einem voluntativen Element ab. Damit dieser überhaupt als Ersatzanknüpfung greifen kann, müsste der Beschwerdeführer 2 aber vorerst seinen bisherigen Lebensmittelpunkt in Litauen definitiv verlassen haben. In Bezug auf diese Frage sind subjektive Elemente durchaus von Belang. Folglich gilt es nicht nur den festgestellten nach wie vor bestehenden persönlichen und sozialen Beziehungen zu Litauen Rechnung zu tragen, sondern auch dem Umstand, dass der Beschwerdeführer 2 als Kriminaltourist einreiste. Es ist nicht ersichtlich, dass er je die Absicht hatte, nach seiner Einreise am 19. März 2019 längere Zeit in der Schweiz zu verbleiben und hier irgendwelche sozialen Bande zu knüpfen. Solches ist denn aufgrund seiner Inhaftierung auch tatsächlich nicht geschehen und wird mit Blick auf die drohende Ausschaffung wohl auch in Zukunft nicht geschehen. Abweichend vom Sachverhalt, wie er dem Urteil 9C_295/2019 vom 18. Juni 2019 zugrunde lag, fehlen auch Hinweise darauf, dass die Beziehungen des Beschwerdeführers 2 zu Litauen bereits im Zeitpunkt seiner Einreise stark gelockert gewesen wären. Derlei erscheint mit Blick auf das Ziel der Einreise auch wenig wahrscheinlich.  
 
8.4. Sofern die Beschwerdeführer der Vorinstanz vorwerfen, sie habe in Bezug auf den festgestellten Wohnsitz und die Annahme einer Ehe im Ausland keine Abklärungen vorgenommen, fehlt eine Auseinandersetzung mit den massgebenden vorinstanzlichen Erwägungen. Das kantonale Gericht führte diesbezüglich aus, der Beschwerdeführer 2 habe im Strafverfahren kaum Angaben zu seinen Wohn- und Lebensverhältnissen gemacht. Er habe im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens auch nicht zu weitergehenden Aussagen verpflichtet werden können, weil das strafprozessuale Recht auf Verweigerung der Mitwirkung der Aussage der sozialversicherungsrechtlichen Mitwirkungspflicht vorgehe. Weiterungen dazu erübrigen sich (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
9.  
Die Beschwerdeführer verlangen unter Hinweis namentlich auf das Grundprinzip der Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung, das Diskriminierungsverbot und das Gleichbehandlungsgebot eine Unterstellung des Beschwerdeführers 2 unter die obligatorische Krankenversicherung. Aus diesen Rügen vermögen sie nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. So ist zentraler Anknüpfungspunkt für die Entstehung der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 KVG der Wohnsitz in der Schweiz. Dieser ist insofern auch Bedingung, als sich Personen ohne solchen, selbst schweizerische Staatsangehörige, grundsätzlich nicht der obligatorischen Versicherung anschliessen können. Ausnahmen von dieser Regel, namentlich die von den Beschwerdeführern konkret aufgegriffenen Flüchtlinge (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. c KVV), müssen in der KVV oder Staatsverträgen ausdrücklich vorgesehen sein (vgl. Gebhard Eugster, Basler Kommentar, Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 20 f. zu Art. 3 KVG). 
 
Der Beschwerdeführer 2 verfügt nach dem Dargelegten weder über einen Wohnsitz in der Schweiz noch liegt ein alternativer Anknüpfungspunkt vor. Er fällt damit nicht unter das KVG-Obligatorium. Daran änderte nichts, wenn mit den Beschwerdeführern davon ausgegangen würde, Inhaftierte hätten Anspruch auf eine medizinische Grundversorgung gemäss KVG-Leistungskatalog und diese Standards würden bisweilen in diskriminierender Weise unterschritten (vgl. dazu auch die zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit [BAG] erstellte Expertise "Gesundheit im Freiheitsentzug, Rechtsgutachten zur Gesundheitsversorgung von inhaftierten Personen ohne Krankenversicherung" vom 12. November 2018 von JÖRG KÜNZLI/FLORIAN WEBER). So obliegt die Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug den Kantonen (JÖRG KÜNZLI/FLORIAN WEBER, a.a.O., Ziff. 1.3, S. 16f.; vgl. auch Art. 75, 372 und 377-379 StGB sowie Art. 30 der Verordnung über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen [EpV; SR 818.101.1]). Die Beschwerdeführer machen weder geltend, dass der Beschwerdeführer 2 von irgendwelchen medizinischen Leistungen gemäss KVG-Leistungskatalog ausgeschlossen worden wäre noch zeigen sie auf, inwiefern obligatorische Krankenversicherer für allfällige solche Versäumnisse der Kantone sollten einstehen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich losgelöst von entsprechenden Rügen zur politischen Sachgerechtigkeit einer Verordnung - hier konkret zur Frage, ob Inhaftierte ohne Wohnsitz in der Schweiz in den Katalog gemäss Art. 1 Abs. 2 KVV sollten aufgenommen werden - zu äussern (BGE 143 V 208 E. 4.3 mit Hinweisen). Darauf, dass die aktuelle Rechtslage mit Blick auf die Anzahl der vermeintlich betroffenen Inhaftierten ohne Krankenversicherung Kritik erfahren hat (so unter anderem JÖRG KÜNZLI/FLORIAN WEBER, a.a.O.; vgl. auch Stellungnahme des Bundesrats vom 22. August 2018 zur Interpellation Nr. 18.3655 von Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni "Strafgefangene gegen Krankheit versichern. Wer bezahlt?" [abrufbar unter www.parlament.ch]) hat bereits die Vorinstanz hingewiesen. Weiterungen dazu erübrigen sich. 
 
10.  
Die Beschwerden sind abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer 2 aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Für den unterliegenden Beschwerdeführer 1 besteht keine Kostenpflicht (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die in beiden Verfahren obsiegende Arcosana AG hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 9C_574/2021 und 9C_575/2021 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer 2 auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Juni 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner