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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_494/2020  
 
 
Urteil vom 1. September 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterinnen Aubry Girardin, Hänni, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 29. April 2020 (VB.2019.00790). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1989) ist kosovarische Staatsangehörige. Sie heiratete am 2. Oktober 2014 einen in der Schweiz niedergelassenen Landsmann und reiste am 19. Juni 2015 zu ihm in die Schweiz. In der Folge erhielt sie am 1. Juli 2015 eine Aufenthaltsbewilligung. Nachdem das Migrationsamt des Kantons Zürich die ehelichen Verhältnisse in den Jahren 2017/2018 überprüft hatte, verweigerte es mit Verfügung vom 11. September 2018 die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies sie aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 31. Oktober 2019 und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 29. April 2020 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 11. Juni 2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei ihr der weitere Aufenthalt zu bewilligen bzw. den Vorinstanzen zu verbieten, sie wegzuweisen. Eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Während das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde beantragt, verzichtet die Sicherheitsdirektion auf Vernehmlassung. Mit Verfügung vom 12. Juni 2020 erteilte der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG) und ist form- und fristgerecht eingereicht worden (Art. 42 sowie Art. 100 Abs. 1 BGG). Nachdem sich die Beschwerdeführerin in vertretbarer Weise auf einen Aufenthaltsanspruch nach Art. 50 AuG (SR 142.20; in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung) beruft, erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Damit verbleibt kein Raum für die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde; darauf ist nicht einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2; 134 II 244 E. 2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 227 E. 5.1).  
 
3.  
 
3.1. Unbestritten ist, dass die Ehe der Beschwerdeführerin gescheitert ist und diese sich deshalb nicht mehr auf Art. 43 AuG berufen kann. Zu prüfen ist, ob sie einen nachehelichen Aufenthaltsanspruch besitzt. Nach Art. 50 Abs. 1 AuG besteht nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b).  
 
3.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG ausschliesslich die Ehegemeinschaft in der Schweiz massgebend (BGE 140 II 345 E. 4.1; 136 II 113 E. 3.3). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die eheliche Gemeinschaft spätestens im Februar 2018 aufgelöst worden ist; nachdem sie erst im Juni 2015 zu ihrem Ehemann in die Schweiz eingereist ist, hat die Ehegemeinschaft in der Schweiz weniger als drei Jahre gedauert. Unbehelflich ist die Kritik der Beschwerdeführerin an der vorher zitierten Rechtsprechung. Das Bundesgericht hat sich in BGE 136 II 113 E. 3.3 ausführlich mit der Entstehungsgeschichte der Norm auseinandergesetzt und den Gesetzeswortlaut ausgelegt. Dabei hat es darauf verwiesen, dass nach Art. 50 Abs. 1 AuG die Ansprüche nach Art. 42 und 43 AuG weiterbestehen, die ihrerseits an ein Zusammenwohnen in der Schweiz anknüpfen, und den Zusammenhang mit der zweiten Anspruchsvoraussetzung - der erfolgreichen Integration - berücksichtigt, was voraussetze, dass sich die ausländische Person während einer gewissen Mindestdauer in der Schweiz aufgehalten habe. Die Beschwerdeführerin unterlässt es, sich substanziiert mit diesen Überlegungen auseinanderzusetzen, sondern verweist lediglich auf den Gesetzeswortlaut und bringt damit keine Gründe vor, die eine Praxisänderung rechtfertigen könnten. Weiter liegt keine Gehörsverletzung im Umstand, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mit einer anderen Begründung als seine Vorinstanzen verweigert hat, ohne der Beschwerdeführerin hierzu das rechtliche Gehör zu gewähren. Der entsprechende Anspruch war bereits vor Migrationsamt streitig und das Verwaltungsgericht hat lediglich die bundesgerichtliche Rechtsprechung angewendet, weshalb keine Rede davon sein kann, die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts sei unvorhersehbar gewesen bzw. überraschend gekommen (vgl. BGE 130 III 35 E. 5). Damit kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG berufen.  
 
3.3. Das Verwaltungsgericht hat auch einen Aufenthaltsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG verneint. Die Beschwerdeführerin halte sich noch keine fünf Jahre in der Schweiz auf, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass sie sich in ihrem Heimatland wieder beruflich und sozial integrieren könne. Daran änderten weder ihre Integration noch allfällige Spannungen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder bei der Rückkehr etwas.  
 
3.3.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, nachdem das Verwaltungsgericht den Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mit einer neuen Begründung verworfen hätte, hätte es ihr zumindest Gelegenheit geben müssen, ihren behaupteten Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG "genauer zu begründen". Dies trifft nicht zu. Wie erwähnt (vgl. vorne E. 3.2) hat das Verwaltungsgericht keine Gehörsverletzung begangen, indem es den Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mit einer neuen Begründung verworfen hat. Ebenso war der Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG bereits vor dem Migrationsamt und der Rekursinstanz Thema, weshalb für die Beschwerdeführerin kein Anlass bestand, ihre Beschwerde im vorinstanzlichen Verfahren diesbezüglich nicht substanziiert zu begründen. Ihr eigenes prozessuales Versäumnis kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden.  
 
3.3.2. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihre gute Integration verweist, kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden, wonach die Integration primär im Rahmen des Anspruchs nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG zu berücksichtigen ist. Alleine aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin wirtschaftlich, beruflich und persönlich "überdurchschnittlich" integriert sein soll, ergibt sich kein wichtiger persönlicher Grund gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG. Dasselbe gilt, soweit sie auf allfällige Spannungen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat verweist. Dass ihre Familie es nicht akzeptieren könnte, wenn sie ohne ihren Mann zurückkehren würde, und sie nicht mehr bei Mutter und Bruder leben dürfte, vermag keinen nachehelichen Härtefall zu begründen. Die Beschwerdeführerin ist volljährig, jung und gesund; es ist ihr zumutbar, sich im Kosovo wiedereinzugliedern, selbst wenn sie auf die Hilfe ihrer Familie verzichten müsste. Vor diesem Hintergrund durfte die Vorinstanz ohne Gehörsverletzung in antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme weiterer Beweismittel in Bezug auf die Integration der Beschwerdeführerin und die familiäre Situation verzichten. Ein Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG besteht nicht.  
 
3.4. Zusammenfassend besitzt die Beschwerdeführerin keinen nachehelichen Aufenthaltsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 AuG. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist als unbegründet abzuweisen.  
 
4.  
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.  
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. September 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger