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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_247/2021  
 
 
Urteil vom 27. Dezember 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Bern, Brünnenstrasse 66, 3018 Bern, 
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, Nordring 8, 3013 Bern, 
 
1. Kantonales Steueramt St. Gallen, 
Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen, 
2. Einwohnergemeinde U.________/ BE. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Bern und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2018, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 15. Februar 2021 (100.2020.257U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1988) arbeitet seit dem 18. November 2013 als "Business Process Engineer" bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) in Bern. Infolge dieser Anstellung bezog er eine Wohnung in U.________/BE. Seine Schriften sind in V.________/SG hinterlegt, wo er aufgewachsen ist. 
 
B.  
Einem Antrag der Einwohnergemeinde U.________/BE folgend stellte die Steuerverwaltung des Kantons Bern mit Verfügung vom 30. Oktober 2019 fest, dass sich der steuerrechtliche Wohnsitz von A.________ ab dem Jahr 2018 in U.________/BE befunden habe. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos. Zuletzt wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 15. Februar 2021 eine Beschwerde A.________s ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. März 2021 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern sei vollständig aufzuheben und es sei festzulegen, dass sich sein Steuerdomizil im Steuerjahr 2018 in der Gemeinde V.________/SG befunden habe. Eventualiter sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei der Kanton St. Gallen anzuweisen, die Steuerveranlagung für das Jahr 2018 aufzuheben und die zu viel bezogenen Steuern zurückzuerstatten. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Steueramt des Kantons St. Gallen teilt mit, dass A.________ für die Steuerperiode 2018 noch nicht veranlagt worden sei, und verzichtet im Übrigen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten, oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer ist als Steuerpflichtiger gemäss Art. 73 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) und Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.  
 
1.2. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers ist einzutreten, soweit er damit die Aufhebung des Urteils der Vorinstanz verlangt.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer stellt ferner zwei Anträge, die nicht den Kanton Bern, sondern den Kanton St. Gallen betreffen: Als Teil seines Hauptantrags verlangt er die Feststellung des Steuerdomizils im Kanton St. Gallen und damit der Steuerhoheit des Kantons St. Gallens, subeventualiter verlangt er die Aufhebung der angeblich bereits rechtskräftigen Veranlagung des Kantons St. Gallens.  
 
1.3.1. Wenn eine steuerpflichtige Person, die in mehreren Kantonen zur Veranlagung herangezogen wird oder herangezogen zu werden droht, die Steuerhoheit eines dieser Kantone bestreitet, muss der betreffende Kanton grundsätzlich in einem Vorentscheid (dem sog. Steuerdomizilentscheid) rechtskräftig über seine Steuerhoheit entscheiden, bevor er das Veranlagungsverfahren fortsetzen darf (BGE 137 I 273 E. 3.3.2; 131 I 145 E. 2.1; 125 I 54 E. 1a; vgl. auch Urteil 2C_211/2021 / 2C_212/2021 vom 8. Juni 2021 E. 1.1). Der Anspruch auf den Steuerdomizilentscheid ergibt sich direkt aus dem verfassungsrechtlichen Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 127 Abs. 3 BV; vgl. BGE 137 I 273 E. 3.3.2; 123 I 289 E. 1a; 115 Ia 73 E. 3). Er dient dazu, die steuerpflichtige Person davor zu bewahren, einem Kanton umfassend Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse geben zu müssen, obschon dieser Kanton möglicherweise gar nicht für die Veranlagung zuständig ist (vgl. bereits BGE 60 I 342 E. 2). Gegenstand des Steuerdomizilverfahrens ist die Veranlagungszuständigkeit des betreffenden Kantons (Urteil 2C_211/ 2021 / 2C_212/2021 vom 8. Juni 2021 E. 3.1). Wenn sich die steuerpflichtige Person auf die Steuerhoheit eines anderen Kantons beruft, ist diese vorfrageweise zu prüfen, soweit sie kraft Bundesrechts der Veranlagungszuständigkeit des Kantons entgegen steht, welche die steuerpflichtige Person bestreitet. Hingegen besteht im Steuerdomizilverfahren kein Raum dafür, die Veranlagungszuständigkeit eines anderen Kantons selbständig festzustellen. Das gilt nicht nur für das kantonale Verfahren, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat (vgl. angefochtenes Urteil E. 1.2), sondern ebenso für das Verfahren vor Bundesgericht. Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer damit die Feststellung des Steuerdomizils im Kanton St. Gallen verlangt.  
 
1.3.2. Die Steuerhoheit des anderen Kantons kann im Rahmen einer Doppelbesteuerungsbeschwerde jedoch Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht werden, wenn der andere Kanton seinerseits seine Veranlagungszuständigkeit bereits ausgeübt hat und somit ein interkantonaler Kompetenzkonflikt eingetreten ist. Bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte beginnt die Beschwerdefrist spätestens dann zu laufen, wenn in beiden Kantonen Entscheide getroffen worden sind, gegen welche beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden kann (Art. 100 Abs. 5 BGG). Es kann auch eine bereits ergangene rechtskräftige Veranlagung eines konkurrierenden Kantons angefochten werden. Dabei muss im ersten Kanton der Instanzenzug nicht erschöpft werden und spielt es keine Rolle, dass es sich beim Entscheid des Erstkantons nicht um ein Urteil im Sinne von Art. 86 Abs. 2 1. Halbsatz BGG handelt (BGE 139 II 373 E. 1.4; 133 I 308 E. 2.4; 133 I 300 E. 2.4; Urteile 2C_974/2019 vom 17. Dezember 2020 E. 1.5.1; 2C_518/2011 vom 1. Februar 2012 E. 1.2).  
Der Beschwerdeführer behauptet, vom Kanton St. Gallen für das Steuerjahr 2018 bereits rechtskräftig veranlagt worden zu sein. Der Kanton St. Gallen bestreitet dies. Gemäss den vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen hat der Kanton St. Gallen den Beschwerdeführer für das Steuerjahr 2017 veranlagt. Hingegen wurden dem Beschwerdeführer bislang die direkte Bundessteuer und die Kantons- und Gemeindesteuern für das Steuerjahr 2018 (und das Steuerjahr 2019) erst vorläufig in Rechnung gestellt. Eine anfechtbare Veranlagungsverfügung ist dem Beschwerdeführer offenbar noch nicht eröffnet worden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es zur Zeit betreffend den Kanton St. Gallen an einem Anfechtungsobjekt fehlt, das zusammen mit der Veranlagung des Kantons Bern beim Bundesgericht mitangefochten werden könnte. Auf die Beschwerde gegen den Kanton St. Gallen ist folglich nicht einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Sie hat deshalb substanziiert darzulegen, weswegen diese Voraussetzungen gegeben sein sollen; wird sie dieser Anforderung nicht gerecht, bleibt es beim vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). Soweit Feststellungen oder Schlüsse allerdings nicht auf der beweismässigen Würdigung von vorgebrachten Umständen oder konkreten Anhaltspunkten beruhen, sondern ausschliesslich aufgrund von Erfahrungssätzen getroffen wurden, die sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ableiten, und daher allgemein für gleich gelagerte Fälle Geltung beanspruchen, mithin die Funktion von Normen übernehmen, können sie vom Bundesgericht im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten frei überprüft werden (BGE 140 I 285 E. 6.2.1; 140 III 115 E. 2; 136 III 486 E. 5).  
 
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Motivsubstitution; BGE 141 V 234 E. 1; 139 II 404 E. 3). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition, jene des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 134 II 207 E. 2). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine gesteigerte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 138 I 274 E. 1.6).  
 
 
3.  
Die Vorinstanz ist unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse zum Schluss gekommen, der Beschwerdeführer habe seinen steuerrechtlichen Wohnsitz im Steuerjahr 2018 in U.________/BE gehabt. Der Beschwerdeführer hält diese Würdigung für unzutreffend. 
 
3.1. Gemäss Art. 4 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000 (StG/BE; BSG 661.11) sind natürliche Personen aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton Bern haben. Der zweite Absatz der genannten Vorschrift präzisiert, dass eine Person einen steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton Bern hat, wenn sie sich dort mit der Absicht dauernden Verbleibs aufhält oder wenn ihr das Bundesrecht dort einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz zuweist (vgl. auch die harmonisierungsrechtliche Vorschrift von Art. 3 StHG, auf der Art. 4 StG/BE beruht). Obwohl Art. 3 Abs. 1 und 2 StHG - und damit Art. 4 Abs. 1 und 2 StG/BE - gleich wie Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) zur Umschreibung des steuerlichen Wohnsitzes nicht auf den zivilrechtlichen Wohnsitz verweisen, lehnt sich der steuerrechtliche Wohnsitz an den Wohnsitzbegriff des Zivilgesetzbuches an (vgl. BGE 143 II 233 E. 2.5.1; 138 II 300 E. 3.3; 132 I 29 E. 4.1; Urteile 2C_211/2021 / 2C_212/2021 vom 8. Juni 2021 E. 5.2.1; 2C_473/2018 vom 10. März 2019 E. 4, in: StR 74/2019 S. 356; 2C_873/2014 vom 8. November 2015 E. 3.2, in: StE 2016 B 11.1 Nr. 28, StR 71/2016 S. 49; Botschaft zu Bundesgesetzen über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden sowie über die direkte Bundessteuer vom 25. Mai 1983, BBl 1983 III 1 ff., S. 86 und S. 155).  
 
3.2. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das Kriterium der Absicht dauernden Verbleibens in Art. 23 Abs. 1 ZGB, Art. 3 Abs. 2 DBG und Art. 3 Abs. 2 StHG nicht so zu verstehen, dass es auf den inneren Willen des Steuerpflichtigen ankäme. Der Wohnsitz bestimmt sich vielmehr alleine nach der Gesamtheit der objektiven, für Dritte erkennbaren Tatsachen, in denen sich eine Absicht dauernden Verbleibens der betroffenen Person manifestiert (vgl. grundlegend BGE 97 II 1 E. 3; vgl. auch BGE 143 II 233 E. 2.5.2; 138 II 300 E. 3.2; 137 II 122 E. 3.6; 136 II 405 E. 4.3; 133 V 309 E. 3.1; 120 III 7 E. 2a). Der Wohnsitz liegt demnach dort, wo sich im Lichte dieser Tatsachen objektiv betrachtet der Mittelpunkt der Lebensinteressen - der Lebensmittelpunkt - der betroffenen Person befindet. Ob sich die relevanten äusseren Tatsachen verwirklicht haben, ist eine Tatfrage; die Bestimmung des Lebensmittelpunkts und damit des Wohnsitzes auf Basis der festgestellten Tatsachen ist hingegen eine Rechtsfrage (BGE 136 II 405 E. 4.3; 120 III 7 E. 2a; 97 II 1 E. 3; Urteile 2C_211/2021 / 2C_212/2021 vom 8. Juni 2021 E. 5.2.2; 2C_473/2018 vom 10. März 2019 E. 4.3, in: StR 74/2019 S. 356; 2C_678/2013 vom 28. April 2014 E. 3.3, in: StR 69/2014 S. 714). Wo jemand seine Schriften hinterlegt oder seine politischen Rechte ausübt, ist für die Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes zwar eine relevante Tatsache, aber alleine nicht von entscheidender Bedeutung (BGE 132 I 29 E. 4.1; 125 I 54 E. 2; Urteil 2C_211/2021 vom 8. Juni 2021 E. 5.2.2). Auch ein von vornherein bloss vorübergehender Aufenthalt kann einen Wohnsitz begründen, wenn er auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und der Lebensmittelpunkt dorthin verlegt wird. Als Mindestdauer wird üblicherweise ein Jahr vorausgesetzt (BGE 143 II 233 E. 2.5.2; Urteil 2C_480/ 2019 vom 12. Februar 2020 E. 2.2.2). Die Absicht, einen Ort später (aufgrund veränderter, nicht mit Bestimmtheit vorauszusehender Umstände) wieder zu verlassen, schliesst eine Wohnsitzbegründung nicht aus (BGE 143 II 233 E. 2.5.2; 127 V 237 E. 2c).  
 
3.3. Hält sich eine Person abwechslungsweise an zwei Orten auf, namentlich wenn Arbeits- und sonstiger Aufenthaltsort auseinander fallen, ist für die Ermittlung des Steuerwohnsitzes darauf abzustellen, zu welchem der beiden sie stärkere Beziehungen unterhält (vgl. BGE 132 I 29 E. 4.2; 125 I 54 E. 2/a; 97 II 1 E. 3; Urteil 2C_211/2021 / 2C_212/2021 vom 8. Juni 2021 E. 5.2.3; 2C_473/2018 vom 10. März 2019 E. 4.1, in: StR 74/2019 S. 356, mit Hinweisen). Der Lebensmittelpunkt bestimmt sich dabei nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich die Lebensinteressen erkennen lassen, nicht nach bloss erklärten Wünschen der steuerpflichtigen Person (BGE 125 I 54 E. 2/a). Relevant sind in diesem Zusammenhang etwa der gewöhnliche Aufenthaltsort der Familienmitglieder (Ehegatten, Kinder, Eltern und Geschwister), die ausserfamiliären sozialen Beziehungen (z.B. Teilnahme am Vereinsleben), die berufliche Stellung des Steuerpflichtigen und die Wohnverhältnisse an den verschiedenen Orten. Die verschiedenen Kriterien sind in Abhängigkeit der persönlichen Situation der betroffenen Person (z.B. Alter) zu gewichten und im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung (vgl. oben E. 3.1.2) gegeneinander abzuwägen, um den steuerrechtlichen Wohnsitz per Jahresende (vgl. Art. 4b Abs. 1 StHG) zu bestimmen. Die tatsächlichen Verhältnisse zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt sind zwar nicht unmittelbar relevant, können aber als Indizien berücksichtigt werden (vgl. etwa Urteile 2C_50/2014 vom 28. Mai 2014 E. 5.3, in: RtiD 2014 II S. 528; 2C_92/2012 vom 17. August 2012 E. 5.5).  
 
3.4. Für die praktisch besonders bedeutsame Gruppe der Personen, die sich unter der Woche typischerweise zu Erwerbszwecken an einem Ort aufhalten, aber wöchentlich an einen anderen Ort zurückkehren (sog. Wochenaufenthalter), lassen sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewisse typische Fallkonstellationen herauskristallisieren (vgl. Urteil 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 3.2.2, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39). Der Wohnsitz von Unselbständigerwerbenden liegt grundsätzlich am Arbeitsort, d.h. am Ort, von dem aus sie für längere oder unbestimmte Zeit der täglichen Erwerbstätigkeit nachgehen (BGE 132 I 29 E. 4.2; 125 I 54 E. 2b). Bei verheirateten Personen sowie im Konkubinat lebende Personen, die sich unter der Woche aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit nicht bei ihrer Familie bzw. ihrem Partner aufhalten und für das Wochenende zu ihr bzw. ihm zurückkehren, überwiegen die persönlichen und familiären Interessen am Familienort in der Regel die beruflichen Interessen am Arbeitsort, sodass sich ihr Lebensmittelpunkt regelmässig am Familienort befindet (BGE 132 I 29 E. 4.2; 125 I 54 E. 2b/aa; Urteile 2C_994/2019 vom 8. Juni 2020 E. 6.2; 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 3.2.2, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39). Bei alleinstehenden erwerbstätigen Personen, die das dreissigste Altersjahr überschritten oder sich mehr als fünf Jahre am selben Arbeitsort getrennt von ihren Eltern und Geschwistern aufgehalten haben, fallen die persönlichen und familiären Interessen am Wochenendort in der Regel schwächer aus, sodass sich der Lebensmittelpunkt typischerweise am Arbeitsort befindet (Urteile 2C_994/2019 vom 8. Juni 2020 E. 6.3; 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 3.2.2, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39). Diese Gewichtung drängt sich auch mit Blick auf Sinn und Zweck der direkten Steuern auf, welche die allgemeinen Leistungen abgelten, die das Gemeinwesen für seine Mitglieder erbringt. Ledige Steuerpflichtige ohne Familie nehmen die öffentliche Infrastruktur und die Leistungen des Gemeinwesens in ungleich grösserem Masse an dem Ort in Anspruch, an welchem sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen und sich demzufolge mehrheitlich aufhalten, als am Ort, wo sie ihre Freizeit verbringen (BGE 125 I 54 E. 2b/cc). Im Einzelfall kann aber auch eine alleinstehende Person ihren Lebensmittelpunkt am Wochenendort haben (vgl. Urteile 2C_994/2019 vom 8. Juni 2020 E. 6.3; 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 3.2.2 und 5.1, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39, je mit zahlreichen Hinweisen).  
 
3.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Jahr 2018 an 191 Nächten in W.________/SG (Teil der Gemeinde V.________/SG; nachfolgend: Familienort) und an 174 Nächten in U.________/BE übernachtet.  
 
3.5.1. Wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung festhält, deckt sich dies nicht mit den Feststellungen im angefochtenen Urteil: Danach ist der Beschwerdeführer in der Regel am Freitagnachmittag, gelegentlich zum Abbau von Überstunden schon am Donnerstagabend an den Familienort zurückgekehrt und von dort aus am Montagmorgen zur Arbeit nach Bern gereist. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beschwerdeführer seine Ferien und die Feiertage am Familienort verbracht hat, wie er behauptet, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil hingegen nicht. Ist nicht festgestellt, wo der Beschwerdeführer seine Ferien verbracht hat, trägt er die Folgen der Beweislosigkeit (objektive Beweislast), ist also zu seinem Nachteil davon auszugehen, dass er seine Ferien nicht am Familienort verbracht hat. Denn er leitet aus dieser Tatsache zu seinen Gunsten ab, dass sich sein Lebensmittelpunkt am Familienort befunden habe (Art. 8 ZGB analog; vgl. zur Beweislastverteilung im Steuerrecht BGE 144 II 427 E. 8.3.1; 142 II 488 E. 3.8.2; 140 II 248 E. 3.5; Urteil 2C_247/2020 vom 18. Juni 2020 E. 4.3.3, in: StE 2020 B 23.47.2 Nr. 26).  
 
3.5.2. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig wären (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. oben E. 2.1). Demnach ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Steuerjahr 2018 öfter am Familienort als am Arbeitsort übernachtet hat.  
 
3.6. Der Beschwerdeführer beruft sich unter anderem auf das Urteil 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 (in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39). Die Vorinstanz hält die Situation des Beschwerdeführers für nicht vergleichbar mit der in jenem Urteil beurteilten Konstellation (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.3).  
 
3.6.1. Im Verfahren 2C_87/2019 ging es um einen 30-jährigen Steuerpflichtigen, der mit einem Pensum von 80% für ein Finanzinstitut im Kanton Aargau (Montag bis Donnerstag) und im Kanton Graubünden (Freitag) arbeitete. Seit Beginn des Studiums an der ETH hielt er sich als Wochenaufenthalter im Kanton Zürich auf, wo er sich mit zwei Mitbewohnerinnen eine 4.5-Zimmer-Wohnung teilte. Typischerweise brach er an vier Tagen vom Wochenaufenthaltsort zur Arbeit im Kanton Aargau auf. Am Freitag pendelte er vom Familienort zur Arbeit im Kanton Graubünden. Jedenfalls waren dem Familienort aber regelmässig mindestens drei Tage und drei Nächte zuzurechnen. Der Steuerpflichtige im Verfahren 2C_87/2019 war zudem am Familienort in verschiedenen Vereinen engagiert und pflegte dort diverse familiäre und soziale Kontakte (vgl. Urteil 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 4.1, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39). Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Lebensinteressen am Familienort schwerer wogen als jene am Wochenaufenthaltsort. Besonderes Gewicht mass es dem Umstand bei, dass er an einem Tag in der Woche vom Familienort zur Arbeit gependelt und damit im Extremfall mehr Nächte pro Woche am Familienort als im Kanton Zürich verbracht hatte (Urteil 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019 E. 5.1, in: StE 2020 A 24.21 Nr. 39; vgl. auch Urteil 2C_646/2007 vom 7. Mai 2008 E. 4.2, wo der Steuerpflichtige regelmässig auch unter der Woche an den Familienort zurückgekehrt war).  
 
3.6.2. Ein ähnlicher Fall betraf einen 33-jährigen Steuerpflichtigen, der seit dem 12. September 2016 mit einem Pensum von 80% für eine Versicherung in Genf arbeitete. Unter der Woche übernachtete er in einer Mietwohnung mit einer Fläche von 59m2 in Lausanne, wo er von 2005 bis 2012 bereits studiert hatte. Im streitbetroffenen Jahr 2018 kehrte der Steuerpflichtige regelmässig am Wochenende in seinen Heimatkanton Tessin zurück, um dort seine Partnerin zu treffen und Familie und Freunde zu sehen. Ob der Steuerpflichtige diese Reise an allen Wochenenden oder bloss an der Mehrheit der Wochenenden unternahm, war im kantonalen Verfahren allerdings offen geblieben (vgl. Urteil 2C_994/2019 vom 8. Juni 2020 E. 7.2.1).  
Auch in diesem Verfahren betrieb der betroffene Steuerpflichtige verschiedene Vereins- und sonstige gesellschaftliche Aktivitäten am Familienort. Diese erachtete das Bundesgericht jedoch als weniger gewichtig als die beruflichen Interessen am Arbeitsort, sodass es den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen in Lausanne verortete. Dabei berücksichtigte es auch, dass der Steuerpflichtige im Kanton Tessin gratis in der Dreizimmerwohnung seiner Eltern übernachtete, während die Wohnung in Lausanne weit mehr Komfort bot als ein einfaches "Pied-à-terre" (vgl. Urteil 2C_994/2019 vom 8. Juni 2020 E. 7.2.1 und 7.2.2; vgl. auch Urteil 2C_580/2017 vom 16. März 2018 E. 4.4, in: RDAF 2018 II S. 49). 
 
3.7.  
 
3.7.1. Der Beschwerdeführer unterhält laut der Vorinstanz "gute bzw. nicht unerhebliche familiäre Beziehungen" am Familienort. Namentlich habe die Beziehung zu seinen Brüdern, mit denen zusammen er das Haus am Familienort bewohnt und als Miteigentümer besitzt, sowie zu seinem Vater seit dem Tod der Mutter im Mai 2014 (wieder) an Bedeutung gewonnen. Zudem nennt die Vorinstanz verschiedene gesellschaftliche Aktivitäten, die der Beschwerdeführer im Kanton St. Gallen betreibe: Er nehme jeweils am Freitagabend und ungefähr achtmal pro Jahr am Wochenende an Turnieren des Spiels "Magic: The Gathering" teil. Ferner spiele er regelmässig in zwei Gruppen oder zuhause mit seinen Brüdern und seinem Cousin das Spiel "Dungeons & Dragons" sowie mit seinem Cousin "Airsoft-Games". Schliesslich treffe er sich im Raum St. Gallen mit ehemaligen Studienkollegen. Die Vorinstanz ging indessen nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon aus, dass der Beschwerdeführer auch im Kanton Bern nach fünf Jahren Wochenaufenthalt gewisse gesellschaftliche Beziehungen geknüpft haben müsse. Sie anerkannte aber, dass in Bezug auf die gesellschaftlichen Beziehungen von einer "etwas stärkeren" Bindung des Beschwerdeführers an den Familienort auszugehen sei (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.2.5). Die Wohnsituation am Arbeitsort (selbst möblierte 3.5 Zimmerwohnung) hielt die Vorinstanz für mindestens gleichwertig mit jener am Familienort (Einfamilienhaus, das der Beschwerdeführer zusammen mit seinen Brüdern bewohnt).  
 
3.7.2. Der Beschwerdeführer rügt die tatsächliche Würdigung der gesellschaftlichen Beziehungen im Kanton Bern durch die Vorinstanz als offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG) und willkürlich (Art. 9 BV). Es könne von ihm nach Treu und Glauben nicht der Negativbeweis erwartet werden, dass er keine gesellschaftlichen Beziehungen an seinem Arbeitsort unterhalte. Wie es sich damit verhält, kann hier offenbleiben. Denn dem Beschwerdeführer ist jedenfalls insoweit Recht zu geben, als die festgestellten gesellschaftlichen Beziehungen am Familienort deutlich und nicht bloss etwas stärker sind als die lediglich dank einer natürlichen Vermutung festgestellten, minimalen Beziehungen im Kanton Bern.  
 
3.7.3. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob vom Arbeitsort als Lebensmittelpunkt und Wohnsitz abzuweichen ist. Denn dies käme in der Konstellation des Beschwerdeführers nur infrage, falls besonders enge familiäre Beziehungen für den Familienort als Lebensmittelpunkt sprechen (vgl. Urteile 2C_580/2017 vom 16. März 2018 E. 4.2, in: RDAF 2018 II S. 49; 2C_1045/2016 vom 3. August 2017 E. 3.4; 2C_311/ 2014 vom 30. April 2015 E. 2.3 und 3.3, in: StR 70/2015 S. 594; 2C_397/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 2.3, in: StE 2011 A 24.21 Nr. 22; vgl. weniger streng noch Urteile 2P.159/2006 vom 14. November 2006 E. 3.2; 2P.179/2003 vom 17. Juni 2004 E. 3.2; 2P.156/2000 vom 9. März 2001 E. 3; 2P-57/2000 vom 2. Februar 2001 E. 3a und 4a; 2P.240/1998 vom 4. Mai 1999 E. 3a und 4b, in: StR 55/2000 S. 177). Solche besonders enge familiäre Beziehungen hielt das Bundesgericht etwa für gegeben bei einem 57-jährigen Steuerpflichtigen, der sich unter der Woche zur Arbeit in einer 1-Zimmerwohnung im Kanton Zürich aufhielt, aber seit langer Zeit die Wochenenden mit seiner Schwester in einer 4-Zimmerwohnung im Kanton Obwalden verbrachte (Urteil 2C_397/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 2.4.3, in: StE 2011 A 24.21 Nr. 22) oder bei Steuerpflichtigen, die sich am Familienort um pflegebedürftige Eltern kümmerten (vgl. Urteile 2C_646/2007 vom 7. Mai 2008 E. 4.2; 2P.129/2000 vom 2. Februar 2001 E. 2e). Dieses ausserordentliche Gewicht erreichten die familiären Interessen des Beschwerdeführers im Kanton St. Gallen im Steuerjahr 2018 nicht. Sie vermögen die beruflichen Interessen am Arbeitsort im Steuerjahr 2018 nicht aufzuwiegen. Wie es sich verhalten hätte, wenn der Beschwerdeführer ähnlich wie der Steuerpflichtige im Verfahren 2C_87/ 2019 annähernd gleich viele (oder sogar mehr) Nächte am Familienort verbracht hätte wie am Arbeitsort, ist hier nicht zu entscheiden.  
 
3.8. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz weder Bundesrecht noch harmonisiertes kantonales Steuerrecht verletzt, indem sie die Veranlagungszuständigkeit des Kantons Bern feststellte.  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit sie das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 15. Februar 2021 betrifft. Soweit die Beschwerde den Kanton St. Gallen betrifft, ist darauf mangels anfechtbarer Veranlagungsverfügung nicht einzutreten. Da der Beschwerdeführer unterliegt, trägt er die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie den Kanton Bern betrifft. 
 
2.  
Soweit die Beschwerde den Kanton St. Gallen betrifft, wird darauf nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Dezember 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler