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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_553/2020  
 
 
Urteil vom 13. Januar 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Merz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Vizepräsident, 
Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Thurgau, Vizepräsident, 
vom 24. September 2020 (SW.2020.85). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. A.________ erstattete am 19. Dezember 2016 Strafanzeige gegen die Bank B.________ sowie deren Mitarbeiter. Im Wesentlichen warf er diesen vor, sie hätten im Zeitraum zwischen 2002 und 2008 einen von ihm am 22. Mai 2002 abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag nicht nach den anerkannten fachlichen Regeln ausgeführt, weshalb er einen erheblichen Kursverlust erlitten habe. Damit hätten sie sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gemacht (Art. 158 Ziff. 1 StGB). A.________ machte weiter geltend, er habe anlässlich eines Kundenberatungstermins am 23. Januar 2009 sämtliche Kundenbeziehungen zur Bank B.________ gekündigt und habe sich vor Ort einen Bargeldbetrag von EUR 19'000.-- auszahlen lassen. Ein gleichentags erfolgter zweiter Bargeldbezug im Umfang von EUR 19'000.-- habe er nicht selber getätigt und auch nicht handschriftlich quittiert. Dies sei vielmehr ohne sein Wissen durch einen oder mehrere Mitarbeiter der Bank B.________ erfolgt, die sich damit unrechtmässig bereichert hätten. A.________ führte weiter aus, es entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, dass er von einem durch seine Frau am 18. Mai 2010 neu eröffneten EUR-Privatkonto, von dessen Eröffnung er keine Kenntnis hatte, am 29. August 2011 im Rahmen von vier Kontobezügen (zeitlich erfolgt um 11.52 Uhr, 15.28 Uhr, 15.29 Uhr, 15.30 Uhr) den genauen Betrag des damaligen Kontosaldos von EUR 22'564.61.- bezogen habe. Auch diese Bargeldbezüge seien ohne sein Wissen durch Mitarbeiter der Bank B.________ erfolgt.  
 
A.b. Gestützt auf diese Schilderungen eröffnete die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, mehrfacher Veruntreuung, evtl. mehrfachen Betrugs sowie mehrfacher Urkundenfälschung. Angesichts der erhobenen Tatvorwürfe wurde auch die Bank B.________ als Beschuldigte geführt. Aufgrund der im Untersuchungsverfahren erhobenen Beweismittel gelangte die Staatsanwaltschaft zum Schluss, dass sich die gegen die Bank B.________ sowie deren Mitarbeiter erhobenen Tatverdächtigungen nicht aufrechterhalten liessen. Sie stellte das Strafverfahren deshalb mit Verfügung vom 3. Juli 2020 ein. Gestützt auf die Ergebnisse der Strafuntersuchung eröffnete sie bereits vorher mit Verfügung vom 3. Mai 2017 ein Strafverfahren gegen A.________ wegen falscher Anschuldigung, evtl. Irreführung der Rechtspflege.  
 
B.   
Gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 3. Juli 2020 erhob A.________ am 14. Juli 2020 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Thurgau. Mit Zwischenentscheid vom 17. September 2020 stellte dieses fest, dass sich A.________ rechtmässig als Privatkläger im Sinne von Art. 104 Abs. 1 lit. b und Art. 118 f. StPO konstituiert habe. Mit Verfügung vom 24. September 2020 wies das Obergericht das Gesuch von A.________ um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wegen fehlender Mittellosigkeit und Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ab und forderte ihn auf, innert zehn Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-- zu leisten, andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 21. Oktober 2020 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Obergerichts vom 24. September 2020 aufzuheben und ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Obergericht die vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Beiordnung der Kanzlei C.________ zur Stellung eines Rechtsbeistands. Überdies stellt er Eventualanträge. 
Mit Urteil vom 22. Oktober 2020 ist das Obergericht, wie in der hier angefochtenen Verfügung angedroht, mangels Leistung des Kostenvorschusses durch den Beschwerdeführer auf die Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens nicht eingetreten. Dagegen führt der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 5. November 2020 ebenfalls Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Verfahren 6B_1287/2020), wobei er vollumfänglich auf seine vorliegende Beschwerdeschrift vom 21. Oktober 2020 verweist. 
Die für die Behandlung der Beschwerde vom 21. Oktober 2020 zuständige I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat in diesem Verfahren Vernehmlassungen eingeholt. 
Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Anfechtungsobjekt ist im vorliegenden Verfahren einzig die Verfügung der Vorinstanz vom 24. September 2020, mit welcher das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege sowohl mangels Bedürftigkeit (Art. 136 Abs. 1 lit. a StPO) als auch wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels (Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO) abgewiesen wurde. Die angefochtene Verfügung stellt einen Zwischenentscheid in einer Strafsache dar, der - soweit der Beschwerdeführer dazu überhaupt legitimiert ist (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG) - nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG beim Bundesgericht angefochten werden kann (BGE 140 IV 202 E. 2.2 S. 205; 133 IV 335 E. 4 S. 338). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind bzw. waren, kann offen bleiben. In der Regel entfalten Zwischenentscheide nur während der Hängigkeit des betreffenden Verfahrens unmittelbare Rechtswirkungen. Mit dem Verfahrensabschluss fallen ihre Wirkungen dahin und werden sie gegenstandslos (Urteile 1B__340/2015 vom 24. November 2015 E. 1.1; 1B_226/2013 vom 30. August 2013 E. 3; 2C_128/2007 vom 17. Oktober 2007 E. 4). Soweit sie sich auf den Inhalt des Endentscheids ausgewirkt haben, können sie unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden (BGE 135 III 329 E. 1.2.2 S. 332 f.). Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein Zwischenentscheid beim Bundesgericht angefochten wird, die Vorinstanz jedoch nach der Beschwerdeeinreichung einen Endentscheid erlässt (FELIX UHLMANN, in: Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N. 28 zu Art. 93 BGG).  
Das Obergericht hat vorliegend am 22. Oktober 2020 den verfahrensabschliessenden Endentscheid gefällt (Nichteintretensentscheid). Nach dem Ausgeführten wurde damit der Zwischenentscheid vom 24. September 2020 hinfällig. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. 
 
1.2. Mit dem Nichteintretensentscheid vom 22. Oktober 2020 hat das Obergericht noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen einen Zwischenentscheid einen Endentscheid gefällt, der die Rechtmässigkeit des Zwischenentscheids voraussetzt, über welchen letztinstanzlich noch gar nicht entschieden worden ist. Dieses Vorgehen ist mit Blick auf das Gesetz sowie die Rechtsprechung problematisch, hat aber - wie zu zeigen - keinen Einfluss auf den vorliegenden Verfahrensausgang.  
 
1.2.1. Gemäss Art. 383 StPO kann die Verfahrensleitung der Rechtsmittelinstanz die Privatklägerschaft verpflichten, innert einer Frist für allfällige Kosten und Entschädigungen Sicherheit zu leisten. Art. 136 StPO bleibt vorbehalten (Abs. 1). Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein (Abs. 2). Nach Art. 136 StPO gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (Abs. 1 lit. a) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (Abs. 1 lit. b). Die unentgeltliche Rechtspflege für die Privatklägerschaft umfasst insbesondere die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen (Abs. 2 lit. a).  
 
1.2.2. In Art. 383 Abs. 1 Satz 2 StPO wird somit Art. 136 StPO ausdrücklich vorbehalten, welcher bei gegebenen Voraussetzungen von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen befreit (Abs. 2 lit. a). Die Privatklägerschaft kann mithin nur dann zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet werden, wenn die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege nicht erfüllt sind (Urteile 1B_317/2016 vom 27. September 2016 E. 2.3; 1B_325/2016 vom 11. Oktober 2016 E. 3.2). Diese Frage aber, nämlich ob der Beschwerdeführer bedürftig ist (Art. 136 Abs. 1 lit. a StPO) bzw. ob die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO), ist noch nicht letztinstanzlich beurteilt. Die Frist zur Leistung einer Sicherheit ist deshalb in solchen Fällen so anzusetzen, dass sie erst zu laufen beginnt, wenn die gesetzliche Frist von 30 Tagen zur Anfechtung des Zwischenentscheids betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege unbenutzt verstrichen ist oder das Bundesgericht eine erhobene Beschwerde abgewiesen hat (zum Ganzen Urteil 1B_340/2015 vom 24. November 2015 E. 1.2). Andernfalls wäre, sofern die Privatklägerschaft nur den Zwischenentscheid nicht aber den Nichteintretensentscheid anficht, eine letztinstanzliche Überprüfung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege der Privatklägerschaft nicht mehr möglich, da der Zwischenentscheid durch den Endentscheid hinfällig wird (vorne E. 1.1). Ob dies mit Art. 383 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 136 StPO vereinbar wäre, kann aus nachfolgenden Gründen offengelassen werden.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer hat vorliegend sowohl den Zwischenentscheid vom 24. September 2020 als auch den Nichteintretensentscheid vom 22. Oktober 2020 angefochten. Im Beschwerdeverfahren gegen den Nichteintretensentscheid (6B_1287/2020) verweist der Beschwerdeführer zur Begründung vollumfänglich auf seine vorliegende Beschwerdeschrift vom 21. Oktober 2020. Der Nichteintretensentscheid erging zudem, als der Beschwerdeführer die Zwischenverfügung vor Bundesgericht bereits angefochten hatte, die Rechtsmittelfrist gegen die Verfügung vom 24. September 2020 aber noch nicht abgelaufen war. Die Verfügung vom 24. September 2020 hat sich damit auf den Inhalt des Endentscheids vom 22. Oktober 2020 ausgewirkt (vorne E. 1.1; vgl. auch Urteil 1B_340/2015 vom 24. November 2015 E. 1.3). Es wird somit im Beschwerdeverfahren gegen den Endentscheid vom 22. Oktober 2020 - die Legitimation des Beschwerdeführers gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG vorausgesetzt - die Rechtmässigkeit der Verpflichtung zu einer Sicherheitsleistung nach Art. 383 StPO zu prüfen und damit gleichzeitig zu beurteilen sein, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 136 StPO zu Recht verneint hat. Damit ist der Rechtsschutz des Beschwerdeführers trotz des vorliegenden Nichteintretens auf seine Beschwerde vom 21. Oktober 2020 gewahrt.  
 
2.   
Auf die Beschwerde ist nach dem Gesagten nicht einzutreten. Aufgrund der Umstände ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen und dem Obergericht des Kantons Thurgau, Vizepräsidium, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Januar 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn