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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_175/2019  
 
 
Urteil vom 9. August 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
2. X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Schmid, 
3. Y.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (falsche Anschuldigung, unrechtmässige Aneignung usw.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 17. Dezember 2018 
(2N 18 107). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ erhob am 29. Juni 2017 Strafklage wegen falscher Anschuldigung, übler Nachrede, Verleumdung, unrechtmässiger Aneignung, Veruntreuung, Sachentziehung, unbefugter Datenbeschaffung, unbefugtem Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem sowie Datenbeschädigung. Die Klage richtete sich gegen X.________ und (mit Ausnahme der falschen Anschuldigung) gegen deren Ehemann Y.________.  
 
Die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern stellte beide Strafverfahren ein (Verfügung vom 11. Juli 2018). 
 
Dagegen erhob A.________ Beschwerde beim Kantonsgericht Luzern. Dieses wies das Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintrat (Beschluss vom 17. Dezember 2018). 
 
A.b. Am 26. April 2017 hatte X.________ Strafklage gegen A.________ eingereicht wegen mehrfacher sexueller Belästigung und Pornographie. Dieses Verfahren war im Zeitpunkt des Beschlusses vom 17. Dezember 2018 noch bei der Staatsanwaltschaft hängig.  
 
B.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss vom 17. Dezember 2018. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser die Einstellung des Strafverfahrens gegen X.________ wegen falscher Anschuldigung, unrechtmässiger Aneignung, Veruntreuung und Sachentziehung schütze. Das Strafverfahren sei in diesen Punkten weiterzuführen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Das trifft auf die Träger des Rechtsgutes zu, das durch die verletzte Strafnorm (mit-) geschützt ist. Die geschädigte Person kann adhäsionsweise Zivilforderungen geltend machen, die aus der Straftat abgeleitet werden (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO). In erster Linie handelt es sich dabei um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR. Der Privatkläger muss im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, kann auf das Rechtsmittel nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 mit Hinweisen).  
 
Was das Erfordernis einer potentiellen Auswirkung auf die Beurteilung von Zivilansprüchen angeht, bringt der Beschwerdeführer vor, er habe sich bereits in der Strafklage vom 29. Juni 2017 Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung vorbehalten. Im Hinblick auf die angezeigte falsche Anschuldigung beziffert er eine Forderung auf Genugtuung und behält sich eine (noch zu beziffernde) Forderung auf Schadenersatz wegen beruflicher Rufschädigung vor. Mit Blick auf die fraglichen Vermögensdelikte nennt er eine bezifferte Forderung auf Schadenersatz für bestimmte Gegenstände und Datenträger. Die Eintretensvoraussetzung von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist demnach erfüllt. 
 
 
1.2. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 30. Juni 2019 ist verspätet und aus dem Recht zu weisen (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Die Staatsanwaltschaft verfügt gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO u.a. die Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b). Ein Verfahren darf grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen eingestellt werden. Sofern nicht die Erledigung mit einem Strafbefehl in Frage kommt, ist Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (Grundsatz  in dubio pro duriore). Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Der Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 S. 243 mit Hinweisen).  
 
3.   
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Verfahrenseinstellung bezüglich falscher Anschuldigung (Art. 303 StGB) zu Unrecht geschützt. Das von X.________ gegen ihn angehobene Strafverfahren wegen sexueller Belästigung und Pornographie sei hängig. Die Vorwürfe seien falsch. Die Einstellung des Gegenverfahrens wegen falscher Anschuldigung erfolge verfrüht. Ob die Beschwerdegegnerin unzutreffende Vorwürfe wider besseres Wissen erhoben habe, könne erst entschieden werden, wenn (im anderen Verfahren) geklärt sei, ob ihre Vorwürfe zuträfen. Die streitgegenständliche Verfahrenseinstellung komme daher einer Rechtsverweigerung gleich und sei willkürlich. Der angefochtene Entscheid habe zur Folge, dass er erneut Strafklage einreichen müsste, wenn sich im pendenten Strafverfahren gegen ihn herausstellen sollte, dass die Anschuldigung ganz oder teilweise zu Unrecht erfolgte. Statt einer Einstellung des Verfahrens wegen falscher Anschuldigung sei eine Sistierung geboten. 
 
Die Vorinstanz erwägt, der subjektive Tatbestand von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfordere Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit der Beschuldigung. Der Täter müsse wissen, dass er etwas Falsches behaupte. Sie schliesst sich der Auffassung der Staatsanwaltschaft an, im Zeitpunkt, zu welchem die Beschuldigte gegen den Privatkläger Strafanzeige wegen mehrfacher sexueller Belästigung und Pornographie eingereicht habe, sei die Schuldfrage offen gewesen. Diese bilde ja gerade Gegenstand des pendenten Strafverfahrens. Unter diesen Umständen könne der Beschuldigten kein Handeln wider besseres Wissen vorgeworfen werden (Einstellungsverfügung vom 11. Juli 2018 E. 5.2; angefochtener Beschluss E. 5.2 f.). 
 
Staatsanwaltschaft und Vorinstanz verweisen auf BGE 136 IV 170. Dort erwägt das Bundesgericht, die Tathandlung der falschen Anschuldigung richte sich gegen eine Person, die in Bezug auf die behauptete Straftat nichtschuldig ist. Nichtschuldig ist, wer die strafbare Handlung nicht begangen hat, also auch die Person, deren Nichtschuld - vorbehältlich einer Wiederaufnahme des Verfahrens - durch Freispruch oder Einstellungsbeschluss verbindlich festgestellt worden ist (BGE 136 IV 170 E. 2.1 S. 176). In diesem Präjudiz hat das Bundesgericht eine  Verurteilung wegen falscher Anschuldigung aufgehoben mit der Begründung, die Frage von Schuld oder Nichtschuld sei im Zeitpunkt der Anzeigeerstattung (dort wegen Amtsmissbrauch, hier wegen sexueller Belästigung) noch nicht in einem Strafverfahren geklärt worden, diese Frage habe vielmehr gerade Gegenstand des aufgrund der Strafanzeige eröffneten Verfahrens gebildet. Die Strafanzeige erfülle gegebenenfalls den Tatbestand der falschen Anschuldigung, wenn die Nichtschuld der Drittperson in einem früheren Verfahren festgestellt wurde (BGE 136 IV 170 E. 2.2 S. 177). Vorliegend ist das von X.________ initiierte Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen sexueller Belästigung hängig. Eine solche Situation steht - wie in BGE 136 IV 170 - einer Verurteilung wegen falscher Anschuldigung vorläufig entgegen, lässt die Möglichkeit eines strafbaren Verhaltens aber nicht im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. a oder b StPO definitiv entfallen. Eine Anzeige wegen falscher Anschuldigung setzt nicht voraus, dass die Unschuld im anderen Verfahren bereits rechtskräftig festgestellt worden ist. Sollte sich im hängigen Verfahren ergeben, dass die Vorwürfe ganz oder teilweise begründet sind, so entfällt ein nach Art. 303 StGB strafbares Verhalten jedenfalls im entsprechenden Umfang. Erweisen sich die Vorwürfe dagegen als unbegründet, so kommt es u.a. darauf an, ob sie in Kenntnis ihrer Unbegründetheit erhoben worden sind; eine zu Unrecht erfolgte Beschuldigung ist freilich nicht notwendig mit einer falschen Anschuldigung gleichzusetzen (vgl. BGE 136 IV 170 E. 2.2 S. 177).  
 
Der Einstellungsbeschluss erfolgte daher in diesem Punkt zu Unrecht. 
 
4.   
 
4.1. Was die Vermögensdelikte angeht, rügt der Beschwerdeführer einmal, die Vorinstanz begehe den Fehler, "die Sachentziehung nach Art. 141 StGB wegen fehlenden Aneignungswillens abzulehnen". So verhält es sich aber nicht: In E. 6.4 des angefochtenen Beschlusses führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer lege nicht dar und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beschuldigten die fraglichen Gegenstände "entzogen" haben sollen (S. 7 f.; vgl. auch S. 6 f. E. 6.2). Um eine Aneignungshandlung resp. einen entsprechenden Willen geht es ausschliesslich im Zusammenhang mit den Tatbeständen der unrechtmässigen Aneignung (Art. 137 StGB) und der Veruntreuung (Art. 138 StGB).  
 
Soweit der Beschwerdeführer pauschal Erwägungen des angefochtenen Beschlusses als unbegründet und unsubstantiiert kritisiert, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 42 Abs. 2 BGG). Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz allein beurteilen musste, ob ein Einstellungsgrund nach Art. 319 StPO gegeben ist. Nicht auf das Rechtsmittel einzutreten ist auch, wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Vorbringen, eine Aufhebungsvereinbarung sehe die Rückgabe von Gegenständen vor, rügt, er dürfe von Staatsanwaltschaft und Beschwerdeinstanz nicht dazu angehalten werden, "von zweifelsfrei in den Akten befindlichen Dokumenten an[zu]geben, wo dies sei". Der Beschwerdeführer setzt sich nicht mit der vorinstanzlichen Feststellung auseinander, er lege nicht dar, inwiefern eine andere Sachverhaltslage den Verfahrensausgang beeinflussen würde (angefochtener Beschluss, S. 7 E. 6.3). 
 
 
4.2. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob die Vorinstanz mit Bezug auf die angezeigten Vermögensdelikte zu Recht davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer sei nicht Eigentümer der erwähnten Gegenstände und diesbezüglich von vornherein nicht zur Strafklage legitimiert gewesen, soweit die strittigen Gegenstände im Eigentum der Firma B.________ GmbH gestanden seien.  
 
5.   
Der Beschwerdeführer beschränkt den sachlichen Umfang seines Rechtsmittels unmissverständlich auf die Anfechtung der Einstellung betreffend falsche Anschuldigung, unrechtmässige Aneignung, Veruntreuung und Sachentziehung. Auf seine Ausführungen ist daher nicht einzutreten, soweit sie sich auf die vorinstanzlichen E. 7.2-7.4 beziehen. Dort geht es um die - nicht mehr streitgegenständlichen - Tatbestände der unbefugten Datenbeschaffung, des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem und der Datenbeschädigung. 
 
6.   
 
6.1. Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und der angefochtene Beschluss in diesem Umfang (oben E. 3) aufzuheben. Die Sache ist zum Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da dies die Beurteilung in der Sache nicht präjudiziert und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot (Art. 29 Abs. 1 BV) wird auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet (vgl. Urteil 6B_151/2019 vom 17. April 2019 E. 5).  
 
6.2. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer einen angemessenen Teil der Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Luzern sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist keine Parteientschädigung zuzusprechen; er macht keine besonderen Verhältnisse oder Auslagen geltend, die eine solche rechtfertigen könnten (vgl. BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 125 II 518 E. 5b S. 519).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 17. Dezember 2018 wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer trägt reduzierte Gerichtskosten im Umfang von Fr. 2'000.--. 
 
3.   
Es wird keine Entschädigung zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. August 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub