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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.279/2003 /sza 
 
Urteil vom 3. Mai 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Klett, Bundesrichter Nyffeler, Favre, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Mazan. 
 
Parteien 
M.________, 
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Bernhard Mühlestein, 
 
gegen 
 
Bank X.________, 
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Michael Kramer und Rechtsanwalt lic.iur. Philipp Haberbeck. 
 
Gegenstand 
Ungerechtfertigte Bereicherung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Juni 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________ (Kläger) hat nach seiner Darstellung dem deutschen Staatsangehörigen T.________ ein Darlehen in der Höhe von CHF 420'000.-- gewährt. Da die Rückzahlung der Gelder unterblieb, leitete der Kläger gegen T.________ die Betreibung ein. Das Betreibungsamt Zürich 2 pfändete ein Guthaben von T.________ bei der Bank X.________ (Beklagte). In der Anzeige der Pfändung vom 11. November 1997 an die Beklagte wurde folgendes ausgeführt: 
"Beim Schuldner 
T.________, unbekannten Aufenthaltes 
ist vom unterzeichneten Betreibungsamt heute eine Forderung auf Sie, herrührend aus Guthaben aus Konto 59'550 ZO, in unbekannter Höhe, bis zum Betrage von Fr. 521'000.00 gepfändet worden." 
Am 28. April 1998 ermächtigte das Betreibungsamt den Kläger nach Art. 131 Abs. 2 SchKG, die gepfändete Forderung von T.________ in der Höhe von maximal CHF 521'000.-- gegen die Beklagte im eigenen Namen sowie auf eigene Gefahr und Rechnung geltend zu machen. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger unter Vorbehalt des Nachklagerechts einen Teil dieser Forderung geltend, die T.________ gegenüber der Beklagten zustehen soll. Ausserdem verlangt er von der Beklagten Ersatz für Aufwendungen. 
B. 
Am 30. September 1998 beantragte der Kläger beim Einzelrichter in Zivilsachen am Bezirksgericht Zürich, die Beklagte sei unter Vorbehalt der Nachklage zu verpflichten, ihm CHF 10'000.-- zu bezahlen. Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und beantragte mit Widerklage, es sei festzustellen, dass die Forderung des Klägers über CHF 521'000.-- bzw. CHF 420'000.-- nicht bestehe. Mit Verfügung vom 13. September 1999 überwies der Einzelrichter den Prozess zuständigkeitshalber ans Handelsgericht des Kantons Zürich. Mit Urteil vom 17. Juni 2003 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage ab, soweit darauf einzutreten war. Ferner wurde in Gutheissung der Widerklage festgestellt, dass dem Kläger keine Forderung mit Bezug auf das Konto Nr. 59'550 ZO von T.________ bei der Beklagten zustehe. 
C. 
Mit Berufung vom 22. September 2003 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Juni 2003 sei aufzuheben und die Klage vom 29. September 1998 gutzuheissen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Widerklage sei abzuweisen, eventuell sei darauf nicht einzutreten. 
Ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung wurde am 4. November 2004 zurückgezogen. 
Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Handelsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
D. 
Parallel zur vorliegenden Berufung hat der Kläger auch eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ans Kassationsgericht des Kantons Zürich erhoben. Das Kassationsgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 6. September 2004 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Kläger begründete seine Klage im Wesentlichen damit, dass ihm T.________ zur Sicherung eines Darlehens in der Höhe von CHF 420'000.-- sein Guthaben auf dem Konto Nr. 59'550 ZO bei der Beklagten abgetreten habe. Die Beklagte habe ihm jedoch jegliche Auskunft verweigert, die ihm ermöglicht hätte, in den Besitz der Darlehensdeckung zu kommen oder zumindest nähere Informationen über das Bankguthaben zu erhalten. Mit seiner Klage forderte der Kläger einerseits Ersatz für die Gerichts-, Betreibungs- und Anwaltskosten und andrerseits die Zusprechung eines allfällig bestehenden Kontoguthabens im eingeklagten Umfang. 
2. 
Zunächst ist zu prüfen, ob das Handelsgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Gerichts-, Betreibungs- und Anwaltskosten zu Recht abgewiesen hat. 
2.1 Die Vorinstanz hat den eingeklagten Kostenersatz mit mehreren Begründungen abgewiesen. Erstens stünden die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit der Arrestnahme und dem Betreibungsverfahren, so dass sie nicht kausale Folge einer allfälligen widerrechtlichen Auskunftsverweigerung der Beklagten seien. Zweitens bestehe gemäss Art. 91 SchKG nur gegenüber dem Betreibungsamt - nicht aber gegenüber dem Kläger - eine Auskunftspflicht. Und drittens habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt, welcher Anwalt für welche Leistungen welches Honorar mit ihm vereinbart habe. 
2.2 Dagegen wendet der Kläger nur ein, die Vorinstanz habe Art. 91 Abs. 4 SchKG verletzt, indem sie angenommen habe, gegenüber ihm bestehe keine Auskunftspflicht. Die übrigen selbständigen Begründungen, mit denen das Handelsgericht einen Anspruch auf Kostenersatz abgewiesen hat, werden vom Kläger nicht beanstandet. Wenn das angefochtene Urteil jedoch auf mehreren, voneinander unabhängigen Begründungen beruht, wäre es Sache des Klägers gewesen, jede einzelne Begründung als bundesrechtswidrig anzufechten. Nach der Rechtsprechung besteht an der Anfechtung einer einzigen von mehreren unabhängigen Begründungen kein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, weil das Urteil gestützt auf die nicht beanstandeten Begründungen auf jeden Fall Bestand hätte (BGE 117 II 432 E. 2a S. 441, 115 II 67 E. 3 S. 72, je mit Hinweisen.). Da der Kläger im vorliegenden Fall nur die unrichtige Anwendung von Art. 91 SchKG beanstandet und die anderen Begründungen der Vorinstanz - fehlende Kausalität und ungenügende Schadenssubstantiierung - unangefochten lässt, obwohl auch diese selbständigen Begründungen für sich allein zur Abweisung des eingeklagten Kostenersatzes geführt hätten, fehlt es am nötigen Rechtsschutzinteresse, so dass auf die Berufung insoweit nicht einzutreten ist. 
3. 
Weiter ist umstritten, ob die Beklagte eigene Ansprüche gegenüber T.________ mit einem allfälligen Guthaben auf dem Konto Nr. 59'550 ZO verrechnen und dadurch dieses Guthaben tilgen konnte, so dass der Kläger aus dem gepfändeten und ihm nach Art. 131 Abs. 2 SchKG abgetretenen Guthaben keine Ansprüche mehr geltend machen kann. 
3.1 Das Handelsgericht hat für das Bundesgericht verbindlich ausgeführt, dass L.________ - ein Anlageberater der Beklagten - die Überweisung von insgesamt USD 2'864'000.-- auf verschiedene Konten von T.________ veranlasst habe. Im Zusammenhang mit diesen Überweisungen prüfte das Handelsgericht, ob der beklagten Bank Rückforderungsansprüche gegenüber T.________ zustehen, welche die Beklagte mit einem allfälligen Guthaben von T.________ auf dem Konto Nr. 59'550 ZO verrechnen konnte. Dazu hielt das Handelsgericht fest, dass der Beklagten weder ein vertraglicher Anspruch noch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung zustehe. Demgegenüber bejahte das Handelsgericht einen bereicherungsrechtlichen Anspruch. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Betrag von USD 2'864'000.-- sei von L.________ ohne Rechtsgrund überwiesen worden, so dass die Beklagte gestützt auf Art. 62 OR einen - verrechenbaren - Rückforderungsanspruch gegenüber T.________ geltend machen könne. Dagegen wendet der Kläger ein, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, weil der Rückforderungsanspruch aufgrund der allgemeinen Regel von Art. 62 OR bejaht worden sei, obwohl die Spezialregelung von Art. 63 OR massgebend gewesen wäre. Nach dieser Bestimmung hätte ein Rückforderungsanspruch verneint werden müssen, nachdem es die Beklagte unterlassen habe zu behaupten, die Überweisung von USD 2'864'000.-- sei aus Irrtum veranlasst worden. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stehe der Beklagten daher kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, welcher mit dem Guthaben auf dem Konto Nr. 59'550 ZO habe verrechnet werden können. 
3.2 Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Beklagten gegen T.________ ein Bereicherungsanspruch zusteht. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines anderen bereichert ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. Diese Verbindlichkeit tritt insbesondere dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat (Art. 62 OR). Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat (Art. 63 Abs. 1 OR). Während Art. 62 OR die sog. Nichtleistungskondiktionen erfasst, bezieht sich der Sondertatbestand von Art. 63 Abs. 1 OR auf die sog. Leistungskondiktionen. Begriffsbestimmend für die Leistungskondiktion (Art. 63 OR) ist, dass die Bereicherung mit Willen des Benachteiligten eintritt. Demgegenüber ist die Bereicherung in den Fällen der Nichtleistungskondiktion (Art. 62 OR) gegen den Willen des Entreicherten und in aller Regel ohne sein Zutun bewirkt worden, sei es durch den Bereicherten selbst, durch einen Dritten oder durch Zufall (BGE 123 III 101 E. 3a S. 107 m.w.H.; Urteil 4C.163/2002 vom 9. Juli 2003 E. 2.2, je mit weiteren Hinweisen). Feststellungen zum effektiven Willen der Betroffenen sind tatsächlicher Natur (BGE 129 III 702 E. 2.4 S. 707 m.w.H.). An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Bundesgericht gebunden (Art. 63 Abs. 2 OG). 
3.3 Im vorliegenden Fall enthält das angefochten Urteil keine tatsächliche Feststellung, dass die Überweisung von USD 2'864'000.-- mit dem Willen der entreicherten Beklagten und damit freiwillig im Sinn von Art. 63 Abs. 1 OR erfolgt war. Im Gegenteil hat das Handelsgericht ausgeführt, dass zwischen T.________ und der Beklagten kein Vertragsverhältnis bestanden habe und dass daher nicht in der Absicht gehandelt worden sei, eine Verbindlichkeit zu tilgen. Es sei denn auch von niemandem behauptet worden, ein Angestellter der Bank habe die Überweisung in der Absicht veranlasst, eine Nichtschuld zu erfüllen. Wenn dem angefochtenen Urteil aber keine Feststellung entnommen werden kann, dass die Zuwendung mit dem Willen der beklagten Bank - bzw. mit dem Willen von zeichnungsberechtigten Vertretern, welcher der Beklagten zuzurechnen wäre - erfolgte, kann von einer freiwilligen Leistung keine Rede sein. Entgegen der Darstellung des Klägers ändert sich daran auch dann nichts, wenn die Überweisung von USD 2'864'000.-- aus dem Konto eines unbeteiligten Kunden mit dem Willen des Anlageberaters L.________ vorgenommen worden sein sollte. Gegenüber dem geschädigten Kunden, dessen Konto belastet wurde, wird die betreffende Bank zwar ohne weiteres haftbar, weil ihr das unzulässige Verhalten ihres Angestellten anzurechnen ist (Art. 101 Abs. 1 OR). Demgegenüber kann im Verhältnis zum bereicherten Empfänger T.________ nicht unterstellt werden, die Überweisungen seien mit dem Willen der betroffenen Bank erfolgt. Wenn dem nämlich so wäre, wäre zwischen der Bank, vertreten durch L.________, und T.________ aufgrund ihres übereinstimmenden Willens ein Vertrag abgeschlossen worden. Dies wurde jedoch vom Handelsgericht zutreffend und unangefochten verneint. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Beträge von insgesamt USD 2'864'000.-- ohne den Willen der beklagten Bank an T.________ überwiesen wurden. Damit untersteht der Sachverhalt von Vornherein nicht dem Sondertatbestand von Art. 63 Abs. 1 OR, der eine freiwillige Leistung mit dem Willen des Entreicherten voraussetzt. Die Vorinstanz hat die erwähnte Überweisung zu Recht als unfreiwillig qualifiziert, so dass der entreicherten Beklagten ein Rückforderungsanspruch nach Art. 62 OR zusteht. Gestützt auf diese Bestimmung kann die Überweisung von USD 2'864'000.-- zurückgefordert werden, ohne dass eine irrtümliche Leistung hätte behauptet und bewiesen werden müssen. 
3.4 Da der Beklagten nach dem Gesagten gestützt auf Art. 62 OR ein Rückforderungsanspruch gegen T.________ zusteht, der mit dessen Guthaben bei der beklagten Bank verrechnet werden konnte, hat der Kläger aus dem Konto Nr. 59'550 ZO, das ihm nach der Pfändung gestützt auf Art. 131 Abs. 2 SchKG zur Geltendmachung übertragen worden sein soll, gegenüber der Beklagten nichts zu fordern. Die Vorinstanz hat die Klage unter diesem Gesichtspunkt zu Recht abgewiesen. Damit kann die Frage dahin gestellt bleiben, ob der Kläger den eingeklagten Anspruch genügend substanziiert hat, wenn er einen Betrag in Schweizer Franken bzw. den entsprechenden Gegenwert in US Dollar im Zeitpunkt des Urteils verlangte, obwohl es sich beim Konto Nr. 59'550 ZO um ein Fremdwährungskonto in US Dollar handelte. 
4. 
Soweit der Kläger mit Berufung schliesslich geltend macht, die Beklagte habe mit ihrer Widerklage den Streitwert in unnötiger Weise auf CHF 521'000.-- angehoben und damit gegen Treu und Glauben verstossen, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Mit dieser Beanstandung rügt der Kläger die unrichtige Anwendung von kantonalem Prozessrecht (§ 50 ZPO/ZH), auf welche Bestimmung er auch ausdrücklich Bezug nimmt. Da im Berufungsverfahren nur Bundesrecht überprüft werden kann (Art. 43 Abs. 1 OG), ist darauf nicht einzutreten. Schliesslich erweist sich die Berufung als unbegründet, soweit der Kläger ein fehlendes Rechtsschutzinteresse an der beklagtischen Widerklage geltend macht. Gegen die Leistungsklage, mit welcher nur ein Teilbetrag eingeklagt wird, ist Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens des ganzen Schuldverhältnisses möglich (BGE 42 II 696 E. 4 S. 701; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N 24a zu § 59 und N 2 zu § 60 ZPO). 
5. 
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird dem Kläger auferlegt. 
3. 
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Mai 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: