Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_964/2020  
 
 
Urteil vom 4. März 2021  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Bovey, 
nebenamtliche Bundesrichterin Arndt, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Kümin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Luzi Stamm, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Beschwerde gegen Beschluss und Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. Oktober 2020 (LC200014-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (geb. 1968) und B.________ (geb. 1964) heirateten 1989. Sie haben zwei gemeinsame erwachsene Kinder. 
 
B.  
 
B.a. Am 16. Februar 2015 reichte B.________ beim Bezirksgericht Dietikon die Scheidungsklage ein.  
 
B.b. A.________ verlangte mit Klageantwort vom 8. Oktober 2015 in der Hauptsache, es sei auf die Klage nicht einzutreten und eventualiter das Verfahren zu sistieren, bis das gegen B.________ laufende Strafverfahren und der Prozess vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich rechtskräftig abgeschlossen seien. (Sub-) Eventualiter stellte sie weitere Begehren, nebst anderem zu den Nebenfolgen der Scheidung. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2016 zog sie ihre auf Nichteintreten bzw. Sistierung lautenden Anträge zurück.  
 
B.c. Die Hauptverhandlung fand am 15. September 2017 statt, anlässlich derer die Parteien je einen Parteivortrag hielten. Für die Replik und Duplik wurde das schriftliche Verfahren angeordnet; während dieses Schriftenwechsels erfolgten weitere Noveneingaben.  
 
B.d. Mit Urteil vom 25. März 2020 schied das Bezirksgericht die Ehe der Parteien, sprach keiner Partei nachehelichen Unterhalt zu, verpflichtete A.________ zu einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung von Fr. 32'500.-- und ordnete eine BVG-Ausgleichszahlung zulasten von B.________ von Fr. 32'449.95 an.  
 
C.  
 
C.a. Gegen das Scheidungsurteil erhob A.________ Berufung. Soweit vorliegend von Belang, beantragte sie die Feststellung einer Rechtsverzögerung und -verweigerung durch die Vorinstanz sowie die Verpflichtung von B.________ zur Bezahlung nachehelichen Unterhalts in der Höhe von monatlich Fr. 2'650.-- bis Mai 2032 und einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung von Fr. 416'058.80. Eventualiter begehrte sie die Gewährung der untentgeltlichen Rechtspflege.  
 
C.b. Mit Beschluss und Urteil vom 8. Oktober 2020 trat das Obergericht des Kantons Zürich auf das Begehren um Feststellung einer Rechtsverzögerung und Rechtsverweigerung nicht ein, hob das vorinstanzliche Urteil teilweise auf und erklärte die Parteien güterrechtlich als auseinandergesetzt. Im Übrigen bestätigte es das Urteil des Bezirksgerichts vom 25. März 2020.  
 
D.  
 
D.a. Gegen das Berufungsurteil hat A.________ (Beschwerdeführerin) am 13. November 2020 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, B.________ (Beschwerdegegner) sei zu einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung von Fr. 270'109.45 zu verpflichten und es sei festzustellen, dass das Bezirksgericht für die Dauer vom 14. September 2018 bis 6. April 2020 das Rechtsverzögerungsverbot bzw. das Beschleunigungsgebot verletzt habe. Eventualiter sei die Sache betreffend die güterrechtliche Ausgleichszahlung zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter sei die obergerichtliche Entscheidgebühr von Fr. 13'000.-- auf Fr. 10'500.-- zu reduzieren und zu zwei Dritteln dem Beschwerdegegner und zu einem Drittel der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Ferner stellt die Beschwerdeführerin ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.  
 
D.b. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz, der die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung, also eine Zivilsache zum Gegenstand hat (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist wurde eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich zulässig.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerdebegründung ist daher in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid rechtswidrig sein soll (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Begründung muss sachbezogen sein und sich auf den Streitgegenstand beziehen und beschränken; die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).  
 
1.3. Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend gemacht wird. Das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 mit Hinweis). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin verlangt eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr. 270'109.45. Sie leitet diese Forderung aus zwei Urkunden ab (Bericht der Wirtschaftsprüfer der Staatsanwaltschaft III vom 21. Dezember 2016 und Abhandlung der C.________ vom Juli 2011 betreffend Kundschafts- und Goodwillbewertung), aus welchen sich eine Unternehmensbewertung der dem Beschwerdegegner zuzuordnenden Gesellschaften von Fr. 540'218.90 ergebe. Sie habe diese beiden Urkunden anlässlich der Hauptverhandlung am 15. September 2017 eingereicht. Es habe sich dabei um rechtzeitig eingereichte echte Noven gehandelt, zumal sich diese Beweismittel und die dazugehörigen Vorbringen erst aus dem gegen den Beschwerdegegner laufenden und für die güterrechtliche Auseinandersetzung relevanten Strafverfahren ergeben hätten. In ihrem Klagerückzug vom 12. Oktober 2016 habe sie explizit darauf hingewiesen, dass sie sich in ihrer Klageantwort vorbehalten habe, zu gegebenem Zeitpunkt noch weitere Ergebnisse der Strafuntersuchung als Beweismittel zu offerieren und einzureichen. Auch die mit der Noveneingabe vom 18. Juli 2018 eingereichten Bilanzen und Erfolgsrechnungen hätte sie nicht früher vorbringen können, da sie nicht aus der Strafuntersuchung erhältlich gewesen seien, bevor sie von der Staatsanwaltschaft editionsweise verlangt worden seien.  
 
2.2. Dazu hielt die Vorinstanz fest, die Beschwerdeführerin habe weder in der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren behauptet, die Berichte aus den Jahren 2011 bzw. 2016 "ohne Verzug" im Sinne von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorgebracht zu haben. Und selbst wenn sie geltend gemacht hätte, die Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO seien erfüllt, so übersehe sie, dass die erste Instanz festgehalten habe, die Beschwerdeführerin habe es bereits im doppelten Schriftenwechsel versäumt, Behauptungen zum Unternehmenswert im massgeblichen Zeitpunkt aufzustellen, womit sich Ausführungen zu den offerierten Beweisen erübrigen. Diese Feststellung der ersten Instanz sei im Berufungsverfahren unangefochten geblieben.  
 
2.3. Die Vorinstanz wies die Berufung hinsichtlich der Güterrechtsforderung somit mit einer Haupt- und einer Eventualbegründung ab. Beruht das angefochtene Urteil - wie hier - auf zwei oder mehreren voneinander unabhängigen, den Entscheid tragenden Begründungen, müssen unter Nichteintretensfolge alle Begründungslinien angefochten werden (BGE 142 III 364 E. 2.4  in fine mit Hinweisen; Urteil 4A_454/2010 vom 6. Januar 2011 E. 1.3). Dies zu tun unterlässt die Beschwerdeführerin. Stattdessen beschränkt sie sich darauf, ihren eigenen Standpunkt wiederzugeben, ohne mit ihren Ausführungen an den Erwägungen im angefochtenen Entscheid anzusetzen (vgl. E. 1.2). Auf ihre Beschwerde ist deshalb in diesem Punkt nicht einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Schliesslich verlangt die Beschwerdeführerin, es sei festzustellen, dass das Bezirksgericht für die Dauer vom 14. September 2018 bis zum 6. April 2020 das Rechtsverzögerungsverbot verletzt habe und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) sowie der daraus fliessenden Begründungspflicht vorliege. Die erstmögliche Eröffnung des Scheidungsurteils hat ihrer Auffassung nach am 14. September 2018 bestanden.  
 
3.2. Die Vorinstanz hielt fest, dass die Beschwerdeführerin nicht dargelegt habe, worin ihr Feststellungsinteresse bestehe, weshalb sie auf den Antrag nicht eintrat. Sie merkte weiter an, dass sich die Parteien die fünfjährige Verfahrensdauer selber zuzuschreiben haben, haben sie doch immer wieder neue (Noven-) Eingaben und Stellungnahmen eingereicht und insgesamt fünf Massnahmebegehren gestellt, wovon zwei durch die Vorinstanz zu beurteilen gewesen seien. Die Vorinstanz verneinte eine unerklärlich lange Dauer der Untätigkeit der ersten Instanz, was die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch nicht behaupte.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der im angefochtenen Entscheid für das Nichteintreten angeführten Begründung nicht auseinander (vgl. E. 1.2). Sie erläutert nicht, welches Interesse sie an der Feststellung der behaupteten Rechtsverzögerung gehabt hätte. Ebenso wenig behauptet sie, dass die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen sei, sie habe kein Feststellungsinteresse nachgewiesen, und unterlässt es aufzuzeigen, an welcher Stelle ihrer Berufungsschrift sie ein solches Interesse dargetan haben soll. Sie argumentiert in ihrer Beschwerdeschrift ausschliesslich so, als könnte das Bundesgericht hier in der Sache entscheiden. Durfte die Vorinstanz insoweit unbeanstandet auf das Feststellungsbegehren nicht eintreten, erweist sich der von der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin vor Bundesgericht erneuerte, auf Feststellung der Rechtsverzögerung lautende Antrag als unzulässig (Urteil 5A_401/2010 vom 11. August 2010 E. 3.1 mit Hinweis). Auf die Beschwerde ist deshalb auch in diesem Punkt nicht einzutreten.  
 
4.  
 
4.1. Alsdann beantragt die Beschwerdeführerin, die zweitinstanzlichen Gerichtskosten von Fr. 13'000.-- auf Fr. 10'500.-- zu reduzieren. Die Vorinstanz habe das verfassungsrechtlich begründete Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip verletzt, indem sie ihre Gerichtskosten annähernd so hoch wie jene der ersten Instanz angesetzt habe, obwohl ihr viel weniger Aufwand als dieser angefallen sei.  
 
4.2. Nach Art. 96 ZPO setzen die Kantone die Tarife für die Prozesskosten fest. Die Tarifordnungen sind kantonales Recht, dessen Anwendung das Bundesgericht unter Vorbehalt von Art. 95 lit. c und d BGG nicht überprüft. Es kann lediglich - aber immerhin - geltend gemacht werden, die konkrete Anwendung des kantonalen Rechts habe das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV oder andere verfassungsmässige Rechte verletzt (BGE 135 III 578 E. 6.1; 133 III 462 E. 2.3).  
 
4.3. Die Vorinstanz hat die Gerichtskosten bei einem Streitwert von Fr. 830'158.80 in Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 13'000.-- festgesetzt. Auf diese kantonale Bestimmung nimmt die Beschwerdeführerin keinen Bezug und sie stellt den von der Vorinstanz für massgeblich erklärten Streitwert nicht in Frage. Ebenso wenig erläutert sie, weshalb - wie von ihr angestrebt - Gerichtskosten von Fr. 10'500.-- verhältnismässig sein sollten, wenn dies für um (lediglich) Fr. 2'500.-- höhere Gerichtskosten ihrer Auffassung zufolge gerade nicht zutreffen soll. Ihre allgemein gehaltenen Ausführungen stellen keine substantiierte Verfassungsrüge dar (vgl. E. 1.3). Auf die Beschwerde ist folglich auch in diesem letzten Punkt nicht einzutreten.  
 
5.   
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von Anfang an aussichtslos, sodass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 in fine BGG).  
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. März 2021 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller