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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_254/2017  
 
 
Urteil vom 9. April 2018  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Klett, Hohl, Niquille, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Suva, Rechtsabteilung, 
Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Ender, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Regressforderung; Kapitalisierungszinsfuss, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 28. März 2017 (HOR.2016.17). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. B.________ (Geschädigte) erlitt am 5. Juni 1993 als Beifahrerin einen Verkehrsunfall. Das verunfallte Motorfahrzeug war über seinen Halter bei der A.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) haftpflichtversichert.  
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva, Klägerin, Beschwerdeführerin), bei der die Geschädigte als Angestellte der C.________ AG im Rahmen des UVG (SR 832.20) obligatorisch versichert war, anerkannte ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit dem Unfall. Sie erbrachte Taggeld- und Heilbehandlungsleistungen sowie mit Wirkung ab 1. Juli 2008 eine auf einem Erwerbsunfähigkeitsgrad von 50 % basierende Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung. 
Mit Wirkung ab dem 1. März 2003 wurde der Geschädigten zudem aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 % eine halbe Rente der Invalidenversicherung (IV) ausbezahlt. 
 
A.b. Mit Urteil vom 27. März 2014 hiess das Obergericht des Kantons Aargau eine von der Geschädigten erhobene Klage teilweise gut und verpflichtete die A.________ AG, der Geschädigten Schadenersatz in der Höhe von Fr. 521'543.20 nebst verschiedenen Zinsbetreffnissen zu bezahlen. Ein Teilbetrag von Fr. 83'934.50 betraf den kapitalisierten Erwerbsschaden, der nach Abzug der (unstrittigen) künftigen Sozialversicherungsleistungen als Direktschaden verblieb.  
 
B.  
Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Direktschadensprozesses gelangte die Suva an das Handelsgericht des Kantons Aargau und beantragte, die A.________ AG sei kostenfällig zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 733'285.65 nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2016 auf Fr. 603'528.37 zu bezahlen. 
Das Handelsgericht hiess die Klage am 28. März 2017 teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 228'117.95 zuzüglich Verzugszins von 5 % seit 1. Juni 2016 auf Fr. 343'505.10 zu bezahlen. Die Gerichtskosten auferlegte es den Parteien je zur Hälfte und sprach keine Parteientschädigungen zu. Es erwog, insgesamt stünden der Klägerin Regressansprüche von Fr. 576'391.40 und aufgelaufene Regresszinsen von Fr. 67'113.70, total Fr. 643'505.10 zu. Davon abzuziehen seien die erfolgten Akontozahlungen von Fr. 300'000.--, womit ein Anspruch von Fr. 343'505.10 verbleibe. Im Umfang von Fr. 115'387.15 habe die Beklagte die Klage anerkannt, weshalb ein zuzusprechender Betrag von Fr. 228'117.95 verbleibe. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht im Wesentlichen, in Abänderung von Ziffer 1 des Urteils des Handelsgerichts sei die Beschwerdegegnerin kostenfällig zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 572'916.95 zuzüglich 5 % Zins seit 1. Juni 2016 zu bezahlen. Die Kosten des Verfahrens vor Handelsgericht seien in Abänderung von Ziffer 2 zu 80 % der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. 
Die Beschwerdegegnerin trägt auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde an. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Parteien haben unaufgefordert repliziert und dupliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Unfall ereignete sich am 5. Juni 1993. Deshalb sind (noch) nicht die Regressbestimmungen des ATSG (SR 830.1) anwendbar, sondern das im Unfallzeitpunkt geltende Recht, was aber in der Sache nichts ändert (BGE 134 III 489 E. 4.3 S. 492 mit Hinweisen). Nach aArt. 41 UVG (AS 1982 1688) tritt der Unfallversicherer gegenüber einem Dritten, der für den Unfall haftet, im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten und seiner Hinterlassenen ein. 
 
2.  
Die Vorinstanz ging davon aus, im Regressprozess seien die "Parameter des Direktschadenprozesses" zu übernehmen, mithin die Berechnung des Schadens gemäss Urteil des Obergerichts vom 27. März 2014. Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Rechtsauffassung grundsätzlich; konkret ficht sie mit ihrer Beschwerde aber nur die Übernahme des Kapitalisierungszinsfusses an, nicht jedoch weiterer Parameter der Schadensberechnung (z.B. Rechnungstag). 
 
2.1. Die Vorinstanz erwog, die Bindung an die "Parameter des Direktschadenprozesses" ergebe sich aus dem  Wesen der Legalzession bzw. Subrogation. Zudem stehe die Berechnung des Schadens der Geschädigten, in deren Stellung die Beschwerdeführerin eingetreten sei, anhand der  rechtskräftigen Festlegungen des Direktschadensprozesses nicht bloss bezüglich des Rechnungstages, sondern bezüglich aller übrigen Parameter fest. Ansonsten würde - je nach Differenz zwischen den unterschiedlichen Berechnungen des haftpflichtrechtlichen Schadens im Direktschadens- und im Regressprozess - die Sozialversicherungsträgerin oder die haftpflichtige Partei benachteiligt bzw. bevorzugt. Eine unterschiedliche Schadenberechnung sei nur schon deshalb nicht zulässig, weil die vom Haftpflichtversicherer im Direktprozess geleistete Direktschadenszahlung auf einem anderen Schadensbetrag beruhen würde als jenem, aufgrund dessen er gegenüber der Sozialversicherungsträgerin regresspflichtig wäre - womit der Grundsatz der Subrogation als Eintritt in eine bis auf die Person des Gläubigers unveränderte Rechtsstellung verletzt würde.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, mit dem Vorgehen der Vorinstanz sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, denn sie habe sich zu wesentlichen Aspekten nicht äussern können bzw. ihre Einwände seien zum vornherein mit Hinweis auf die im Direktprozess bereits erfolgte Beurteilung als unbeachtlich abgetan worden.  
 
2.3. Infolge der Subrogation tritt die Sozialversicherung im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche der Geschädigten ein. Sofern deren Schaden durch diese Leistungen nicht voll abgedeckt wird, führt dies zu einer Aufteilung des Gesamtschadens in eine Direktschadensforderung und eine Regressforderung (REMO DOLF, Präjudiziert die Direktschadenerledigung den Regress des Sozialversicherers?, in: HAVE, Aktuelle Probleme des Koordinationsrechts II, Stephan Weber/Peter Beck [Hrsg.], 2017, S. 145 ff., 146). Mit der Subrogation entsteht kein neuer, selbstständiger Anspruch des Sozialversicherers. Vielmehr übernimmt dieser durch Legalzession den Haftpflichtanspruch des Geschädigten mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Die Rechtsposition des Haftpflichtigen bleibt durch die Subrogation grundsätzlich unberührt (BGE 143 III 79 E. 6.1.3.1 S. 95; 124 III 222 E. 3 S. 225; 124 V 174 E. 3b S. 177; 112 II 87 E. 2c S. 94; Urteile 4A_404/2013 vom 29. Januar 2014 E. 1.1; 4C.208/2002 vom 19. November 2002 E. 2.1.1, publ. in: Pra 92/2003 Nr. 212 S. 1155 ff., 1157).  
 
2.4. In der Lehre ist umstritten, ob im Direktschadensprozess und im Regressprozess derselbe Kapitalisierungszinssatz anzuwenden ist.  
 
2.4.1. Ein Teil der Lehre schliesst (im Ergebnis im Einklang mit der in E. 2.3 hiervor dargelegten Rechtsprechung) aus der Natur der Subrogation, mit dieser erwerbe der Sozialversicherer die Forderung einschliesslich der Art ihrer Berechnung. Die Kapitalisierung müsse daher im Regressprozess gleich erfolgen wie im Direktschadensprozess, das heisst mit Blick auf den Geschädigten, ohne Rücksicht auf die Person des Regressberechtigten (GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, Le recours subrogatoire de l'assurance-accidents sociale contre le tiers responsable ou son assureur, 2007, S. 516 Rz. 1552 und S. 582 f. Rz. 1780, nachfolgend: FRÉSARD-FELLAY, Le recours; vgl. SYLVIA LÄUBLI ZIEGLER, Kapitalisierungsfragen aus Sicht der obligatorischen Unfallversicherung, in: Pierre Tercier [Hrsg.], Kapitalisierung - Neue Wege, 1998, S. 261 ff., 281).  
Die Frage, inwieweit der Blick auf den Geschädigten massgebend ist, wird in der Lehre aber unterschiedlich beantwortet: So wird zwar ausgeführt, für die Schadensberechnung sei mit den gleichen Rechnungsgrundlagen zu arbeiten, nur so könne die Regressforderung korrekt ermittelt werden. Allerdings dürften die Geschädigten jedenfalls keine höheren Ertragserwartungen haben als die obligatorischen Unfallversicherer (Sylvia Läubli Ziegler, Errare humanum est, in: Kapitalisierungszinsfuss 2%: angemessen oder vermessen?, HAVE 2014, S. 178 ff., 182). Ein Teil der Lehre spricht sich zwar dafür aus, dass im UVG und im Haftpflichtrecht dieselben Kapitalisierungsregeln gelten sollen, stellt aber darauf ab, dass der Unfallversicherer des Geschädigten letztlich in die Rolle des Risikoträgers schlüpfe, so dass aus ökonomischer Sicht nicht einsehbar sei, weshalb nicht auch bei Drittverschulden die gemäss UVG geltenden Kapitalisierungsbestimmungen anwendbar seien (UELI METTLER/SIMON KNAUS, Höhe des Kapitalisierungszinses für UVG-Renten als Grundlage für Regressforderungen in Haftpflichtfällen, in: Kapitalisierungszinsfuss 2%: angemessen oder vermessen?, HAVE 2014, S. 199 ff., 207 ff.). 
Der Aspekt, ob es lediglich darum geht, in beiden Prozessen die Fragen nach denselben Grundsätzen zu beantworten, oder ob eine eigentliche Bindung im Sinne der Vorinstanz anzunehmen ist, wird von den Vertretern, die sich für einen einheitlichen Zinssatz aussprechen, oft nicht explizit behandelt. 
 
2.4.2. Ein anderer Teil der Lehre ist der Ansicht, aufgrund der unterschiedlichen Ertragsmöglichkeiten sei aus ökonomischen Gründen ein gleicher Kapitalisierungszinsfuss für den Direktgeschädigten und den obligatorischen Unfallversicherer nicht gerechtfertigt. Dogmatisch lasse sich die Kapitalisierung als Vorteilsanrechnung verstehen. Die geschädigte Person erhalte mit dem Kapital den Schaden vor der Fälligkeit ersetzt und müsse sich anrechnen lassen, dass sie das Geld zinsbringend anlegen könne. Das subjektive Schadenverständnis verlange dabei, dass das (unterschiedliche) Ertragspotential individuell beurteilt werde (STEPHAN WEBER, Kapitalisieren mit unterschiedlichen Zinsfüssen?, in: Kapitalisierungszinsfuss 2%: angemessen oder vermessen?, HAVE 2014 S. 189 ff., S. 191). Allenfalls könne der Kapitalisierungszinsfuss auch als Nebenrecht verstanden werden, das untrennbar mit der Person des Geschädigten verbunden sei und daher nicht auf den subrogierenden Sozialversicherer übergehe; dies in Analogie zum Verzugszinsanspruch des Kaufmanns gemäss Art. 170 OR (WEBER, a.a.O., S. 191; MARC SCHAETZLE/ STEPHAN WEBER, Kapitalisieren, Handbuch zur Anwendung der Barwerttafeln, 5. Aufl. 2001, S. 393 Rz. 3.194 und S. 473 f. Rz. 3.559 ff.; vgl. auch Remo Dolf, Das Rückgriffsrecht der AHV/IV unter Berücksichtigung besonderer Durchsetzungsfragen, 2016, S. 73 Rz. 154, der allerdings aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ableitet, aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität solle kein von der Direktschadenserledigung abweichender Kapitalisierungszinsfuss gelten, und daher davon ausgeht, bis auf weiteres sei derselbe Zinssatz anzuwenden wie für den Direktschadensanspruch [S. 74 Rz. 155], wobei er aber gleichwohl weiterhin die Meinung von WEBER, a.a.O., S. 191 aufrecht erhält, es solle zwar im Grundsatz am einheitlichen Zinsfuss festgehalten werden, jedoch sei bei einer gewissen Kategorie von Schadenersatzgläubigern ein abweichender Zins gerechtfertigt [S. 74 Fn. 411]).  
 
3.  
Die Frage, ob eine Bindung an den im Direktprozess angenommenen Kapitalisierungszinsfuss besteht, braucht indessen nur behandelt zu werden, soweit dieser ohne Bindung abweichend vom Direktschadensprozess hätte festgesetzt werden müssen. Die Beschwerdeführerin strebt eine grundsätzliche Überprüfung des von der Rechtsprechung in ständiger Praxis angewendeten Kapitalisierungszinsfusses von 3,5 % an. Sie schlägt einen Satz von 2 % vor. Die Beschwerdegegnerin steht demgegenüber auf dem Standpunkt, der Satz von 3,5 % sei nach wie vor angemessen. 
 
3.1. Das Bundesgericht hat sich letztmals im Jahr 1999 in grundsätzlicher Hinsicht mit dem Kapitalisierungszinsfuss auseinandergesetzt und am damals seit 1946 (BGE 72 II 132 E. 4c S. 134) angewendeten Zinsfuss von 3,5 % (unter Berücksichtigung der Teuerung) festgehalten (BGE 125 III 312; zur Entwicklung der Rechtsprechung bis zu diesem Zeitpunkt vgl. E. 2 dieses Entscheids). Seither hat es diesen Zinsfuss wiederholt angewendet (vgl. Urteile 4A_260/2014 vom 8. September 2014 E. 7; 4A_122/2016 vom 4. Juli 2016 E. 8.1; 4A_543/2015 und 4A_545/2015 vom 14. März 2016 E. 6 und 7; 4A_127/2011 vom 12. Juli 2011 E. 11; 4C.263/2006 vom 17. Januar 2007 E. 5.3; 4C.3/2004 vom 22. Juni 2004 E. 2; 4C.178/2005 vom 20. Dezember 2005 E. 5.2 und 5.3, nicht publ. in: BGE 132 III 359).  
 
3.2. Die Änderung einer Rechtsprechung rechtfertigt sich nur, wenn sich dafür hinreichend ernsthafte Gründe anführen lassen. Das gilt namentlich, wenn diese Rechtsprechung während mehrerer Jahrzehnte konstant befolgt worden ist. Die Gründe, die gegen die bisherige Praxis und zugunsten einer neuen Betrachtungsweise sprechen, müssen insgesamt gewichtiger sein als die nachteiligen Auswirkungen, welche die Praxisänderung insbesondere auf die Rechtssicherheit hat, wobei das Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Bereich der Schadenskalkulation besonders ausgeprägt ist (BGE 125 III 312 E. 7 S. 321; vgl. auch BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541; 138 III 359 E. 6.1 S. 361; je mit Hinweisen).  
 
3.3. Das Bundesgericht hat sich in seiner Rechtsprechung mit Rücksicht auf die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit gegen eine "Einzelfallüberprüfung" gewandt und die langfristige Sicht für massgebend erklärt (BGE 125 III 312; zit. Urteil 4A_260/2014 E. 7). Die Frage, wann die Voraussetzungen für eine Praxisänderung gegeben wären, indem hinreichend sichere Anzeichen dafür bestehen, dass ein Realertrag von 3,5 % auf Kapitalabfindungen in absehbarer Zukunft nicht realisierbar ist, und sich mit hinreichender Gewissheit sagen lässt, dass der seit 1946 geltende Kapitalisierungszinsfuss mit dem Grundsatz des vollen Schadensausgleichs nicht zu vereinbaren ist (BGE 125 III 312 E. 7 S. 321), lässt sich nur aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände beantworten und zeitlich nicht exakt festlegen. Im zu beurteilenden Fall wurde aber der Direktschaden bereits prozessual auf der Grundlage des bisherigen Kapitalisierungszinssatzes behandelt. Damit tritt neben das allgemeine Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Bereich der Schadenskalkulation (BGE 125 III 312 E. 7 S. 321) das konkrete Bedürfnis der am Direktschadensprozess Beteiligten, bei dessen Liquidierung abschätzen zu können, in welcher Höhe mit Regressforderungen zu rechnen ist. Es würde dem Ziel der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit zuwiderlaufen, wenn die konstante Praxis zum Kapitalisierungszinssatz ausgerechnet im Rahmen eines bereits teilweise liquidierten Schadens angepasst würde, jedenfalls soweit sich die Verhältnisse nicht erst nach der Direktschadensliquidation verändert haben. Selbst wenn es daher aufgrund des Zeitablaufs angezeigt erscheinen sollte, die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes erneut zu überprüfen, und wenn man zu Gunsten der Beschwerdeführerin annehmen wollte, es bestünden nunmehr hinreichende Anzeichen dafür, dass ein Realertrag von 3,5 % auf Kapitalabfindungen in absehbarer Zukunft nicht realisierbar ist, wäre es mit Blick auf die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit unabhängig von einer allfälligen Bindung im Rechtssinne nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz einen Fall, in dem der Schaden bereits teilweise unter Annahme des bisherigen Zinssatzes liquidiert wurde, nicht für geeignet erachtete, um eine derartige Rechtsprechungsänderung vorzunehmen. Denn die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit im konkreten Fall sprechen zusätzlich zum allgemeinen Bedürfnis nach Rechtssicherheit für eine Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung in dem konkret zu beurteilenden Fall.  
 
3.4. Will die Beschwerdeführerin eine Überprüfung des Kapitalisierungszinssatzes erreichen, hat sie nach dem Gesagten dafür zu sorgen, dass diese Frage bereits zu Beginn der Schadensliquidation thematisiert wird, damit sich die Parteien darauf einstellen können und die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit im konkreten Fall der Anpassung des Zinssatzes nicht entgegenstehen. Soweit zunächst der Direktschaden liquidiert wird, steht ihr dazu die Möglichkeit der Nebenintervention (Art. 74 ff. ZPO) offen. Für die Vorinstanz bestand somit kein Anlass, im konkreten Fall von der konstanten Praxis abzuweichen. Daher fällt auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ausser Betracht. Es ist im Ergebnis jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im konkreten Fall den bisherigen Zinssatz zur Anwendung brachte.  
 
4.  
Die Beschwerdeführerin rügt sodann eine bundesrechtswidrige Berechnung des künftigen Erwerbsausfallschadens, indem die Vorinstanz die Grundsätze der zeitlichen Kongruenz falsch angewendet habe. 
 
4.1. Die Vorinstanz unterschied zwischen bisherigem und künftigem Schaden und stellte als Rechnungstag auf den 27. März 2014 ab, das Datum des obergerichtlichen Urteils im Direktschadensprozess. Dieser Rechnungstag ist im Beschwerdeverfahren unbestritten, ebenso die Unterscheidung zwischen den beiden Phasen.  
Sie stellte sodann fest, bis und mit Ende 2018 habe die Geschädigte keinen künftigen Nettoerwerbsausfallschaden erlitten. Erst ab 2019 bestehe ein künftiger Erwerbsausfallschaden. Die Parteien seien sich einig, dass der insgesamte künftige Erwerbsausfallschaden zwischen Fr. 530'450.70 (Beschwerdegegnerin) und Fr. 562'480.00 (Beschwerdeführerin) liege. Die genaue Berechnung könne offenbleiben, da die Beschwerdeführerin höchstens im Umfang der von ihr zu erbringenden kongruenten Leistungen auf die Beschwerdegegnerin Rückgriff nehmen könne. Diese kongruenten Sozialversicherungsleistungen würden sich aber gemäss beiden Parteien auf einen tieferen Betrag belaufen als diese genannten Beträge für den Erwerbsausfallschaden. 
Bezüglich der künftigen Sozialversicherungsleistungen der Beschwerdeführerin verbiete sich - so die Vorinstanz weiter - wegen des Grundsatzes der zeitlichen Kongruenz und des daraus resultierenden Verbots der periodenübergreifenden Saldoverrechnung eine Anrechnung (u.a.) der Rentenleistungen der Beschwerdeführerin von 2009 bis 2018. Vielmehr seien einzig diejenigen künftigen Leistungen als (zeitlich) kongruent anzusehen, welche die Beschwerdeführerin ab 2019 erbringen werde, ab jenem Zeitpunkt also, ab welchem ein Nettoerwerbsausfallschaden der Versicherten vorliegen werde. 
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei in ihren grundsätzlichen Ausführungen zum Kongruenzgrundsatz korrekt davon ausgegangen, dass nach der geltenden Rechtslage der Erwerbsausfallschaden zweiphasig zu bestimmen sei, nämlich durch gesonderte Berechnung des bisherigen und des künftigen Schadens. Konkret habe sie dann aber nicht mit zwei Phasen gerechnet. Vielmehr habe sie die Phase des künftigen Erwerbsausfalls ihrerseits zum Nachteil der Beschwerdeführerin in zwei Perioden unterteilt (erste Periode: Rechnungstag bis Ende 2018; zweite Periode: 2019 bis Alter 64) und die Rentenleistungen der Beschwerdeführerin aus der ersten Periode nicht zum Regress zugelassen. Es stehe die Frage zur Diskussion, ob eine haftpflichtige Person die Geltendmachung von Leistungen der Sozialversicherer an den Schaden dadurch verhindern kann, dass die entsprechende Periode weiter unterteilt wird. Damit werde Art. 41 ff. aUVG sowie Art. 58 Abs. 1 und Art. 62 Abs. 1 SVG verletzt.  
 
4.3. Zeitliche Kongruenz liegt vor, wenn die Leistung der Sozialversicherung für die gleiche Zeitspanne erfolgt, für die ein Schaden besteht, welchen der Haftpflichtige ersetzen muss (BGE 134 III 489 E. 4.3 f. S. 492 f.; 126 III 41 E. 2 S. 43 f.; zit. Urteil 4A_127/2011 E. 10.1). Entsprechend ist entscheidend, welche Zeitspannen unterschieden werden (müssen) (vgl. GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, La concordance temporelle des droits et ses écueils, in: HAVE 2016 S. 373 ff., 376, nachfolgend: FRÉSARD-FELLAY, La concordance). Das Bundesgericht lässt aus Gründen der Praktikabilität die Bildung je einer Periode für den bisherigen und den zukünftigen Schaden zu, solange den Parteien die Möglichkeit offen steht, bei allfälligen erheblichen Veränderungen während der Perioden eine detailliertere Berechnung zu verlangen (BGE 131 III 12 E. 7.4 S. 18; zit. Urteil 4A_127/2011 E. 10.3).  
Entgegen der Beschwerdeführerin ist es somit nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass auch die Zeitspanne nach dem Rechnungstag noch unterteilt wird (i.d.S. zu BGE 131 III 12: FRÉSARD-FELLAY, La concordance, a.a.O., S. 376; FRÉSARD-FELLAY, Le recours, a.a.O., S. 413 f. Rz. 1252 f.; MARC SCHAETZLE, Lehren aus einer komplexen Schadensberechnung, in: HAVE 2005 S. 46 ff., 51). In der Lehre werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach einer Auffassung soll überhaupt keine Unterteilung mehr erfolgen. Denn eine zwei- oder mehrperiodische Schadenberechnung bei Geltung eines Saldoverrechnungsverbots wegen fehlender zeitlicher Kongruenz führe in der Praxis zu einer Benachteiligung der Sozialversicherer und entspreche nicht dem ursprünglich gewollten Zweck der zeitlichen Kongruenz (i.d.S. ADRIAN ROTHENBERGER, Der Kongruenzgrundsatz als Steuerungsmittel für eine gerechte Allokation von Haftpflichtleistungen, in: HAVE 2016 S. 177 ff., 181 ff., der die zeitliche Kongruenz lediglich für Phasen ohne Sozialversicherungsleistungen verneint). Diese Auffassung einer Globalrechnung wird von anderer Seite gerade als nicht sachgerecht bezeichnet und für die bisherige Unterteilung zwischen bisherigem und künftigem Schaden plädiert, wobei diese Phasen ihrerseits einer Subunterteilung zugänglich sein können, sei es aufgrund von Veränderungen bei den Sozialleistungen (STEPHAN WEBER/MARC SCHÄTZLE, Zeit ist Geld oder der unterschätzte Einfluss des Rechnungstages auf die Schadensberechnung, in: HAVE 2004 S. 97 ff., 110; STEPHAN WEBER/ROLAND VOSS, Neue Koordinationsregeln im Berechnungsprogramm Leonardo, in: HAVE 2014 S. 327 ff., 328), sei es entsprechend verschiedenen Phasen des zivilrechtlichen Schadens, wobei allerdings solche Subunterteilungen die Ausnahme bleiben müssten um Rechtsungleichheiten zu vermeiden (FRÉSARD-FELLAY, Le recours, a.a.O., S. 415 Rz. 1258). 
Vorliegend erfolgte die Unterscheidung in zwei Unterphasen, weil die Versicherte in der ersten Periode gar keinen Schaden (Erwerbsausfall) 
erlitt. Diese Abgrenzung ist im Sinn von BGE 131 III 12 objektiv begründet und stellt eine erhebliche Veränderung dar. Die Rüge ist abzuweisen. 
 
5.  
Damit ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. April 2018 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak