Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_821/2021  
 
 
Urteil vom 6. September 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Kost, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln usw., Hausdurchsuchung, 
Verwertbarkeit von Beweismitteln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 5. März 2021 (4M 20 61). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Abteilung 2 Emmen wirft A.________ vor, am 14. August 2014 in Rothenburg und Urswil, am 17. August 2014 in Malters, Schwarzenberg und Littau, am 10. April 2015 in Malters und Schwarzenberg und am 9. April 2017 in Emmen im Wesentlichen die Verkehrsregeln qualifiziert verletzt sowie am 15. August 2018 in Eigenthal diverse andere Delikte begangen zu haben. 
 
B.  
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern erkannte am 6. Februar 2020 A.________ für schuldig der mehrfachen qualifiziert groben Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b und c SVG, der mehrfachen groben Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 2 SVG, des mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG sowie weiterer diverser Delikte des SVG, StGB und des kantonalen Übertretungsstrafrechts. Es verurteilte A.________ unter Berücksichtigung einer zu widerrufenden Vorstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten, einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je Fr. 130.-- und zu einer Busse von Fr. 800.--. 
 
C.  
Mit Urteil vom 5. März 2021 bestätigte das Kantonsgericht des Kantons Luzern den Schuldspruch der ersten Instanz im Umfang dessen Anfechtung. Die Freiheitsstrafe wurde auf vier Jahre und achteinhalb Monate, die Geldstrafe auf zwanzig Tagessätze zu je Fr. 70.-- und die Busse auf Fr. 560.-- reduziert. 
 
D.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, er sei vom Vorwurf der mehrfachen qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b und c SVG die Vorfälle vom 17. August 2014 und 10. April 2015 betreffend, der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 2 SVG die Vorfälle vom 14. August 2014, 17. August 2014 und 10. April 2015 betreffend sowie des mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG die Vorfälle vom 10. April 2015 betreffend freizusprechen. Die Sache sei zur erneuten Beurteilung des Strafmasses sowie der Kosten- und Nebenfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht A.________ mit Eingabe vom 24. August 2021 um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Das Kantonsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern liess sich am 2. September 2022 vernehmen. A.________ verzichtete auf eine Replik. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass es sich bei der Hausdurchsuchung gegen seinen Vater, anlässlich der die ihn belastenden Videoaufnahmen gefunden worden seien, um eine unzulässige Beweisausforschung (sog. "fishing expedition") gehandelt habe. Es habe kein hinreichender Tatverdacht gegen seinen Vater auf weitere Delikte vorgelegen. Die auf der beschlagnahmten Speicherkarte (SD-Karte) zufällig gefundenen Videoaufnahmen seien deshalb nicht verwertbar. Er macht in diesem Zusammenhang sinngemäss auch eine willkürliche Tatsachenfeststellung der Vorinstanz geltend (Beschwerde S. 3 ff.).  
 
1.2. Die Vorinstanz stellt fest, dass B.________, der Vater des Beschwerdeführers, am 12. April 2015 ausserorts mit seinem Motorrad mit einer Geschwindigkeit von brutto 164 km/h (nach Sicherheitsabzug: 159 km/h) anstelle der erlaubten 80 km/h unterwegs war. Er wurde hierbei von einer Laserkontrolle erfasst und von der Polizei angehalten. Gleichentags wurde eine Hausdurchsuchung in der Wohnung von B.________ durchgeführt, bei der u.a. eine GoPro-Kamera inklusive SD-Karte beschlagnahmt wurden. Bei der darauffolgenden Auswertung der SD-Karte stiessen die Untersuchungsbehörden auf Videoaufnahmen, auf denen zu sehen sei, wie der Beschwerdeführer mit seinem Motorrad diverse Strassenverkehrsdelikte, namentlich Geschwindigkeitsübertretungen, begangen haben soll.  
Die Vorinstanz erwägt in rechtlicher Hinsicht, aufgrund der Tatsache, dass der Vater ausserorts mit brutto 164 km/h anstelle der erlaubten 80 km/h gefahren sei und vor Ort keine Erklärung für seine massive Geschwindigkeitsübertretung habe abgeben können, sei der Verdacht aufgekommen, der Vater des Beschwerdeführers habe sich aus Reiz an der Geschwindigkeit möglicherweise weitere Strassenverkehrsdelikte zu Schulden kommen lassen. Deshalb sei ein hinreichender Tatverdacht für weitere Strassenverkehrsdelikte, insbesondere weitere Raserfahrten, gegeben und eine Hausdurchsuchung zulässig gewesen. Es sei überdies notorisch, dass Personen, die aus Reiz an der Geschwindigkeit massive Geschwindigkeitsübertretungen begingen, ihre Fahrten oftmals dokumentierten, weshalb nach Speichermedien, Kameras und dergleichen zu suchen sei. Des Weiteren sei es auch angezeigt gewesen, nach weiteren Beweisen für die Fahrt vom 12. April 2015 zu suchen (angefochtenes Urteil S. 11 ff.). 
 
1.3.  
 
1.3.1. Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die dazu dienen, Beweise zu sichern, und mit denen in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen wird, sind als strafprozessuale Zwangsmassnahmen zu qualifizieren (Art. 196 lit. a StPO). Gemäss Art. 197 Abs. 1 StPO können Zwangsmassnahmen (Art. 196-298 StPO) nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt. Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht begründen zu können (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1; 137 IV 122 E. 3.2; je mit Hinweisen).  
Nach Art. 244 Abs. 2 lit. b StPO dürfen Häuser, Wohnungen und andere nicht allgemein zugängliche Räume ohne Einwilligung der berechtigten Person durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass in diesen Räumen u.a. Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind. Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen dürfen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen (Art. 246 StPO). Der Beschlagnahme unterliegen namentlich Gegenstände einer beschuldigten Person oder einer Drittperson, die voraussichtlich als Beweismittel gebraucht werden (Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO). Diese Gegenstände müssen untersuchungsrelevant sein (BGE 142 IV 207 E. 7.1; 141 IV 77 E. 4.3; 138 IV 225 E. 7.1 mit Hinweisen). Bei der Durchsuchung zufällig entdeckte Gegenstände, die mit der abzuklärenden Straftat nicht in Zusammenhang stehen, aber auf eine andere Straftat hinweisen, werden gemäss Art. 243 Abs. 1 StPO sichergestellt. 
Unter Zufallsfunden nach Art. 243 StPO versteht man die bei der Durchführung von Zwangsmassnahmen allgemein und bei Durchsuchungen und Untersuchungen im Besonderen zufällig entdeckten Beweismittel, Spuren, Gegenstände oder Vermögenswerte, die mit der abzuklärenden Straftat in keinem direkten Zusammenhang stehen und den ursprünglichen Verdacht weder erhärten noch widerlegen, aber auf eine weitere Straftat hinweisen (Urteil 6B_191/2016 vom 5. August 2016 E. 1.3). Zufallsfunde können ohne Einschränkungen Anlass zur Eröffnung eines neuen Strafverfahrens geben und in diesem als Beweismittel verwendet werden, soweit die ursprüngliche Massnahme rechtmässig war (Urteile 6B_1409/2019 vom 4. März 2021 E. 1.6.3; 6B_897/2019 vom 9. Januar 2020 E. 1.1.2; 6B_24/25/26/27/28/2019 vom 3. Oktober 2019 E. 2.3; 6B_860/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). 
Abzugrenzen sind Zufallsfunde von unzulässigen Beweisausforschungen, sogenannten "fishing expeditions". Eine solche besteht, wenn einer Zwangsmassnahme kein genügender Tatverdacht zugrunde liegt, sondern aufs Geratewohl bzw. planlos Beweisaufnahmen getätigt werden. Aus Beweisausforschungen resultierende Ergebnisse sind grundsätzlich nicht verwertbar (BGE 139 IV 128 E. 2.1; 137 I 218 E. 2.3.2; Urteile 6B_335/2020 vom 7. September 2020 E. 3.3.3; 6B_191/2016 vom 5. August 2016 E. 1.3). 
 
1.3.2. Für die Vornahme von Durchsuchungen sind daher genügende tatsächliche Anhaltspunkte vorausgesetzt, die aufgrund besonderer Erkenntnisse und Erfahrungen den Wahrscheinlichkeitsschluss erlauben, dass ein Delikt verübt worden sein könnte (Stefan Heimgartner, Strafprozessuale Beschlagnahme, 2011, S. 121 f.; NICOLA INGLESE, Das Beweisausforschungsverbot, 2017, S. 63, je mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 1B_86/2021 vom 1. Oktober 2021 E. 3.1 mit Hinweisen). Die Indizien müssen aufgrund spezifischer Umstände oder Erkenntnisse objektivierbar sein. Eigentliche Fakten sind nicht erforderlich (Heimgartner, a.a.O., S. 121 f.). Eine reine Vermutung, ein Generalverdacht oder eine Beweisaufnahme aufs Geratewohl genügen zur Begründung einer Hausdurchsuchung jedoch nicht (Urteil 6B_897/2019 vom 9. Januar 2020 E. 1.3.1; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2023, N. 8 zu Art. 243).  
 
1.4.  
 
1.4.1. Aus den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich, dass die Hausdurchsuchung weder geeignet noch erforderlich war, um weitere Beweise für die Fahrt vom 12. April 2015 zu sichern. Die Tat (d.h. die Geschwindigkeitsüberschreitung) und die Täterschaft des Vaters des Beschwerdeführers lagen in jenem Zeitpunkt bereits auf der Hand. Gemäss Polizeirapport wurde der Vater unmittelbar nach der Lasermessung, d.h. "auf frischer Tat" von der Polizei angehalten und um 15.01 Uhr vorläufig festgenommen. Unter anderem wurde ihm noch vor Ort das Mobiltelefon abgenommen. Die Hausdurchsuchung erfolgte um 16.30 Uhr. Der Vater wurde schliesslich am Folgetag, dem 13. April 2015, um 12.10 Uhr aus der Haft entlassen (vgl. kant. Untersuchungsakten, Reg. 3 Bel. 1 ff.). Wie die Untersuchungsbehörden in der Zeit, in der der Vater in Haft sass, noch am gleichen Tag in dessen Wohnung weitere Beweise für die bereits hinlänglich dokumentierte Raserfahrt hätten finden wollen, erschliesst sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen nicht, zumal sich der Vater infolge seiner unmittelbaren Verhaftung nach dem erwähnten Delikt ("in flagranti") nicht mehr an sein Domizil begeben und allfällige Beweismittel deponieren konnte. Dasselbe gilt, soweit die Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung geltend macht, es habe "eine rechtsgenügliche Wahrscheinlichkeit bestanden, mit der Beschlagnahme der GoPro-Kamera die erstrebten weiteren Beweise in Bezug auf den Vorfall vom 12.04.2015 zu finden", da (trotz Lasermessung oder Foto der Radarfalle) nicht immer von Anfang an feststehe, wer der Fahrer gewesen sei und solche Raserfahrten häufig mittels Kamera aufgezeichnet würden. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, geht aus den vorinstanzlichen Feststellungen namentlich nicht hervor, dass beim Vater unmittelbar nach der Tat irgendwelche Hinweise auf Kamerahalterungen etwa an dessen Lenker, Body oder Helm vorgelegen hätten, die den Verdacht auf eine "live"-Datenübertragung der Raserfahrt vom 12. April 2015 hätten wecken können. Inwieweit die Strafverfolgungsbehörden nicht über die wesentlichen und - zumindest zu diesem Zeitpunkt - für das Verfahren (gegen den Vater) notwendigen sachlichen Beweismittel verfügt haben sollen, erhellt nicht (vgl. dazu auch Urteil 1B_322/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 2.4). Daran ändert auch nichts, dass zum Untersuchungszeitpunkt noch nicht sicher gewesen sei, ob der Vater die Geschwindigkeitsüberschreitung einräumen oder die Tempomessung anzweifeln würde. Stellt man im Übrigen auf den (nachträglich schriftlich bestätigten) Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft ab, liess diese denn auch (einzig) nach "Beweismitteln für mutmasslich weitere SVG-Widerhandlungen des Beschuldigten, namentlich Speichermedien, Kameras wie GoPro und dergleichen" suchen (vgl. kant. Untersuchungsakten, Reg. 3 Bel. 19 ff. bzw. 24 ff. [Hervorhebung hinzugefügt]), wiewohl die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung darauf hinweist, die Formulierung sei unglücklich gewählt bzw. das Gegenteil sei der Fall gewesen.  
Ebenso wenig ist der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie den hinreichenden Tatverdacht der Strafverfolgungsbehörden (nachträglich) damit begründen will, der Vater habe sich in der Vergangenheit möglicherweise weitere Strassenverkehrsdelikte zu Schulden kommen lassen. An den hinreichenden Tatverdacht zwecks Hausdurchsuchung sind zwar keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, zumal hierfür bereits Übertretungen genügen (Urteil 6B_860/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 2.4). Vielmehr handelt es sich im konkreten Fall um eine blosse Vermutung und einen Generalverdacht seitens der Strafverfolgungsbehörden, die eine Hausdurchsuchung nicht legitimieren (vgl. auch Urteil 6B_897/2019 vom 9. Januar 2020 E. 1.3.1). Jedenfalls ist nicht erstellt und wird von der Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung auch nicht behauptet, dass die Strafverfolgungsbehörden zum Zeitpunkt der Durchsuchung (bzw. im Hinblick darauf) Kenntnis von allfälligen einschlägigen Vorstrafen des Vaters hatten. Einzig die unspezifische Vermutung (so die Beschwerdegegnerin wortwörtlich in ihrer Vernehmlassung), in der Wohnung könnten sich Hinweise auf allfällige weitere Verkehrsdelikte befinden, reicht nicht aus, um den Eingriff zu rechtfertigen und "auf gut Glück" nach weiteren Delikten zu forschen (vgl. auch Urteil 1B_322/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 2.4). 
 
1.4.2. Nach dem Gesagten waren die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme der GoPro-Kamera inklusive SD-Karte unzulässig. Auf das begangene Raserdelikt vom 12. April 2015 konnten sie nicht gerichtet sein. Konkrete und erhebliche Hinweise, die einen hinreichenden Tatverdacht auf weitere Strassenverkehrsdelikte begangen durch den Vater begründeten, lagen indessen nicht vor.  
 
1.5.  
 
1.5.1. Nach Art. 141 Abs. 2 StPO dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Art. 141 Abs. 2 StPO beinhaltet eine Interessenabwägung. Je schwerer die zu beurteilende Straftat ist, umso eher überwiegt das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse der beschuldigten Person daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt (BGE 147 IV 9 E. 1.3.1; 146 I 11 E. 4.2; 143 IV 387 E. 4.4; je mit Hinweisen). Als schwere Straftaten im Sinne des Gesetzes fallen vorab Verbrechen in Betracht (BGE 147 IV 9 E. 1.3.1; 146 I 11 E.4.2; 137 I 218 E. 2.3.5.2; je mit Hinweisen). Für die Frage, ob eine schwere Straftat im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO vorliegt, sind nicht generell gewisse Tatbestände und deren abstrakte Strafandrohungen, sondern die gesamten Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen. Entscheidend ist nicht das abstrakt angedrohte Strafmass, sondern die Schwere der konkreten Tat (BGE 147 IV 16 E. 6, 9 E. 1.4.2; Urteil 6B_1298/2022 vom 10. Juli 2023 E. 1.3.3, zur Publikation vorgesehen). Dabei kann auf Kriterien wie das geschützte Rechtsgut, das Ausmass dessen Gefährdung resp. Verletzung, die Vorgehensweise und kriminelle Energie des Täters oder das Tatmotiv abgestellt werden (BGE 147 IV 16 E. 7.2, 9 E. 1.4.2 mit Hinweisen; Urteil 6B_1298/2022 vom 10. Juli 2023 E. 1.3.3, zur Publikation vorgesehen).  
 
1.5.2. Bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen, hier interessierenden Delikten handelt es sich um eine mehrfache qualifiziert grobe Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b und c SVG, um eine mehrfache grobe Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 2 SVG und um Fahren ohne Berechtigung nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG.  
 
1.5.3. Der Tatbestand der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln wird ausschliesslich mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu vier Jahren geahndet (Art. 90 Abs. 3 SVG). Es handelt sich damit um ein Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 StGB). Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich hinsichtlich der von der Vorinstanz unter diesem Titel qualifizierten Taten folgende konkrete und für das Bundesgericht verbindliche Tatumstände (Art. 105 Abs. 1 BGG) :  
Der Beschwerdeführer fuhr am 10. April 2015 mit seinem Motorrad in Schwarzenberg mit einer Geschwindigkeit von mindestens 122 km/h, obwohl auf der betreffenden Strasse eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h ausserorts signalisiert war. Der kurvige Strassenabschnitt war nicht richtungsgetrennt und verlief entlang einer Felswand, bei der ausdrücklich auf die Gefahr von Steinschlag aufmerksam gemacht wurde. Darauf folgte ein unübersichtlicher Fussgängerstreifen und eine Einfahrt. Im Anschluss grenzte die Strasse an eine Wiese und sie war nicht durch Zäune oder Schranken von der Umgebung abgetrennt. Wäre ein Felsbrocken, ein Fussgänger, ein anderes Fahrzeug, das in die Strasse eingebogen wäre, oder ein Tier, das über die Wiese gelaufen wäre, dem Beschwerdeführer in die Quere gekommen, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem schweren Unfall gekommen. 
Am 17. August 2014 überschritt der Beschwerdeführer in Malters die kurz vor Dorfausgang, aber dennoch innerorts geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit seinem Motorrad um mindestens 57 km/h. Auch diese Strasse war nicht richtungsgetrennt. Es handelte sich um eine Strecke mit viel Gegenverkehr, Fussgängerstreifen und Wohnhäusern, die entlang eines Gehsteigs verlief. Die Vorinstanz schloss, dass sich das bei derart hohen Geschwindigkeiten bestehende Risiko eines Unfalls durch den innerörtlichen Strassenverlauf und die Verkehrssituation noch weiter erhöhte. 
Der Beschwerdeführer erfüllte damit den Tatbestand von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b bzw. c SVG gleich mehrfach und ging wissentlich und willentlich ein erhöhtes Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern ein. Mit anderen Worten gefährdete er das mit Art. 90 Abs. 3 SVG unmittelbar geschützte Rechtsgut der Verkehrssicherheit und auch das mittelbar geschützte Rechtsgut des Lebens (vgl. Urteil 6B_698/2017 vom 13. Oktober 2017 E. 6.2). Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bejaht die Vorinstanz daher das Vorliegen einer schweren Straftat im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO sowohl für die Tat vom 10. April 2015 wie auch für jene vom 17. August 2014 zu recht (vgl. Urteil 6B_1404/2019 vom 17. August 2020 E. 1.4). Mithin überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufklärung der unter Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b und c SVG fallenden Delikte das private Interesse des Beschwerdeführers an der Unverwertbarkeit der fraglichen Videoaufzeichnungen. Wenn die Vorinstanz in Bezug auf diese Straftaten auf die genannten Beweise abstellt, verletzt sie kein Bundesrecht. 
 
1.5.4. Teilweise anders verhält es sich hinsichtlich der weiteren Strassenverkehrsdelikte, die aus den Videoaufnahmen hervorgehen sollen. Der Vorinstanz zufolge ist darauf insoweit Folgendes zu erkennen: Am 14. August 2014 überschritt der Beschwerdeführer vor Rothenburg bzw. in Urswil die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts bzw. 60 km/h ausserorts um 44 km/h bzw. 40 km/h. Drei Tage später überschritt er in Malters, Schwarzenberg und Littau in insgesamt sechs Fällen die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ausserorts, 50 km/h innerorts bzw. 80 km/h ausserorts um 28 bis 48 km/h. Auf der gefahrenen Strecke konnte er - gemäss Vorinstanz "weitgehend in einem Zug" mit der in E. 1.5.3 erwähnten massiven Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 57 km/h bzw. "dabei oder gleich anschliessend" - ein Überholmanöver nur "relativ knapp" vor dem entgegenkommenden Motorradfahrer vollenden. Sodann überschritt er am 10. April 2015 in Malters und Schwarzenberg in insgesamt vier Fällen die Höchstgeschwindigkeit von 60 bzw. 80 km/h ausserorts um 31 bis 53 km/h. Auf dem zurückgelegten Abschnitt fuhr er einmal in einer unübersichtlichen Rechtskurve vollständig auf der linken Fahrbahn, wobei es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Kollision gekommen wäre, wäre dort ein anderes Fahrzeug entgegengekommen. Letzteres Manöver stand gemäss Vorinstanz "eng" mit der ebenfalls vorerwähnten massiven Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 62 km/h in Zusammenhang Schliesslich verfügte der Beschwerdeführer am 10. April 2015 über keine Fahrerlaubnis (mehr), nachdem ihm rund einen Monat zuvor, am 6. März 2015, der Lernfahrausweis der Kategorien A, D und M auf unbestimmte Zeit entzogen worden war.  
 
1.5.4.1. Vor Bundesgericht unangefochten, qualifizierte die Vorinstanz jede einzelne der soeben genannten Geschwindigkeitsüberschreitungen, das vorschriftswidrige Überholen sowie das Fahren auf der Gegenfahrbahn an einer unübersichtlichen Stelle als eigenständige Straftaten gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG. Für das Fahren ohne Fahrerlaubnis erkannte die Vorinstanz auf Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG. Sowohl der Tatbestand der groben Verletzung der Verkehrsregeln als auch das Delikt des Fahrens ohne Berechtigung werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wurden Widerhandlungen gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG bisher nicht als schwere Straftat im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO bewertet (vgl. BGE 147 IV 16 E. 7.2, wo die fragliche Verkehrsregelverletzung, insbesondere in Anbetracht des geschützten Rechtsguts und der Intensität der Gefährdung, nicht die nötige Schwere erreichte, um die Verwertung des fraglichen Beweismittels unter den konkreten Umständen zu rechtfertigen; ferner 146 IV 226 E. 4; 137 I 218 E. 2.3.5.2; Urteile 6B_1288/2019 vom 21. Dezember 2020 E. 2.6; 6B_1404/2019 vom 17. August 2020 E. 1.4; 6B_553/2015 vom 18. Januar 2016 E. 2.2, nicht publ. in BGE 142 IV 23).  
Die Tatbestände von Art. 90 Abs. 2 und Abs. 3 SVG unterscheiden sich hinsichtlich ihres Ausmasses der Rechtsgutgefährdung. Das nach Art. 90 Abs. 3 SVG geforderte Risiko muss sich auf einen Unfall mit Todesopfern oder Schwerverletzten beziehen und somit ein qualifiziertes Ausmass erreichen. Es muss ein hohes Risiko und mithin eine höhere als die in Art. 90 Abs. 2 SVG geforderte ernstliche Gefahr vorliegen (zum Ganzen: Urteil 6B_322/2022 vom 25. August 2022 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Sowohl Art. 90 Abs. 2 SVG als auch Art. 95 Abs. 1 SVG schützen die Verkehrssicherheit und damit dasselbe Rechtsgut (Urteil 1B_187/2022 vom 5. Mai 2022 E. 3.3.2). 
 
1.5.4.2. Unbesehen davon, dass die Vorinstanz das vorschriftswidrige Überholen und das Fahren auf der Gegenfahrbahn an einer unübersichtlichen Stelle je isoliert als Delikt nach Art. 90 Abs. 2 SVG wertete, sind diese Verkehrsregelverletzungen ebenso als schwere Straftaten im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO einzustufen. Bei offensichtlich krass übersetzten Geschwindigkeiten, gefährdete der Beschwerdeführer beim Überholen einen aus der Gegenrichtung herannahenden Motorradfahrer massiv und fuhr er in einer unübersichtlichen Rechtskurve auf der linken Fahrbahn, sodass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Kollision gekommen wäre, wäre ein anderes Fahrzeug entgegengekommen. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung dieser beiden Taten ist damit höher als dasjenige des Beschwerdeführers an der rechtskonformen Erhebung resp. der Unverwertbarkeit der Videoaufnahmen zu gewichten. Dasselbe muss schlechterdings in Bezug auf den Vorwurf des unerlaubten Fahrens am 10. April 2015 gelten, beging der Beschwerdeführer dieses Delikt doch während einer Fahrt, auf der er wissentlich und willentlich ein erhöhtes Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern einging (vgl. E. 1.5.3 hiervor). Kommt hinzu, dass ihm der Lernfahrausweis erst kurz zuvor auf unbestimmte Zeit entzogen worden war.  
 
1.5.4.3. Hingegen sind die übrigen groben Verkehrsregelverletzungen nicht als schwere Straftaten im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Auch wenn die zahlreichen Geschwindigkeitsüberschreitungen inner- und ausserorts teils recht hoch waren, verliefen sie ohne besondere Vorkommnisse. Bei diesen Vorwürfen geht das private Interesse des Beschwerdeführers an der Unverwertbarkeit der fraglichen Beweise dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung vor.  
 
1.6. Im Ergebnis erweist sich die Verwertung der Videoaufnahmen in Bezug auf die mehrfache qualifiziert grobe Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b und c SVG, in Bezug auf die mehrfache grobe Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 2 SVG hinsichtlich des vorschriftswidrigen Überholens und des Fahrens auf der Gegenfahrbahn an einer unübersichtlichen Stelle sowie in Bezug auf das Fahren ohne Berechtigung nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG als zulässig. Das vorinstanzliche Urteil ist insoweit nicht zu beanstanden. In Bezug auf die übrige mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 2 SVG dürfen die Videoaufnahmen sowie die daraus erhobenen Folgebeweise allerdings nicht herangezogen werden, womit die Vorinstanz zu Unrecht von deren Verwertbarkeit ausging.  
 
1.7. Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen einwendet, dass in Bezug auf die zufällig gefundene SD-Karte bzw. die Videoaufnahmen diverse Verfahrensvorschriften verletzt worden seien, deren Ausmass nicht mehr bloss eine Ordnungswidrigkeit darstellten, kommt er seiner Begründungsobliegenheit nicht hinreichend nach (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Wenn er insbesondere vorbringt, ihm sei der schriftliche Beschlagnahmebefehl erst beinahe drei Jahre nach der effektiven Beschlagnahme der GoPro-Kamera inklusive SD-Karte eröffnet worden, vermag er keinen erkennbaren Nachteil darzulegen. Jedenfalls war er über die mündlich eröffnete Durchsuchung und Beschlagnahme der genannten Gegenstände im Bild und wurde er auch anlässlich seiner Einvernahme vom 28. September 2015 zu den darauf gefundenen Videoaufnahmen befragt (vgl. Urteil S. 14 ff.). Auf diese Rüge ist nicht weiter einzugehen.  
 
2.  
Im Ergebnis ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Im Übrigen ist sie abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Sache ist unter Berücksichtigung der teilweisen Unverwertbarkeit der anlässlich der Hausdurchsuchung vom 12. April 2015 erlangten Videoaufnahmen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG), soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer im Umfang dessen Obsiegens für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auszurichten. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 5. März 2021 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Der Kanton Luzern hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Roman Kost, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. September 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler