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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_318/2018  
 
 
Urteil vom 28. März 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, 
 
Justiz- und Sicherheitsdepartement 
des Kantons Luzern. 
 
Gegenstand 
Administrativmassnahmen des Strassenverkehrsrechts; 
unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Luzern, 4. Abteilung, vom 24. Mai 2018 
(7H 18 83/7U 18 12). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 25. Oktober 2015 ereignete sich in Kriens ein Verkehrsunfall, an dem A.________ mit seinem Motorrad beteiligt war. Ein Drogenschnelltest ergab ein positives Ergebnis für Cannabis, weshalb ihm der Führerausweis vorläufig abgenommen wurde. Anschliessend wurde er zur Blut- und Urinentnahme ins Kantonsspital Luzern gebracht. Das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ) vom 9. November 2015 wies für den Zeitpunkt der Blutentnahme 240 Mikrogramm Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH) pro Liter Blut (μg/l) nach. 
Mit Verfügung vom 14. Dezember 2015 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern A.________ wegen des Verdachts auf eine Suchtproblematik vorsorglich den Lernfahrausweis der Kategorie A (Motorräder) und den Führerausweis der Kategorie M (Motorfahrräder) auf unbestimmte Zeit. Die Wiedererteilung wurde von einer verkehrsmedizinischen Untersuchung abhängig gemacht. A.________ focht diese Verfügung nicht an. 
Am 20. Juli 2016 wies das Strassenverkehrsamt ein von A.________ gestelltes Wiedererwägungsgesuch ab. Eine dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 14. Oktober 2016 ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat. Dieses Urteil blieb unangefochten. 
Mit Urteil vom 25. September 2017 sprach das Kantonsgericht A.________ von den Vorwürfen des Konsums von Betäubungsmitteln und des Führens eines Motorrads unter Betäubungsmitteleinfluss frei. Zur Begründung führte es aus, das Gutachten des IRMZ vom 9. November 2015 sowie das Protokoll der ärztlichen Untersuchung des Kantonsspitals vom 25. Oktober 2015 seien nicht verwertbar, weil die Entnahme von Urin und Blut lediglich von der Polizei statt von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden war. 
In der Folge ersuchte A.________ um eine neue Beurteilung des Ausweisentzugs. Mit Verfügung vom 16. März 2018 verweigerte ihm das Strassenverkehrsamt die Wiedererteilung des Lernfahrausweises der Kategorie A und des Führerausweises der Kategorie M. Zudem ordnete es an, A.________ habe sich einer Untersuchung durch einen Verkehrsmediziner zu unterziehen. Dagegen erhob A.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Urteil vom 24. Mai 2018 wies das Kantonsgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Dispositiv-Ziffer 1) und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer 2), auferlegte A.________ die Gerichtskosten von Fr. 500.-- (Dispositiv-Ziffer 3) und sprach keine Parteientschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 4). 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 29. Juni 2018 beantragt A.________, Dispositiv-Ziffern 1 und 3 des kantonsgerichtlichen Urteils seien aufzuheben und die unentgeltliche Rechtspflege sei zu gewähren. 
Das Kantonsgericht und das Strassenverkehrsamt beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid betrifft in der Hauptsache den vorsorglichen Entzug des Führerausweises und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. Der Beschwerdeführer ficht ihn insoweit an, als ihm die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde. Dafür ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten das zutreffende Rechtsmittel. Es handelt sich bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131 mit Hinweis). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV. Danach hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Satz 1). Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Satz 2).  
 
2.2. Das Kantonsgericht hielt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für offensichtlich aussichtslos. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung könne ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel Anlass geben für die Einleitung eines Verfahrens auf Sicherungsentzug nach Art. 16d Abs. 1 SVG. Bei der in diesem Rahmen erforderlichen Interessenabwägung falle die Gewährleistung der Verkehrssicherheit stark ins Gewicht. Angesichts der hohen THC-COOH-Konzentration von 240 μg/l sei von einem regelmässigen und hohen Cannabis-Konsum auszugehen. Sogar eine der vom Beschwerdeführer selbst eingereichten Urinproben (jene vom 21. Januar 2016) sei positiv gewesen. Angesichts des Umstands, dass es lediglich um einen vorsorglichen Führerausweisentzug und eine Fahreignungsabklärung gehe, würden die entgegenstehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers weniger schwer wiegen. Es gebe damit keinen Grund, auf die rechtskräftige Verfügung vom 14. Dezember 2015 zurückzukommen. Bei der angeordneten verkehrsmedizinischen Untersuchung werde auch abzuklären sein, ob die Persönlichkeitsstörung, auf die in einem vom Beschwerdeführer selbst eingereichten ärztlichen Attest hingewiesen werde, Auswirkungen auf die Fahreignung habe. Jedenfalls könne daraus nicht auf die Unzumutbarkeit einer verkehrsmedizinischen Untersuchung geschlossen werden.  
 
2.3. Der Beschwerdeführer ist dagegen der Ansicht, es sei nicht von vornherein klar gewesen, dass das Beweismittelverwertungsverbot im Administrativverfahren nicht gelte. Die Rechtsprechung sei nicht eindeutig. Im Urteil 1C_357/2014 vom 18. November 2014 sei trotz fehlender Anzeichen von Fahrunfähigkeit ein Drogentest angeordnet worden. Die kantonale Rechtsmittelinstanz habe deshalb den vom Strassenverkehrsamt verfügten Führerausweisentzug aufgehoben, was auch vom Bundesgericht anerkannt worden sei. Auch bei ihm hätten keine Anzeichen von Fahrunfähigkeit bestanden. Zutreffend sei weiter zwar, dass für die drei späteren Urinproben das Beweismittelverwertungsverbot nicht gelte, doch sei davon nur eine positiv ausgefallen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung reiche ein (aktiver oder passiver) regelmässiger Konsum von Cannabis nicht aus, um jemandem die Fahreignung abzusprechen, solange die betroffene Person in der Lage sei, zuverlässig zwischen Drogenkonsum und Strassenverkehr zu unterscheiden. Was die angebliche Persönlichkeitsstörung anbelange, sei die betreffende Feststellung durch einen Facharzt für innere Medizin erfolgt, der dafür nicht die erforderlichen Kenntnisse besitze.  
 
2.4. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Wie es sich damit verhält, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit freier Kognition. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wird, namentlich aufgrund der bis dann vorliegenden Akten (BGE 140 V 521 E. 9.1 S. 537 mit Hinweisen).  
 
2.5. In BGE 139 II 95 hat das Bundesgericht für die Frage der Verwertung unrechtmässig erhobener Beweise eine Unterscheidung zwischen jenen Verwaltungsverfahren getroffen, die auf eine konkrete Untersuchung der Fahreignung gerichtet sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Es stellte in diesem Sinne den damals zur Diskussion stehenden Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit nach einer schweren Widerhandlung (Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG) dem Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreignung (Art. 16d SVG) gegenüber. Geht es darum, ob eine neue Widerhandlung begangen worden ist, muss danach zur Sicherstellung der Koordination das im Strafverfahren geltende Beweisverwertungsverbot auch im Verwaltungsverfahren zur Anwendung gelangen, was im konkreten Fall ausschloss, das Ergebnis einer rechtswidrig angeordneten Drogenkontrolle zu berücksichtigen (a.a.O., E. 3.4.3 S. 104 f.). Beim Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreignung verhält es sich anders. Das Bundesgericht wies ausdrücklich darauf hin, dass das Beweismittel zur Prüfung der Frage, ob sich die Einleitung eines Verfahrens zur Abklärung der Fahreignung rechtfertige, berücksichtigt werden kann. Das öffentliche Interesse am Schutz der Verkehrsteilnehmer überwiegt in dieser Hinsicht (a.a.O., E. 3.5).  
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist die Rechtsprechung nicht unklar. Im von ihm erwähnten Urteil 1C_357/2014 vom 18. November 2014 ist das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht eingetreten, es hat sich somit zur Sache gar nicht geäussert. 
 
2.6. Gemäss Art. 15d Abs. 1 lit. d SVG wird eine Person einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, wenn Zweifel an ihrer Fahreignung bestehen, namentlich bei Fahren unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln. Gemäss Art. 30 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) kann zudem der Führerausweis vorsorglich entzogen werden, wenn ernsthafte Bedenken an der Fahreignung bestehen (vgl. zum Ganzen auch Urteil 1C_13/2017 vom 19. Mai 2017 E. 3.2 mit Hinweisen).  
Dem Beschwerdeführer wurde eineinhalb Stunden nach dem Unfall Blut entnommen. Dessen Analyse ergab eine THC-COOH-Konzentration von 240 μ g/l sowie eine THC-Konzentration von 6,0 μ g/l. Der Nachweisgrenzwert für THC, bei dessen Erreichen gleichzeitig auf Fahrunfähigkeit zu schliessen ist, liegt bei 1,5 μg/l (Art. 2 Abs. 2 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11] i.V.m. Art. 34 der Verordnung vom 22. Mai 2008 des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung [VSKV-ASTRA; SR 741.013.1]). 
Angesichts der hohen Blutwerte bestanden ernsthafte Bedenken an der Fahreignung des Beschwerdeführers, weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit angezeigt war, ihm den Lernfahr- und den Führerausweis vorsorglich zu entziehen und eine Fahreignungsuntersuchung anzuordnen (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil 1C_618/2015 vom 7. März 2016 E. 3.3 mit Hinweisen). Daran ändert nichts, dass spätere Urinproben negativ ausgefallen sind und der Beschwerdeführer behauptet, einzig passiv geraucht zu haben. Selbst wenn dies zuträfe, bestanden dennoch ernsthafte Bedenken an seiner Fahreignung. Die in diesem Zusammenhang erhobene Kritik, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich falsch, erscheint als unbegründet (Art. 97 Abs. 1 BGG). Nicht zu beanstanden ist schliesslich auch, dass das Kantonsgericht das vom Beschwerdeführer selbst eingereichte ärztliche Attest vom 15. April 2018 mitberücksichtigte. Der Arzt hält fest, dass 2013 beim Beschwerdeführer eine Persönlichkeitsstörung gefunden worden sei, die sich mittlerweile weiter vertieft und verfestigt habe. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Denken und Handeln sowie ein sachliches Verhalten vor Gericht seien von Vornherein auszuschliessen. 
 
2.7. Das Kantonsgericht verletzte Art. 29 Abs. 3 BV nicht, wenn es unter diesen Voraussetzungen davon ausging, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei offensichtlich unbegründet gewesen. Sowohl hinsichtlich der Verwertbarkeit des Beweismittels der Blutanalyse als auch des vorsorglichen Ausweisentzugs und der Fahreignungsabklärung erscheint die Sache als klar.  
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen als unbegründet. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Da auch die beim Bundesgericht erhobene Beschwerde aussichtslos erschien, sind die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt (Art. 64 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, dem Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern und dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. März 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold