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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_107/2019  
 
 
Urteil vom 12. August 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Weber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, 
vom 19. Dezember 2018 (SST.2018.146). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 15. Oktober 2016 kam es kurz vor 23 Uhr auf der Autobahn A3 in Fahrtrichtung Basel zu einer Massenkarambolage. X.________ kollidierte mit dem vor ihm fahrenden Personenwagen, welcher seinerseits in andere Fahrzeuge geschoben wurde. 
Mit Anklageschrift vom 8. Januar 2018 warf die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach X.________ vor, pflichtwidrig darauf vertraut zu haben, dass es sich um einen schwachen und örtlich begrenzten Nebel gehandelt habe und er zu schnell in die Nebelbank gefahren sei. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Brugg sprach X.________ mit Urteil vom 18. April 2018 vom Vorwurf der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln frei. 
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das Obergericht Aargau X.________ am 19. Dezember 2018 der fahrlässigen Verkehrsregelverletzung durch Nichtbeherrschen des Fahrzeugs zufolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--. 
 
C.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei vom Vorwurf der Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Eventualiter beantragt er, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 398 Abs. 4 StPO. Die Berufung der Staatsanwaltschaft habe den Rügeanforderungen nicht genügt und die Vorinstanz habe sich nicht auf eine Willkürprüfung beschränkt. Im Berufungsverfahren habe sie auf neue Behauptungen und Beweise abgestellt, die nach Art. 398 Abs. 4 StPO nicht mehr hätten vorgebracht werden können.  
Zudem habe die Vorinstanz sein rechtliches Gehör verletzt, indem sie nicht auf seine Rüge der Unvereinbarkeit der Berufung mit den Anforderungen von Art. 398 Abs. 4 StPO eingegangen sei. 
 
1.2. Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO).  
Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin zu Unrecht Willkür verneint und diese Verfassungsverletzung nicht behoben hat (et vice versa). Die Rüge, die Vorinstanz habe Willkür zu Unrecht verneint bzw. bejaht, muss sich deshalb auch mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen (vgl. BGE 125 I 492 E. 1cc; Urteile 6B_1173/2018 vom 12. Juli 2019 E. 1.2; 6B_399/2019 vom 3. Juni 2019 E. 1.1; 6B_152/2017 vom 20. April 2017 E. 1.3; je mit Hinweisen). 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung haben die willkürfreien Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid unter Berücksichtigung von Art. 80 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG vor den möglicherweise ebenfalls noch willkürfreien Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts Vorrang (ausführlich zur Kognition des Bundesgerichts im Zusammenhang mit Art. 398 Abs. 4 StPO Urteile 6B_152/2017 vom 20. April 2017 E. 1.2 f. und E. 2; 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 6.2). Dies entspricht auch der ratio legis von Art. 398 Abs. 4 StPO, welcher die Rechtsmittelmöglichkeiten in Fällen leichter Kriminalität aus Gründen der Prozessökonomie einschränkt. Die Stellung der Gerichte in der Gerichtshierarchie und der Grundsatz, wonach das zweitinstanzliche Urteil vor dem erstinstanzlichen Vorrang hat, soll nicht durchbrochen werden (Urteile 6B_152/2017 vom 20. April 2017 E. 1.2; 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 6.2). Die vorliegende Konstellation führt im Ergebnis zur bundesgerichtlichen Prüfung, ob die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt hat (Urteil 6B_152/2017 vom 20. April 2017 E. 1.3). 
 
1.3. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist demnach vorliegend zu prüfen, ob die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt hat (nachfolgend E. 2). Nicht zu befassen hat sich das Bundesgericht mit der Frage, ob die Berufung der Staatsanwaltschaft den Begründungsanforderungen genügt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine lediglich sinngemäss erhobene Rüge der Verletzung des Willkürverbots nicht genügt, um einen Nichteintretensentscheid zu begründen (vgl. Urteile 6B_623/2018 vom 22. August 2018 E. 1.3.1; 6B_1326/2017 vom 13. März 2018 E. 2 und 5; 6B_161/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 1.1 und 1.4.1). Schliesslich hat die Vorinstanz entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht auf neue Behauptungen und Beweise im Sinne von Art. 398 Abs. 4 StPO abgestellt, sondern eine im Verfahren vom erstinstanzlichen Gericht bereits berücksichtigte Videoaufnahme anders als dieses gewürdigt.  
 
1.4. Unbegründet ist schliesslich die Rüge, die Vorinstanz verletze ihre Begründungspflicht, indem sie sich nicht ausdrücklich zu den Anforderungen an die Berufungsbegründung äussere. Aus der Begründung des angefochtenen Entscheids ergibt sich, auf welche Überlegungen die Vorinstanz ihren Entscheid stützt; dass sie sich dabei mit allen Einwänden des Beschwerdeführers auseinandersetzt, ist nicht erforderlich (BGE 142 II 49 E. 9.2; 137 II 266 E. 3.2 S. 270; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt, was nicht zu beanstanden ist (BGE 143 III 65 E. 5.2; mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung.  
 
2.2. Die Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 500 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 143 IV 500 E. 1.1; 142 V 513 E. 4.2; je mit Hinweisen). Bei der Willkürrüge kommen die erhöhten Begründungsanforderungen zum Tragen (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.3. Die Vorinstanz erwägt, zwischen Eintritt in die Nebelschwade bis zum Kollisionsort hätten mindestens 110 Meter gelegen. Dies ergebe sich aus der Videoaufnahme des sich dem Unfallort nähernden Polizeifahrzeuges. Diese Distanz liege deutlich über der Strecke, die auf der Autobahn auf dem besagten Streckenabschnitt nachts mit dem Abblendlicht und/oder Nebelleuchten ausgeleuchtet werden könne.  
Ferner habe es konkrete Hinweise auf das Auftauchen des Nebels gegeben. Der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben bereits kurz vor dem Einspuren auf die A3 vor ihm ein Auto gesehen, dessen Bremslichter schnell verschwunden seien und habe ausgesagt, man habe "nicht so gut gesehen". Er habe eine Nebelschwade gesehen und auf der Seite etwas Nebel erkannt. Deswegen habe er auch die Nebellichter eingeschaltet und nicht weiter beschleunigt. Nach eigenen Angaben habe er damit gerechnet, dass sich die Sicht verschlechtern werde und habe die Nebelschlussleuchte eingeschaltet. 
Der Vorfall habe sich Mitte Oktober kurz vor 23 Uhr und somit zu einer Jahres- und Uhrzeit, in der das Auftreten von Nebel nicht aussergewöhnlich sei, ereignet. Gerade auf dem betroffenen Streckenabschnitt sei das Auftreten von Nebel nicht atypisch. Habe es Nebel neben der Fahrbahn, so liege die Gefahr, dass es zu Nebel auf der Fahrbahn kommen könne, auf der Hand. Aufgrund der Örtlichkeit, der Jahreszeit und den Wetterbedingungen habe das Auftreten eines dichten Nebelfeldes somit nicht ausserhalb einer vernünftigen Betrachtungsweise gelegen. Dennoch habe der Beschwerdeführer seine Geschwindigkeit von 100 km/h den sich abzeichnenden eingeschränkten Sichtverhältnissen nicht angepasst. 
 
2.4. Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Würdigung der Videoaufnahme des sich dem Unfallort nähernden Polizeifahrzeuges. Der Videoaufnahme lasse sich keine Längenmessung entnehmen und sie sei ca. 11 bis 13 Minuten nach der Kollision entstanden. Aus der Videoaufnahme könne daher betreffend die Sichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt nichts abgeleitet werden.  
 
2.5. Zutreffend bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich anhand der mindestens zehn Minuten nach dem Unfallort erstellten Videoaufnahme nicht mit der von der Vorinstanz festgehaltenen Genauigkeit die Distanz zwischen dem Eintritt in die Nebelschwade und dem Kollisionsort feststellen lässt. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Nebelwand entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen aus dem Nichts aufgetreten ist. Massgebend für den vorinstanzlichen Schuldspruch sind in tatsächlicher Hinsicht die Umstände, aufgrund welcher der Beschwerdeführer mit dem Auftauchen des Nebels rechnen musste und entsprechend seine Geschwindigkeit anzupassen hatte. Dass die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die konkreten Hinweise auf das Auftauchen des Nebels willkürlich wären, bringt der Beschwerdeführer indes nicht vor. So beanstandet er insbesondere nicht, dass er mit einer Verschlechterung der Sicht gerechnet habe und das Auftreten von Nebel zu dieser Jahres- und Uhrzeit auf dem gegebenen Streckenabschnitt nicht aussergewöhnlich sei.  
Im Übrigen weist der Beschwerdeführer auf Unterschiede zwischen den erstinstanzlichen und vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen hin, ohne darzulegen, dass die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind. 
 
2.6. Sofern der Beschwerdeführer die Vorhersehbarkeit der eingeschränkten Sichtverhältnisse bestreitet, ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage als Rechtsfrage einer bundesgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist (BGE 116 IV 182 E. 4b mit Hinweisen; Urteil 6B_601/2016 vom 7. Dezember 2016 E. 1.1). Seine Vorbringen in diesem Zusammenhang beruhen jedoch nicht auf dem von der Vorinstanz willkürfrei festgestellten Sachverhalt, weswegen darauf nicht einzugehen ist.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die Höhe der von der Vorinstanz ausgefällten Busse von Fr. 500.--. Die Vorinstanz habe damit eine fünfmal höhere Busse ausgesprochen, als die Staatsanwaltschaft beantragt habe. Es sei willkürlich, im Vergleich zu den Verkehrsteilnehmern, welche den Strafbefehl anerkannt hätten, ohne Grund eine höhere Busse auszusprechen. Die Vorinstanz habe dabei auch ihre Begründungspflicht und sein rechtliches Gehör verletzt.  
 
3.2. Gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG wird mit Busse bestraft, wer Verkehrsregeln des SVG oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.  
Das Gericht bemisst Busse und Ersatzfreiheitsstrafe je nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 3 StGB). Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; je mit Hinweisen). 
 
3.3. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe durch die Nichtanpassung der Geschwindigkeit die Verkehrssicherheit und die weiteren Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Sein Tatverschulden sei daher nicht zu bagatellisieren, wobei unter Berücksichtigung der fahrlässigen Tatbegehung und des breiten Spektrums der Verkehrsregeln im Übertretungsbereich jedoch von einem vergleichsweise leichten Verschulden auszugehen sei. Die dafür angemessene Busse von Fr. 500.-- trage auch seinen günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung.  
 
3.4. Betreffend den Verweis des Beschwerdeführers auf die von der Staatsanwaltschaft beantragte Busse von Fr. 100.-- ist darauf hinzuweisen, dass die Berufungsinstanz gemäss Art. 408 StPO ein neues Urteil fällt. Die Vorinstanz ist nicht an die von der Staatsanwaltschaft beantragte Sanktion gebunden und verfügt selbst über ein weites Ermessen (Urteile 6B_1032/2017 vom 1. Juni 2018 E. 6.2; 6B_1359/2016 vom 18. Mai 2017 E. 2.5; je mit Hinweisen). Insofern erweisen sich die Vorbringen des Beschwerdeführers als unbehelflich.  
Die Vorinstanz setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt die Zumessungsgründe zutreffend. Dass sie sich dabei von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanz verletzt weder ihre Begründungspflicht noch das ihr bei der Strafzumessung zustehende Ermessen, indem sie ausgehend von einem leichten Verschulden die Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens festsetzt. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. August 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi