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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_495/2007/leb 
 
Urteil vom 27. März 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Parteien 
A.________ und B.X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Vincenz-Stauffacher, 
 
gegen 
 
Schulrat C.________, vertreten durch den Präsidenten D.________. 
 
Gegenstand 
Klassenzuweisung (Schulweg), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Regionalen Schulaufsicht E.________ vom 8. August 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
F.X.________ (geb. 2000) besuchte bis zum Ende des Schuljahres 2006/2007 den Kindergarten im Schulhaus "G.________" der Schulgemeinde C.________. Für den Weg dahin benötigte sie von zu Hause aus rund 20 Minuten zu Fuss. Auf das Schuljahr 2007/2008 wurde F.X.________ eingeschult. 
 
B. 
Mit Schreiben vom 8. Juni 2007 teilte der Schulrat C.__________ der Familie X.________ mit, aufgrund sinkender Schülerzahlen könnten ab Beginn des Schuljahres 2007/2008 in der Schulgemeinde nur noch drei statt vier "1. Primarklassen" geführt werden. Bisher habe es in beiden Schulkreisen ("G.________" und "H.________") je zwei solche Klassen gegeben. Da im Schulkreis "G.________" weniger Kinder eingeschult würden, habe der Schulrat beschlossen, eine Gruppe von sieben Kindern aus dem westlichen Gebiet des Schulkreises "G.________" (darunter F.X.________) "in eine 1. Klasse vom H.________" zuzuteilen. Für diese Kindergruppe würden "sämtliche Schulwege mit dem Schulbus zugesichert". Mit Verfügung der Schulleitung H.________ vom selben Tag wurde F.X.________ per Montag, 13. August 2007 dem Schulhaus "H.________" zugeteilt und die Eltern zu einem Elternabend am 2. Juli 2007 eingeladen. 
 
C. 
A.________ und B.X.________, die Eltern von F.________, erhoben gegen diese Verfügung umgehend Rekurs an den Schulrat C.________ im Wesentlichen mit der Begründung, "die Belastungsgrenze" für ihre Tochter durch die Zuweisung in die 1. Klasse des Schulkreises H.________ sei "deutlich überschritten und somit inakzeptabel". Für F.________ ergebe sich durch diese Zuteilung ein Schulweg von "mindestens 40 Minuten", im Vergleich dazu brauche sie für den Weg zum G.________ bloss 20 Minuten. Ein solcher Schulweg sei, "wenn auch eine andere Lösung möglich wäre (....), nicht zumutbar". 
 
An seiner Sitzung vom 19. Juni 2007 wies der Schulrat C.________ den Rekurs der Eltern X.________ "im Sinne der Erwägungen"ab. Zur Begründung führte der Schulrat im Wesentlichen aus, die ordentlichen Kriterien für die Klassenbildung würden im vorliegenden Fall eingehalten und die Überlegungen der Schulbehörde erschienen nachvollziehbar. Die Situation werde jedes Jahr neu beurteilt und nach der für die überwiegende Mehrheit der Kinder idealsten Lösung gesucht. Der in diesem Jahr betroffenen Kindergruppe - die den Schulweg zu einem späteren Zeitpunkt auch mit dem Fahrrad zurücklegen könnte - sei ein Transport mit dem Schulbus zugesichert worden. Die Sicherheit für die Kinder auf dem Weg zur Bushaltestelle sei zudem "in keiner Weise eingeschränkt". 
 
Den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies die Regionale Schulaufsicht E.________ mit Entscheid vom 8. August 2007 ebenfalls ab. 
 
D. 
Mit Eingabe vom 14. September 2007 führen A.________ und B.X.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, den Entscheid der Regionalen Schulaufsicht E.________ vom 8. August 2007 aufzuheben und F.X.________ der 1. Klasse im Schulhaus "G.________" zuzuweisen. 
 
Der Schulrat C.________ und die Regionale Schulaufsicht E.________ haben sich vernehmen lassen, ohne einen konkreten Antrag zu stellen. 
 
In dem vom Abteilungspräsidenten bewilligten zweiten Schriftenwechsel hielten A.________ und B.X.________ an ihren Anträgen fest. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein Rekursentscheid der Regionalen Schulaufsicht E.________, mit dem die Zuweisung der Schülerin F.X.________ in das Schulhaus "H.________" bestätigt wird. Streitigkeiten dieser Art fallen nicht unter den Ausnahmekatalog gemäss Art. 83 BGG (betreffend die Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten), weshalb dieses Rechtsmittel vorliegend zulässig ist. Als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts müsste der Kanton St. Gallen hingegen ein oberes Gericht einsetzen (Art. 86 Abs. 2 BGG): Die Regionale Schulaufsicht ist zwar für gewisse Fragen des Schulwesens Rekursinstanz (vgl. Art. 128 des kantonalen Volksschulgesetzes vom 13. Januar 1983 [VSG]), doch kann sie aufgrund ihrer primären Funktion als Aufsichtsbehörde (Art. 104 und 106 VSG) wie auch aufgrund ihrer Organisation und hierarchischen Stellung (Art. 100 Abs. 2 lit. a und Art. 105 VSG) nicht als "oberes Gericht" im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG gelten. Die Kantone besitzen indessen für die Anpassung ihrer Gesetzgebung an das BGG - welches am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist - eine Übergangsfrist von zwei Jahren (Art. 130 Abs. 3 BGG), die noch nicht abgelaufen ist. Der Entscheid der Regionalen Schulaufsicht E.________ stellt daher einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar, der mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden kann (vgl. auch Urteil 2C_64/2007 vom 29. März 2007, E. 3.2). 
 
Die Eltern der betroffenen Schülerin sind als Mitbetroffene gemäss Art. 89 BGG zur Beschwerde legitimiert. 
 
1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführer berufen sich vorab auf Art. 19 BV (in Verbindung mit Art. 62 Abs. 2 BV), welche Norm den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht gewährleistet. Sie erachten den Schulweg ihrer Tochter auch vor dem Hintergrund eines garantierten Schulbusbetriebs als nicht zumutbar: An Tagen mit Vormittags- und Nachmittagsunterricht ergebe sich für sie ein täglicher Gesamtaufwand von mindestens 160 Minuten, während für den Schulweg ins nahe gelegene Schulhaus "G.________" bloss 60 Minuten aufzuwenden wären. Dieser Mehraufwand gehe zulasten der Zeit für die Hausaufgaben und zulasten unverzichtbarer Freizeit. 
 
2.2 Ein unzumutbarer Schulweg verletzt das je nach Schulstufe vom Bund oder vom Kanton garantierte Recht auf Ausbildung, darüber hinaus die Chancengleichheit und die Rechtsgleichheit (Herbert Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Auflage 2003, S. 226). Die Zumutbarkeit eines Schulwegs bestimmt sich nach seiner Länge und der zu überwindenden Höhendifferenz, nach der Beschaffenheit des Weges und den damit verbundenen Gefahren sowie nach Alter und Konstitution der betroffenen Kinder (Urteil 2P.101/2004 vom 14. Oktober 2004, E. 4.1, Plotke, a.a.O., S. 226). 
 
2.3 Nach unwiderlegter Darstellung dauert der für die Tochter der Beschwerdeführer ins Schulhaus "H.________" zurückzulegende Schulweg insgesamt 40 Minuten und ist teils zu Fuss (ca. 15 Min. bis zur Bushaltestelle) und teils mit dem Schulbus (restliche Zeit) zu bewältigen. Dass ein solcher Schulweg für eine Primarschülerin der 1. Klasse schon für sich allein gesehen eine unzumutbare, gegen die Garantie von Art. 19 BV verstossende Belastung darstelle, kann, entgegen den Darlegungen in der Beschwerdeschrift (S. 8), nicht angenommen werden, nachdem selbst für Kinder im Kindergartenalter ein halbstündiger Fussmarsch (ohne Schulbus) je nach den Umständen noch als zumutbar gelten kann (Plotke, a.a. O., S. 227). Immerhin bewegt sich ein Schulweg, wie er vorliegend der Tochter der Beschwerdeführer zugemutet wird, an der oberen Grenze dessen, was von einem Erstklässler noch verlangt werden kann (vgl. die Zusammenstellung der Kasuistik in ZBl 2007 Nr. 12 S. 649 ff.). 
 
2.4 Auch die Rüge der Verletzung von Art. 11 BV (Recht auf Förderung der Kinder und Jugendlichen) vermag nicht durchzudringen: Das Bundesgericht hat es abgelehnt, aus diesem Grundrecht direkt einen Anspruch auf Zuteilung eines Schülers in ein bestimmtes Schulhaus abzuleiten; es hat ferner entschieden, die Zuteilung in ein etwas weiter entferntes Schulhaus - wobei zusätzlich eine weitere Hauptverkehrsstrasse überquert werden müsse - greife nicht in den Schutzbereich des Schülers auf Unversehrtheit und auf Förderung seiner Entwicklung ein (Urteil 2P. 324/2001 vom 28. März 2002, E. 4.2). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen (vgl. auch BGE 133 I 156 E. 3.6.4 S. 167 mit Hinweis). 
 
2.5 Es kann sich einzig darum handeln, ob die zuständige Schulbehörde das ihr bei der Zuteilung der Schüler zustehende Ermessen (vgl. Art. 26 VSG in Verbindung mit Art. 1 der kantonalen Verordnung vom 11. Juni 1996 über den Volksschulunterricht [VSV]) in vertretbarer, willkürfreier Weise gehandhabt hat. Die Beschwerdeführer bestreiten dies, im Wesentlichen mit der Begründung, die Schulbehörden hätten ihren Entscheid allein auf organisatorische Massnahmen gestützt, ohne aber darzutun, dass ein Verbleib F.________ in der bisherigen Schulanlage die Klassenzuteilungen unangemessen erschweren oder gar verunmöglichen würde. So werde die Mindestgrösse der Klasse (20 Schüler gemäss Art. 27 Abs. 1 lit. a VSG) im Schulhaus "H.________" auch ohne F.________ erreicht. Replikweise (S. 4) wird zudem geltend gemacht, die erste Instanz anerkenne, dass in der ersten Klasse des Schulhauses "G.________" Platz für F.________ vorhanden wäre. Auch diesbezüglich würden rein organisatorische Fragen aber unzulässigerweise höher gewichtet als das Interesse des betroffenen Kindes. 
 
2.6 Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Verletzung des Willkürverbots nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 I 175 E. 1.2 S. 177; 131 I 467 E. 3.1 S. 473., je mit Hinweisen). 
 
2.7 Die Schulbehörde hält fest, es sei bereits Anfang Januar 2007 bekannt gewesen, dass maximal 65 Kinder auf drei Klassen aufgeteilt werden müssten. Da 35 Kinder im Gebiet der Schuleinheit H.________ wohnten, habe es der Schulrat als ausgewiesen erachtet, dass zwei Klassen im Schulhaus "H.________" und eine Klasse im Schulhaus "G.________" geführt werden müssten, zumal auf diese Weise die Zuteilung von lediglich sieben Kindern aus dem schulkreisfremden Gebiet ins H.________ nötig sei. Dabei habe man auf grösstmögliche Kontinuität geachtet (Berücksichtigung von Kindern aus demselben Quartier bzw. demselben Kindergarten). Dass diese Schülergruppe nun einen längeren Schulweg in Kauf zu nehmen habe, sei auch dem Schulrat klar und man räume ein, dass es sich nicht um eine Ideallösung handle. 
 
2.8 Mit diesen Überlegungen vermag die Schulbehörde hinreichende sachliche Gründe für ihren Zuweisungsentscheid anzuführen. Der Unmut der Eltern gegen die Zuteilung ihrer Tochter ins Schulhaus "H.________" erscheint zwar verständlich, und ihre Einwendungen (E. 2.5) zeigen, dass auch eine andere, für das Kind F.________ günstigere Lösung möglich gewesen wäre. Dies vermag den Vorwurf der Willkür (vgl. E. 2.6) aber noch nicht zu begründen: Selbst der Standpunkt, die Behörde wolle den vorhandenen letzten Platz in der 1. Primarklasse im Schulhaus "G.________" (bis zur oberen gesetzlichen Limite von 24 Kindern pro Klasse, vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. a VSG) für den Fall eines Zuzugs oder einer notwendig werdenden Repetition frei behalten, erscheint nicht geradezu abwegig und unhaltbar. 
 
2.9 Da sich auch die - im Zusammenhang mit einer im kantonalen Verfahren angeblich vorenthaltenen Stellungnahme des Schulrates erhobene - Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, vgl. S. 11 der Beschwerdeschrift) als unbegründet erweist bzw. eine solche (nicht besonders schwer wiegende) Verletzung im Rekursverfahren jedenfalls geheilt worden wäre (vgl. dazu BGE 133 I 201 E. 2.2 S. 204), ist die vorliegende Beschwerde abzuweisen. 
 
3. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten von den Beschwerdeführern zu tragen (Art. 65 und 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Regionalen Schulaufsicht E.________ schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 27. März 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Klopfenstein