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«AZA 3» 
4C.433/1999/rnd 
 
 
I. Z I V I L A B T E I L U N G 
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22. Februar 2000 
 
 
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident, Klett, Rottenberg Liatowitsch und Gerichtsschreiber Leuenberger. 
 
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In Sachen 
 
 
Blumen Weibel AG, Zielstrasse 14, 9050 Appenzell, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Boll, Hauptstrasse 30, Postfach 245, 9050 Appenzell, 
 
 
gegen 
 
 
Factors AG, Bäckerstrasse 40, 8026 Zürich, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erwin Künzler, Oberer Graben 3, 9000 St. Gallen, 
 
 
 
betreffend 
Schuldanerkennung; Zession, 
hat sich ergeben: 
 
 
A.- Die Beklagte stand in Geschäftsbeziehungen mit der drü-LINDE-handels AG, welche ihr für Warenlieferungen am 23. August, 20. September und 8. November 1996 Rechnungen über insgesamt Fr. 55'816.35 stellte, zahlbar zu rund 75% in WIR-Geld und zu rund 25%, d.h. mit Fr. 13'892.65, in bar. Die drü-LINDE-handels AG zedierte die Barforderungen der Klägerin. Der Ausstand wurde der Beklagten am 9. Dezember 1997 unter Anrechnung einer Akonto-Zahlung von Fr. 5'000.- mit Fr. 8'892.65 bekanntgegeben. 
 
Am 2. April 1997 gegenzeichnete die Beklagte ein gleichen Tags erhaltenes Faxschreiben der drü-LINDE-handels AG folgenden Inhalts: 
 
"Bestätigung 
 
Sehr geehrter Herr Weibel 
 
Wir beziehen uns auf das heutige Telefonat zwischen 
Ihnen und unserem Herrn Hufschmid. 
 
Hiermit bestätigen Sie uns, dass die offene Forde- 
rung von Fr. 8'892.65 bis spätestens am Freitag, 
04.04.1997 auf das Bankkonto der Factors AG in Zü- 
rich überwiesen wird. 
 
...." 
 
Mit Schreiben vom 4. April 1997 widerrief die Beklagte diese Zahlungszusicherung. 
 
 
B.- Mit Urteil vom 21. August 1998 verurteilte das Bezirksgericht Appenzell die Beklagte, der Klägerin den anerkannten Betrag von Fr. 8'892.65 nebst Zins zu bezahlen. 
 
 
Eine Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wies das Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung ZivilStrafgericht, am 7. September 1999 ab. Es wertete die gegengezeichnete Bestätigung als abstraktes Schuldversprechen der Beklagten und hielt deren Entkräftungsbeweis für misslungen, weil das der Schuldanerkennung zu Grunde liegende Schuldverhältnis nicht rechtsgenüglich offengelegt worden sei. 
 
 
C.- Die Beklagte führt eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
 
1.- Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, sofern sie nicht auf einem offensichtlichen Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder zu ergänzen sind, weil die Vorinstanz für die Beurteilung der Streitsache massgebendes Bundesrecht nicht oder unrichtig angewandt und daher einen rechtserheblichen Tatbestand nicht hinreichend geklärt hat (Art. 63 und 64 OG). Eine Ergänzung des Sachverhalts setzt dabei voraus, dass entsprechende Behauptungen im kantonalen Verfahren prozesskonform aufgestellt und zum Beweis verstellt wurden, was in der Berufung aufzuzeigen ist, andernfalls die Vorbringen als neu zu gelten haben und unzulässig sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 119 II 353 E. 5c/aa). 
 
a) Die Beklagte legt ihrer in der Berufungsschrift vertretenen Rechtsauffassung über weite Strecken einen gegenüber den Feststellungen der Vorinstanz geänderten und erweiterten Sachverhalt zu Grunde, ohne sich auf eine der genannten Ausnahmen von der Sachverhaltsbindung des Bundesgerichts zu berufen. Auf diese Weiterungen ist nach dem Gesagten nicht einzutreten. 
 
b) Weiter ist die Beklagte insoweit nicht zu hören, als sie dem Bezirksgericht Appenzell Verletzungen bundesrechtlicher Beweisvorschriften vorwirft. Anfechtungsobjekt der eidgenössischen Berufung ist ausschliesslich das Urteil der oberen kantonalen Instanz (Art. 48 Abs. 1 OG). Den darin relevierten Sachverhalt aber hat das Kantonsgericht selbst festgestellt. 
 
 
2.- Die Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe im Verhältnis der Prozessparteien bundesrechtswidrig auf die Schuldanerkennung vom 2. April 1997 abgestellt, weil deren Adressatin und Empfängerin nicht die Klägerin, sondern die drü-LINDE-handels AG gewesen sei. 
 
Die Schuldanerkennung beruht auf der Erklärung eines Schuldners, dass er den Bestand einer Schuld bekenne oder anerkenne (Schmidlin, Berner Kommentar, N. 15 zu Art. 17 OR). Zwar ist diese Erklärung unmittelbar oder mittelbar (dazu Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Band I, Rz 185 f.) an die als Gläubiger erachtete Person gerichtet (Schönenberger/ 
Jäggi, Zürcher Kommentar, N. 5 zu Art. 17 OR), doch beziehen sich ihre Rechtswirkungen wesensgemäss auf den Bestand des obligatorischen Anspruchs und nicht auf die Frage der persönlichen Zuständigkeit daran, d.h. der Sachlegitimation (Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 50 f.). Namentlich wirkt eine Schuldanerkennung auch zu Gunsten des Zessionars, weil der Gläubigerwechsel sich an verkehrsfähigen Forderungen unabhängig von einer Zustimmung oder Mitwirkung des Schuldners vollzieht. Folgerichtig gibt das Gesetz daher dem Zessionar auch Anspruch auf Übergabe der Schuldurkunde (Art. 170 Abs. 2 OR). Nichts anderes aber gilt für die deklaratorische Anerkennung einer bestehenden und bereits abgetretenen Forderung (zur deklaratorischen Anerkennung namentlich Alfred Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, S. 380 f., Rz 1640 ff.). Sie bestätigt den Bestand des Anspruchs unabhängig davon, ob sie dem Zedenten oder dem Zessionar gegenüber erklärt wird, weil sich die Frage, welchem von beiden die Forderung subjektiv zusteht, unabhängig vom Willen des Schuldners beantwortet und die Antwort seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigt (Art. 169 OR). 
 
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die Abtretung der streitigen Forderung von der drü-LINDE-handels AG an die Klägerin im kantonalen Verfahren unbestritten geblieben. Damit entfaltete die Schuldanerkennung der Beklagten nach dem Gesagten ihre Wirkungen auch gegenüber der Klägerin und zwar unbesehen darum, ob sie zeitlich vor oder nach der Abtretung erklärt wurde. Der Abtretungszeitpunkt, den das Kantonsgericht nicht festgestellt hat, ist folglich entscheidunwesentlich. Eine entsprechende Sachverhaltsergänzung erübrigt sich. 
 
 
3.- Ob die Schuldanerkennung der Beklagten mangels darin erwähnten Rechtsgrundes abstrakt war oder mit Blick auf die vorangegangenen Korrespondenzen als kausal zu gelten hat (BGE 96 II 383 E. 4), ist für die Streitentscheidung unerheblich, weil sie im einen wie im andern Fall mindestens eine Umkehr der Beweislast bewirkte, derzufolge nunmehr der Beklagten oblag, fehlende rechtsbegründende oder verwirklichte rechtsaufhebende Tatsachen zum Anspruch zu beweisen (Schönenberger/Jäggi, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 17 OR; Schwenzer, Basler Kommentar, N. 6 zu Art. 17 OR; Koller, a.a.O., S. 381, Rz 1643 ff; Engel, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., S. 157; vgl. auch BGE 105 II 183 E. 4a; 119 II 452 E. 1d). Im Ergebnis liegt der Unterschied zwar darin, dass der Schuldner bei Bestreitung der rechtsbegründenden Tatsachen gegenüber dem kausalen Schuldbekenntnis einzig den angegebenen Schuldgrund zu entkräften, gegenüber dem abstrakten dagegen den Schuldgrund vorerst zu offenbaren und danach zu entkräften hat, doch ist die Anerkennungsschuld im einen wie im andern Fall kausal (Schönenberger/ 
Jäggi, Zürcher Kommentar, N 14 zu Art. 17 OR; Merz, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl., S. 42). 
 
Die Beklagte konnte demnach ihre Schuldanerkennung mit den von ihr zu beweisenden Behauptungen entkräften, die anerkannte Schuld sei nicht oder nicht gültig entstanden (fehlender Rechtsgrund), sei gestundet oder untergegangen, oder die Schuldanerkennung sei ihrerseits ungültig (fehlende Geschäftsfähigkeit, Willensmängel u.ä.). 
 
Nach den wiederum verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Beklagte die Gültigkeit ihrer Schuldanerkennung als solche nicht in Frage gestellt, insbesondere keine Willensmängel geltend gemacht. Sie hat das Schuldbekenntnis zwar am 4. April 1997 unter Hinweis auf verzögerte weitere Lieferungen widerrufen, dazu und zum ursprünglichen Schuldgrund aber im kantonalen Verfahren keine konkreten Angaben gemacht oder Beweise offeriert. Zudem hat sie den Standpunkt eingenommen, sie sei in vollem Umfang der Schuld zu WIR-Zahlungen berechtigt und könne daher nicht auf Landeswährung verpflichtet werden. Unter diesen Gegebenheiten aber hat das Kantonsgericht die Schuldanerkennung bundesrechtskonform als nicht entkräftet erachtet. Aus der schlichten Berufung auf die Verzögerung anderer als der streitigen Lieferungen allein lässt sich ohne detaillierte Kenntnis des Grundverhältnisses kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber bereits fälligen Forderungen ableiten (offenbar in Anlehnung an Art. 82 OR). Eine Tilgung der anerkannten Schuld insbesondere durch Verrechnung wird nicht behauptet. Die Berufung auf eine reine WIR-Schuld sodann ist unbehelflich. Wenn die Forderung in Landeswährung geltend gemacht und anerkannt wurde, wäre daraus jedenfalls nach Treu und Glauben auf eine konsensuale Schuldänderung zu schliessen. Einem bedingungslosen einseitigen Widerruf schliesslich ist die Schuldanerkennung als Vertrag (BGE 65 II 66 E. 8a; Schmidlin, Berner Kommentar, N. 35 zu Art. 17 OR mit Hinweisen; Schwenzer, Basler Kommentar, N. 3 zu Art. 17 OR) oder jedenfalls als Vertragserklärung (Schönenberger/ 
Jäggi, Zürcher Kommentar, N. 8 zu Art. 17 OR; Koller, a.a.O., S. 380 Rz 1639) nicht mehr zugänglich, sobald sie wirksam geworden ist. 
 
 
4.- Die Berufung erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte kostenpflichtig. 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, vom 7. September 1999 wird bestätigt. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.- wird der Beklagten auferlegt. 
 
3.- Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 22. Februar 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: