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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_37/2022  
 
 
Urteil vom 11. August 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt MLaW Marco Forte, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 2. Dezember 2021 (EO 2021/3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1996) erwarb im Juni 2017 das eidgenössische Fähigkeitszeugnis "Kaufmann Erweiterte Grundbildung mit Berufsmatura" der Handelsmittelschule. Vom 15. Januar 2018 bis zum 10. November 2019 leistete er 668 Tage Durchdienerdienst (Rekrutenschule, Unteroffiziersschule, Offiziersschule). Während der Grundausbildung als Rekrut (15. Januar bis 18. Mai 2018) bezog er Erwerbsausfallentschädigung von Fr. 62.- pro Tag, während der Gradänderungsdienste (19. Mai 2018 bis 10. November 2019) ein Taggeld von Fr. 91.-, entsprechend dem Minimalansatz für Durchdienerkader. 
 
Am 16. Juni 2020 beantragte A.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, die Entschädigung sei anhand eines orts- und branchenüblichen Jahreseinkommens von Fr. 60'091.- (Salär nach Funktion und Altersgruppe gemäss Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie [SwissMEM]) zu bemessen und nachträglich auszubezahlen. Nach Ableistung des Durchdienerdienstes habe er bei der B.________ AG eine Stelle zu 80 Prozent angetreten und erziele dort ein Erwerbseinkommen von (hochgerechnet auf 100 Prozent) Fr. 58'968.75. 
 
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen verneinte die Voraussetzungen für die beantragte Bemessungsgrundlage (Verfügung vom 17. Juni 2020). Daran hielt sie auf Einsprache hin im Ergebnis fest (Entscheid vom 5. Januar 2021). 
 
B.  
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid ab (Entscheid vom 2. Dezember 2021). 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, nach Aufhebung des angefochtenen Entscheids und des Einspracheentscheids sei ihm für die Zeit vom 19. Mai 2018 bis zum 10. November 2019 eine Erwerbsausfallentschädigung basierend auf einem Jahreslohn von Fr. 60'091.- zuzusprechen. 
 
Ausgleichskasse und Aufsichtsbehörde verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Strittig ist, ob die Erwerbsausfallentschädigung des Beschwerdeführers für die Zeit der Gradänderungsdienste vom 19. Mai 2018 bis zum 10. November 2019 nach den Ansätzen für Nichterwerbstätige oder denjenigen für Erwerbstätige zu bemessen ist.  
 
1.2. Als sogenannter Durchdiener erfüllte der Beschwerdeführer seine Ausbildungsdienstpflicht (Grundausbildung und Gradänderungsdienste) ohne Unterbrechung vom 15. Januar 2018 bis 10. November 2019 (vgl. Art. 54a des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung [Militärgesetz, MG; SR 510.10]; Art. 47 und Art. 63 Abs. 3 der Verordnung vom 22. November 2017 über die Militärdienstpflicht [VMDP; SR 512.21]).  
 
1.3. Personen, die in der schweizerischen Armee Dienst leisten, haben für jeden besoldeten Diensttag Anspruch auf eine Erwerbsausfallentschädigung (Art. 1a Abs. 1 EOG [SR 834.1]). Während der Grundausbildung von Durchdienenden beträgt die tägliche Grundentschädigung 25 Prozent des Höchstbetrags der Gesamtentschädigung (Art. 9 Abs. 1 und Art. 16a EOG). Während Gradänderungsdiensten beträgt die tägliche Grundentschädigung grundsätzlich 80 Prozent des durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommens (Art. 10 Abs. 1 EOG; zur Untergrenze für Durchdiener, die eine Ausbildung zur Erlangung eines höheren Grades zurücklegen, vgl. Art. 16 Abs. 2 EOG). War ein Durchdiener in Gradänderungsdiensten vor Beginn des Dienstes nicht erwerbstätig, so entspricht die tägliche Grundentschädigung den Mindestbeträgen nach Art. 16 Abs. 2 EOG (vgl. Art. 10 Abs. 2 EOG). Für Dienstleistende, die nur vorübergehend nicht erwerbstätig waren oder die wegen des Dienstes keine Erwerbstätigkeit aufnehmen konnten, kann der Bundesrat auf dem Weg der Verordnung besondere Vorschriften über die Bemessung der Entschädigung erlassen (Art. 11 Abs. 2 EOG). Der Bundesrat hat von der delegierten Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht.  
 
Die Verordnung sieht vor, dass Personen, die in den letzten zwölf Monaten vor dem Einrücken während mindestens vier Wochen (20 Arbeitstagen) erwerbstätig waren, als Erwerbstätige gelten (Art. 1 Abs. 1 EOV [SR 834.11]). Art. 1 Abs. 2 EOV stellt den Erwerbstätigen gleich: Arbeitslose (lit. a); Personen, die glaubhaft machen, dass sie eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten, wenn sie nicht eingerückt wären (lit. b); sowie Personen, die unmittelbar vor dem Einrücken ihre Ausbildung abgeschlossen haben oder diese während des Dienstes beendet hätten (lit. c). Nach Art. 4 Abs. 2 EOV wird die Entschädigung für den in Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV umschriebenen Personenkreis aufgrund des entgangenen Lohns berechnet, in Fällen nach lit. c aufgrund des ortsüblichen Anfangslohns im betreffenden Beruf. 
 
2.  
 
2.1. Für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sind im Wesentlichen folgende von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen erheblich: Am 23. Juni 2017 schloss der Beschwerdeführer die Handelsmittelschule ab. Bis zum 9. August 2017 führte er ein (am 1. August 2016 begonnenes) Praktikum am Kantonsspital C.________ zu Ende. Nach eigenen Angaben überbrückte er das halbe Jahr bis zum Beginn des Durchdienerdienstes mit einem unbezahlten Praktikum im Ausland (Eingabe an die Ausgleichskasse vom 16. Juni 2020). Am 15. Januar 2018 rückte er in den Militärdienst ein, der bis zum 10. November 2019 dauerte. Seit 12. November 2019 arbeitet er - neben einem Teilzeitstudium - zu 80 Prozent im erlernten Beruf als Kaufmann ( Trainee Human Resources) bei der B.________ AG.  
 
2.2. Die Vorinstanz geht davon aus, das Spitalpraktikum qualifiziere den Beschwerdeführer an sich als Erwerbstätigen (Art. 1 Abs. 1 EOV). Unter diesem Titel erreiche er indessen wegen des geringen Lohns (wie ein Nichterwerbstätiger) nur den Mindestbetrag. Der Beschwerdeführer anerkennt dies, macht indes geltend, er sei einem Erwerbstätigen gleichzustellen (Art. 1 Abs. 2 EOV). Da er die Ausbildung nicht unmittelbar vor dem Einrücken abgeschlossen hat (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. c EOV), scheidet eine Berechnung der Entschädigung aufgrund des ortsüblichen Anfangslohns im betreffenden Beruf (Art. 4 Abs. 2 zweiter Satz EOV) aus. Sofern er glaubhaft gemacht hat, dass er - ohne Einrücken - eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätte (Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV), hat er Anspruch darauf, dass die Entschädigung aufgrund des entgangenen Lohns berechnet wird (Art. 4 Abs. 2 erster Satz EOV). Eine (hypothetische) Erwerbstätigkeit ist "von längerer Dauer", wenn sie auf mindestens ein Jahr angelegt oder unbefristet wäre (BGE 136 V 231 E. 5 und 6).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer mache keine konkreten Arbeitsgelegenheiten glaubhaft, die er anstelle des Militärdienstes hätte ergreifen können. In den knapp sieben Monaten zwischen Abschluss der Ausbildung und Einrücken habe er keine Erwerbstätigkeit aufgenommen, obwohl dies ohne Weiteres möglich und für eine Qualifizierung als Erwerbstätiger nach Art. 1 Abs. 1 EOV ausreichend gewesen wäre. Die theoretische Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit und das blosse Vorhandensein von passenden Stellen genügten für sich allein nicht, um eine hypothetische Erwerbsaufnahme glaubhaft zu machen. Die Ausgleichskasse gehe zu Recht davon aus, dass die Entschädigung anhand des Minimalansatzes für Durchdienerkader zu bemessen sei.  
 
2.3.2. Der Beschwerdeführer entgegnet, der Militärdienst habe seine berufliche Laufbahn unterbrochen. Nach Empfang des Fähigkeitszeugnisses im Juni 2017 habe er die Zeit bis zum Antritt des Durchdienerdienstes für ein Praktikum im Ausland genutzt. Ohne bevorstehenden Dienst hätte er stattdessen unverzüglich ein berufsbegleitendes Studium begonnen. Die Stelle bei der B.________ AG habe er sofort nach Abschluss des Militärdienstes im November 2019 angetreten. Es sei daher zumindest glaubhaft, dass er in der Zeit, in der er Militärdienst geleistet hat, bereits beim jetzigen Arbeitgeber oder in einer ähnlichen Position angestellt gewesen wäre.  
 
3.  
 
3.1. Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV verhindert die Benachteiligung von Dienstleistenden, die in der Zeit des absolvierten Dienstes einer erwerblichen Beschäftigung von längerer Dauer nachgegangen wären, indessen wegen des Militärdienstes keine Arbeit aufnehmen konnten (BGE 136 V 231 E. 5.2; Urteil 9C_791/2019 vom 9. November 2020 E. 5.1). Die Regelung erfasst insbesondere auch Personen, die wegen des absehbar bevorstehenden Militärdienstes noch keine Dauerstelle antreten konnten, aber wegen eines zu grossen zeitlichen Abstandes zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung und dem Dienstbeginn nicht von der Art. 1 Abs. 2 lit. c EOV zugrundeliegenden (widerlegbaren) gesetzlichen Vermutung profitieren, sie hätten ohne Dienstantritt eine Erwerbstätigkeit aufgenommen (vgl. BGE 137 V 410 E. 4.2.1).  
 
3.2. Die hypothetische Erwerbstätigkeit während des Militärdienstes muss nicht mit dem Regelbeweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BGE 138 V 218 E. 6; 126 V 353 E. 5b) nachgewiesen sein, sondern bloss glaubhaft gemacht werden. Dieses privilegierte Beweismass trägt den Schwierigkeiten der Beweisführung bei einem hypothetischen Sachverhalt Rechnung. Gewisse Anhaltspunkte für die geltend gemachte rechtserhebliche Tatsache genügen, selbst wenn noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass sie sich bei eingehender Abklärung nicht erstellen lassen werde (BGE 144 V 427 E. 3.3; Urteil 8C_64/2022 vom 29. März 2022 E. 2.3).  
 
Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Sachverhalt als g laubhaft gemacht gelten kann, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei beurteilt. Tatsächlicher Natur hingegen ist die Frage, ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von längerer Dauer im Einzelfall glaubhaft ist. Entsprechende Feststellungen der Vorinstanz sind für das Bundesgericht verbindlich, soweit sie nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; Urteile 8C_373/2021 vom 25. November 2021 E. 2.2.2 und 9C_367/2016 vom 10. August 2016 E. 2.2; vgl. BGE 122 III 219 E. 3b). 
 
3.3. Die Verwaltung hielt fest, in den fast sieben Monaten zwischen Abschluss der Berufsmatura und Dienstantritt sei der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig gewesen. Nichts habe ihn in dieser Zeit daran gehindert zu arbeiten. Somit erscheine auch nicht glaubhaft, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätte, wenn er nicht in den Militärdienst eingerückt wäre (Einspracheentscheid vom 5. Januar 2021). Die Vorinstanz schliesst sich dieser Sichtweise an und macht die Glaubhaftigkeit des in Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV umschriebenen Sachverhalts von (tatsächlichen) Bemühungen um konkrete Arbeitsgelegenheiten abhängig (oben E. 2.3.1). Damit beurteilt sie die hypothetische Frage, ob der Beschwerdeführer eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte, wenn kein Militärdienst bevorgestanden wäre, anhand seines tatsächlichen vordienstlichen Verhaltens.  
 
Der von der Vorinstanz geforderte Nachweis einer konkreten Arbeitsgelegenheit setzt jedoch voraus, dass der Beschwerdeführer Grund zur Stellensuche hatte. In der Realität hatte er nach Abschluss seiner Ausbildung keine Möglichkeit, für die wenigen Monate bis zum Antritt des zweijährigen Militärdienstes ein längerfristiges Arbeitsverhältnis einzugehen. Dass er das fragliche Zwischenhalbjahr mit einem Auslandpraktikum überbrückt hat - statt etwa eine temporäre Lohnarbeit zu verrichten -, ist kein Indiz dafür, dass er auch unter hypothetischen Bedingungen, d.h. ohne bevorstehenden Dienst, sieben Monate nach Beendigung der Ausbildung immer noch keine feste Stelle gesucht und angenommen hätte. Die ausbildungs- und erwerbsbiographischen Daten (oben E. 2.1) bilden bereits "gewisse Anhaltspunkte" (BGE 144 V 427 E. 3.3) für eine hypothetische Erwerbstätigkeit. Auch das nachdienstliche Verhalten des Versicherten legt dies zumindest nahe (vgl. Urteil 9C_693/2016 vom 29. November 2016 E. 2). Der Beschwerdeführer hat sich in der Dienstzeit offensichtlich erfolgreich auf Arbeitssuche begeben und die gefundene Stelle unmittelbar nach Beendigung des Dienstes angetreten. Keine Anhaltspunkte sprechen für alternative Verläufe, so etwa, dass er ohne Militärdienst ein Vollzeitstudium angefangen oder eine längere Auszeit genommen hätte. Vielmehr muss als glaubhaft gelten, dass der Beschwerdeführer spätestens zum Dienstbeginn eine unbefristete, jedenfalls aber eine auf längere Dauer angelegte Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte, wenn er nicht eingerückt wäre. Somit war er im hier interessierenden Zeitraum grundsätzlich nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV einem Erwerbstätigen gleichzustellen. Der gegenteilige Schluss der Vorinstanz beruht auf einer unzutreffenden Handhabung des massgebenden Beweisgrades; er verletzt Bundesrecht (vgl. oben E. 3.2). 
 
4.  
Der Beschwerdeführer hat auf den während der Gradänderungsdienste periodisch eingereichten Formularen "EO-Anmeldung bei Militärdienst" (Meldekarten) keinen Sachverhalt nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV geltend gemacht. Es stellt sich die Frage, ob die Bemessungsgrundlage der abgerechneten Entschädigungen nachträglich korrigierbar ist. 
 
4.1. Leistungsabrechnungen sind behördliche Anordnungen, mit denen die Leistung verbindlich festgelegt wird. Sie haben materielle Verfügungseigenschaft, auch wenn ihnen die formellen Merkmale einer Verfügung fehlen (vgl. Art. 49 und 51 ATSG; BGE 125 V 475 E. 1). Eine formlose (oder faktische) Verfügung wird rechtsbeständig, sobald anzunehmen ist, ein Versicherter habe sich nach Ablauf einer nach den Umständen zu bemessenden Überlegungs- und Prüfungsfrist mit einer getroffenen Regelung abgefunden (BGE 129 V 110 E. 1.2). Ist der Adressat nicht mit einem als Verfügung bezeichneten Verwaltungsakt und einer nominellen Frist konfrontiert, wird er im Allgemeinen etwas mehr Zeit benötigen, um sich über Tragweite und Inhalt des Verwaltungsaktes und dessen allfällige Anfechtung klar zu werden. Eine förmliche Verfügung ist in der Regel innert 30 Tagen anzufechten. Besondere Umstände des Einzelfalles vorbehalten sollte die Beanstandungsfrist bei einer formlosen Verfügung im Interesse der Rechtssicherheit in der Regel auf das Dreifache beschränkt sein, d.h. im Allgemeinen auf 90 Tage, gerechnet ab Eröffnung des formlosen Verwaltungsaktes (hier: Erhalt der Abrechnung). Dies entspricht der Regelfrist für Revisionsgesuche (Urteile 8C_766/2015 vom 23. Februar 2016 E. 4.3 und C 7/02 vom 14. Juli 2003 E. 3.2). Sind formlose Verfügungen über periodische Leistungen rechtsbeständig geworden, kann darauf nur noch unter den Titeln der Wiedererwägung oder der formellen Revision zurückgekommen werden (vgl. Art. 53 ATSG; Urteil 8C_99/2008 vom 26. November 2008 E. 3.2).  
 
4.2. Die Erwerbsausfallentschädigung von Dienstleistenden wird aufgrund der periodisch eingereichten Formulare "EO-Anmeldung bei Militärdienst" monatlich ausbezahlt (vgl. Art. 35k Abs. 2 EOV). Der Beschwerdeführer erhielt in Abständen Sammelabrechnungen über die EO-Taggelder zugestellt, auf denen die später beanstandete Bemessungsgrundlage ersichtlich war. Die letzte Abrechnung (für Taggelder bis zum Dienstende am 10. November 2019) datiert vom 11. März 2020. Am 16. Juni 2020 beantragte der Beschwerdeführer, die Taggelder seien anhand des orts- und branchenüblichen Salärs neu zu berechnen und nachträglich auszubezahlen. Diese Eingabe erfolgte etwa drei Monate nach Erhalt der letzten Sammelabrechnung. Die Rechtsprechung betrachtet die 90-Tage-Frist (vgl. oben E. 4.1) als Regelmass; sie ist also nicht absolut zu verstehen, sondern unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu handhaben. Dass die Beanstandung erst nachträglich erfolgte, ist einem Informationsdefizit des Beschwerdeführers geschuldet, auf das noch näher einzugehen sein wird. Bei dieser Ausgangslage, soviel sei vorweggenommen, erscheint der zeitliche Abstand zwischen der erwähnten Abrechnung und deren Beanstandung jedenfalls nicht so gross, dass von einer akzeptierten, rechtsbeständigen Regelung ausgegangen werden müsste.  
 
4.3. Dies gilt zunächst hinsichtlich der in der letzten Sammelabrechnung vom 11. März 2020 eröffneten EO-Taggelder. Die Frage nach einer allfälligen Rechtsbeständigkeit der früheren Abrechnungen hängt insbesondere davon ab, ob der Beschwerdeführer die seiner Situation entsprechende Bemessungsart und die Voraussetzungen ihrer Geltendmachung bei zumutbarer Aufmerksamkeit kennen musste.  
 
Dies ist unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Informationsanspruchs nach Art. 27 ATSG zu beurteilen: Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung sind die Sozialversicherungsträger und Durchführungsorgane verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich interessierte Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären (allgemeine Informationspflicht). Abs. 2 statuiert zudem eine individuelle, fallbezogene Beratungspflicht des Versicherungsträgers, gegenüber dem Rechte geltend zu machen oder Pflichten zu erfüllen sind. Der Sozialversicherungsträger handelt als ein der Objektivität verpflichtetes Organ des Gesetzesvollzuges (BGE 139 V 99 E. 2.1). Damit einhergehend fördern die in Art. 27 ATSG verankerten Informationspflichten die Verwirklichung des materiellen Rechts resp. der Ziele der Sozialverfassung (Art. 41 und 111 ff. BV; vgl. GÄCHTER/BURCH, Stellung der Sozialen Sicherheit in der Rechtsordnung, in: Recht der Sozialen Sicherheit, Steiger-Sackmann/Mosimann [Hrsg.], 2014, Rz. 3.27 ff.) in einem Umfeld, das typischerweise von einer komplexen Normierung geprägt ist und in dem das Informationsgefälle zwischen Sozialversicherungsträger und betroffenem Individuum häufig gross ist. Die interessierte Person muss hier eine faire Chance erhalten, ihre Rechte auszuüben und ihre Pflichten wahrzunehmen (PHILIPP EGLI, "... dass der Versicherte wisse, woran er ist": Zur Beratungspflicht nach Art. 27 Abs. 2 ATSG, in: November-Tagung zum Sozialversicherungsrecht 2021, 2022, S. 2 ff. mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Informationen über die gesetzlich vorgesehenen Leistungen und deren Voraussetzungen sollen die darauf ansprechende Person befähigen, sich so zu verhalten, wie es erforderlich ist, um die Leistung zu realisieren (BGE 131 V 472 E. 4.1; Urteil 8C_624/2007 vom 20. Mai 2008 E. 6.3.1; UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N 16 und 19 zu Art. 27 ATSG; PÄRLI/MOHLER, Basler Kommentar zum ATSG, 2020, N 4 und 6 zu Art. 27 ATSG). 
 
4.4.  
 
4.4.1. Der Beschwerdeführer hat rund drei Monate vor Beendigung des Militärdienstes, am 3. August 2019, bei der kantonalen Sozialversicherungsanstalt schriftlich nachgefragt, wie die Entschädigung in seinem Fall berechnet werde. Er erklärte, er suche derzeit eine Stelle und habe einige Angebote, bei denen der Lohn über dem Durchschnitt eines kaufmännischen Angestellten liege. Bei dieser Gelegenheit fragte er, ob die betreffenden Arbeitsverträge als Referenz für die EO-Berechnung herangezogen werden könnten. Darauf ging die Verwaltung inhaltlich nicht ein; sie antwortete nur, er habe Anspruch auf 80 Prozent des beim letzten vordienstlichen Arbeitgeber erzielten Einkommens oder - für den Fall, dass das vordienstliche Praktikum tiefer entlöhnt gewesen sein sollte - auf den Mindesttagessatz (E-Mail vom 9. August 2019).  
 
4.4.2. Die individuelle Beratung (Art. 27 Abs. 2 ATSG) erfolgt zum einen, wenn sie verlangt wird (BGE 131 V 472 E. 4.1), namentlich, wenn sich die interessierte Person mit einer Frage zu ihren Rechten und Pflichten im konkreten Einzelfall an den Versicherungsträger wendet. Zum andern entsteht aber auch dann eine Beratungspflicht, wenn der Versicherungsträger selbst einen entsprechenden Bedarf feststellt (BGE 143 V 341 E. 5.2.1), so beispielsweise, wenn er erkennt, dass ein Leistungsanspruch zu verwirken droht, falls die versicherte Person eine anspruchswahrende Handlung unterlässt (KIESER, a.a.O., N 24, 28 und 31 zu Art. 27 ATSG; GUY LONGCHAMP, COMMENTAIRE ROMAND, LPGA, 2018, N 24 und 44 zu Art. 27 ATSG; zu den Grenzen der Beratungspflicht: BGE 133 V 249 E. 7.2; Urteile 9C_336/2012 vom 6. Mai 2013 E. 3.3 und 8C_899/2009 vom 22. April 2010 E. 4.2; EGLI, a.a.O., S. 7 ff.).  
 
4.4.3. Durch seine Anfrage vom 3. August 2019 hat der Beschwerdeführer eine Sachlage nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV - sinngemäss zwar, aber deutlich genug - geschildert und damit die Beratungspflicht ausgelöst. Die erhaltene Antwort war indessen nicht einschlägig; sie bezog sich einzig auf die Konstellation der Erwerbstätigen im Sinn von Art. 1 Abs. 1 EOV (mindestens vierwöchige Erwerbstätigkeit in den letzten zwölf Monaten vor dem Einrücken). Der Beschwerdeführer erhielt daher keine wirksame Beratung im Sinn von Art. 27 Abs. 2 ATSG.  
 
Somit fehlt es an einer individuellen, der Anfrage vom 3. August 2019 gerecht werdenden Beratung einer vor Dienstantritt nicht erwerbstätigen Person über die Möglichkeiten, unter bestimmten Umständen mit Erwerbstätigen gleichgestellt zu werden. Aus der unterbliebenen oder ungenügenden Aufklärung darf der interessierten Person kein Rechtsnachteil entstehen. Insofern stellt die Rechtsprechung das so entstandene Informationsdefizit einer falschen Auskunft gleich. Ob eine vom materiellen (oder gegebenenfalls auch Verfahrens-) Recht abweichende Behandlung geboten ist, ist anhand der - sinngemäss zu handhabenden - Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes (BGE 143 V 341 E. 5.2.1) im Einzelfall zu prüfen (BGE 143 V 341 E. 5.3.1 und 5.3.2.3; 131 V 472 E. 5; KIESER, a.a.O., N 37 f. zu Art. 27 ATSG; LONGCHAMP, a.a.O., N 38 f. zu Art. 27 ATSG; dazu auch EGLI, a.a.O., S. 11 f., mit dem Vorschlag einer neuen Formulierung der gemäss BGE 143 V 341 E. 5.2.1 a.E. modifizierten Voraussetzungen). Nichts spricht dagegen, den Beschwerdeführer (jedenfalls hinsichtlich der Abrechnungen, die ab August 2019 noch beanstandet werden konnten) so zu stellen, wie wenn er die formlosen Verfügungen innert üblicher Frist angefochten hätte. Angesichts dessen hat die Sozialversicherungsanstalt den am 16. Juni 2020 gestellten Antrag, die Entschädigung sei aufgrund eines orts- und branchenüblichen Jahressalärs neu zu berechnen, im Ergebnis zu Recht nicht durch Nichteintreten erledigt (Verfügung vom 17. Juni 2020 und Einspracheentscheid vom 5. Januar 2021). 
 
4.5. Dies gilt - mit Blick auf die allgemeine Informationspflicht nach Art. 27 Abs. 1 ATSG - auch für die Abrechnungen, die längere Zeit vor der erfolglosen Anfrage des Beschwerdeführers im August 2019 ergangen sind.  
 
4.5.1. Gerade im Massengeschäft des Erwerbsersatzes für Dienstleistende ist es zielführend, die Information über die vorausgesetzte Mitwirkung der versicherten Person (Glaubhaftmachen der hypothetischen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von längerer Dauer) über die Antragsformulare oder mit adressatengerecht aufbereiteten Broschüren oder Merkblättern und Ähnlichem zu gewährleisten (PÄRLI/MOHLER, a.a.O., N 12 und 14 ff. zu Art. 27 ATSG; LONGCHAMP, A.A.O., N 11 und 13 zu Art. 27 ATSG mit Hinweisen auf die Materialien der Gesetzgebung; vgl. BGE 131 V 472 E. 4.1).  
 
4.5.2. Die zum Leistungsbezug erforderlichen Angaben werden mit den periodisch einzureichenden Formularen "EO-Anmeldung bei Militärdienst" (sog. Meldekarten) erhoben. In der Rubrik "Angaben über die vordienstliche Tätigkeit" deklarieren die Dienstpflichtigen ihren Status (Arbeitnehmer, Schüler/Student, Nichterwerbstätiger etc.). Erfragt wird sodann das Datum des Schul- oder Universitätsabschlusses, dies im Hinblick auf Personen, die unmittelbar vor dem Einrücken eine Ausbildung abgeschlossen oder diese während des Dienstes beendet haben (Art. 1 Abs. 2 lit. c EOV). Diese Anspruchskonstellation wird in einer Fussnote erläutert: " Sofern Sie unmittelbar vor dem Einrücken oder während Ihrem Dienst die Ausbildung abgeschlossen haben, ist der Anmeldung ein Nachweis beizulegen. Die Entschädigung kann in diesem Fall nach dem branchenüblichen Anfangslohn bemessen werden ". Die verwaltungsinterne Wegleitung zur Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende und Mutterschaft (WEO) verpflichtet die Ausgleichskasse, im Hinblick auf eine Bemessung der Entschädigung nach dem orts- und branchenüblichen Anfangslohn die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen zu tätigen, wenn sie anhand des Anmeldeformulars feststellt, dass die dienstleistende Person ihre Ausbildung unmittelbar vor dem Einrücken abgeschlossen hat (Rz. 1050.1 WEO, Stand 1. Januar 2020). Viele Fälle der hier interessierenden Konstellation nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV unterscheiden sich von solchen nach lit. c nur durch einen grösseren - in der Regel mehr als vier Wochen betragenden (vgl. Rz. 5006.1 WEO) - zeitlichen Abstand zwischen Ausbildungsabschluss und Dienstbeginn. Die Meldekarten weisen aber nicht darauf hin, dass die Entschädigung im Fall einer hypothetischen Erwerbsaufnahme nach dem entgangenen Lohn bemessen werden kann; ebensowenig werden einschlägige Angaben erfragt.  
 
4.5.3. Der Versicherungsträger stellt ein Merkblatt "Erwerbsausfallentschädigungen" zur Verfügung. Dieses kann auch von der Internetseite der Beschwerdegegnerin heruntergeladen werden. Das Merkblatt behandelt die Entschädigung für (effektiv) Erwerbstätige und Nichterwerbstätige und informiert über die Kategorien "Personen in Ausbildung" und "Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit". Bestimmte Aspekte der Entschädigung werden detailliert behandelt. Von den Konstellationen, die nach Art. 1 Abs. 2 EOV den Erwerbstätigen gleichgestellt werden, behandelt das Merkblatt indessen einzig lit. a (Arbeitslose). Über die Anspruchslage bei einer hypothetischen Erwerbsaufnahme schweigt es.  
 
4.5.4. Die für eine Bemessung nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV geltenden Voraussetzungen sind zwar Gegenstand der Wegleitung zur Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende und Mutterschaft (WEO) des Bundesamts für Sozialversicherungen (Rz. 5004, 5041, 5065, 5066). Verwaltungsinterne Weisungen richten sich jedoch grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen (vgl. BGE 147 V 441 E. 4.2), nicht an das Publikum. Sie zählen daher nicht zu den Informationsmedien im Sinn von Art. 27 Abs. 1 ATSG (wohl anders noch BGE 131 V 472 E. 4.1). Die Erläuterungen in der WEO sind den versicherten Personen nicht zur Kenntnis anzurechnen.  
 
4.5.5. Insgesamt ergibt sich, dass allgemeine Informationen über die Möglichkeit und die Voraussetzungen einer Berechnung nach Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV kaum verfügbar sind. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Weg für eine nachträgliche Neubemessung im Sinn des in E. 3 Gesagten für die ganze Dauer der weiterführenden Dienste zu öffnen.  
 
5.  
Der Beschwerdeführer hat für die Zeit der Gradänderungsdienste Anspruch auf Erwerbsersatz aufgrund des entgangenen Lohns (Art. 1 Abs. 2 lit. b und Art. 4 Abs. 2 erster Satz EOV). Die Sache ist an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie die Höhe der Entschädigung festlege und neu verfüge. 
 
6.  
 
6.1. Nach der Rechtsprechung gilt die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur weiteren Abklärung selbst bei noch offenem Ausgang des Verfahrens kosten- und entschädigungsrechtlich als vollständiges Obsiegen, unabhängig davon, ob die Rückweisung beantragt wird oder nicht (BGE 137 V 210 E. 7.1; Urteil 8C_136/2021 vom 7. April 2022 E. 7). Das gilt erst recht, wenn das in der Beschwerde Beantragte - wie hier - grundsätzlich gutgeheissen und die Sache bloss zur Festlegung des Masslichen zurückgewiesen wird. Die Beschwerdegegnerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und bezahlt dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
6.2. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine Parteientschädigung im kantonalen Beschwerdeverfahren (Art. 61 lit. g ATSG). Diesbezüglich wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Dezember 2021 und der Einspracheentscheid der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen vom 5. Januar 2021 werden aufgehoben. Die Sache wird zum neuen Entscheid an die Sozialversicherungsanstalt zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Festsetzung der Parteientschädigung im vorangegangenen Verfahren an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. August 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub