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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_863/2022  
 
 
Urteil vom 9. November 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde B.________/UR. 
 
Gegenstand 
Quellensteuern des Kantons Uri, Steuerperiode 2020; Verrechnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 23. September 2022 (OG V 21 57). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die A.________ GmbH (nachfolgend: die Schuldnerin der steuerbaren Leistung) hat Sitz in C.________/UR. Sie beschäftigt allem Anschein nach Personen, die der Quellensteuer unterliegen. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2020 verpflichtete die Einwohnergemeinde B.________/UR die Schuldnerin der steuerbaren Leistung (siehe dazu Art. 88 bzw. 100 DBG und Art. 32, 35 und 37 StHG) zur Leistung von Quellensteuern in der Höhe von Fr. 452.--. Der Rechtsmittelbelehrung zufolge stand der Beschwerdeweg an die Einwohnergemeinde B.________/UR offen.  
Am 22. Dezember 2020 erhob die Schuldnerin der steuerbaren Leistung beim Gemeinderat von B.________/UR Verwaltungsbeschwerde. Sie beantragte, die Forderung aus Quellensteuern von Fr. 452.-- sei mit ihren eigenen (zivilrechtlichen) Forderungen gegenüber der Einwohnergemeinde B.________/UR in Höhe von Fr. 3'375.-- zu verrechnen und der Saldo von Fr. 2'923.-- sei ihr zu erstatten. Die Gemeinde unterrichtete die Schuldnerin der steuerbaren Leistung darüber, dass die angebliche Gegenforderung bestritten sei und mit der Quellensteuerforderung nichts zu tun habe. 
Nach verschiedenen Korrespondenzen überwies die Einwohnergemeinde B.________/UR zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt die Verwaltungsbeschwerde vom 22. Dezember 2020 an die Steuerkommission des Kantons Uri weiter. Diese hörte die Schuldnerin der steuerbaren Leistung am 27. Mai 2021 an und teilte der Gemeinde am 27. Mai 2021 mit, dass Bestand und Höhe der Quellensteuerforderung nicht bestritten seien. Streitig sei einzig die Frage der Verrechnung, deren Beurteilung aber in der Kompetenz der Gemeinde liege, weshalb die Sache an diese "retourniert" werde. 
Mit Verfügung vom 29. Juni 2021 trat der Gemeinderat von B.________/UR auf die Verwaltungsbeschwerde vom 22. Dezember 2020 nicht ein. Die Begründung ging dahin, dass der Schuldnerin der steuerbaren Leistung keine liquide Forderung gegen die Gemeinde zustehe. 
 
1.2. Die Schuldnerin der steuerbaren Leistung gelangte am 20. Juli 2021 mit Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Uri. Mit Beschluss 2021-647 vom 8. November 2021 wies dieser die Beschwerde ab.  
Daraufhin wandte die Schuldnerin der steuerbaren Leistung sich an das Obergericht des Kantons Uri. Dessen verwaltungsrechtliche Abteilung wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit ausführlich motiviertem Urteil OG V 21 57 vom 23. September 2022 ab. Das Obergericht erwog, dass Streitgegenstand einzig das Nichteintreten der Einwohnergemeinde B.________/UR in deren Verfügung vom 29. Juni 2021 sei. Hierzu sei zu beachten, dass der Bezug der Quellensteuern bis Ende 2020 in den Händen der Einwohnergemeinde gelegen habe, seither aber Sache des Amtes (des Kantons Uri) für Finanzen sei (Art. 2 Abs. 2 lit. f des Reglements [des Kantons Uri] vom 4. Dezember 2018 über den allgemeinen Steuerbezug und das Abrechnungsverfahren [BezR/UR; RB 3.2219] in der Fassung vom 17. November 2020, in Kraft seit 1. Januar 2021). 
Die Frage der Verrechnung, fuhr das Obergericht fort, habe in der Nichteintretensverfügung vom 29. Juni 2021 nicht thematisiert werden müssen, zumal nicht gesagt werden könne, dass es sich bei der Quellensteuer um einen gemeindeeigenen Anspruch handle. Denn der Anteil der Gemeinde werde nicht im Rahmen des Bezugs festgesetzt (Art. 124 des Gesetzes [des Kantons Uri] vom 26. September 2010 über die direkten Steuern im Kanton Uri [StG/UR; RB 3.2211] in Verbindung mit Art. 25 des Reglements [des Kantons Uri] vom 17. November 2020 über die Quellensteuer und das vereinfachte Abrechnungsverfahren [QStR/UR; RB 3.2214]). 
Schliesslich sei der Schuldnerin der steuerbaren Leistung durch die falsche Rechtsmittelbelehrung in der Verfügung vom 15. Dezember 2020 (Einwohnergemeinde anstelle der zuständigen Steuerkommission) kein Rechtsnachteil erwachsen. Die Gemeinde habe sie zutreffend über die Rechtslage in Kenntnis gesetzt, was es der Schuldnerin der steuerbaren Leistung erlaubt hätte, ihre Eingabe zurückzuziehen. 
 
2.  
Die Schuldnerin der steuerbaren Leistung gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Oktober 2022 an das Bundesgericht. Sie scheint beantragen zu wollen, dass die Sache in Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 23. September 2022 zur materiellen Behandlung an die Einwohnergemeinde B.________/UR zurückzuweisen sei. Sie bezieht sich dabei auf die Anhörung vom 25. Mai 2021 vor der Steuerkommission des Kantons Uri und äussert sich insbesondere zu Art. 125 Ziff. 3 OR. Sowohl die Gemeinde als auch die Steuerkommission hätten die "gesetzlich festgeschriebene Unverrechenbarkeit von Steuerforderungen" übersehen. 
Das Bundesgericht hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel gemäss Art. 102 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.100), abgesehen. 
 
3.  
 
3.1. Rechtsschriften an das Bundesgericht haben einen Antrag, eine Begründung und die Beweismittel zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Die Begründung hat sich auf den Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens zu beziehen, der durch die Anträge umschrieben wird (BGE 144 II 359 E. 4.3). Der Streitgegenstand kann vor Bundesgericht, verglichen mit dem vorinstanzlichen Verfahren, zwar eingeschränkt (minus), nicht aber ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1). In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, dass und inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
3.2. Rein kantonales oder kommunales Recht stellt im bundesgerichtlichen Verfahren, von hier nicht entscheidwesentlichen Ausnahmen abgesehen (Art. 95 lit. c und d BGG), keinen eigenständigen Beschwerdegrund dar. Das Bundesgericht prüft solches Recht nur daraufhin, ob dessen Auslegung und/oder Anwendung zur Verletzung von Bundesrecht führt (BGE 147 I 259 E. 1.3.1; 147 IV 433 E. 2.1; 146 I 11 E. 3.1.2; 146 II 367 E. 3.1.5; 145 I 108 E. 4.4.1). Zum Bundesrecht in diesem Sinn zählen auch die verfassungsmässigen Individualrechte. Bei der Überprüfung des rein kantonalen oder kommunalen Rechts steht regelmässig die Prüfung des allgemeinen Willkürverbots (Art. 9 BV) im Vordergrund (BGE 146 I 11 E. 3.1.3; zur Willkür in der Rechtsanwendung namentlich BGE 148 III 95 E. 4.1).  
 
3.3. Die Verletzung von verfassungsmässigen Individualrechten prüft das Bundesgericht in jedem Fall nur, soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person hat daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 148 I 127 E. 4.3; 147 I 478 E. 2.4 Ingress; 147 IV 453 E. 1 Ingress; 146 I 62 E. 3; 146 IV 114 E. 2.1). Fehlt es an einer derartigen Begründung, so ist auf die Rüge nicht einzutreten (BGE 148 I 104 E. 1.5; 148 IV 39 E. 2.3.5).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hat ihre Überlegungen zur Hauptsache auf Art. 2 Abs. 2 lit. f BezR/UR und Art. 25 QStR/UR gestützt (vorne E. 1.3). Dabei handelt es sich um rein kantonales Recht. Die Kognition des Bundesgerichts beschränkt sich diesfalls auf die Prüfung der Verletzung von Bundesrecht, wobei die Willkür in der Rechtsanwendung im Vordergrund steht (vorne E. 2.2). Dementsprechend hätte die Beschwerdeschrift den Anforderungen der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit zu genügen (vorne E. 2.3).  
Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass eine Laienbeschwerde vorliegt, weswegen die formellen Anforderungen praxisgemäss niedriger angesetzt werden (Urteil 2C_803/2022 vom 13. Oktober 2022 E. 3.3), unterbleibt indes jede rechtsgenügliche Auseinandersetzung mit dem Streitgegenstand, was aber unerlässlich wäre, damit das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid, der das Nichteintreten bestätigt, prüfen könnte. 
So genügt es namentlich nicht, auf frühere Rechtsschriften zu verweisen, wie die Schuldnerin der steuerbaren Leistung dies tut. Sie hätte den angefochtenen Entscheid insbesondere unter dem Verfassungsgesichtspunkt zu beanstanden gehabt. Entsprechend geht es nicht darum "weitere Wiederholungen zu vermeiden", war der Verfassungsfrage im vorinstanzlichen Verfahren doch nicht zwingend nachzugehen. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten stellt jedenfalls keine hinreichende Begründung dar (BGE 147 II 125 E. 10.3; 144 V 173 E. 3.2.2). 
 
4.2. Selbst wenn auf die Beschwerde eingetreten werden könnte, wäre diese nicht gutzuheissen, wie zu zeigen ist.  
 
4.2.1. Die einzigen materiellen Ausführungen in der Beschwerdeschrift betreffen den Inhalt von Art. 125 Ziff. 3 OR. Dabei verliert die Steuerpflichtige aus den Augen, dass diese Norm von der Vorinstanz zu Recht nicht angewandt worden ist. Denn dieser Norm zufolge lassen sich Verpflichtungen gegen das Gemeinwesen aus öffentlichem Recht "wider den Willen des Gläubigers" (hier: Kanton Uri) durch Verrechnung nicht tilgen. Die Rechtsunterworfenen können folglich ihre Verpflichtungen aus öffentlichem Recht nur mit Zustimmung des Gemeinwesens verrechnen, unabhängig davon, ob ihre Gegenforderung dem privaten oder dem öffentlichen Recht entstammt (Urteile 5A_703/2019 vom 27. April 2020 E. 4.2; 2C_432/2010 vom 9. November 2010 E. 4.2; 6B_194/2008 vom 11. August 2008 E. 8.3; 5P.427/1996 vom 11. Dezember 1996 E. 4a; BGE 111 Ib 150 E. 3; 110 V 183 E. 3; 107 Ib 98 E. 7a; 107 III 139 E. 2; 106 Ib 93 E. 8a; 96 I 673 E. 4; 91 I 292 E. 2; 85 I 157 E. 2; 72 I 372 E. 3; 71 I 287 E. 5). Dies drückt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz aus. Die Verrechnungsmöglichkeit der rechtsunterworfenen Person, die eine öffentlich-rechtliche Forderung schuldet, ist eingeschränkt, während es dem Gemeinwesen freisteht, zu verrechnen, sofern nur die Voraussetzungen von Art. 120 ff. OR erfüllt sind (so schon BGE 85 I 157 E. 2; 71 I 287 E. 5).  
 
4.2.2. Wenn die Schuldnerin der steuerbaren Leistung nun vor Bundesgericht der Gemeinde und der Steuerkommission sinngemäss vorwirft, die Tragweite dieser Norm nicht beachtet zu haben, so kann sie aus Art. 125 Ziff. 3 OR von vornherein nichts zu ihren Gunsten ableiten. Der Vorwurf, sowohl die Gemeinde als auch die Steuerkommission hätten die "gesetzlich festgeschriebene Unverrechenbarkeit von Steuerforderungen" übersehen, verkehrt den Normgehalt vielmehr ins Gegenteil. Wie dargestellt, geht aus Art. 125 Ziff. 3 OR ein Privileg der öffentlichen Hand hervor, die ihrerseits eine Forderung aus öffentlichem Recht geltend macht. Gegen den Willen des Gemeinwesens kann in einem solchen Fall weder eine zivilrechtliche noch eine öffentlich-rechtliche Gegenforderung der rechtsunterworfenen Person zur Verrechnung gebracht werden.  
 
4.3. Zusammenfassend ist auf die Eingabe nicht einzutreten.  
 
5.  
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Schuldnerin der steuerbaren Leistung aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Kanton Uri, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Entschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher