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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_733/2021  
 
 
Urteil vom 8. Juli 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Arnold, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Leutrime Djaferri-Asani, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 3. Kammer, vom 30. Juni 2021 (ZSU.2021.67). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ betrieb ihren Vater A.________ mit Zahlungsbefehlen Nr. xxx und Nr. yyy des Betreibungsamts Beinwil/Freiamt für ausstehende Unterhaltszahlungen. A.________ erhob Rechtsvorschlag. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 15. März 2021 erteilte das Bezirksgericht Muri in den oben genannten Betreibungen für Fr. 75'800.-- nebst Zins zu 5 % seit 23. März 2020 (Betreibung Nr. xxx) und Fr. 6'100.-- nebst Zins zu 5 % seit 2. Juli 2020 (Betreibung Nr. yyy) die definitive Rechtsöffnung. 
 
C.  
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde von A.________ gegen den bezirksgerichtlichen Rechtsöffnungsentscheid mit Entscheid vom 30. Juni 2021 ab. 
 
D.  
A.________ ist mit Eingabe vom 14. September 2021 an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die vollumfängliche Abweisung der Gesuche um definitive Rechtsöffnung von B.________ (nachfolgend: Beschwerdegegnerin). Zudem stellt er ein Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Mit Präsidialverfügung vom 6. Oktober 2021 ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung - entgegen dem Antrag der Beschwerdegegnerin - zuerkannt worden. Die Beschwerdegegnerin ersucht für das Verfahren vor Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, in der Sache hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz über die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung im Gesamtbetrag von Fr. 81'900.-- befunden hat. Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Betreibungsschuldner vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer (Vater und Unterhaltsschuldner) hat im kantonalen Verfahren auf die am 13. Juli 2012 beim Bezirksgericht Baden gegen seine Ex-Frau eingereichte Abänderungsklage verwiesen. Er habe sich mit seiner Ex-Frau geeinigt, worauf das Bezirksgericht Baden das Verfahren mit Entscheid vom 13. Juni 2018 abgeschrieben habe. Demgegenüber ist die Vorinstanz zum Schluss gekommen, dass mit Bezug auf den Volljährigenunterhalt keine (aussergerichtliche oder gerichtliche) Vereinbarung zustande gekommen sei, welche das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Willisau vom 26. August 2010 abgeändert habe. Zudem sei fraglich, ob die Mutter der seit Ende November 2015 volljährigen Beschwerdegegnerin von dieser überhaupt bevollmächtigt worden sei. 
 
3.  
Die vom Beschwerdeführer beiläufig erhobene Rüge, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, geht fehl, hat sich die Vorinstanz zur vom Beschwerdeführer behaupteten Einigung auf eine Befristung der Kindesunterhaltsbeiträge bis zur Volljährigkeit der Beschwerdegegnerin doch ausführlich geäussert. Soweit darauf einzutreten ist, erweist sich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als unbegründet. 
 
4.  
Anlass zur Beschwerde gibt die die Frage, ob das Scheidungsurteil vom 26. August 2010 noch Grundlage für die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für den in Betreibung gesetzten Volljährigenunterhalt bilden kann. 
 
4.1. Das Urteil, welches ausdrücklich die Zahlung von Unterhalt über die Volljährigkeit hinaus anordnet, stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 SchKG dar, wenn es die geschuldeten Unterhaltsbeiträge betragsmässig festlegt und deren Dauer bestimmt. Die Fortgeltung der Zahlungspflicht über die Volljährigkeit hinaus bis zum Ende der Ausbildung muss im Urteil oder dem gerichtlich genehmigten Vergleich ausdrücklich angeordnet sein. Es muss darin klar zum Ausdruck kommen, dass dem Unterhaltsberechtigten ein definitiver Rechtsöffnungstitel für diesen Zeitabschnitt eingeräumt werden soll (BGE 144 III 193 E. 2.2 und E. 2.4.1).  
 
4.2. Diesen Anforderungen wird die vorliegend zu beurteilende Volljährigenunterhaltsklausel gerecht: Gemäss Ziffer 2.3 des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Willisau vom 26. August 2010 hat sich der Beschwerdeführer in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention dazu verpflichtet, an den Unterhalt der Beschwerdegegnerin bis zum Abschluss der Erstausbildung einen monatlichen, vorauszahlbaren und ab Verfall zu 5 % verzinslichen Betrag von Fr. 1'400.-- zuzüglich erhältlicher Kinder- und Ausbildungszulagen zu bezahlen. Dass der in Betreibung gesetzte Unterhalt einen Zeitraum betrifft, während dem die Beschwerdegegnerin sich noch in Erstausbildung befand, wird vom Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht mehr in Abrede gestellt.  
 
4.3. Den Einwand des Beschwerdeführers, der Unterhaltsanspruch der Beschwerdegegnerin, der in der gerichtlich genehmigten Scheidungsvereinbarung festgelegt wurde, sei in der Folge von den Parteien abgeändert bzw. bis zur Volljährigkeit befristet worden, hat die Vorinstanz zu Recht verworfen. Der Beschwerdeführer hat nicht einmal aufgezeigt, dass im gegen seine Ex-Frau eingeleiteten Abänderungsverfahren je thematisiert worden wäre, dass seine Unterhaltspflicht gegenüber der Beschwerdegegnerin mit deren Volljährigkeit enden soll und der Beschwerdeführer hat erst recht kein Dokument eingereicht, aus welchem hervorginge, dass die Beschwerdegegnerin auf die Geltendmachung von Unterhalt über die Ende November 2015 eingetretene Volljährigkeit hinaus verzichtet hat. So hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an das Bezirksgericht Baden vom 28. Mai 2018 die behauptete Einigung zwischen ihm und seiner Ex-Frau noch einmal dahingehend zusammengefasst, dass er ab 1. Dezember 2012 einen nachehelichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'400.-- sowie einen Kinderunterhaltsbeitrag von Fr. 1'400.-- zuzüglich erhältlicher Kinder-/Ausbildungszulagen zu bezahlen hat; auf eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beschwerdegegnerin bis zu deren Volljährigkeit wurde damit nicht einmal in den Eingaben an das Bezirksgericht Baden hingewiesen, die vom Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter selbst verfasst wurden. Die Mutter der Beschwerdegegnerin hat dem Bezirksgericht Baden ihrerseits mit Eingabe vom 19. März 2018 mitgeteilt, sie sei der Ansicht, die Regelung des Scheidungsurteils sei nach wie vor in Kraft. Damit aber vermag der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Feststellung, dass er im Zusammenhang mit dem vor Bezirksgericht Baden geführten Verfahren weder eine aussergerichtliche noch eine gerichtliche Vereinbarung nachzuweisen vermocht hat, die die hier interessierende Volljährigenunterhaltsklausel abgeändert hätte, nicht umzustossen. Der Beschwerdeführer kann seine Argumentation letztlich einzig darauf abstützen, dass die Beschwerdegegnerin die Unterhaltsbeiträge nicht sofort eingetrieben und diesbezüglich auch kein Strafverfahren wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten eingeleitet hat. Eine Zustimmung zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils mit Bezug auf die Dauer der Unterhaltspflicht (keine Volljährigenunterhaltsbeiträge mehr geschuldet) oder eine den streitgegenständlichen Betreibungen entgegenstehende schriftliche Stundungsvereinbarung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.  
 
4.4. Zur geltend gemachten Rechtsmissbräuchlichkeit hat die Vorinstanz festgehalten, dass die Dauer, während derer Forderungen eingetrieben werden können, primär durch die Verjährung (Art. 127 ff. OR) begrenzt werde. Im Verfahren betreffend definitive Rechtsöffnung könne das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs überdies nur in sehr eingeschränktem Umfang überprüft werden und die Rechtsmissbräuchlichkeit müsste sich liquide aus Urkunden ergeben. Vorliegend habe die Beschwerdegegnerin lediglich darauf verzichtet, die Unterhaltsbeiträge einzutreiben oder diesbezüglich ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer einzuleiten. Damit habe sie beim Beschwerdeführer jedoch kein berechtigtes Vertrauen geschaffen, dass sie die Unterhaltsbeiträge innerhalb der Verjährungsfrist nicht doch noch eintreiben würde. Auch diesen Erwägungen vermag der Beschwerdeführer nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen, wiederholt er doch im Wesentlichen lediglich seine Behauptung, es sei im Abänderungsverfahren vor dem Familiengericht Baden auch hinsichtlich des Kindesunterhalts eine Abänderung vereinbart worden. Diesbezüglich kann auf das vorstehend Gesagte (E. 4.3) verwiesen werden.  
 
4.5. Zu Recht nicht geprüft hat die Vorinstanz, ob dem Beschwerdeführer die Bezahlung von Volljährigenunterhaltsbeiträgen aufgrund des geltend gemachten Kontaktabbruchs zumutbar ist. Veränderungen im persönlichen Verhältnis zwischen dem rentenschuldenden Elternteil und dem Kind können nicht im Rechtsöffnungsverfahren eingewendet werden, sondern müssen im Abänderungsverfahren geltend gemacht werden (Urteile 5A_204/2017 vom 1. März 2018 E. 2.5, nicht publ. in: BGE 144 III 193; 5A_445/2012 vom 2. Oktober 2013 E. 4.4, in: SJ 2014 I S. 189; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 47c zu Art. 80 SchKG; MAIER, Entretien de l'enfant majeur - un état des lieux, JdT 2019 II S. 49).  
 
5.  
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat jedoch keine Parteientschädigung zu leisten, weil die Beschwerdegegnerin mit ihrem Antrag auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung unterlegen ist und ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein weiterer Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist gutzuheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Ihrer Rechtsvertreterin ist für die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten. Die Beschwerdegegnerin hat der Gerichtskasse hierfür Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage sein sollte (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Rechtsanwältin Leutrime Djaferri-Asani wird als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdegegnerin bestellt. 
 
4.  
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 500.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 3. Kammer, und dem Betreibungsamt Beinwil/Freiamt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Juli 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss