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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_284/2022  
 
 
Urteil vom 22. August 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Ruggle, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt André Keller, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mieterausweisung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 20. Mai 2022 (HSU.2022.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 30. Dezember 2020 schlossen die A.________ AG (Gesuchsgegnerin, Beschwerdeführerin) und die B.________ AG (Gesuchstellerin, Beschwerdegegnerin) einen befristeten Gewerbemietvertrag betreffend die Liegenschaft an der U.________strasse in V.________ zu einem Bruttomietzins von Fr. 14'310.-- monatlich (exkl. MWST) ab, zahlbar jeweils im Voraus per Ersten des Monats. Als Mietvertragsende vorgesehen war der 1. Januar 2026. 
Um die Gesuchsgegnerin während der Einführungsperiode zu unterstützen, erklärte sich die Gesuchstellerin bereit, der Gesuchsgegnerin einen Mietzinsrabatt von monatlich Fr. 5'950.-- (exkl. MWST) für den Zeitraum von 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2022 zu gewähren. 
Die Gesuchsgegnerin geriet mit der Zahlung des Mietzinses für die Monate November und Dezember 2021 in Rückstand. Mit eingeschriebenem Brief vom 10. Dezember 2021 mahnte die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin und setzte ihr eine Zahlungsfrist von 30 Tagen an; zugleich drohte sie für den Fall der Nichtleistung die Kündigung an. Dieses Schreiben wurde der Gesuchsgegnerin am 15. Dezember 2021 zugestellt. Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 kündigte die Gesuchstellerin den Gewerbemietvertrag unter Verwendung des amtlichen Formulars auf den 28. Februar 2022. 
 
B.  
Mit Urteil vom 20. Mai 2022 hiess das Handelsgericht des Kantons Aargau das von der Gesuchstellerin gestellte Begehren um Mieterausweisung gut und verpflichtete die Gesuchsgegnerin unter Strafandrohung, das Mietobjekt an der U.________strasse in V.________ innert 10 Tagen seit Rechtskraft des Entscheids vollständig geräumt und gereinigt zu verlassen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Gesuchsgegnerin dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Mai 2022 ersatzlos aufzuheben und das Begehren um Mietausweisung abzuweisen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
Mit Verfügung vom 27. Juni 2022 wurde das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1; 141 III 395 E. 2.1). 
 
1.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG) und richtet sich gegen den Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das gemäss Art. 6 ZPO als einzige Instanz entschieden hat (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerde ist unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG), die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Antrag in Bezug auf die Mieterausweisung unterlegen (Art. 76 Abs. 1 BGG) und die Frist zur Einreichung der Beschwerde ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).  
Die Beschwerdeführerin kritisiert die Verteilung der Prozesskosten durch die Vorinstanz. Sie unterlässt es jedoch, zum Kostenpunkt ein beziffertes Rechtsbegehren (Art. 42 Abs. 1 BGG) zu stellen (vgl. BGE 143 III 111 E. 1.2 mit Hinweisen). Hinsichtlich des Kostenpunkts ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Im Übrigen ist auf die Beschwerde in Zivilsachen unter Vorbehalt einer rechtsgenügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten. 
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2; 137 III 580 E. 1.3; 135 III 397 E. 1.4). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Macht die beschwerdeführende Partei beispielsweise eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; sie hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1, 167 E. 2.1; je mit Hinweisen). Stützt sich der angefochtene Entscheid auf mehrere selbständige Begründungen, so muss sich die Beschwerde mit jeder einzelnen auseinandersetzen, sonst wird darauf nicht eingetreten (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 143 IV 40 E. 3.4).  
Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Die Begründung hat ferner in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen und der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 143 II 283 E. 1.2.3; 140 III 115 E. 2). 
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht; zudem muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 145 V 188 E. 2; 140 III 115 E. 2; 135 III 397 E. 1.5). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt ebenfalls das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
2.  
Soweit die Beschwerdeführerin die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts nach Art. 6 Abs. 2 ZPO in Frage stellt, sind ihre Vorbringen offensichtlich unbegründet: Sie verkennt mit ihrem Hinweis auf Art. 243 Abs. 2 und 3 ZPO sowie die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts (BGE 143 III 137 E. 2), dass die von ihr ins Feld geführte Abgrenzung zwischen dem vereinfachten und dem ordentlichen Verfahren vorliegend nicht zur Diskussion steht. Vielmehr geht es hier um den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO), für den das summarische Verfahren anwendbar ist (Art. 248 lit. b ZPO). 
Im Übrigen stellt die Beschwerdeführerin weder in Frage, dass es sich vorliegend um eine Streitigkeit handelt, welche die geschäftliche Tätigkeit der beiden Parteien betrifft (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. a ZPO), noch bestreitet sie, dass die Parteien im schweizerischen Handelsregister eingetragen sind (Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO). Die Vorinstanz hat mit Hinweis auf die Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- in mietrechtlichen Fällen (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) die Voraussetzung von Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO zudem zu Recht bejaht (dazu BGE 139 III 67 E. 1.2). Dieser Streitwert ist unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Streitwertberechnung bei Ausweisungsbegehren (BGE 144 III 346 E. 1.2) angesichts der Höhe des vereinbarten Mietzinses ohne Weiteres gegeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse der Parteien selbst in Fällen, in denen es nur um die Frage der Ausweisung geht, unabhängig von allfälligen kantonalen Unterschieden in der tatsächlichen Bewältigung solcher Summarverfahren von einer Dauer von sechs Monaten auszugehen ist (BGE 144 III 346 E. 1.2.1). Die Vorbringen in der Beschwerde zur Verfahrensdauer und zum massgebenden Streitwert sind demnach offensichtlich unbehelflich. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Voraussetzungen für eine Kündigung infolge Zahlungsrückstands nach Art. 257d OR seien nicht erfüllt gewesen. 
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, während der Mietzins für den Monat November 2021 fristgerecht bezahlt worden sei, sei der Mietzins für den Monat Dezember 2021 erst am 17. Januar 2022 eingegangen. Die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 angesetzte Zahlungsfrist von 30 Tagen habe jedoch bereits am 14. Januar 2022 geendet. Damit seien die Voraussetzungen einer ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257d Abs. 2 OR erfüllt gewesen; die mit Schreiben vom 17. Januar 2022 erfolgte Kündigung sei zudem in der nach Art. 266l Abs. 2 OR vorgeschriebenen Form erfolgt. An der Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung vermöge auch die fristgerechte Tilgung des Mietzinses für den Monat November 2021 nichts zu ändern, zumal der Mietzins für den Monat Dezember 2021 erst am 17. Januar 2022 und damit nach Ablauf der Zahlungsfrist getilgt worden sei. Der von der Beschwerdeführerin zitierte Bundesgerichtsentscheid 4C.96/2006 vom 4. Juli 2006 sei im Übrigen nicht einschlägig, sei es im genannten Fall doch um die Frage gegangen, ob eine am letzten Tag der Frist nach Art. 257d Abs. 1 OR versendete Kündigung als verfrüht zu betrachten sei. Da die Kündigung vorliegend nach Ablauf der Kündigungsfrist versendet worden sei, könne die Beschwerdeführerin daraus nichts für sich ableiten.  
 
3.2. Indem die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht einmal mehr auf das Urteil 4C.96/2006 vom 4. Juli 2006 E. 2 verweist, gemäss dem der Zugang der Kündigung massgeblich sei, vermag sie keine Bundesrechtsverletzung aufzuzeigen. Auch wenn ihr das Kündigungsschreiben am 18. Januar 2022 zuging, wie sie geltend macht, ändert dies nichts daran, dass die Kündigung am 17. Januar 2022 und damit erst nach Ablauf der angesetzten Zahlungsfrist ausgesprochen wurde. Die Vorinstanz ging daher zutreffend davon aus, dass sich aus dem zitierten Entscheid nichts zugunsten der Beschwerdeführerin ableiten lässt.  
Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen vorbringt, die Beschwerdegegnerin habe mit dem Aussprechen der Kündigung bis zum Eingang der ausstehenden Mietzinszahlung zugewartet bzw. die Beschwerdeführerin habe die Zahlung des Dezember-Mietzinses eigens telefonisch angekündigt, setzt sie sich in unzulässiger Weise über den vorinstanzlich verbindlich festgestellten Sachverhalt hinweg (Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne jedoch eine hinreichende Sachverhaltsrüge zu erheben. Ausserdem kann ihr nicht gefolgt werden, wenn sie vorbringt, die Beschwerdegegnerin hätte aufgrund des Zahlungseingangs des November-Mietzinses ohne Weiteres davon ausgehen müssen, dass auch der Dezember-Mietzins noch eingehen werde. 
Die Rüge, die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 257d OR seien entgegen dem angefochtenen Entscheid nicht erfüllt gewesen, erweist sich als unbegründet. Mit der Vorinstanz ist von einem klaren Fall im Sinne von Art. 257 Abs. 1 ZPO auszugehen. 
 
4.  
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin steht keine Parteientschädigung zu, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. August 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann