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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_312/2022  
 
 
Urteil vom 25. August 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Pfau, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Marlene Zeier-Aegerter, Zeier & Dekker Rechtsanwälte, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahmen betreffend Unterhalt (Ergänzung Scheidungsurteil), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil 
des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 24. März 2022 (LY210050-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ (geb. 1980) und B.A.________ (geb. 1996) liessen sich am 29. Januar 2018 vom Gericht von Malkieh in Syrien scheiden, das jedoch die Nebenfolgen dieser Scheidung nicht regelte. C.A.________ (geb. 2018) ist die gemeinsame Tochter der Parteien.  
 
A.b. Mit Eingabe vom 11. August 2020 stellte A.A.________ beim Bezirksgericht Bülach den Antrag, das syrische Scheidungsurteil bezüglich aller offenen Punkte zu ergänzen und stellte Anträge auf den Erlass vorsorglicher Massnahmen. Das Bezirksgericht erliess am 8. Februar 2021 (zunächst unbegründet) seinen Massnahmenentscheid. Soweit vorliegend interessierend, übertrug es die Obhut über die Tochter beiden Parteien mit wechselnder Betreuung je zur Hälfte und regelte die diesbezüglichen Modalitäten in den Grundzügen (Dispositiv-Ziffern 4 und 5). Zudem verpflichtete es A.A.________ zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen für die Tochter in der Höhe von Fr. 797.-- (davon Fr. 193.-- als Überschussanteil und Fr. 0.-- als Betreuungsunterhalt, da die Tochter zu 100 % fremdbetreut wird, Dispositiv-Ziffer 6) und bestimmter monatlicher Kosten (die Krankenkassenprämien sowie Fremdbetreuungskosten) der Tochter direkt beim jeweiligen Anbieter/Dienstleister/Staatsbetrieb (Dispositiv-Ziffer 7). Im Übrigen stellte es die finanziellen Verhältnisse der Parteien fest, von denen es bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge ausgegangen war (Dispositiv-Ziffer 8).  
 
B.  
A.A.________ erhob gegen diesen Massnahmenentscheid am 11. November 2021 Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich hiess diese teilweise gut und ersetzte die Dispositiv-Ziffern 6 und 8 durch eine neue Fassung. Demnach wurde A.A.________ zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von Fr. 747.-- verpflichtet (davon Fr. 143.-- als Überschussanteil und Fr. 0.-- als Betreuungsunterhalt), was insbesondere aus einer Erhöhung des Grundbetrags von A.A.________ resultierte (Dispositiv-Ziffer 8). 
 
C.  
 
C.a. Am 27. April 2022 (Poststempel) gelangt A.A.________ (Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen, eventualiter subsidiärer Verfassungsbeschwerde, an das Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Ihm sei im Hinblick auf die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens eine angemessene Übergangsfrist zuzugestehen und es sei bis zum Ablauf dieser Frist vom tatsächlichen Nettoeinkommen auszugehen. Ausserdem sei ihm ein angemessener familienrechtlicher Notbedarf anzurechnen und der Grundbetrag auf Fr. 1'250.-- festzusetzen. Im Übrigen beantragt der Beschwerdeführer die Erteilung der aufschiebenden Wirkung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.  
 
C.b. B.A.________ (Beschwerdegegnerin) nahm mit Eingabe vom 13. Mai 2022 (Poststempel) zum Gesuch um aufschiebende Wirkung Stellung und beantragte dessen Abweisung. Ausserdem sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen. Das Obergericht verzichtete auf eine Stellungnahme betreffend das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit dem Hinweis, dass es damit weder zum Ausdruck bringen wolle, es stimme den Anträgen zu, noch dass es sich diesen widersetze.  
Der Präsident der urteilenden Abteilung hat der Beschwerde mit Verfügung vom 19. Mai 2022 für den verfallenen, nicht aber für den laufenden Unterhalt die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
C.c. Im Übrigen hat sich das Bundesgericht die kantonalen Akten überweisen lassen, in der Sache aber keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht (Art. 75 BGG) über den Kindesunterhalt im Rahmen vorsorglicher Massnahmen betreffend die Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils entschieden hat. Strittig ist damit eine vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Der erforderliche Streitwert ist - entgegen den vorinstanzlichen Feststellungen - erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist folglich das zutreffende Rechtsmittel und die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde erweist sich als unzulässig (Art. 113 BGG).  
 
1.2. Auf die Beschwerde kann indes aus mehrfachen Gründen nicht eingetreten werden:  
 
1.2.1. Dreht sich der Streit - wie hier - um eine Geldleistung, sind die diesbezüglichen Begehren zu beziffern (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 143 III 111 E. 1.2). Auf eine Beschwerde mit mangelhaftem Rechtsbegehren ist ausnahmsweise einzutreten, wenn sich aus der Begründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, ergibt, was der Beschwerdeführer in der Sache verlangt (vgl. BGE 143 III 111 E. 1.2; 137 III 617 E. 6). Der Beschwerdeführer stellt jedoch weder ein beziffertes Begehren noch lässt sich aus der Beschwerdebegründung ableiten, auf welchen Betrag er den Unterhalt festgesetzt wissen will.  
 
1.2.2. Rein kassatorische Anträge sind allenfalls zulässig, wenn das Bundesgericht von vornherein nicht reformatorisch entscheiden könnte, namentlich weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen fehlen und das Bundesgericht die Sache an die Vorinstanz zur Klärung der tatsächlichen Grundlagen und zu neuer Entscheidung zurückweisen müsste (BGE 133 III 489 E. 3.1; Urteil 5A_648/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 2.1). Der Ausnahmetatbestand ist in der Beschwerde zu begründen, soweit er aus dem angefochtenen Entscheid nicht ohne weiteres hervorgeht (BGE 133 III 489 E. 3.2; Urteil 5A_686/2021, 5A_687/2021 vom 25. Oktober 2021 E. 2.2); insbesondere sind Sachverhaltsrügen vorausgesetzt, die den Begründungsanforderungen genügen. Im Kontext eines Eheschutzverfahrens, in welchem nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (Art. 98 BGG), kommt eine Berichtigung oder Ergänzung der kantonalen Sachverhaltsfestellungen nur infrage, wenn die Vorinstanz des Bundesgerichts verfassungsmässige Rechte verletzt hat. Hierfür gilt die strenge Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 III 585 E. 4.1). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen; auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 144 II 313 E. 5.1; 142 II 369 E. 2.1; 140 III 264 E. 2.3).  
Der Beschwerdeführer beanstandet zwar in mehrfacher Hinsicht den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt; indes beschränkt er sich darauf, seine eigene Sicht der Dinge darzulegen, ohne im Einzelnen darzulegen, weshalb die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sein sollen; ebenso unterlässt er jegliche Ausführungen zur Frage, inwiefern sich die Behebung des behaupteten Mangels auf das Ergebnis auswirken könnte. Auf die in diesem Sinn appellatorischen Ausführungen kann nicht eingetreten werden. 
Dasselbe gilt für jene Ausführungen zum Sachverhalt, die sich nicht aus dem angefochtenen Entscheid ergeben. So führt er aus, es sei "wesentlich", dass während des syrischen Scheidungsverfahrens vor dem Bezirksgericht Zürich ein Eheschutzverfahren hängig gewesen sei und dieses das Getrenntleben bewilligt und die Nebenfolgen geregelt habe. Was der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen bezwecken will bzw. weshalb diese "wesentlich" sein sollten, erschliesst sich jedoch nicht. Dies gilt ebenso für seine Ausführungen zur Einigungsverhandlung bzw. Verhandlung über vorsorgliche Massnahmen und den Vergleichsvorschlag des erstinstanzlichen Gerichts. 
 
1.2.3. Sodann beanstandet der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht die Rechtsanwendung (keine Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist für die Erzielung des angerechneten Einkommens; Berechnung seiner Bedarfspositionen mit Bezug auf den ihm angerechneten Grundbetrag sowie die Aufteilung der Wohnkosten und der Kosten für die Haftpflicht- und Mobiliarversicherung), ohne indes Verfassungsrügen zu erheben (zur Beschränkung der Kognition des Bundesgerichts vgl. E. 1.2.2). Darauf kann (ebenfalls) nicht eingetreten werden.  
Ebenso nicht zielführend ist die Behauptung, die Vorinstanz habe die Untersuchungsmaxime verletzt, indem sie unterlassen habe, die Lohnabrechnungen bzw. Lohnausweise bei den Parteien einzufordern (weshalb es auf ein falsches Einkommen abgestellt habe). Wer sich auf die Untersuchungsmaxime beruft bzw. eine Verletzung derselben geltend macht, muss zunächst aufzeigen, dass das Gericht den Sachverhalt unvollständig und damit willkürlich festgestellt hat. Ausserdem muss der Beschwerdeführer diejenigen Tatsachen behaupten, die das Gericht festzustellen bzw. abzuklären unterlassen hat. Schliesslich obliegt es ihm darzutun, inwiefern die behaupteten Tatsachen für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Urteile 5A_452/2013, 5A_453/2013 vom 2. Dezember 2013 E. 4.2; 5A_574/2012 vom 17. Dezember 2012 E. 2.2.1). Die nicht in allen Teilen verständlichen Ausführungen des Beschwerdeführers erfüllen die strengen Begründungsanforderungen nicht: Er führt nicht aus, auf welches (hypothetische) Einkommen die Vorinstanz konkret hätte abstellen müssen, weshalb er auch nicht aufzuzeigen vermag, inwiefern sie im Ergebnis in Willkür verfallen ist. Nachdem es dem Beschwerdeführer bereits mangels Erfüllung der Begründungspflicht nicht gelingt, die vorinstanzlichen Feststellungen bezüglich seines Einkommens ins Wanken zu bringen, läuft auch die Rüge der Verletzung der Untersuchungsmaxime ins Leere. Die offensichtlich willkürliche Anwendung von Art. 317 Abs. 1 ZPO durch die Vorinstanz macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Auf die Rüge ist nicht einzutreten. 
 
1.2.4. Nicht einzutreten ist schliesslich auf die Rügen, welche das Vorgehen der Erstinstanz beschlagen, denn Gegenstand des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist ausschliesslich der angefochtene Entscheid des Obergerichts (Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegt der Beschwerdeführer; er ist kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist seine Beschwerde als von Anfang an aussichtslos zu betrachten, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung mangelt (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. Ausnahmsweise rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin sind in der Hauptsache mangels Einholens einer Vernehmlassung keine entschädigungspflichtigen Kosten entstanden. Im Gesuchsverfahren betreffend aufschiebende Wirkung ist sie teilweise unterlegen, womit ihr praxisgemäss keine Entschädigung zusteht. Nur insoweit ist ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht gegenstandslos geworden. Die Voraussetzungen sind erfüllt und das Gesuch entsprechend gutzuheissen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Beschwerdegegnerin wird darauf hingewiesen, dass sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, falls sie dazu später in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.  
 
2.2. Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und ihr wird Rechtsanwältin Marlene Zeier-Aegerter als unentgeltliche Rechtsbeiständin beigegeben.  
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Rechtsanwältin Marlene Zeier-Aegerter wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 500.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. August 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang