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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_388/2020  
 
 
Urteil vom 3. März 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8400 Winterthur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung (Krankenpflege; ambulante Behandlung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Dezember 2019 (KV.2019.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1972 geborene A.________ ist bei der SWICA Krankenversicherung AG (fortan: SWICA) obligatorisch krankenversichert. Am 27. Dezember 2017 stellte die behandelnde Zahnärztin Dr. med. dent. B.________ aufgrund einer "Atrophie des zahnlosen Alveolarkammes im Oberkiefer und Unterkiefer bei Zustand nach multiplen Nichtanlagen mit Beckenkammaugmentationen und anschliessender prothetischer Versorgung" Antrag auf Kostengutsprache für zwei neue Hybridprothesen, stegretiniert auf den bestehenden Implantaten im Ober- und Unterkiefer, im Betrag von Fr. 23'404.60. Die SWICA lehnte es mit Verfügung vom 13. Juni 2019 ab, aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (fortan: OKP) Leistungen für die geplante zahnärztliche Behandlung zu erbringen, da weder ein Geburtsgebrechen noch dessen Behandlung bereits in der Jugend der Versicherten nachgewiesen sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 21. August 2019 fest. 
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 16. Dezember 2019 gut. Es hob den Einspracheentscheid vom 21. August 2019 auf und verpflichtete die SWICA, die Kosten der Zahnbehandlung auf der Grundlage des Kostenvoranschlags vom 27. November 2017 (recte: 27. Dezember 2017) zu übernehmen. 
 
C.  
Die SWICA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, es sei der vorinstanzliche Entscheid vom 16. Dezember 2019 aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 21. August 2019 zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur Vornahme weiterer medizinischer Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
A.________, das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt sowie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 145 V 57 E. 4 S. 61 f.). 
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht führte zutreffend aus, durch ein Geburtsgebrechen bedingte zahnärztliche Behandlungen fielen nur dann in den Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, wenn die Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 1 KVG erfüllt seien (für die Geburtsgebrechen präzisiert in Art. 19a KLV; BGE 129 V 80 E. 1.1 und 1.2 S. 82 f. mit Hinweisen). Richtig ist auch, dass als notwendig im Sinne von Art. 19a Abs. 1 lit. a KLV nur durch ein Geburtsgebrechen bedingte zahnärztliche Behandlungen gelten, die aus medizinischen Gründen erst nach dem 20. Altersjahr vorgenommen werden, hingegen die obligatorische Krankenpflegeversicherung regelmässig nicht für Kosten von Behandlungen aufzukommen hat, die innerhalb dieser zeitlichen Grenze zu Lasten der Invalidenversicherung hätten durchgeführt werden können (BGE 130 V 294 E. 5.3 S. 295 und E. 5.4 S. 298).  
 
2.2. Zu ergänzen ist, dass Art. 19a Abs. 1 KLV nebst Art. 31 Abs. 1 KVG auch Art. 27 KVG konkretisiert. Diesem zufolge kommt die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei nicht durch die Invalidenversicherung gedeckten Geburtsgebrechen für dieselben Kosten auf wie im Krankheitsfall (BGE 130 V 294 E. 5.3.3 S. 296; 126 V 103 E. 2 S. 105).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz stellte in konkreter Würdigung der medizinischen Aktenlage fest, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass das Geburtsgebrechen "multiple Nichtanlagen" vorliege (Ziff. 206 gemäss Anhang zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen [GgV; SR 831.232.21] bzw. Art. 19a Abs. 2 Ziff. 18 KLV: Anodontia totalis congenita oder Anodontia partialis congenita bei Nichtanlage von mindestens zwei nebeneinander liegenden bleibenden Zähnen oder vier bleibenden Zähnen pro Kiefer, exklusive Weisheitszähne). Zwar sei nicht gänzlich auszuschliessen, dass die Zahnunterzahl unfall- oder extraktionsbedingt sein könnte. Diese Möglichkeiten erschienen jedoch äusserst unwahrscheinlich, zumal sich in der Krankengeschichte keine dahingehenden Hinweise fänden, die behandelnde Ärztin auf die hohe Zahl an vorhandenen Milchzähnen im Behandlungszeitpunkt in Deutschland verweise und sowohl der Unter- als auch der Oberkiefer mithilfe eines Beckenknochens hätten verstärkt bzw. erhöht werden müssen. Insbesondere habe auch der Vertrauenszahnarzt der SWICA angesichts des Nichtaufbaus des Alveolarkamms (des Kieferkamms) geschlossen, das Vorliegen des Geburtsgebrechens multiple Nichtanlagen sei sehr wahrscheinlich.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, es sei möglich, dass die bestehende Zahn-Unterzahl auf andere Gründe als ein Geburtsgebrechen zurückzuführen sei. Entgegen der Vorinstanz habe im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes kein wahrscheinlicher Sachverhalt ermittelt werden können, sondern es liege Beweislosigkeit vor. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich des Vorliegens eines Geburtsgebrechens sei offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich.  
 
3.3. Damit dringt die Beschwerdeführerin nicht durch. Das kantonale Gericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Geburtsgebrechens im konkreten Einzelfall trotz Fehlens von Röntgenbildern aus der Jugendzeit der Versicherten bejaht hat. Soweit die SWICA insbesondere darauf verweist, gemäss Atlas der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO-Atlas) sei eine definitive Feststellung der Gründe für eine Zahnunterzahl nur mit echtzeitlichen Zahndokumenten aus der Jugend möglich, blendet sie aus, dass im Sozialversicherungsrecht nicht der Vollbeweis des leistungsbegründenden Sachverhalts gefordert ist, sondern überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. etwa BGE 146 V 51 E. 5.1 S. 56). Fehl geht auch die Rüge, selbst bei Vorliegen multipler Nichtanlagen sei jedenfalls nicht erstellt, dass mindestens zwei nebeneinanderliegende bleibende Zähne oder vier bleibende Zähne pro Kiefer, exklusive Weisheitszähne, betroffen gewesen seien. Nach - grundsätzlich verbindlichen (E. 1 hiervor) - Feststellungen der Vorinstanz waren im Behandlungszeitpunkt in Deutschland noch neun Milchzähne (d.h. fast die Hälfte der 20 Milchzähne), jedoch lediglich vier der 32 bleibenden Zähne vorhanden. Angesichts dessen ist offensichtlich, dass mindestens zwei nebeneinanderliegende Zähne oder vier Zähne pro Kiefer betroffen gewesen sein mussten, was denn auch der Vertrauenszahnarzt der SWICA für überwiegend wahrscheinlich hielt. Im Übrigen erschöpfen sich die Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorliegens eines Geburtsgebrechens in appellatorischer Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts, die nicht zu hören ist (oben E. 1). Auf dessen einlässliche Erwägungen diesbezüglich kann verwiesen werden (Erwägungen 4.1 bis 4.10 des angefochtenen Entscheids). Die Vorinstanz durfte demnach ohne Willkür davon ausgehen, es habe ein Geburtsgebrechen vorgelegen, das in Deutschland behandelt worden sei. Dabei hat es sein Bewenden.  
 
4.  
 
4.1. Zur Notwendigkeit der medizinischen Behandlung erst nach dem 20. Altersjahr (oben E. 2.1) stellte die Vorinstanz fest, die Versicherte habe bereits als Jugendliche in zahnärztlicher Behandlung gestanden und sei mit einem abnehmbaren Zahnersatz versorgt worden. Ob eine Augmentation des Unter- und Oberkiefers sinnvollerweise schon vor oder erst nach dem 20. Lebensjahr hätte vorgenommen werden sollen, habe die SWICA nicht thematisiert. Sie habe auch nicht dargelegt, dass unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit die Behandlung in Deutschland nicht zum medizinisch richtigen Zeitpunkt vorgenommen worden sei. Jedenfalls habe die Versicherte ihr Geburtsgebrechen bereits in Deutschland mittels Prothese zahnärztlich versorgen lassen. Das Sozialversicherungsgericht erwog, bei der strittigen Kostenübernahme gehe es demnach nicht um eine Erstversorgung, sondern um die Sanierung bereits implantierter Prothesen. Daher stelle sich die Frage nach der Altersgrenze von 20 Jahren nicht, könne doch auch eine vor dem 20. Altersjahr implantierte Prothese sanierungsbedürftig werden und umfasse der Anwendungsbereich von Art. 19a Abs. 1 lit. a KLV dann zweifelsohne die anfallenden Kosten.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt, aus den zahnärztlichen Berichten sei nicht ersichtlich, ob bei der Beschwerdegegnerin vor dem 20. Altersjahr im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Geburtsgebrechen Behandlungen stattgefunden hätten. Die entsprechende Annahme der Vorinstanz basiere einzig auf der Angabe der Versicherten, es habe im Alter von 14 oder 15 Jahren eine Versorgung mit Brücken bestanden, was kein Zahnarzt habe bestätigen können. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass vor dem 20. Altersjahr in der Türkei eine Erstversorgung stattgefunden habe und es sich bei der Rekonstruktion des Ober- und Unterkiefers, die nun durchgeführt werden solle, um eine Nachfolgebehandlung bedingt durch das geltend gemachte Geburtsgebrechen handle. Zudem liege keine medizinische Indikation vor, aufgrund derer die Versorgung erst nach dem 20. Lebensjahr im Sinne von Art. 19a Abs. 1 lit. a KLV notwendig gewesen wäre.  
 
4.3. Die Versicherte schliesst sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung der Vorinstanz (oben E. 4.1) an, die diese mit Vernehmlassung vom 16. Oktober 2020 bekräftigt. Das kantonale Gericht ergänzt, BGE 130 V 459 verlange nicht, dass die Erstbehandlung "zeitlich korrekt" erfolgt sei, sondern massgebend sei einzig, dass diejenige Behandlung, für welche aktuell Kostenübernahme beantragt werde, nicht schon früher indiziert gewesen sei. Ähnlich argumentiert das BAG, das in seiner Stellungnahme vom 9. November 2020 die Auffassung vertritt, es seien keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Kostenübernahme durch die OKP sprächen, wenn eine Folgebehandlung zu beurteilen sei, die auch bei Erstbehandlung vor dem 20. Altersjahr später notwendig geworden wäre.  
 
4.4. Zu beurteilen ist - insoweit unbestritten - nicht die Kostenübernahme für die Erstbehandlung des Geburtsgebrechens. Nach Feststellung der Vorinstanz erfolgte bereits in den Jahren 2000 bis 2004 in Deutschland eine umfangreiche Behandlung, nämlich eine Kieferkammaugmentation nach Beckenspanentnahme sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer mit anschliessender Versorgung durch Prothesen. Strittig ist die Kostenübernahme für die Sanierung dieser zwischenzeitlich abgenutzten prothetischen Versorgung. Es ist deshalb zu prüfen, ob - mit der Beschwerdeführerin - eine Leistungspflicht aus der OKP für zahnmedizinische Geburtsgebrechen auch für Folgebehandlungen entfällt, wenn deren Erstversorgung zwar erfolgt ist, jedoch (ohne ersichtlichen medizinischen Grund) erst nach dem 20. Altersjahr. Offenbleiben kann demgegenüber, ob in gewissen Konstellationen gar die Kosten für eine Erstversorgung nach vollendetem 20. Altersjahr durch die OKP zu übernehmen wären, wie dies das BAG mit Verweis auf die aus seiner Sicht allein massgebliche medizinisch begründete Notwendigkeit ausführt (vgl. auch unten E. 5.2).  
 
5.  
 
5.1. Der aus den Art. 13 ff. IVG, Art. 27 KVG und Art. 19a Abs. 1 KLV hervorgehenden Aufteilung der Leistungszuständigkeit für die Versorgung zahnmedizinischer Geburtsgebrechen liegt der Gedanke zugrunde, es sollten unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit die zahnärztlichen Behandlungen im medizinisch richtigen Zeitpunkt, i.d.R. vor Vollendung des 20. Altersjahrs und somit bis zum Ende der Leistungspflicht der Invalidenversicherung, abgeschlossen werden (BGE 130 V 459 E. 3 S. 463 f.). Damit wird eine Übernahme von Erstbehandlungskosten durch die Trägerin der OKP nach dem 20. Altersjahr regelmässig ausgeschlossen (zit. BGE 130 V 459 E. 3 a.a.O.), sofern der spätere Behandlungszeitpunkt nicht ausschliesslich medizinisch motiviert ist (SVR 2012 KV Nr. 9 S. 29, Urteil 9C_357/2011 vom 23. November 2011 E. 3 und 6.2; ausserdem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts K 50/04 vom 31. März 2005 E. 2.5). Dies rechtfertigt sich nicht zuletzt deshalb, weil auch bei zahnmedizinischen Geburtsgebrechen die Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung grundsätzlich eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingt (Art. 31 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 27 KVG; zit. BGE 129 V 80 E. 1.1 und 1.2 S. 82 f.; zit. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts K 50/04 E. 1.2). Wurde mit der Behandlung ohne medizinische Indikation bis nach dem 20. Altersjahr zugewartet, spricht dies regelmässig dafür, dass die notwendige Schwere der Erkrankung nicht vorliegt.  
 
5.2. Ob dies eine Leistungspflicht der OKP für eine nicht allein aus medizinischen Gründen erst nach Vollendung des 20. Lebensjahrs erfolgende Erstbehandlung in jedem Fall (statt nur regelmässig) ausschliesst, braucht hier mangels Entscheidwesentlichkeit (oben E. 4.4) nicht näher erörtert zu werden (kritisch bezüglich eines absoluten Leistungsausschlusses GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 560 Rz. 492; ALEXANDER WEBER/SIMON GASSMANN, in: Basler Kommentar Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 34 zu Art. 31 KVG). Die am Recht stehende Beschwerdegegnerin leidet überwiegend wahrscheinlich am Geburtsgebrechen der "multiplen Nichtanlagen" (oben E. 3.3), wobei im konkreten Einzelfall (mit bloss vier von 32 bleibenden Zähnen) zweifelsohne eine schwere Erkrankung des Kausystems vorliegt (vgl. - ebenfalls bezüglich multipler Nichtanlagen - implizit auch Entscheide des Sozialversicherungsgerichts Zürich KV.2005.00019 vom 21. September 2005 sowie KV.2018.00021 vom 23. Dezember 2019). Diese ist zudem ohne Weiteres als nicht vermeidbar zu bezeichnen. Damit dient die strittige Folgebehandlung grundsätzlich der Behandlung einer schweren, nicht vermeidbaren Erkrankung des Kausystems im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG. Sie ist zudem aus medizinischer Sicht unbestritten zufolge Abnutzung der ursprünglichen, mittlerweile ca. 20-jährigen, prothetischen Versorgung notwendig.  
 
5.3. Gemäss Art. 19a Abs. 1 lit. a KLV übernimmt die OKP die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, die durch ein Geburtsgebrechen nach Absatz 2 der Bestimmung bedingt sind, nur unter der Voraussetzung, dass "die Behandlungen nach dem 20. Lebensjahr notwendig sind" ("les traitements sont nécessaires après la 20e année" / "le cure sono necessarie dopo il 20o anno di età"). Es bleibt zu prüfen, ob gestützt darauf eine Leistungspflicht aus der OKP für Folgebehandlungen entfällt, wenn eine Erstbehandlung - zu Lasten eines anderen Kostenträgers - ohne ersichtliche medizinische Gründe erst nach vollendetem 20. Altersjahr erfolgt ist. Das Bundesgericht hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäussert; auch die Lehre schweigt sich dazu - soweit ersichtlich - aus (zur Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bezüglich der Leistungspflicht für ohne medizinischen Grund erst nach dem 20. Geburtstag erfolgende Erstbehandlungen vgl. oben E. 5.2).  
 
5.3.1. Fest steht: Bei initial durch die Invalidenversicherung übernommener Behandlung hätte die Trägerin der OKP die notwendigen erneuten Behandlungen, etwa bei Abnutzung oder Spätfolgen, als Pflichtleistungen zu übernehmen (vgl. etwa Urteil 9C_223/2009 vom 16. April 2010 E. 2.2 und 4.2; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts K 48/03 vom 3. Juni 2004 E. 3.2 f. und 5.3). Ebenso kann rechtsprechungsgemäss Leistungen der OKP nach Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG beanspruchen, wer - ohne dass ein Geburtsgebrechen vorläge - an einer schweren, nicht vermeidbaren Erkrankung des Kausystems leidet, etwa wegen extremer Atrophie des Kieferknochens Knochenaufbau und Implantate benötigt (vgl. SVR 2008 KV Nr. 3 S. 8, 9C_50/2007 E. 5.2.1 i.f. mit Hinweis; es handelt sich um eine Osteopathie i.S.v. Art. 17 lit. c Ziff. 3 KLV, sofern die Atrophie nicht allein Folge eines Zahnverlusts ist). Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob es um eine Erst- oder Folgebehandlung geht oder vom Zeitpunkt, in dem eine Erstbehandlung erfolgt ist. Vorbehalten bleibt in beiden geschilderten Fallkonstellationen selbstredend die Prüfung der Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit gemäss Art. 32 KVG. Zu beachten gilt es überdies den allgemeinen Grundsatz der Schadenminderungspflicht (vgl. etwa BGE 130 V 299 E. 6.2.2.2 S. 307; Urteil 9C_560/2014 vom 3. November 2014 E. 5.3, je mit Hinweisen).  
 
5.3.2. Dass Personen mit zahnmedizinischen Geburtsgebrechen schlechter gestellt werden sollen als solche mit grundsätzlich vergleichbaren, später auftretenden schweren Erkrankungen des Kausystems, ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut der Art. 27 und 31 Abs. 1 lit. a KVG, noch aus den Materialien (Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung, BBl 1992 I 93 ff., ad Artikel 21 [S. 62 f.] und 25 [S. 65 f.]; AB S 1992 S. 1300 ff.; AB N 1993 S. 1842 ff.), ebensowenig wie aus dem Wortlaut von Art. 19a Abs. 1 lit. a KLV und dessen Entstehungsgeschichte (vgl. Schreiben der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO an das BSV vom 18. April und 5. Juli 1996 sowie Protokoll der Eidgenössischen Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung [ELK] zur Sitzung vom 29. August 1996). Dergleichen wäre auch nicht einsichtig, wollte der Gesetzgeber mit Art. 27 KVG doch gerade die OKP hinsichtlich der Geburtsgebrechen zur Leistung verpflichten, wo keine Deckung durch die Invalidenversicherung besteht (Botschaft, a.a.O.; vgl. ausserdem HARDY LANDOLT, in: Basler Kommentar Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 4 ff. zu Art. 27 KVG). Mit dem BAG (vgl. oben E. 4.3) sind sodann keine Gründe ersichtlich, die Trägerin der OKP aus ihrer Leistungspflicht zu entlassen allein aufgrund einer verspätet vorgenommenen Erstbehandlung, wo diese Verspätung für sie weder zu höheren Folgekosten führt noch von ihr die Übernahme der Erstbehandlung verlangt wird. Dies gilt umso mehr, als es bei der Kostentragung für Folgebehandlungen - anders als bei der Erstbehandlung (vgl. dazu E. 5.1 hiervor) - nicht darum gehen kann, unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit Anreize für eine Erstbehandlung im medizinisch richtigen Zeitpunkt zu setzen.  
 
5.3.3. Nach dem Gesagten lässt sich aus Art. 19a Abs. 1 KLV sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht ableiten, dass eine Leistungspflicht der OKP ohne Weiteres auch für Folgebehandlungen entfällt, wenn die Versicherte ihr Geburtsgebrechen ohne ersichtlichen medizinischen Grund erst nach Vollendung des 20. Lebensjahrs angemessen hat versorgen lassen. Im Gegenteil: Hätte die Folgebehandlung auch bei Erstversorgung vor dem 20. Altersjahr (oder aus medizinischen Gründen erst nach diesem Zeitpunkt) überwiegend wahrscheinlich nach dem 20. Lebensjahr - und mithin zu Lasten der OKP - erfolgen müssen, handelt es sich um eine Behandlung, die im Sinne von Art. 19a Abs. 1 KLV nach dem 20. Lebensjahr (medizinisch) notwendig ist. Dass dies hier der Fall ist, ist - zu Recht - nicht umstritten (vgl. bereits oben E. 4.1). In casu nicht entscheidend ist angesichts des Gesagten, inwieweit eine Behandlung des Geburtsgebrechens der gehäuften Nichtanlagen (Ziffer 206 GgV-Anhang) im Fall der Versicherten überhaupt vor Ende des 20. Altersjahres hätte abgeschlossen werden können, was nicht ohne Weiteres angenommen werden kann (vgl. aus zahnärztlicher Sicht URS GEBAUER/WANDA GNOINSKI, Zahnmedizinische Geburtsgebrechen in der Invaliden- und Krankenversicherung. Abgrenzungsfragen, in: Der Zahnarztpatient - sozialversicherungs- und sozialhilferechtliche Fragen, 2008, S. 49 ff., 59). Weiterungen dazu erübrigen sich, ebenso wie zur Frage, inwiefern eine zumindest ansatzweise Behandlung des Geburtsgebrechens bereits vor dem 20. Altersjahr der Versicherten in der Türkei stattgefunden hat.  
 
6.  
Das kantonale Gericht bejahte die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der strittigen Behandlung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG. Die SWICA bemängelt, es habe sich dabei im Wesentlichen auf eine Stellungnahme der behandelnden Zahnärztin abgestützt, die von der Einschätzung ihres Vertrauenszahnarztes abgewichen sei. Ihr sei keine Gelegenheit eingeräumt worden, diese medizinische Stellungnahme vom 8. Mai 2019 dem Vertrauenszahnarzt vorzulegen. Damit habe das kantonale Gericht den Untersuchungsgrundsatz verletzt. 
Hiermit dringt sie nicht durch. Der Vorinstanz lagen im Entscheidzeitpunkt die beiden divergierenden Einschätzungen der behandelnden Zahnärztin sowie des Vertrauenszahnarztes zur Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit vor; aktenkundig war zudem, dass bereits im Zeitpunkt der Erstversorgung von einer Ausnahmeindikation ausgegangen wurde, da de facto nur ein funktionstüchtiger Zahn vorhanden war. Soweit sich die Vorinstanz auf dieser Tatsachengrundlage zur Entscheidfindung imstande sah, ist dies nicht zu beanstanden, zumal sie massgeblich darauf abstellte, dass - unbestritten - eine komplexe und aussergewöhnliche Situation mit bereits zahlreichen kieferchirurgischen Interventionen vorlag und es ein bestehendes System zu ersetzen galt, das sich bisher bewährt hatte. Die behandelnde Zahnärztin hatte mit Stellungnahme vom 8. Mai 2019 nachvollziehbar dargelegt, es sei keineswegs sicher, dass eine langfristig stabile, funktionelle und ästhetische Versorgung auch mit dem vom Vertrauenszahnarzt vorgeschlagenen Vorgehen zu erzielen sei. Soweit die SWICA der Vorinstanz vorwirft, durch Verzicht auf weitere Abklärungen beim Vertrauenszahnarzt den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) verletzt zu haben, grenzt dies an Rechtsmissbrauch, wurde doch die Stellungnahme der behandelnden Zahnärztin nicht erst während des kantonalen Gerichtsverfahrens abgegeben, sondern bereits am 8. Mai 2019, mithin noch vor Erlass der Verfügung der SWICA vom 13. Juni 2019. Diese hätte somit jede Gelegenheit gehabt, vor Erlass ihrer Verfügung oder im Verlaufe des vorinstanzlichen Verfahrens eine Stellungnahme ihres Vertrauenszahnarztes einzuholen, was sie indes unterlassen hat. Im Übrigen wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs - was der qualifizierten Begründung bedürfte (Art. 106 Abs. 2 BGG) - in diesem Zusammenhang nicht gerügt. 
 
7.  
Fehl geht schliesslich die Rüge, die Vorinstanz habe den Sachverhalt aktenwidrig erfasst, indem sie der Beschwerdeführerin die Kostenübernahme gemäss Voranschlag vom 27. November 2017 (recte: 27. Dezember 2017) auferlegt habe, obwohl die behandelnde Zahnärztin mit Schreiben vom 8. Mai 2019 einen angepassten Kostenvoranschlag eingereicht habe mit neuem Tarif, bei dem sie die zahnärztlichen Kosten bewusst reduziert habe. Den solchermassen reduzierten Kostenvoranschlag offerierte die behandelnde Zahnärztin im Sinne eines Kompromissvorschlages mit Blick auf eine einvernehmliche Lösung im Interesse der Patientin, wie aus ihrem Begleitschreiben deutlich hervorgeht. Die SWICA ging darauf nicht ein, sondern verfügte am 13. Juni 2019 die Ablehnung der Kostenübernahme für die offerierte Behandlung. Die Leistungserbringerin nun im strittigen Verfahren auf diesem Entgegenkommen behaften zu wollen, verstösst gegen Treu und Glauben, zumal mit keinem Wort geltend gemacht wird, deren ursprünglicher Kostenvoranschlag sei überhöht gewesen. Das kantonale Gericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es die SWICA dem Grundsatz nach gestützt auf den ursprünglichen Kostenvoranschlag vom 27. Dezember 2017 zur Leistung verpflichtet hat. Es versteht sich von selbst, dass sich deren Leistungspflicht entsprechend reduziert, sollten die effektiven Kosten tiefer als veranschlagt ausfallen. 
 
8.  
Zusammenfassend hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden. Dieser ist nur insoweit zu korrigieren, als er fälschlicherweise auf einen Kostenvoranschlag vom 27. November 2017 statt vom 27. Dezember 2017 verweist. 
 
9.  
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
Die obsiegende (unvertretene) Beschwerdegegnerin macht keinen Arbeitsaufwand geltend, der den Rahmen dessen überschreitet, was sie üblicher- und zumutbarerweise zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat. Sie hat demnach keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. etwa Urteil 9C_511/2017 vom 6. September 2017 mit Hinweisen). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. Das Dispositiv des Entscheids des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt ist wie folgt zu berichtigen: "In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 21. August 2019 aufgehoben und die Beschwerdegegnerin verpflichtet, die Kosten der Zahnbehandlung auf der Grundlage des Kostenvoranschlags vom 27. Dezember 2017 zu übernehmen". 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. März 2021 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald