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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_463/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. April 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Chaix, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Wirtschaftskriminalität, 
Rheinstrasse 27, Postfach, 4410 Liestal, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Advokat Pierre Comment, 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Kontensperren, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 11. Oktober 2016 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt eine Strafuntersuchung gegen B.________ wegen gewerbsmässigen Betruges (evtl. Veruntreuung) und mehrfacher Urkundenfälschung mit einem Deliktsbetrag von mehr als Fr. 1,7 Mio. Mit Verfügungen vom 29. April bzw. 11. Juli 2016 sperrte sie in diesem Zusammenhang zwei Bankkonten von A.________, des Lebenspartners der Beschuldigten, und beschlagnahmte (gestützt auf Art. 71 Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 266 Abs. 4 StPO) die betreffenden Kontenguthaben (in der Höhe von insgesamt ca. Fr. 6'500.--). Eine vom Konteninhaber am 21. Juli 2016 dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 gut, indem es die Beschlagnahmeverfügung vom 11. Juli 2016 aufhob. 
 
B.   
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichtes gelangte die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde vom 29. November 2016 an das Bundesgericht. Sie beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
Das Kantonsgericht beantragt mit Stellungnahme vom 7. Dezember 2016 die Abweisung der Beschwerde. Der Konteninhaber hat am 16. Dezember 2016 auf eine Vernehmlassung ausdrücklich verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das Bundesgericht prüft die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 142 IV 196 E. 1.1 S. 197; 140 IV 57 E. 2 S. 59, mit Hinweisen; vgl. Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 BGG). 
 
1.1. In BGE 142 IV 196 hat das Bundesgericht (in Änderung seiner bisherigen Praxis und nach einem Meinungsaustauschverfahren gemäss Art. 23 Abs. 2 BGG) entschieden, dass in Kantonen, bei denen eine staatsanwaltliche Behörde für die Strafverfolgung aller Straftaten im ganzen Kantonsgebiet zuständig ist, nur diese Behörde die Beschwerdeberechtigung (im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG) hat (BGE 142 IV 196 E. 1.5.2 S. 200).  
Gemäss § 8 des kantonalen Einführungsgesetzes vom 12. März 2009 zur Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO/BL, SGS 250) gliedert sich die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft in Hauptabteilungen, die von Leitenden Staatsanwältinnen und Leitenden Staatsanwälten geführt werden (Abs. 1). Jede Hauptabteilung ist für eine oder mehrere Deliktsgruppen zuständig (Abs. 2). Die Leitenden Staatsanwälte und die Leitenden Staatsanwältinnen bilden zusammen mit der Ersten Staatsanwältin oder dem Ersten Staatsanwalt die Geschäftsleitung (Abs. 3). 
Die Geschäftsleitung stellt die Information und Koordination innerhalb der Staatsanwaltschaft sicher (§ 9 Abs. 1 EG StPO/BL). Die Geschäftsleitung unterstützt den Ersten Staatsanwalt oder die Erste Staatsanwältin bei der Erfüllung seiner beziehungsweise ihrer Aufgaben (§ 9 Abs. 2 i.V.m. § 7 EG StPO/BL). Gemäss dem kantonalen Dekret vom 15. April 2010 zum EG StPO/BL (Dekret EG StPO/BL, SGS 250.1) besteht die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft derzeit aus der Ersten Staatsanwältin oder dem Ersten Staatsanwalt, sechs Leitenden Staatsanwältinnen oder Leitenden Staatsanwälten sowie 32,5 Sollstellen für weitere ordentliche Staatsanwältinnen und ordentliche Staatsanwälte (§ 1 Abs. 1 Dekret EG StPO/BL). 
 
1.2. Die Legitimation der hier beschwerdeführenden kantonalen Staatsanwaltschaft ist (im Lichte der dargelegten neuen Praxis des Bundesgerichtes) zu bejahen: Zum einen besteht nach basellandschaftlichem Behördenorganisationsrecht keine staatsanwaltliche Behörde (im Sinne einer Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft), welche für die Strafverfolgung aller Straftaten im ganzen Kantonsgebiet zuständig wäre. Zum anderen ist die Beschwerde auch vom Stellvertretenden Ersten Staatsanwalt mitunterzeichnet, der gleichzeitig Mitglied der Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft ist.  
 
1.3. Die Staatsanwaltschaft legt sodann dar, dass bei einem Wegfall der Kontensperren das sichergestellte Haftungssubstrat für die richterliche Zusprechung einer staatlichen Ersatzforderung (Art. 71 StGB) wegfiele. Dieser drohende Rechtsnachteil könnte auch durch einen für die Staatsanwaltschaft günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. BGE 140 IV 57 E. 2.3 S. 60 mit Hinweisen; Urteile 1B_250/2015 vom 21. Januar 2016 E. 1.2; 1B_113/ 2014 vom 3. November 2014 E. 1.2). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.  
 
2.   
Im angefochtenen Entscheid wird (im Wesentlichen zusammengefasst) Folgendes erwogen: Der von den Kontensperren Betroffene sei selber nicht mitbeschuldigt. Zwar habe er von den mutmasslich "deliktisch erlangten Vermögenswerten profitiert" (indem ein Teil des Deliktserlöses auf ein Kreditkartenkonto der Beschuldigten geflossen sei, von dem ihr Lebenspartner eigene Bezüge getätigt habe). Nach der bundesgerichtlichen Praxis seien Ersatzforderungsbeschlagnahmen auf dem Eigentum von nicht beschuldigten Dritten jedoch in der Regel unzulässig. Die Voraussetzungen für einen "strafprozessualen Durchgriff" seien hier nicht erfüllt, da die Beschuldigte an den gesperrten Konten ihres Lebenspartners "nicht wirtschaftlich berechtigt" sei. 
 
3.   
Die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft macht geltend, die Beschuldigte habe in den Jahren 2012 bis 2016 in 79 Fällen unrechtmässige Überweisungen durch geschädigte Firmen in der Höhe von mehr als Fr. 1,7 Mio. betrügerisch veranlasst. Davon seien knapp Fr. 600'000.-- auf ein Kreditkartenkonto der Beschuldigten geflossen. Davon hätten die Beschuldigte ca. Fr. 356'000.-- und ihr Lebenspartner ca. Fr. 243'000.-- bezogen. Dieser sei in diesem Umfang als begünstigter Dritter (im Sinne von Art. 71 Abs. 1 i.V.m. Art. 70 Abs. 2 StGB) anzusehen. Zwar habe er die Einziehungsgründe damals vermutlich noch nicht gekannt. Er habe jedoch für die bezogenen Vermögenswerte keine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Auf zwei seiner Bankkonten (Privatkonto und Sparkonto) sei daher eine Ersatzforderungsbeschlagnahme (Art. 71 Abs. 3 StGB) in der Höhe von insgesamt ca. Fr. 6'500.-- erfolgt. 
Die Staatsanwaltschaft rügt eine Verletzung von Art. 71 StGB. Unter die Personen, welche von Ersatzforderungsbeschlagnahmen betroffen sein könnten, fielen grundsätzlich auch begünstigte Dritte. Die Urteile, auf die sich die Vorinstanz berufe, bezögen sich auf Fälle von unbeteiligten Drittpersonen, welche durch deliktisch erworbene Vermögenswerte nicht begünstigt wurden. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. 
 
4.  
 
4.1. Die streitigen Kontensperren tangieren die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Einschränkungen dieses verfassungsmässigen Individualrechtes müssen gesetzes- und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1 und 3 BV). Gemäss Art. 197 Abs. 1 StPO können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt. Beschlagnahmen, welche in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO).  
 
4.2. Vermögensbeschlagnahmen sind aufzuheben, falls eine richterliche Einziehung, die Rückgabe (Restitution) an den Geschädigten bzw. die Zusprechung einer staatlichen Ersatzforderung schon im Vorverfahren als rechtlich ausgeschlossen erscheinen (BGE 140 IV 57 E. 4.1.1-4.1.2 S. 61-64; 139 IV 250 E. 2.1 S. 252 f.; 137 IV 145 E. 6.3-6.4 S. 151 f.; je mit Hinweisen).  
 
4.3. Das Strafgericht verfügt (unter Vorbehalt von Art. 352 Abs. 2 und Art. 376-378 StPO) die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs. 1 StGB). Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat  und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde (Art. 70 Abs. 2 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine  Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Art. 70 Abs. 2 StGB ausgeschlossen ist.  
 
4.4. Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson können strafprozessual beschlagnahmt werden, wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich den Geschädigten zurückzugeben oder einzuziehen sind (Art. 263 Abs. 1 lit. c-d StPO). Auch im Hinblick auf die Durchsetzung einer staatlichen Ersatzforderung kann die Untersuchungsbehörde Vermögenswerte des Betroffenen mit Beschlag belegen. Diese Beschlagnahme begründet bei der Zwangsvollstreckung der Ersatzforderung kein Vorzugsrecht zu Gunsten des Staates (Art. 71 Abs. 3 StGB). Es handelt sich mithin um eine Forderung Dritter Klasse nach Art. 219 Abs. 4 SchKG (vgl. BGE 126 I 97 E. 3d/dd S. 110; Urteile 1B_307/2016 vom 3. Januar 2017 E. 3.4; 1B_109/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 4.5; 1B_114/ 2015 vom 1. Juli 2015 E. 4.4.1).  
 
4.5. Ersatzforderungen des Staates können unter den Vorschriften von Art. 73 StGB zu Gunsten des Geschädigten verwendet werden (Art. 73 Abs. 1 lit. c StGB). Im Unterschied zur Einziehungs- (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO) und Restitutionsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. c StPO) setzt der strafprozessuale Arrest gemäss Art. 71 Abs. 3 StGB keine Konnexität zwischen der Straftat und den mit Beschlag belegten Vermögenswerten voraus (BGE 140 IV 57 E. 4.1.2 S. 62 f.; s.a. BGE 133 IV 215 E. 2.2.1 S. 220; 129 II 453 E. 4.1 S. 461).  
 
4.6. Gegenüber dem Eigentum von (unbeteiligten) Dritten sind Ersatzforderungsbeschlagnahmen nach der bundesgerichtlichen Praxis in der Regel unzulässig. Angezeigt sind sie indessen (abgesehen von dem in Art. 70 Abs. 2 i.V.m. Art. 71 Abs. 1 StGB geregelten Fall), wenn es sich beim "Dritten" um wirtschaftlich dieselbe Person handelt und demgemäss die Voraussetzungen für einen strafprozessualen Durchgriff vorliegen. Dasselbe gilt hinsichtlich von Vermögenswerten, die wirtschaftlich betrachtet im Eigentum der beschuldigten Person stehen, weil sie etwa nur durch ein Scheingeschäft an eine "Strohperson" übertragen worden sind (BGE 140 IV 57 E. 4.1.2 S. 64; Urteile 1B_300/2013 vom 14. April 2014 E. 5.3.2; 1B_163/2013 vom 4. November 2013 E. 4.1.5). Für nicht beschuldigte Dritte, welche  Deliktsgut erworben haben bzw. davon begünstigt wurden ("tiers favorisés"), gelten die oben genannten Bestimmungen von Art. 70 Abs. 2 i.V.m. Art. 71 Abs. 1 und Abs. 3 StGB (vgl. BGE 140 IV 57 E. 4.1.2 S. 62-64).  
 
4.7. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Lebenspartner der Beschuldigten über Kreditkartenbezüge von den mutmasslich deliktisch erworbenen Vermögenswerten profitiert und dafür keine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat. Ebenso wenig führt die Beschlagnahme in der Höhe von ca. Fr. 6'500.-- hier zu einer unverhältnismässigen Härte. Gegenteiliges wird weder von der Vorinstanz noch vom privaten Beschwerdegegner behauptet. Auch werden keine anderen Beschlagnahmehindernisse dargetan. Die oben erörterten gesetzlichen Voraussetzungen der Ersatzforderungsbeschlagnahme sind damit erfüllt. Der angefochtene Entscheid verstösst gegen Art. 71 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. Art. 70 Abs. 2 StGB.  
 
5.   
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben; die Sache ist zur Neubeurteilung (inkl. Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen) an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Zwar hat sich der private Beschwerdegegner auf das Verfahren vor Bundesgericht förmlich nicht eingelassen bzw. auf eine Stellungnahme "aus prozessökonomischen Gründen" verzichtet. Er ist jedoch im vorinstanzlichen Verfahren als Partei aufgetreten, und seine Beschwerde wurde von der Vorinstanz zu Unrecht gutgeheissen. Insofern hat er das Verfahren veranlasst, weshalb ihm die Gerichtskosten aufzuerlegen sind (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss vom 11. Oktober 2016 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem privaten Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. April 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster