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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_857/2020  
 
 
Urteil vom 31. Mai 2021  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniele Favalli und Rechtsanwältin Roxane Schmidgall, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________ GmbH in Liquidation, 
2. C.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Pio R. Ruoss und/oder Rechtsanwältin Pascale Gola und/oder Rechtsanwältin Martina Kümmerli, 
Beschwerdegegner, 
 
Gegenstand 
Wiedereröffnung des Konkurses, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 9. September 2020 (PF200055-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Mit Urteil vom 31. Januar 2019 eröffnete das Bezirksgericht Zürich (Konkursgericht) den Konkurs über die B.________ GmbH. Das Konkursverfahren wurde am 7. März 2019 mangels Aktiven eingestellt. Die Gesellschaft wurde am 14. Juni 2019 in Anwendung von a Art. 159 Abs. 5 lit. a HRegV von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht.  
 
A.b. Die A.________ AG ersuchte mit Eingabe vom 11. März 2020 beim Bezirksgericht Zürich um Wiedereintragung der B.________ GmbH in Liquidation in das Handelsregister. Sie begründete ihr Gesuch mit nach Einstellung des Konkurses neu entdeckten Aktiven. Konkret wies sie auf Verantwortlichkeitsansprüche der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer C.________ als formelles Organ sowie gegenüber der Muttergesellschaft als faktisches Organ hin. Mit Urteil vom 30. April 2020 wurde dem Gesuch stattgegeben. Das Bezirksgericht Zürich (Einzelgericht im summarischen Verfahren/Konkursgericht) ordnete die Wiedereintragung der B.________ GmbH in Liquidation zwecks Durchführung des Konkursverfahrens ins Handelsregister an (Dispositiv-Ziff. 1). Es wiedereröffnete den am 7. März 2019 geschlossenen Konkurs und ordnete das summarische Konkursverfahren an (Dispositiv-Ziff. 2).  
 
B.  
 
B.a. Gegen dieses Urteil wandten sich die B.________ GmbH und C.________ mit Berufung und mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit den beiden Rechtsmitteln beantragten sie die vollumfängliche Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils (Antrag-Ziff. 1), die Abweisung des Gesuchs um Wiedereintragung der B.________ GmbH (Antrag-Ziff. 2), die Anweisung an das Konkursamt, den wiedereröffneten Konkurs einzustellen (Antrag-Ziff. 3) sowie die Anweisung an das Handelsregisteramt, die B.________ GmbH in Liquidation zu löschen (Antrag-Ziff. 4). Das Obergericht eröffnete das Berufungsgeschäft LF200034 betreffend die Wiedereintragung in das Handelsregister und das Beschwerdegeschäft PF200055 betreffend die Wiedereröffnung des Konkurses.  
 
B.b. Das Obergericht trat im Beschwerdegeschäft mit Beschluss vom 9. September 2020 auf die Anträge, soweit sie sich auf die vom Bezirksgericht Zürich, Einzelgericht, angeordnete Wiedereintragung beziehen, nicht ein (Anträge Ziff. 1, 2 und 4). Mit Urteil vom gleichen Tag hiess es die Beschwerde teilweise gut und hob das erstinstanzliche Urteil (Dispositiv-Ziff. 2: Wiedereröffnung des Konkurses) auf; das sinngemässe Konkursbegehren wurde abgewiesen (PF200055).  
 
B.c. Mit Urteil vom gleichen Tag hiess das Obergericht die Berufung teilweise gut und wies das Begehren um Wiedereintragung der B.________ GmbH in das Handelsregister ab. Gleichzeitig lehnte es die Wiedereröffnung des Konkurses ab (LF200034).  
 
C.  
 
C.a. Die A.________ AG ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14. Oktober 2020 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss und das Urteil des Obergerichts (PF200055) vom 9. September 2020 aufzuheben, und in der Sache, die Wiedereröffnung des Konkurses über die B.________ GmbH in Liquidation zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückweisen.  
Die B.________ GmbH in Liquidation und C.________ beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Es erfolgte keine Replik. 
Mit Verfügung vom 30. November 2020 ist der Beschwerde in Bezug auf die Kostenfolgen antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
C.b. Am 22. April 2021 hat das Bundesgericht die Beschwerde in Zivilsachen gegen die Nichteintragung der B.________ GmbH in Liquidation im Handelsregister gutgeheissen. Es hat das Urteil des Obergerichts (LF200034) vom 9. September 2020 aufgehoben und die Berufung der B.________ GmbH in Liquidation sowie von C.________ gegen den erstinstanzlichen Entscheid abgewiesen (Urteil 4A_527/2020 vom 22. April 2021).  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Beschluss und das Urteil eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelbehörde über die Wiedereröffnung eines Konkurses befunden hat. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. d und Art. 75 BGG).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3).  
 
2.  
Anlass der Beschwerde bildet das Gesuch um Wiedereröffnung des Konkurses über eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 
 
2.1. Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt der Konkursrichter auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens (Art. 230 Abs. 1 SchKG). Das Konkursamt publiziert die Einstellung mit dem Hinweis, dass bei Nichtleistung der Sicherheit für die anfallenden Kosten innert angesetzter Frist das Verfahren geschlossen werde (Art. 230 Abs. 2 SchKG). Die anschliessende Löschung der Gesellschaft erfolgt von Amtes wegen, wenn innert drei Monaten ( a Art. 159 Abs. 5 HRegV), bzw. innert zwei Jahren (Art. 159a Abs. 1 lit. a HRegV, in der am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung; AS 2020 971) kein begründeter Einspruch dagegen erfolgt.  
 
2.1.1. Die Wiedereröffnung eines mangels Aktiven eingestellten Konkurses ist im Gesetz nicht vorgesehen, wird indes von Lehre und Rechtsprechung anerkannt. Werden nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven und Löschung der Gesellschaft im Handelsregister neue Vermögenswerte entdeckt, welche die Kosten eines Konkursverfahrens decken, so muss die Gesellschaft wiederum im Handelsregister eingetragen werden, der Konkurs neu eröffnet und im summarischen oder ordentlichen Verfahren abgewickelt werden (Urteil 4A_467/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.2 mit Hinweisen; vgl. BGE 146 III 441 E. 2.1; RÜETSCHI, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/Turin [Hrsg.], 2013, N. 20 f. zu Art. 164; LORANDI, Wiedereröffnung des Konkurses, AJP 2018 S. 56, 59, 61; STOFFEL/SAUTIER, La découverte d'actifs et/ou de passifs du débiteur à un stade avancé de la faillite ou après la clôture de celle-ci, JdT 2019 II S. 108 f.).  
 
2.1.2. Das Vorhandensein von Vermögenswerten muss glaubhaft gemacht werden, damit das Gericht die Wiedereintragung einer gelöschten Gesellschaft im Handelsregister anordnen kann (RÜETSCHI, a.a.O., N. 26 zu Art. 164). Zum Antrag auf Wiedereintragung (wie zur Beendigung des Konkursverfahrens) ist berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung der gelöschten Rechtseinheit hat ( a Art. 164 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 HRegV; Art. 935 OR und Art. 164 HRegV, je in der am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung, AS 2020 957, AS 2020 971); dazu gehören nach der Rechtsprechung namentlich die Verwaltungsräte, Liquidatoren und Gläubiger (BGE 140 III 550 E. 2.1). Die Wiedereröffnung des Konkurses kommt nur bei einer Einstellung mangels Aktiven in Frage, währenddem der Nachkonkurs (Art. 269 SchKG) ein durchgeführtes und abgeschlossenes Konkursverfahren voraussetzt (LORANDI, a.a.O., S. 65), indes keine Wiedereintragung erfordert, solange die Masse Ansprüche nicht aktiv geltend machen will (BGE 146 III 441 2.5.4).  
 
2.2. Das Obergericht hielt fest, dass die Wiedereröffnung des Konkurses die gültige Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraussetzt. Im vorliegenden Fall verwies die Vorinstanz auf das Berufungsverfahren LF200034, in welchem entschieden wurde, dass die Erstinstanz die Voraussetzungen für die Wiedereintragung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Beschwerdegegnerin 1) in das Handelsregister zu Unrecht als gegeben erachtet habe. In Gutheissung der Berufung wurde das Gesuch um Wiedereintragung abgewiesen (LF200034). Daraus schloss das Obergericht, dass auch der Konkurs nicht wiedereröffnet werden könne, da es an einem konkursfähigen Subjekt fehle. Sie hiess die Beschwerde gegen die Wiedereröffnung des Konkurses gut (PF200055).  
 
2.3. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in Zivilsachen gegen das obergerichtliche Urteil (PF200034) zwischenzeitlich gut und wies die Berufung gegen die Wiedereintragung der Beschwerdegegnerin 1 in das Handelsregister ab (vgl. Lit. C.b; Urteil 4A_527/2020 vom 22. April 2021). Es sah die Berufungslegitimation der Beschwerdegegner als nicht gegeben. Davon abgesehen betonte das Bundesgericht, dass im Verfahren um Wiedereintragung einer im Handelsregister gelöschten Gesellschaft die Glaubhaftmachung eines Aktivums genügt. Davon sei im konkreten Fall ohne Weiteres auszugehen.  
 
2.4. Das Urteil 4A_527/2020 vom 22. April 2021 ist zwar nach dem angefochtenen Entscheid, aber zwischen den gleichen Parteien und während des vorliegenden Verfahrens (5A_857/2020) ergangen. Das Urteil 4A_527/2020 gilt als gerichtsnotorisch. Es wird vom Novenverbot gemäss Art. 99 BGG nicht erfasst und ist im vorliegenden Verfahren in tatsächlicher Hinsicht (Art. 105 Abs. 2 BGG) zu berücksichtigen (vgl. Urteil 5A_610/2016 vom 3. Mai 2016 E. 3.1, E. 3.2; Urteil 5A_640/2020 vom 25. März 2021 E. 2.3).  
 
2.5. Zu beurteilen bleibt damit die Beschwerde in Zivilsachen betreffend die Wiedereröffnung des Konkurses (5A_857/2020). Die Beschwerdeführerin macht hier die Verletzung von Art. 66 ZPO geltend, da es der Beschwerdegegnerin 1 im Urteilszeitpunkt an der Rechtsfähigkeit und damit an der Parteifähigkeit gefehlt habe. Infolgedessen sei auch der Beschwerdegegner 2 als deren Organ nicht beschwerdeberechtigt gewesen. Die Vorinstanz hätte demzufolge auf die Beschwerde nicht eintreten dürfen. Indem diese auf ihre Vorbringen zur fehlenden Rechtsmittelvoraussetzung nicht eingegangen sei, habe sie ihr rechtliches Gehör verletzt. Das Bundesgericht hat im Parallelverfahren insbesondere zur Frage der Parteifähigkeit der Beschwerdegegnerin 1 umfassend Stellung genommen. Damit erübrigt sich an dieser Stelle, auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Beschwerdeberechtigung der Beschwerdegegner einzugehen. Offen bleibt einzig die Frage, ob die Voraussetzungen für die Wiedereröffnung des Konkurses über die Beschwerdegegnerin 1 erfüllt waren. Die Vorinstanz hatte sich mit den diesbezüglichen Voraussetzungen folgerichtig nicht befasst, da ihrer Meinung nach die (vorgängige) Wiedereintragung der Beschwerdegegnerin 1 im Handelsregister nicht in Frage komme. Damit kann sich das Bundesgericht zum Begehren um Wiedereröffnung des Konkurses über die Beschwerdegegnerin 1 im jetzigen Zeitpunkt nicht äussern. Die entsprechenden Rügen der Beschwerdeführerin können nicht geprüft werden. Es drängt sich daher eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung der an sie gerichteten Beschwerde auf. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen.  
 
 
3.  
Nach dem Dargelegten ist die Sache in Gutheissung der Beschwerde an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das gilt auch für die Kosten des vorangegangenen Verfahrens (Art. 67 BGG). 
 
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten den Beschwerdegegnern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Die Beschwerdegegner schulden der Beschwerdeführerin unter solidarischer Haftbarkeit eine angemessene Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. September 2020 aufgehoben. 
 
2.  
Die Sache wird zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdegegnern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
4.  
Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, sowie dem Konkursamt Hottingen-Zürich, dem Betreibungsamt Zürich 7, dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich und dem Grundbuchamt Hottingen-Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Mai 2021 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante