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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_540/2022  
 
 
Urteil vom 8. Juli 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Nadia Tarolli und Nora Heuberger Advokatinnen, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-FR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, 
vom 16. Juni 2022 (F-585/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 11. Mai 2016 richtete die Direction Générale des Finances Publiques (nachfolgend: ersuchende Behörde) gestützt auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR; SR 0.672.934.91) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Die Angelegenheit durchlief im Zusammenhang mit acht Schlussverfügungen der ESTV vom 9. Februar 2018 sämtliche Rechtsmittelinstanzen. 
Im Anschluss an das (teilweise) amtlich publizierte Bundesgerichtsurteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) nahm die ESTV die Bearbeitung sistierter Verfahren wieder auf, deren Ausgang von der (höchstrichterlichen) Beurteilung des Ersuchens vom 11. Mai 2016 abhängig war. In diesem Zuge gewährte die ESTV A.________ und B.________ das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Datenübermittlung an Frankreich, woraufhin diese am 21. September 2020 eine Stellungnahme einreichten. 
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 7. Januar 2021 ordnete die ESTV die Leistung der Amtshilfe in Bezug auf die von der ersuchenden Behörde erfragten Bankinformationen betreffend A.________ und B.________ an. Am 8. Februar 2021 erhoben A.________ und B.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragten, die Schlussverfügung vom 7. Januar 2021 sei aufzuheben. Eventualiter sei die ESTV anzuweisen, den Kontostand des Jahres 2010 durch den Vermerk "n/a" zu ersetzen, sofern zu diesem Zeitpunkt die Verjährung des Jahres 2010 eingetreten sein werde. Mit Urteil vom 16. Juni 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. Juli 2022 gelangen A.________ und B.________ an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils vom 16. Juni 2022. Es sei der ESTV zu untersagen, die mit dem Amtshilfeersuchen vom 11. Mai 2016 ersuchten Daten an die ersuchende Behörde zu übermitteln. In prozessualer Hinsicht verlangen A.________ und B.________ die Wahrung ihrer Anonymität sowie die Anonymisierung des Urteils vor der Publikation. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 133 IV 131 E. 3).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, es stelle sich im vorliegenden Verfahren eine das Spezialitätsprinzip betreffende Frage, die im (teilweise) amtlich publizierten Bundesgerichtsurteil 2C_653/ 2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) nicht beurteilt worden sei. Während der Dauer des vorliegenden Amtshilfeverfahrens seien in Frankreich zwei bedeutende Regelungen geschaffen worden, die das im Amtshilfeverfahren geltende Spezialitätsprinzip unterminieren würden und damit eine Vielzahl der hängigen und künftigen Amtshilfeverfahren mit Frankreich beträfen. Die beiden Ergänzungen fänden sich in Art. L142 A und Art. L228 I. des französischen Steuerverfahrensrechts ("Livre des procédures fiscales"). Gemäss der ersten Bestimmung sei die französische Steuerbehörde gegenüber der französischen Staatsanwaltschaft von ihrer Schweigepflicht entbunden und könne mit dieser unabhängig von einer Anzeige, einem Strafantrag oder einem laufenden Gerichtsverfahren Informationen austauschen. Laut dem ersten Absatz der zweiten Bestimmung sei die französische Steuerbehörde sodann verpflichtet, unter den genannten Voraussetzungen die verfügbaren Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Ohnehin sei der Informationsaustausch zwischen den französischen Behörden auch in Art. 40 Abs. 1 des "Codes de Procédure Pénale" zwingend vorgeschrieben.  
In der vorliegenden Angelegenheit, so die Beschwerdeführer folgernd, bestünde aufgrund der Höhe der relevanten Vermögenswerte und der Anzahl der betroffenen Steuerjahre keinerlei Zweifel, dass die Voraussetzungen für eine zwingende Weiterleitung der amtshilfeweise ersuchten Informationen an die Staatsanwaltschaft sowohl hinsichtlich der Nachsteuer als auch bezüglich des Strafzuschlags gegeben seien. Damit sei erstellt, dass die vom Amtshilfeersuchen betroffenen Informationen abkommensfremd verwendet würden. Die Beschwerdeführer werfen sinngemäss die Frage auf, ob an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Amtshilfeersuchen der ersuchenden Behörde vom 11. Mai 2016 auch im Lichte der neu eingeführten Bestimmungen im französischen Recht festzuhalten sei. 
 
1.3. Die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Rechtsfrage beurteilte das Bundesgericht bereits. Es hielt fest, dass die Frage durch die Regeln des Völkerrechts und die bestehende Rechtsprechung beantwortet werde (vgl. Urteile 2C_316/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.1; 2C_319/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.1; 2C_320/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.1). Das Bundesgericht führte dazu aus, die Verpflichtung der Staaten zur Einhaltung des Völkerrechts hänge nicht von ihrem innerstaatlichen Recht ab, sondern vom Grundsatz "Pacta sunt servanda". Dieser Grundsatz bedeute, dass in Kraft getretene internationale Übereinkommen für die Vertragsstaaten verbindlich seien und dass diese die Vertragsstaaten verpflichten würden, die darin enthaltenen Verpflichtungen nach Treu und Glauben zu erfüllen (vgl. Urteile 2C_316/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.2; 2C_319/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.2; 2C_320/2021 vom 30. April 2021 E. 4.1.2). Der gute Glaube werde vermutet und könne nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_662/2021 und 2C_663/2021 vom 18. März 2022 E. 5.2.3).  
In BGE 146 II 150 war das Bundesgericht bereits mit einem Einwand konfrontiert, der sich auf die Anwendung des innerstaatlichen Rechts bezog und von ähnlicher Natur war wie der in der vorliegenden Beschwerde vorgebrachte - nämlich, dass die französischen Steuerbehörden nach internem Recht verpflichtet seien, den Strafverfolgungsbehörden ungeachtet des DBA CH-FR alle erforderlichen Informationen zu übergeben (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.4 i.f.). Das Bundesgericht beurteilte insbesondere unter Berücksichtigung der Zusicherung der französischen Behörden, Art. 28 Abs. 2 DBA CH-FR einzuhalten, diesen Einwand und erwog, es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, die darauf schliessen liessen, dass Frankreich beabsichtige, das Spezialitätsprinzip oder die Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 28 Abs. 2 DBA CH-FR zu verletzen (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.5-7.9). Diese bundesgerichtliche Erwägung ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch im Zusammenhang mit den neu eingeführten Bestimmungen im französischen Recht massgebend (vgl. Urteile 2C_466/2022 vom 14. Juni 2022 E. 1.3; 2C_460/2022 vom 9. Juni 2022 E. 1.3; 2C_326/2022 vom 29. April 2022 E. 1.3; 2C_323/2022 vom 29. April 2022 E. 1.3; 2C_299/2022 vom 21. April 2022 E. 1.3). Folglich ist die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage beantwortet und stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG dar. 
 
2.  
In prozessualer Hinsicht beantragen die Beschwerdeführer, es sei in einer allfälligen öffentlichen Parteiverhandlung oder Urteilsberatung ihre Anonymität zu wahren und das Urteil sei vor einer allfälligen Publikation zu anonymisieren. 
Gemäss Art. 27 Abs. 1 BGG informiert das Bundesgericht die Öffentlichkeit über seine Rechtsprechung. Die Veröffentlichung der Entscheide hat grundsätzlich in anonymisierter Form zu erfolgen (vgl. Art. 27 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 133 I 106 E. 8.2 f.). Damit wird dem Prozessantrag der Beschwerdeführer zur Anonymisierung ausreichend Nachachtung verschafft (vgl. auch Urteile 2C_299/2022 vom 21. April 2022 E. 2; 2C_55/2022 vom 27. Januar 2022 E. 2). Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Gleiches gilt für den prozessualen Antrag der Beschwerdeführer mit Blick auf eine allfällige Parteiverhandlung oder Urteilsberatung, zumal eine solche nicht durchgeführt wird. 
 
3.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Juli 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger