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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_234/2022  
 
 
Urteil vom 13. September 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Merz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., 
Schützenstrasse 1A, 9100 Herisau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. A.________, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Wechsel des amtlichen Verteidigers, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, 
vom 26. April 2022 (O2S 21 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden führt eine Strafuntersuchung gegen B.________ wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2015 setzte sie Rechtsanwalt A.________ mit Wirkung auf den 1. Mai 2015 als amtlichen Verteidiger ein. 
Im Namen von B.________ ersuchte Rechtsanwalt C.________ mit Eingabe vom 18. Februar 2020 um einen Wechsel der amtlichen Verteidigung von Rechtsanwalt A.________ zu ihm. Zur Begründung machte B.________ ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis zu A.________ geltend. Dieser habe anlässlich von Vergleichsgesprächen gegenüber von D.________ und E.________ ohne seine Einwilligung Details des Strafverfahrens preisgegeben. Die Staatsanwaltschaft wies das Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung mit Verfügung vom 20. April 2020 ab. Eine von B.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Zirkularbeschluss vom 23. November 2020 wegen einer Verletzung von dessen Anspruch auf rechtliches Gehör gut und wies die Sache zur Abklärung der geltend gemachten Verletzung des Anwaltsgeheimnisses (Befragung von D.________ und E.________) sowie zum anschliessenden neuen Entscheid an die Staatsanwaltschaft zurück. 
Unter Hinweis auf das ihres Erachtens nunmehr seit mehreren Monaten gestörte Vertrauensverhältnis verzichtete die Staatsanwaltschaft auf weitere Abklärungen und bewilligte B.________ mit Verfügung vom 18. Januar 2021 den ersuchten Wechsel seiner amtlichen Verteidigung von Rechtsanwalt A.________ zu Rechtsanwalt C.________. Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Obergericht. Dieses hiess das Rechtsmittel mit Beschluss vom 26. April 2022 gut und wies die Sache zur erneuten Sachverhaltsabklärung (Prüfung des Vorwurfs der Verletzung des Anwaltsgeheimnisses) und anschliessenden Neubeurteilung an die Staatsanwaltschaft zurück. 
 
B.  
Gegen den Beschluss des Obergerichts vom 26. April 2022 gelangt die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde in Strafsachen vom 13. Mai 2022 an das Bundesgericht. Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sei der von ihr mit Verfügung vom 18. Januar 2021 bewilligte Wechsel der amtlichen Verteidigung zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
Das Obergericht und B.________ haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (BGE 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend den Wechsel der amtlichen Verteidigung. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen. Die Beschwerde ist vom leitenden Staatsanwalt des Kantons Appenzell Ausserrhoden unterzeichnet. Dieser ist für die Strafverfolgung aller Straftaten im ganzen Kantonsgebiet zuständig (vgl. Art. 39 des Justizgesetzes des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 13. September 2010 [JG/AR, bGS 145.31]). Rechtsprechungsgemäss ist er damit grundsätzlich zur Beschwerdeführung befugt (BGE 142 IV 196 E. 1.5; Urteil 1B_64/2022 vom 19. Juli 2022 E. 1.2).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und Art. 93 BGG angefochten werden kann. Der angefochtene Entscheid betrifft weder ein Ausstandsbegehren noch die Zuständigkeit einer Rechtspflegeinstanz im Sinne von Art. 92 BGG. Es handelt sich somit um einen "anderen Zwischenentscheid" im Sinne von Art. 93 BGG. Dagegen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b). Da die Gutheissung der Beschwerde vorliegend nicht zu einem das Strafverfahren abschliessenden Endentscheid führen würde, fällt nur ein Eintreten unter dem Titel von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Betracht.  
 
1.3. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss es sich im Bereich der Beschwerde in Strafsachen um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar ist (BGE 147 IV 188 E. 1.3.2; 143 IV 175 E. 2.3; 141 IV 289 E. 1.2; je mit Hinweisen). Diese Regelung stützt sich auf die Verfahrensökonomie. In seiner Funktion als oberstes Gericht soll sich das Bundesgericht grundsätzlich nur ein Mal mit einem Verfahren beschäftigen müssen, und dies nur dann, wenn sicher ist, dass die beschwerdeführende Person tatsächlich einen endgültigen Nachteil erleidet. Rein tatsächliche Nachteile wie eine Verfahrensverlängerung oder -verteuerung reichen nicht aus. Letztinstanzliche kantonale Rückweisungsentscheide bewirken in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3, 143 IV 175 E. 2.3; 133 IV 139 E. 4). Die beschwerdeführende Partei hat bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden die Eintretensvoraussetzungen darzulegen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 284 E. 2.3; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Die Beschwerdeführerin erblickt den nicht wieder gutzumachenden Nachteil darin, dass aufgrund des angefochtenen Rückweisungsentscheids der Strafvorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) zu verjähren drohe. Weiter habe das Obergericht das strafprozessuale Beschleunigungsgebot (Art. 5 StPO) verletzt, indem es für die Beurteilung der beiden Beschwerdeverfahren betreffend den Wechsel der amtlichen Verteidigung mehr als 21 Monate in Anspruch genommen habe.  
 
1.5. Nach der Rechtsprechung kann der Staatsanwaltschaft ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur entstehen, wenn unmittelbar die Verjährung von Tatvorwürfen droht (BGE 143 IV 175 E. 2.4 am Schluss; Urteile 1B_363/2021 vom 5. April 2022 E. 2.5; 1B_211/2018 vom 27. Juni 2018 E. 2.2). Dies kann aufgrund der pauschalen Ausführungen in der Beschwerdeschrift vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, zu welchem Zeitpunkt der Eintritt der Verfolgungsverjährung droht und warum es ihr aufgrund des angefochtenen Rückweisungsentscheids nicht möglich sein soll, den Strafvorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung rechtzeitig zur Anklage zu bringen um damit ein verjährungsunterbrechendes erstinstanzliches Urteil zu erwirken (vgl. Art. 97 Abs. 3 StGB). Dies ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Akten auch nicht ersichtlich. Die von der Beschwerdeführerin aufgrund des angefochtenen Rückweisungsentscheids durchzuführenden Beweismassnahmen scheinen sich auf die Einvernahmen zweier Personen zu beschränken, was mit keinem grossen Aufwand verbunden ist. Der angefochtene Beschluss ist damit nicht geeignet, das Verfahren wesentlich zu verzögern. Sodann räumt die Beschwerdeführerin ausdrücklich ein, dass die Strafuntersuchung nahezu abgeschlossen sei und einzig noch die Schlusseinvernahme des Beschuldigten ausstehe. Eine Anklage scheint damit bei beförderlicher Behandlung der Angelegenheit zeitnah möglich zu sein. Unter den gegebenen Umständen ist daher im gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass der gegen B.________ erhobene Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung vor Eintritt der Verfolgungsverjährung untersucht, gegebenenfalls angeklagt und vom zuständigen Strafgericht erstinstanzlich beurteilt werden kann, womit die Verjährung gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB nicht mehr eintreten könnte. Sollte sich das Verfahren unerwartet komplizieren und in die Länge ziehen, werden die Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf einen allfälligen Eintritt der Strafverfolungsverjährung gehalten sein, die Sache prioritär zu behandeln. Diesem Umstand könnte insbesondere mit der raschen Ansetzung einer Hauptverhandlung Rechnung getragen werden.  
Besteht aus den genannten Gründen, soweit sich dies aus den Akten und der Beschwerdeschrift erschliessen lässt, kein Risiko eines baldigen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung, stellt auch der Umstand, dass die Vorinstanz über ein Jahr für den angefochtenen Entscheid benötigte, keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil dar. Selbst wenn darin eine Verletzung des strafprozessualen Beschleunigungsgebots nach Art. 5 Abs. 1 StPO zu sehen wäre, würde die Beschwerdeführerin weder daran gehindert werden das Strafverfahren weiterzuführen, noch gegebenenfalls Anklage zu erheben. Der mit dem Rückweisungsentscheid für die Beschwerdeführerin verbundene Mehraufwand sowie die weitere Verlängerung des Verfahrens stellt mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar (vgl. vorne E. 1.3). 
 
1.6. Nach der Rechtsprechung kann der nicht wieder gutzumachende Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG schliesslich darin liegen, dass eine Behörde durch einen Rückweisungsentscheid dazu gezwungen wird, einer von ihr als falsch erachteten Weisung Folge zu leisten (BGE 144 IV 321 E. 2.3; Urteil 1B_103/2019 vom 10. Januar 2020 E. 1, nicht publ. in: BGE 146 IV 145). Auch dies ist vorliegend zu verneinen. Die Vorinstanz weist die Sache zur Sachverhaltsabklärung und anschliessenden Neubeurteilung an die Beschwerdeführerin zurück. Anweisungen betreffend den ersuchten Wechsel der amtlichen Verteidigung werden hingegen keine getroffen. Mithin wird die Beschwerdeführerin in ihrer Entscheidfindung nicht eingeschränkt.  
 
2.  
Die Beschwerde erweist sich aus den genannten Gründen als unzulässig, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat Rechtsanwalt A.________ hingegen eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat dem Beschwerdegegner 1 eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. September 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn