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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_642/2021  
 
 
Urteil vom 3. September 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Hänni, Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber A. Brunner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch lic.iur. Susanne Sadri, 
 
gegen  
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID). 
 
Gegenstand 
Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleibs bei der Tochter und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 23. Juli 2021 (100.2020.336U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1941) ist iranische Staatsangehörige. Am 11. Oktober 2019 reiste sie mit einem Besuchervisum in die Schweiz ein. Am 4. November 2019 ersuchte sie um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie einerseits "Familiennachzug" (Verbleib bei der Tochter mit Schweizer Bürgerrecht) und anderseits "Rentnerin" an. Mit Verfügung vom 29. Januar 2020 wies der Migrationsdienst des Amts für Bevölkerungsdienste des Kantons Bern (nachfolgend: der kantonale Migrationsdienst) A.________s Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ab; gleichzeitig wurde A.________ unter Ansetzung einer Ausreisefrist aus der Schweiz weggewiesen. 
 
B.  
Die Anordnungen des kantonalen Migrationsdiensts vom 29. Januar 2020 wurden von den kantonalen Instanzen geschützt (vgl. Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern vom 31. Juli 2020 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Juli 2021). 
 
C.  
Mit "Verwaltungsbeschwerde" vom 26. August 2021 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie ersucht sinngemäss darum, ihr unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 23. Juli 2021 eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
 
Das Bundesgericht hat auf Instruktionsmassnahmen verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Entscheid eines kantonalen Gerichts auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Grundsätzlich unterliegt ein solcher Entscheid der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG).  
 
1.2. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen. Für das Eintreten genügt, dass ein potentieller Anspruch in vertretbarer Weise dargetan wird.  
Vertretbar dargetan ist ein Bewilligungsanspruch vorliegend nur mit Blick auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Der in der Beschwerde zusätzlich angerufene Art. 28 AIG räumt keine Rechtsansprüche ein (Urteil 2D_22/2016 vom 13. Juni 2016 E. 2.1); auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht diesbezüglich in der Sache nicht zur Verfügung (a.a.O., E. 2.2 und 2.3). Art. 42 Abs. 2 lit. b AIG ist auf die Beschwerdeführerin sodann nicht anwendbar, zumal sie keine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung in einem Staat besitzt, mit dem die Schweiz ein Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen hat (vgl. BGE 143 II 57 E. 3.2; Urteil 2C_836/2019 vom 18. März 2020 E. 2). 
 
1.3. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen (Art. 89 Abs. 1 BGG, Art. 100 Abs. 1 BGG, Art. 42 BGG) geben nicht zu Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten, soweit die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltsanspruch aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK ableitet.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin beanstandet punktuell den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht an die Feststellungen seiner Vorinstanzen im Prinzip gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann nur dann abweichende Feststellungen treffen, wenn der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt als offensichtlich unrichtig erscheint oder anderweitig auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die Rüge, wonach die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt haben soll, bedarf besonderer Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Eingabe der Beschwerdeführerin an das Bundesgericht lassen sich keine Sachverhaltsrügen entnehmen, die diesen Anforderungen gerecht würden. Der Beurteilung des vorliegenden Falls ist vor diesem Hintergrund der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt zugrundezulegen. 
 
3.  
 
3.1. Art. 8 Ziff. 1 EMRK gewährleistet das Recht auf Achtung des Familienlebens. Dieses ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen aber auch andere familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht. Hinweise für solche Beziehungen sind das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle Abhängigkeit, speziell enge familiäre Bande, regelmässige Kontakte oder die Übernahme von Verantwortung für eine andere Person. Bei hinreichender Intensität sind auch Beziehungen zwischen nahen Verwandten wie Geschwistern oder Tanten und Nichten wesentlich, doch muss in diesem Fall zwischen der über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Person und dem um die Bewilligung nachsuchenden Ausländer ein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionale Bindungen hinausgehendes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehen (vgl. zum Ganzen BGE 144 II 1 E. 6.1, m.w.H.).  
 
3.2. Die Vorinstanz kam in Anwendung der vorstehend zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Schluss, dass die Beziehung zwischen der 80-jährigen Beschwerdeführerin und ihrer in der Schweiz lebenden Tochter nicht in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK falle. Wie aus einem von der Beschwerdeführerin eingereichten Arztzeugnis hervorgehe, habe sie sich zwar einer Herzoperation unterziehen müssen und es habe der Herzschrittmacher ausgewechselt werden müssen; eine dauernde Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit ergebe sich daraus jedoch nicht; auch die Beschwerdeführerin selbst anerkenne, nur "leicht pflegebedürftig" zu sein. Soweit die Beschwerdeführerin - so die Vorinstanz weiter - altersgerechte Unterstützung benötige, bekomme sie diese auch in ihrem Heimatland, sei es durch andere Verwandte, Drittpersonen oder entsprechende Institutionen. Wohl möge zutreffen, dass die Verhältnisse in der professionellen Pflege in Iran weniger ideal seien als in der Schweiz und die Unterstützungsbedürftigkeit älterer Menschen mitunter ausgenützt werde. Daraus folge jedoch nicht, dass die Betreuung nur durch die in der Schweiz lebende Tochter geleistet werden könne, auch wenn diese offenbar als Fachfrau Gesundheit in einem Pflegeheim tätig sei. Für ein Abhängigkeitsverhältnis reiche es sodann nicht, dass die Beschwerdeführerin eigenen Angaben zufolge auf die moralische und physische Nähe ihrer Tochter angewiesen sei. Sie habe bis anhin getrennt von ihrer Tochter im Iran gelebt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr dies nicht mehr möglich sei. Daran ändere auch der Wegzug des Sohnes aus Iran nach Kanada nichts (vgl. E. 3.3 des angefochtenen Entscheids).  
 
3.3. Die Würdigung der Vorinstanz ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der oben (vgl. E. 3.1 hiervor) wiedergegebenen Rechtsprechung ist nicht leichthin anzunehmen. Dass die Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter eine enge und regelmässige Beziehung pflegt (vgl. S. 5 der Beschwerde), begründet noch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis (vgl. Urteile 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 3.3; 2C_867/2016 vom 30. März 2017 E. 2.2). Auch das Vorliegen eines Pflege- und Betreuungsbedürfnisses (vgl. S. 5 f. und S. 8 der Beschwerde) genügt für sich genommen nicht; erforderlich ist zusätzlich, dass die betreffende Pflege- und Betreuungsleistung unabdingbar von den in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Angehörigen erbracht werden muss (vgl. Urteile 2C_106/2021 vom 25. Juni 2021 E. 3.1; 2C_757/2019 vom 21. April 2020 E. 2.2.1). Davon ist vorliegend nach den für das Bundesgericht verbindlichen (vgl. E. 2 hiervor) Feststellungen der Vorinstanz nicht auszugehen. Auch die globale Covid-19-Pandemie (vgl. S. 8 der Beschwerde) vermag ein besonderes Abhängigketisverhältnis vorliegend nicht zu begründen.  
 
3.4. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist (vgl. E. 1.2 und 1.3 hiervor).  
 
4.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens (vgl. E. 3.4 hiervor) wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem ausführlich und zutreffend begründeten Urteil der Vorinstanz setzt sich die vorliegende Beschwerde nicht substanziiert auseinander. Die Beschwerde muss vor diesem Hintergrund als aussichtslos bezeichnet werden. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann deshalb nicht entsprochen werden (vgl. Art. 64 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. September 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Brunner