Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_42/2020  
 
 
Urteil vom 14. September 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, 
Bundesrichterin Jametti, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bau- und Justizdepartement 
des Kantons Solothurn, 
Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Gilomen. 
 
Gegenstand 
vorsorglicher Führerausweisentzug / verkehrsmedizinische Untersuchung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 20. Dezember 2019 (VWBES.2019.408). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ geriet am 22. September 2019 in Gerlafingen am Steuer eines Personenwagens in eine Polizeikontrolle. Der durchgeführte Drogenschnelltest fiel in Bezug auf Cannabis positiv aus. A.________ wurde der Führerausweis an Ort und Stelle abgenommen. Mit Verfügung vom 24. September 2019 händigte ihm die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn den Führerausweis wieder aus, mit dem Hinweis, dass über das weitere Vorgehen entschieden werde, wenn der Polizeirapport und das Blutprobegutachten vorlägen. Gemäss dem forensisch-toxikologischen Abschlussbericht des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) der Universität Bern vom 14. Oktober 2019 ergab die Auswertung der Urin- und Blutprobe, dass die Einnahme von Cannabis (zw. 1,54 - 2,86 Mikrogramm THC pro Liter Blut sowie 14 Mikrogramm THC-COOH pro Liter Blut) bewiesen sei. Damit sei der ASTRA-Grenzwert für THC von 1,5 Mikrogramm pro Liter Blut überschritten und die Fahrunfähigkeit aufgrund von Drogenkonsum gemäss ASTRA-Weisungen bestätigt. Am 23. Oktober 2019 entzog die Motorfahrzeugkontrolle namens des Bau- und Justizdepartements des Kantons Solothurn A.________ den Führerausweis vorsorglich. Mit Verfügung vom 11. November 2019 bestätigte die Motorfahrzeugkontrolle den vorsorglichen Entzug und ordnete an, A.________ habe sich einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen. Am 20. Dezember 2019 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde gut und hob die Verfügung vom 11. November 2019 auf. Am 23. Dezember 2019 händigte die Motorfahrzeugkontrolle A.________ den Führerausweis wieder aus. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Januar 2020 beantragt das Bau- und Justizdepartement, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2019 sei aufzuheben und A.________ sei einer verkehrsmedizinischen Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen. Weiter sei A.________ der Führerausweis bis zum Vorliegen des Ergebnisses der verkehrsmedizinischen Fahreignungsuntersuchung vorsorglich zu entziehen. 
Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt die Gutheissung der Beschwerde. Zur Begründung führt es aus, es bestehe der dringende Verdacht, der Beschwerdegegner könne den Konsum von Cannabis und das Führen von Fahrzeugen nicht trennen. Für diesen Fall schreibe das Strassenverkehrsgesetz eine Fahreignungsuntersuchung vor. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die endgültige Nichtanordnung bzw. Aufhebung einer erstinstanzlich verfügten verkehrsmedizinischen Untersuchung und eines Sicherungsentzugs eines Führerausweises. Beschwerdeführer ist die erstinstanzlich verfügende Behörde.  
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall vom "Normalfall", bei welchem die Vorinstanz die erstinstanzliche Anordnung der genannten Massnahmen bestätigt und der Führerausweisinhaber dagegen Beschwerde führt. Diesfalls läuft das Verfahren auf Führerausweisentzug weiter. Der definitive Entscheid über einen allfälligen Entzug des Führerausweises wird erst nach der verkehrsmedizinischen Untersuchung gefällt. Solche Entscheide stellen Zwischenentscheide dar. Diese sind nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts vom Führerausweisinhaber anfechtbar, da sie für ihn einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (BGE 122 II 359 E. 1b S. 362; statt vieler: Urteil 1C_262/2019 vom 6. Mai 2020 E. 1.1 mit Hinweisen). 
Diese Rechtsprechung kann indessen nicht ohne weiteres auf die vorliegende Konstellation angewendet werden. Nicht der Führerausweisinhaber führt Beschwerde, dessen Führerausweis vorsorglich entzogen wurde bzw. der sich einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen hat, sondern die erstinstanzlich verfügende Behörde. Sie ist nicht damit einverstanden, dass die Vorinstanz die von ihr verfügten Massnahmen aufgehoben hat. Dazu ist sie gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG berechtigt. Indem die Vorinstanz auf die Fahreignungsprüfung inkl. vorsorglichem Ausweisentzug verzichtet und die sofortige Aushändigung des Führerausweises angeordnet hat, hat sie die vorsorglichen Massnahmen im Verfahren über die zugrunde liegenden Anordnungen der Motorfahrzeugkontrolle vom 11. November 2019 endgültig abgeschlossen. Gegenüber dem Beschwerdegegner wird definitiv kein Sicherheitsentzug und keine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Vorsorgliche Massnahmen zur Sicherstellung gefährdeter Interessen bis zum Abschluss des Hauptverfahrens liegen keine mehr vor. Somit handelt es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Endentscheid (Art. 90 BGG). 
Die bisherige Rechtsprechung ist demgegenüber auch bei der hier vorliegenden Konstellation von einem Zwischenentscheid ausgegangen (vgl. Urteile 1C_618/2015 vom 7. März 2016 E. 1; 1C_357/2014 vom 18. November 2014 E. 1; 6A.106/2001 vom 26. November 2001 E. 1a). Den erwähnten Entscheiden können jedoch weder sachliche Gründe noch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage entnommen werden, weshalb von einem Zwischenentscheid auszugehen sei, wenn die erstinstanzlich verfügende Behörde Beschwerde gegen die Nichtanordnung der vorsorglichen Massnahmen führt und das Verfahren damit grundsätzlich beendet ist. An dieser Rechtsprechung kann daher nicht festgehalten werden. 
 
1.2. Streitgegenstand vor Bundesgericht bildet die umstrittene (Nicht-) Anordnung des vorsorglichen Führerausweisentzugs zur Abklärung der Fahreignung des Beschwerdegegners. Diese stellt gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine vorsorgliche Massnahme dar (BGE 125 II 396 E. 3 S. 401; statt vieler: Urteil 1C_541/2019 vom 10. März 2020 E. 3 mit Hinweisen). Diesfalls kann vor Bundesgericht gemäss Art. 98 BGG mit der Marginalie "Beschränkte Beschwerdegründe" nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Nach Art. 106 Abs. 2 BGG prüft das Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286 mit Hinweisen).  
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz jedoch einzig eine Verletzung von Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG und von Art. 30 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) vor. Diese Rügen betreffen die Anwendung von einfachem Gesetzes- bzw. Verordnungsrecht und nicht eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Eine Verletzung des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV bzw. eine willkürliche Anwendung von Bundesrecht macht der Beschwerdeführer hingegen nicht geltend. Stattdessen hält er selbst - zumindest im Zusammenhang mit der angeblichen Verletzung von Art. 30 VZV - ausdrücklich fest, es liege eine einfache Rechtsverletzung vor. Eine Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist demnach weder dargetan noch ersichtlich, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. 
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. September 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier