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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_251/2022  
 
 
Urteil vom 11. Juli 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Michèle Epprecht, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons 
Röntgenstrasse 17, 8005 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Februar 2022 (IV.2021.00495). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1979 geborene A.________ war zuletzt seit 15. April 2016 als selbstständiger Carrosseriespengler tätig gewesen. Am 17. Januar 2020 meldete er sich unter Hinweis auf Kopf- und Nackenschmerzen sowie Konzentrationsstörungen zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte in der Folge unter anderem die Berichte der behandelnden Ärzte und die Akten der Krankentaggeldversicherung ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 18. Juni 2021. 
 
B.  
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 11. Februar 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalgerichtlichen Urteils sei die Sache zur Durchführung weiterer medizinischer Abklärungen, insbesondere zur Einholung eines Gerichtsgutachtens, und anschliessend neuem Entscheid über das Leistungsbegehren an das kantonale Gericht zurückzuweisen; eventualiter sei die Angelegenheit zwecks Durchführung weiterer medizinischer Abklärungen, insbesondere Einholung eines Gutachtens, und anschliessender Neuentscheidung über den Leistungsanspruch an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Es ist kein Schriftenwechsel durchgeführt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 18. Juni 2021 verfügte Rentenablehnung bestätigte. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG) und zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 137 V 210 E. 6.2.2; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a). Darauf wird verwiesen.  
 
3.2.2. Zu betonen ist, dass den Berichten versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen praxisgemäss nicht dieselbe Beweiskraft zukommt wie einem gerichtlichen oder im Verfahren nach Art. 44 ATSG vom Versicherungsträger veranlassten Gutachten unabhängiger Sachverständiger. Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens erledigt werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 145 V 97 E. 8.5 in fine; 139 V 225 E. 5.2; 135 V 465 E. 4.4).  
 
4.  
 
4.1. Im angefochtenen Urteil wird nach eingehender Würdigung der medizinischen Aktenlage festgestellt, die Ausführungen des Dr. med. B.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 19. Oktober 2020 und 31. Mai 2021 seien überzeugend. Er habe schlüssig dargelegt, dass die bisherige Tätigkeit aufgrund der oft gebückten oder verdrehten Rumpf- und Kopfhaltung nur noch zwei Stunden täglich zumutbar sei, während eine körperlich ausschliesslich leichte, rückenschonende und vorwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeit jedoch zu 80 % möglich sei. Diese Einschätzung stehe im Einklang mit der Beurteilung des behandelnden Dr. med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, wonach die angestammte Tätigkeit körperlich streng sei und Bewegungen der Halswirbelsäule - der Kopf müsse bei der Arbeit sehr weit rekliniert und inkliniert werden - zu Schmerzen führen würden. Deshalb habe Dr. med. C.________ einen Berufswechsel zu leichten Tätigkeiten empfohlen. Nicht nachvollziehbar sei hingegen, aus welchem Grund der behandelnde Arzt davon ausgehe, dass Tätigkeiten im Sitzen die Nackenbeschwerden deutlich verstärken würden. Im Übrigen stehe diese Aussage im Widerspruch zu seinen früheren Berichten, worin er angegeben habe, dass die Arbeitsunfähigkeit im angestammten Bereich auf die schwere körperliche Betätigung zurückzuführen sei. Eine Begründung, weshalb sich Nackenbeschwerden in einer Tätigkeit, die den Nacken nicht belaste, verstärken sollten, fehle. Der auf der Basis einer 80%igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Verweistätigkeit vorgenommene Einkommensvergleich ergebe einen Invaliditätsgrad von 20 %, weshalb die IV-Stelle einen Rentenanspruch zu Recht verneint habe.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer lässt geltend machen, die Vorinstanz hätte hinsichtlich des Gesundheitszustandes und insbesondere der damit zusammenhängenden Arbeits- und Leistungsfähigkeit in einer angepassten Beschäftigung weitere Abklärungen tätigen müssen. Indem sie trotz des letztlich unklaren Beweisergebnisses auf entsprechende Abklärungen verzichtet habe, habe sie den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Das angefochtene Urteil basiere demnach auf einem rechtsfehlerhaften, weil unvollständig und teilweise sogar unzutreffend festgestellten Sachverhalt. Im Lichte des Untersuchungsgrundsatzes müsse die (Rest-) Arbeitsfähigkeit als relevante Tatsache zwingend ermittelt werden, bevor über den Leistungsanspruch entschieden werde.  
 
5.  
Die Einwände des Beschwerdeführers beziehen sich insbesondere auf den Umstand, dass die Vorinstanz ihren Entscheid einzig bzw. überwiegend auf die aktenbasierten Stellungnahmen des RAD-Arztes Dr. med. B.________ abgestützt hat. Er räumt allerdings selber ein, dass Verwaltung und Sozialversicherungsgericht ihre Entscheide im Rahmen der freien Beweiswürdigung grundsätzlich einzig oder im Wesentlichen auf versicherungsinterne Entscheidgrundlagen stützen dürfen (vgl. dazu E. 3.2.2 hievor). Im vorliegenden Fall hat sich die Vorinstanz einlässlich mit den vorhandenen ärztlichen Unterlagen auseinandergesetzt und festgestellt, die Einschätzung des RAD-Arztes zur Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Verweistätigkeit sei nicht zu beanstanden. 
 
5.1. An diesem Schluss vermag die Rüge, entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts sei nach Ansicht des Dr. med. C.________ in seinem Bericht vom 14. März 2021 gerade eine Tätigkeit, die im Sitzen zu verrichten sei, für den Nackenbereich belastend, nichts zu ändern. Dr. med. C.________ ist in besagtem Bericht, wonach der Beschwerdeführer "in seiner angestammten Tätigkeit" momentan zu 80 % arbeitsunfähig sei und eine "sitzende Tätigkeit nicht absolvieren" könne, ausdrücklich von der bisherigen Beschäftigung als Carrosseriespengler ausgegangen. Diese Tätigkeit ist von ihm an anderer Stelle als körperlich streng, mit sehr weitem Reklinieren und Inklinieren des Kopfes, eingestuft worden (Bericht vom 19. März 2020). Ob er sich mit seinem Hinweis vom 14. März 2021, wonach sich die Beschwerden im Sitzen deutlich verstärken würden, auch auf optimal angepasste, im Sitzen zu verrichtende Arbeiten beziehen wollte, bleibt insbesondere auch mit Blick auf den Umstand, dass er selber einen Berufswechsel in einen Bürojob empfohlen hatte (u.a. Bericht vom 10. November 2019), unklar. Vor diesem Hintergrund ist nicht einzusehen, aus welchem Grund die Vorinstanz bei feststehender Diagnose (Spinalkanalstenose) an der Einschätzung des Dr. med. B.________ (ebenso wie Dr. med. C.________ ist auch er Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates), wonach in einer körperlich ausschliesslich leichten, rückenschonenden, vorwiegend im Sitzen zu verrichtenden Tätigkeit, allenfalls an einem ergonomisch gestalteten Büroarbeitsplatz, eine mindestens 80%ige Arbeitsfähigkeit möglich sei, hätte zweifeln sollen. Es ist zwar offensichtlich und es kann dem Beschwerdeführer im Grundsatz insoweit beigepflichtet werden, dass eine permanente Tätigkeit im Sitzen, ohne die Möglichkeit zwischendurch die Position zu wechseln, die Halswirbelsäule (HWS) ebenfalls belastet, dies allerdings in ungleich geringerem Ausmass als die Arbeit als Carrosseriespengler, die forcierte Kopfstellungen in ausgeprägter Re- und Inklination erfordert. Geringere Belastungen der HWS und insbesondere frei wählbare Körperpositionen führen folglich nachvollziehbar zu grösserer Leistungsfähigkeit. Dies stellte auch Dr. med. C.________ - implizit - nicht in Abrede, der in einer Verweistätigkeit, obgleich ohne jede weitere Begründung, von einer drei- bis vierstündigen Arbeitsfähigkeit pro Tag ausging (in der Beschäftigung als Carrosseriespengler demgegenüber nur von einer solchen von zwei Stunden pro Tag; Bericht vom 19. März 2020).  
 
5.2. Sodann wendet der Beschwerdeführer ein, im angefochtenen Urteil und in der Folge auch in den RAD-Stellungnahmen werde die Kopfschmerzproblematik, die in einer angepassten Tätigkeit hinsichtlich Arbeits- und Leistungsfähigkeit ebenso von Relevanz sei, in keiner Weise berücksichtigt. Dabei ist zu differenzieren. Im Fokus standen anfangs Nacken- und gelegentliche Kopfschmerzen (Bericht des Dr. med. C.________ vom 30. März 2019), die später gleichwertig als Einschränkungen beschrieben wurden (Stellungnahme des Dr. med. C.________ vom 19. März 2020). Bei gleicher Schmerzursache (vor allem forcierte HWS-Bewegungen) ist es schlüssig, dass bei optimal angepasster Tätigkeit neben den Nackenbeschwerden auch die Kopfschmerzen zurückgehen - mit den gleichen positiven Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit - so dass die Forderung des Beschwerdeführers nach separater Würdigung der Kopfschmerzproblematik ins Leere zielt. Daneben wurde später von Dr. med. D.________, Fachärztin für Neurologie, bezüglich zunehmender Kopfschmerzen mit etwas anderer Ausprägung ein Verdacht auf Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz diagnostiziert und es wurde empfohlen, einen ambulanten Medikamentenentzug (Analgetika) durchzuführen, für den sich der Beschwerdeführer motiviert gezeigt hatte (Bericht vom 4. Juni 2020). Bezüglich letzterer Kopfschmerzproblematik kann nicht von einem invaliditätsrelevanten Dauerschaden ausgegangen werden, der bezüglich der Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit weiter abklärungsbedürftig wäre.  
 
5.3. Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz berufe sich auf einen in tatsachenwidriger und offensichtlich unrichtiger Weise festgestellten Sachverhalt, soweit sie konstatiere, die Beurteilung des Dr. med. C.________, wonach in einer sitzenden Tätigkeit ebenfalls eine Einschränkung gegeben sei (bzw. eine sitzende Tätigkeit nicht absolviert werden könne und sich die Beschwerden im Sitzen deutlich verstärken würden; Bericht vom 14. März 2021), stehe in Widerspruch zu seinen früheren Berichten. Ob es mit dem kantonalen Gericht als Widerspruch dazu zu werten ist, dass Dr. med. C.________ in früheren Berichten einen Berufswechsel in einen Bürojob empfohlen hatte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es zumindest unstimmig, zunächst eine Bürotätigkeit zu empfehlen und später anzugeben, eine sitzende Tätigkeit (sei damit nun die bisherige Beschäftigung als Carrosseriespengler oder eine Verweistätigkeit gemeint; vgl. dazu E. 5.1 hiervor) könne nicht absolviert werden. Der Vorinstanz sind in diesem Zusammenhang jedenfalls keine tatsachenwidrigen Sachverhaltsfeststellungen vorzuwerfen. Massgeblich ist, dass Dr. med. C.________ keinerlei Erklärung abgibt, weshalb gemäss seiner Einschätzung vom 14. März 2021 im Sitzen zu verrichtende Tätigkeiten die Beschwerden verstärken sollten. Damit lässt sich nicht beanstanden, dass das kantonale Gericht im Ergebnis keine (und damit auch keine geringen) Zweifel an der Einschätzung des RAD-Arztes hatte.  
 
6.  
Zusammenfassend lassen die Einwendungen des Beschwerdeführers weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch deuten sie sonst wie auf eine Bundesrechtsverletzung hin. Soweit rechtserheblich, ist das kantonale Gericht seiner Verpflichtung zu umfassender Sachverhaltsermittlung in jeder Hinsicht nachgekommen und durfte in antizipierender Beweiswürdigung (BGE 141 I 60 E. 3.3; 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen) von weiteren medizinischen Abklärungen absehen. Weiterungen zur letztinstanzlich nicht bestrittenen Invaliditätsbemessung erübrigen sich (vgl. E. 1 hiervor). Die Beschwerde ist abzuweisen. 
 
7.  
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 ATSG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Juli 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz