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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1462/2021  
 
 
Urteil vom 1. Juni 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
nebenamtlicher Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Weber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 8. November 2021 (SST.2021.14). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm warf A.________ mit Anklageschrift vom 23. September 2019 zusammengefasst vor, am 21. März 2018 mit seinem Personenwagen mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.09 Promille auf der Bernstrasse in Rothrist in Richtung Murgenthal nach dem Kreisel bei der Verzweigung Neue Industriestrasse / Oberwilerweg in einer Rechtskurve mit ca. 80 bis 90 km/h drei Personen- und einen Lastwagen mit Anhänger überholt zu haben. Dabei habe der entgegenkommende Fahrzeuglenker B.________ abrupt nach rechts neben die Fahrbahn ausweichen müssen, um eine Frontalkollision mit dem Fahrzeug von A.________ zu verhindern. Der Abstand zwischen ihren Fahrzeugen habe dabei maximal zwei bis zweieinhalb Meter betragen. Als Reaktion auf den Gegenverkehr habe A.________ auf die ursprüngliche Fahrbahn zurückgeschwenkt, wobei der Abstand zum Lastwagen sehr gering gewesen sei. Das Wiedereinschwenken sei überdies nur möglich gewesen, weil der Lastwagenfahrer den entgegenkommenden Personenwagen gesehen, die drohende Kollisionsgefahr frühzeitig bemerkt und abgebremst habe, um das Wiedereinbiegen von A.________ zu ermöglichen. Anschliessend habe Letzterer seine Fahrt fortgesetzt, ohne zu prüfen, ob ein Sach- oder Personenschaden entstanden war. Nachdem er am selben Abend aufgefordert worden sei, sich zum Polizeiposten zu begeben, habe er das Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1.04 Promille zum Polizeiposten gelenkt. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Zofingen sprach A.________ mit Urteil vom 17. September 2020 von den Vorwürfen der Gefährdung des Lebens, der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln, des mehrfachen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand (qualifizierte Blutalkoholkonzentration), der Vereitelung der Atemalkoholprobe und der Voruntersuchung als Motorfahrzeugführer sowie des pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall mit Sachschaden frei. Dagegen sprach es ihn der groben Verkehrsregelverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten (Probezeit 3 Jahre) sowie einer Busse von Fr. 1'000.--. Auf die Anordnung einer Landesverweisung verzichtete es. 
Gegen dieses Urteil führten A.________ und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau. Dieses bestätigte am 8. November 2021 das Urteil des Bezirksgerichts Zofingen im Schuld- und Strafpunkt, soweit es nicht dessen Rechtskraft feststellte. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen im Wesentlichen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 8. November 2021 sei insofern aufzuheben, als er anstatt der groben lediglich der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 300.-- zu verurteilen sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
D.  
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau haben auf Vernehmlassung verzichtet, jeweils unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze bei der Sachverhaltserstellung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) und den Untersuchungsgrundsatz (Art. 6 StPO). Er habe in der Berufungsbegründung vom 12. März 2021 und in der Stellungnahme vom 26. Mai 2021 zur Berufungsantwort der Beschwerdegegnerin die Sachverhaltsfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts in wesentlichen Punkten gerügt und einlässlich ausgeführt, inwiefern eine Korrektur des urteilserheblichen Sachverhalts verlangt werde. Damit befasse sich die Vorinstanz im angefochtenen Urteil ebensowenig wie überhaupt mit dem von der ersten Instanz festgestellten Sachverhalt. Im Übrigen würdige sie die vorliegenden Beweismittel nur selektiv. Insbesondere weigere sie sich, auf die von ihm im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Stellungnahme des C.________ vom 23. Dezember 2019 einzugehen, welche eine Simulation der vollzogenen Überholvorgänge enthalte und die örtlichen Verhältnisse präzise ermittle. Ferner würden weder seine Angaben im Ermittlungsverfahren noch seine Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren geprüft. Stattdessen halte es die Vorinstanz unausgesprochen für ausreichend, ein paar belastende Aussagen von Zeugen zu selektieren, um damit ein völlig neues Beweisergebnis zusammenzustückeln und seine anderslautenden Angaben in die Kategorie der nicht erwähnenswerten Bedeutungslosigkeiten abzuschieben. Da sich das angefochtene Urteil gar nicht mit seinen Vorbringen im Berufungsverfahren auseinandersetze, sei es ihm nicht möglich, es sachgerecht anzufechten.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne muss das Gericht wenigstens kurz die Überlegungen nennen, von denen es sich leiten liess und auf welche es seinen Entscheid stützt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2; 141 III 28 E. 3.2.4; Urteile 6B_665/2020 vom 22. September 2021 E. 2.2.4; 6B_770/2020 vom 25. November 2020 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).  
Was die Begründung des Berufungsentscheids betrifft, ist zu beachten, dass das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend überprüfen kann (vgl. Art. 398 Abs. 2 StPO). Es ist also verpflichtet, den Anklagevorwurf auch in tatsächlicher Hinsicht eigenständig und umfassend zu beurteilen (so Urteil 6B_589/2019, 6B_597/2019 und 6B_599/2019 vom 26. Mai 2020 E. 3.4). Tritt es - wie vorliegend - auf die Berufung ein, so fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO). Wohl kann das Gericht im Rechtsmittelverfahren für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen (Art. 82 Abs. 4 StPO). Aufgrund der umfassenden Sach- und Rechtskognition des Berufungsgerichts kommt ein Verweis aber in erster Linie bei nicht streitigen Sachverhalten und abstrakten Rechtsausführungen in Betracht oder wenn die Rechtsmittelinstanz sich die vorinstanzlichen Erwägungen vollumfänglich zu eigen macht (Urteil 6B_570/2019 vom 23. September 2019 E. 4.2 mit Hinweis). Dagegen ist der schlichte Verweis auf die erstinstanzliche Begründung unzulässig, wenn gerade diese als unzutreffend gerügt wird (Urteil 6B_183/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 1 mit Hinweis). 
 
1.2.2. Nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG müssen beim Bundesgericht anfechtbare Entscheide die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten. Der vorinstanzliche Entscheid hat eindeutig aufzuzeigen, auf welchem festgestellten Sachverhalt und auf welchen rechtlichen Überlegungen er beruht (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 mit Hinweisen). Die Begründung ist insbesondere mangelhaft, wenn der angefochtene Entscheid jene tatsächlichen Feststellungen nicht trifft, die zur Überprüfung des eidgenössischen Rechts notwendig sind (BGE 119 IV 284 E. 5b; Urteile 6B_424/2022 vom 11. April 2022 E. 2.1.2; 6B_396/2021 vom 31. März 2022 E. 1.1.2). Genügt ein Entscheid den genannten Anforderungen nicht, kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; Urteil 6B_424/2022 vom 11. April 2022 E. 2.1.2 mit Hinweisen).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Die erste Instanz erwog eingangs, der Beschwerdeführer anerkenne den Sachverhalt nur teilweise. Er bestreite insbesondere, dass das ihm entgegenkommende Fahrzeug wegen seines Fahrverhaltens hätte ausweichen und von der Fahrbahn abfahren müssen. In der Folge nahm die erste Instanz eine eingehende Beweiswürdigung vor und hielt schliesslich für erstellt, dass sich der Beschwerdeführer am Abend des 21. März 2018 ins Auto gesetzt habe, um nach Langenthal zu gelangen. Hierfür sei er zwischen 19:45 Uhr und 19:55 Uhr auf der Bernstrasse in Rothrist in allgemeine Richtung Murgenthal gefahren. Als der Beschwerdeführer den Kreisel (Verzweigung Neue Industriestrasse und Oberwilerweg) erreicht habe, habe er zu drei vor ihm fahrenden Personenwagen und einem zuvorderst fahrenden Lastenzug aufgeschlossen. Ausgangs des Kreisels hätten sich die Fahrzeuge vor dem Beschwerdeführer relativ langsam bewegt. Deshalb habe dieser sein Fahrzeug nach dem Kreisel und zu Beginn der Leitlinienmarkierung beschleunigt, habe auf die Gegenfahrbahn gewechselt und die drei Personenwagen mit ca. 80-90 km/h auf der Geraden neben dem Schöniareal überholt. Dabei habe er beim Überholen jedes einzelnen Fahrzeugs stets aufs Neue geprüft, ob die Gegenfahrbahn noch frei sei, ob der Abstand zum vorderen Fahrzeug weiterhin genug Platz lasse, um wieder auf der rechten Fahrbahn einscheren zu können und habe sich erst danach entschlossen, das jeweils nächste Auto zu überholen. Dabei sei er sich sicher gewesen, dass ihm kein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn entgegenkomme. Die überholten Fahrzeuge hätten infolge des Wechsels vom Innerorts- zum Ausserortsbereich ebenfalls beschleunigt. Aufgrund der aufschliessenden Autos und der sich verändernden Distanzen zwischen dem Lastwagen und dem unmittelbar dahinter fahrenden Personenwagen habe sich der Beschwerdeführer dazu entschlossen, auch noch den Lastenzug zu überholen. Dies habe dazu geführt, dass der gesamte Überholvorgang erst in der Kurve habe abgeschlossen werden können, weshalb der Beschwerdeführer auf der Gegenfahrbahn in die Rechtskurve eingebogen sei und daher beim Spurwechsel zurück auf die rechte Fahrbahn eine Doppellinie überfahren habe. In der Folge hätten mehrere der überholten Fahrzeuglenker, insbesondere der Lastwagen- und der dahinterfahrende Personenwagenfahrer, ihre Fahrzeuge abgebremst, um dem Beschwerdeführer genügend Platz für das Wiedereinbiegen zu lassen. Erst nach dem Abschluss des Überholvorgangs und dem Wiedereinscheren auf der rechten Fahrbahn hat der Beschwerdeführer das Fahrzeug von B.________ seitlich gekreuzt. Danach sei er mit der erlaubten Geschwindigkeit nach Langenthal weitergefahren. Warum, wann und wie B.________ in die Grasnarbe gefahren sei, bleibe unbekannt bzw. könne dem Beschwerdeführer aufgrund der mangelnden resp. sich widersprechenden Beweise nicht angelastet werden. Zu den äusseren Umständen sei festzuhalten, dass die Fahrbahn trocken gewesen sei und es gedämmert habe. Im Übrigen seien die Sichtverhältnisse gut gewesen. Der Baum auf der Höhe der Kurve trage zu dieser Jahreszeit kein Laub und rechts von der Strasse habe sich ein Maschendrahtzaun befunden. Der unbelaubte Baum und der Maschendrahtzaun hätten die Sicht über die Rechtskurve hinaus ermöglicht. In rechtlicher Hinsicht erwog die erste Instanz sodann, der Beschwerdeführer habe zum infrage stehenden Überholmanöver bei Dämmerung angesetzt, was besondere Vorsicht gebiete und den Fahrer dazu zu veranlassen habe, den Entscheid zu überholen noch zurückhaltender zu treffen. Der Beschwerdeführer habe das Überholmanöver nicht rechtzeitig abgeschlossen und habe bis in die Kurve hinein überholt und dabei sogar eine Doppellinie überfahren. Daraus gehe ohne Weiteres hervor, dass der Überholvorgang früher hätte abgebrochen werden müssen respektive gar nicht hätte zu diesem angesetzt werden dürfen. Zwar könne aufgrund der äusseren Umstände durchaus darüber diskutiert werden, ob es sich um eine unübersichtliche Kurve handle oder nicht, zumal vor und hinter der Kurve jeweils eine lange gerade Strecke verlaufe, die von den auf die Kurve zufahrenden Fahrzeuglenkern weitgehend überblickt werden könne. Jedoch zeige die dort eingezeichnete Sicherheitslinie exemplarisch auf, dass die Biegung nicht vollständig überblickt werden könne und daher unübersichtlich sei, weil dort eben gerade nicht überholt werden dürfe. Zudem habe der Beschwerdeführer die überholten Fahrzeuge behindert, weil sein Fahrverhalten diese dazu veranlasst habe, zu bremsen, um ihm genügend Platz für das Wiedereinbiegen zu lassen. Damit habe er den Überholvorgang zu spät abgeschlossen und mit seinem Fahrverhalten die überholten Fahrzeuge behindert, womit er die Verkehrsregeln nach Art. 35 Abs. 2 und 4 SVG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 und 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) verletzt und sich der groben Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 35 Abs. 2-4 SVG und Art. 10 Abs. 1 sowie 2 VRV durch Überholen schuldig gemacht habe.  
 
1.3.2. Die Vorinstanz stellt als Berufungsgericht demgegenüber lediglich fest, in tatsächlicher Hinsicht sei erstellt und unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 21. März 2018 um ca. 19:55 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Bernstrasse in Rothrist gefahren sei. Nachdem er den Kreisel bei der Verzweigung Neue Industriestrasse und Oberwilerweg erreicht und passiert gehabt habe, habe er sein Fahrzeug "mit ca. 80 bis 90 km/h" beschleunigt und drei Personen- und einen an vorderster Stelle fahrenden Lastwagen mit Anhänger (Gesamtlänge des Anhängerzugs: 18,75 Meter) überholt, wobei er sein Überholmanöver erst in der folgenden Rechtskurve beendet gehabt hatte. Umstritten sei, wie gross beim Abschluss des Überholmanövers einerseits der Abstand zum entgegenkommenden Fahrzeug und andererseits zum überholten Lastwagen gewesen sei.  
In der Folge gelangt die Vorinstanz - abweichend von der ersten Instanz - zum Schluss, der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeugs, B.________, sei aufgrund des Fahrverhaltens des Beschwerdeführers in seiner Fahrt behindert worden. Unerheblich sei, ob er aufgrund des Überholmanövers des Beschwerdeführers zuerst gebremst habe oder direkt ausgewichen sei, denn dies ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer die 2-Sekunden-Regel und somit den sicheren Abstand zum Gegenverkehr klar nicht eingehalten habe. Dadurch, dass der Beschwerdeführer sich vor dem Überholen mehrerer Fahrzeuge in einer langgezogenen Rechtskurve nicht pflichtgemäss vergewissert habe, dass die gesamte für den Überholvorgang notwendige Strecke frei sei und er den Gegenverkehr nicht behindere oder gefährde, habe er Art. 34 Abs. 3 und Art. 35 Abs. 2 SVG verletzt. Sodann habe er ebenso Art. 35 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 3 SVG (Rücksichtnahme auf den Überholten) verletzt, da auch der Abstand zwischen ihm und dem überholten Lastwagen beim Wiedereinbiegen auf die rechte Spur klar ungenügend gewesen sei. Keine Rolle spiele im Anwendungsbereich von Art. 90 Abs. 2 SVG, ob es sich um eine vergleichsweise übersichtliche oder unübersichtliche Streckenführung gehandelt habe, ändere dies doch nichts daran, dass sich der Beschwerdeführer nicht darüber vergewissert habe, das Überholmanöver sicher und ohne Gefährdung Dritter abschliessen zu können. Dabei habe er aufgrund der Streckenführung zumindest damit rechnen müssen, dass bis zum Abschluss des Überholvorgangs unter anderem eines Lastwagens mit Anhänger ein entgegenkommendes Fahrzeug aus der Biegung heraus auftauchen könnte, wie das denn auch geschehen sei. Bei objektiver Betrachtung entspreche der zu beurteilende Sachverhalt mit massiver Unterschreitung des Sicherheitsabstands beim Überholen sowohl gegenüber dem Gegenverkehr als auch dem überholten Lastwagen einem objektiv schweren Verstoss gegen eine Verkehrsregel, wobei aufgrund des Verschlechterungsverbots offenbleiben könne, ob nicht gar eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG vorgelegen habe. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 35 Abs. 2 SVG erfüllt. 
 
1.4. Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass das Urteil der Vorinstanz seinen Gehörsanspruch und die Begründungspflicht verletzt:  
 
1.4.1. Einerseits wird aus dem angefochtenen Entscheid nicht klar, von welchem festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgeht. Vielmehr beschränkt sich die Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt wie gesehen auf die Frage, wie gross beim Abschluss des Überholmanövers der Abstand zum entgegenkommenden Fahrzeug und zum überholten Lastwagen war (E. 2.3.2). Was mit Bezug auf die übrigen von der ersten Instanz festgestellten Umstände (E. 2.3.1) gilt, sagt das Urteil nicht ausdrücklich und ergibt sich auch nicht zweifelsfrei aus den rechtlichen Erwägungen. Dies gilt etwa insofern, als die erste Instanz vom Überfahren einer Doppellinie ausgeht, was der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren (unter anderem) als Verletzung des Anklagegrundsatzes gerügt hatte. Die Vorinstanz verweist nicht auf die Begründung im erstinstanzlichen Urteil und dem Berufungsentscheid ist - abgesehen von der Frage der Übersichtlichkeit der Streckenführung - auch sonst nicht zu entnehmen, ob respektive wie weit sie sich den tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz anschliesst, diese für nicht erstellt hält oder ihnen von vornherein keine Rechtserheblichkeit zumisst. Somit bleibt letztlich unklar, von welchem Sachverhalt die Vorinstanz im Einzelnen ausgeht, womit der angefochtene Entscheid bereits die Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG verfehlt. Damit geht einher, dass die Vorinstanz mit keinem Wort auf die vom Beschwerdeführer in seiner Berufungsbegründung an den Sachverhaltsfeststellungen der ersten Instanz geübte Kritik eingeht, was seinen Gehörsanspruch verletzt.  
 
1.4.2. Andererseits weicht die Vorinstanz, soweit sie überhaupt Feststellungen trifft, von der Beweiswürdigung der ersten Instanz ab, gemäss der nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt sei, was zum Ausweichmanöver von B.________ geführt habe und mit welcher Distanz der Beschwerdeführer vor dem Lastwagen auf die rechte Spur eingebogen sei. Die Vorinstanz geht ihrerseits offenbar davon aus, dass B.________ - wie angeklagt - ausweichen musste, um eine Kollision mit dem Fahrzeug des Beschwerdeführers zu vermeiden, und bejaht zudem einen klar ungenügenden Abstand zwischen dem Personenwagen des Beschwerdeführers und dem überholten Lastwagen beim Wiedereinbiegen.  
Solche Feststellungen würden nach dem Untersuchungsgrundsatz und unter gehörsrechtlichen Gesichtspunkten voraussetzen, dass die Vorinstanz als Berufungsgericht sämtliche mit Bezug darauf im Strafverfahren erhobenen Beweise und die Vorbringen der Parteien würdigt und nachvollziehbar begründet, weshalb sie in Würdigung der gesamten Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung gelangt. Daran ändert auch nichts, wenn die Vorinstanz wie hier selber Beweise abgenommen hat, beruht das Rechtsmittelverfahren doch in erster Linie auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind (Art. 389 Abs. 1 StPO). Eine solche Auseinandersetzung sucht man im angefochtenen Urteil jedoch vergebens. Vielmehr verweist dieses im Wesentlichen bloss auf einzelne Aussagen der Zeugen, die den festgestellten Sachverhalt nach Auffassung der Vorinstanz "mit hinreichender Klarheit" bestätigten respektive "keine Zweifel daran" liessen. Dass sich der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren eingehend zum hier interessierenden Tatvorwurf und den Beweisen geäussert hat [erstinstanzliche Akten S. 362-384] und die erste Instanz aufgrund einer ausführlicher Würdigung der Beweise [S. 12-21] zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis als die Vorinstanz gelangt ist, findet gar keine Erwähnung. 
Was den Bericht des C.________ vom 23. Dezember 2019 im Besonderen angeht, ist schliesslich was folgt zu beachten: Die Vorinstanz begnügt sich mit der pauschalen Erwägung, dieses Privatgutachten sei nicht geeignet, das gestützt auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Zeugenaussagen gewonnene Beweisergebnis hinsichtlich des massiv ungenügenden Abstands des Beschwerdeführers beim Wiedereinbiegen zum entgegenkommenden Fahrzeug und zum Lastwagen zu erschüttern, weshalb nicht weiter darauf einzugehen sei. Wohl trifft es zu, dass den Ergebnissen eines Privatgutachtens nach der Rechtsprechung lediglich die Bedeutung einer der freien Beweiswürdigung unterliegenden Parteibehauptung bzw. eines Bestandteils der Parteivorbringen zukommt, nicht die Qualität eines Beweismittels (BGE 141 IV 369 E. 6.2 mit Hinweisen). Die wiedergegebene Erwägung lässt aber nicht erkennen, ob sich die Vorinstanz tatsächlich mit dem Inhalt dieses Berichts auseinandersetzt oder aber ihn mit Blick auf die dargestellte Rechtsprechung - zu Unrecht - als von vornherein unbeachtlich qualifiziert. 
Diese unvollständige Beweiswürdigung der Vorinstanz verletzt den Untersuchungsgrundsatz und den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. 
 
1.5. Zusammengefasst genügt das angefochtene Urteil den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht und verletzt zudem das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers sowie den Untersuchungsgrundsatz.  
 
2.  
Da sich die Beschwerde im genannten Punkt als begründet erweist, braucht auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 8. November 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Juni 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini