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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_373/2020  
 
 
Urteil vom 8. Juni 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Myriam Dannacher, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Fristwiederherstellung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 6. April 2020 (RG.2020.00002). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1981) ist serbischer Staatsangehöriger. Am 15. April 2019 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich seine Niederlassungsbewilligung. Diese Verfügung bestätigte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 6. Dezember 2019. Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Zürich trat am 9. März 2020 auf die Beschwerde nicht ein, nachdem A.________ den Kostenvorschuss von Fr. 2'070.-- nicht rechtzeitig bezahlt hatte.  
 
1.2. Am 16. März 2020 ersuchte A.________ um Wiederherstellung der Zahlungsfrist, weil das Versäumnis auf ein Versehen einer Hilfsperson der ihn vertretenden Anwältin zurückzuführen sei. Das Verwaltungsgericht wies das Gesuch am 6. April 2020 ab.  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 14. Mai 2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Verwaltungsgericht sei anzuweisen, auf seine Beschwerde einzutreten. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das Bundesgericht hat keine Instruktionsmassnahmen verfügt. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.  
 
2.  
 
2.1. In der Sache geht es um den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG; vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Für die gleichzeitig erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde bleibt kein Raum; darauf ist nicht einzutreten (Art. 113 BGG).  
 
2.2. Das Bundesgericht prüft die Anwendung von kantonalem Recht nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (BGE 141 I 105 E. 3.3.1 S. 108), wobei entsprechende Rügen einer qualifizierten Begründungspflicht zu genügen haben (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
3.   
Der Beschwerdeführer hat den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts vom 9. März 2020 nicht angefochten. Er bestreitet nicht, dass die Voraussetzungen für die Erhebung eines Kostenvorschusses vorgelegen haben und er diesen verspätet geleistet hat (vgl. S. 7 Ziff. 16 der Beschwerde). Streitig ist ausschliesslich, ob die Vorinstanz die Zahlungsfrist hätte wiederherstellen müssen. 
 
4.  
 
4.1. Die Fristwiederherstellung im vorinstanzlichen Verfahren richtet sich nach kantonalem Verfahrensrecht. Gemäss § 12 Abs. 2 Satz 1 (in Verbindung mit § 70) des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (des Kantons Zürich) vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2) kann eine versäumte Frist wiederhergestellt werden, wenn dem Säumigen keine grobe Nachlässigkeit zur Last fällt und er innert zehn Tagen nach Wegfall des Grundes, der die Einhaltung der Frist verhindert hat, ein Gesuch um Wiederherstellung einreicht.  
 
4.2. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, bezüglich der zu beobachtenden Sorgfalt sei die Praxis streng. Die Verfahrensbeteiligten müssten sich die Versäumnisse einer Vertretung anrechnen lassen, wobei für Anwälte ein besonders strenger Massstab gelte. Dies gelte auch, wenn die Partei oder der Vertreter eine Hilfsperson beiziehe. Nehme eine empfangsberechtigte Person eine eingeschriebene Sendung entgegen, ohne sie (intern) an den direkt betroffenen Adressaten weiterzuleiten, müsse sich der Adressat dieses Verhalten grundsätzlich als grobe Nachlässigkeit anrechnen lassen. Im vorliegenden Fall habe die Kanzleimitarbeiterin der Anwältin des Beschwerdeführers die Kautionsverfügung versehentlich ins Postfach einer im Mutterschaftsurlaub weilenden Anwältin gelegt. Dort sei sie zwischen unwichtige Postzustellungen geraten und erst nach Empfang des Nichteintretensentscheids entdeckt worden. Es handle sich nicht um ein leichtes Versehen der Kanzleimitarbeiterin, welche weder die Frist vermerkt noch die Verfügung an die zuständige Person weitergeleitet habe. Sodann sei die Verfügung auch bei den offenbar wöchentlich stattfindenden Kontrollen des Fachs nicht bemerkt worden. Im Zusammenhang mit der längeren Abwesenheit einer Anwaltskollegin handle es sich um eine grobe Nachlässigkeit, wenn die "einspringende" Anwältin nicht auch persönlich regelmässige Kontrollen des Postfachs der abwesenden Kollegin durchführe. Insofern müsse sich die Vertreterin eine mangelnde Überwachung ihrer Hilfsperson vorwerfen lassen (vgl. E. 2 des angefochtenen Urteils).  
 
4.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht.  
 
 
4.3.1. In einer Anwaltskanzlei ist bei fristauslösenden Zustellungen besondere Vorsicht walten zu lassen, dass die Sendung intern an den zuständigen Anwalt gelangt. Im vorliegenden Fall hat das Sekretariat gemäss den für das Bundesgericht bindenden vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) die Kostenvorschussverfügung ohne Fristvermerk in ein falsches Postfach abgelegt, und zwar in das Fach einer Anwältin, die sich über einen längeren Zeitraum im Mutterschaftsurlaub befand. Dass diese Anwältin zuvor für den Fall des Beschwerdeführers zuständig gewesen ist, lässt die Nachlässigkeit nicht geringer erscheinen. Unklar ist, inwiefern das Verhalten des Sekretariats dadurch relativiert werden soll, dass die Kostenvorschussverfügung angeblich dergestalt in das Postfach gelegt worden ist, dass es sich mit der Büroklammer eines anderen Dokuments "verhakt" hat. Von einer unglücklichen Verkettung mehrerer Umstände kann keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht ist offensichtlich nicht in Willkür verfallen, wenn es das Verhalten des Sekretariats als grobe Nachlässigkeit qualifiziert hat.  
 
4.3.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat sich ein Vertreter das Verhalten von Hilfspersonen, die er beigezogen hat, voll anrechnen zu lassen, ohne dass er sich exkulpieren kann (BGE 114 Ib 67 E. 2 S. 69 ff.). Sieht die kantonale Praxis wie im vorliegenden Fall dennoch eine Exkulpationsmöglichkeit vor (vgl. KASPAR PLÜSS, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum VRG/ZH, 3. Aufl. 2014, § 12 N. 58), ist es nicht zu beanstanden, wenn strenge Anforderungen an den Entlastungsbeweis gestellt werden, insbesondere wenn es um die interne Nichtweiterleitung von eingeschriebenen Sendungen geht. Wie die Rechtsvertreterin vorbringt, ist dem Sekretariat die Weisung erteilt worden, das Postfach der für längere Zeit abwesenden Anwältin wöchentlich zu kontrollieren; eine weitergehende Überwachung sei nicht zumutbar gewesen (vgl. S. 9 Ziff. 24 der Beschwerde). Folglich kann keine Rede davon sein, dass die Rechtsvertreterin ihr Hilfspersonal überwacht hat; vielmehr hat sich dieses selber kontrolliert. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsvertreterin Mandanten ihrer abwesenden Kollegin betreute, ohne deren Postfach regelmässig persönlich zu sichten, durfte ihr die Vorinstanz ohne Willkür eine grobe Nachlässigkeit zur Last legen. Dass die Rechtsvertreterin die Kostenvorschussverfügung auch bei einer sorgfältigen Kontrolle des Postfachs nicht entdeckt hätte, ist eine blosse Behauptung und scheint auch trotz der angeblichen "Verhakung" mit einem anderen Dokument als wenig wahrscheinlich.  
 
 
4.3.3. Ist das Verwaltungsgericht folglich willkürfrei von einer groben Nachlässigkeit des Sekretariats und der fehlenden Exkulpation der Anwältin ausgegangen, hat sich der Beschwerdeführer dieses Verhalten anrechnen zu lassen (Urteil 2C_902/2019 vom 14. November 2019 E. 5). Es ist nicht überspitzt formalistisch, wenn auf ein Rechtsmittel wegen verspäteter Leistung des Kostenvorschusses androhungsgemäss nicht eingetreten wird. Dass durch das Nichteintreten keine materielle Prüfung erfolgt, liegt in der Natur der Sache und ist weder unverhältnismässig noch sonstwie rechtswidrig (Urteil 2C_902/2019 vom 14. November 2019 E. 4.3).  
 
5.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.   
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Juni 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger