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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_400/2019  
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch FORTUNA Rechtsschutz-Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. April 2019 (IV.2018.00370). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1964 geborene A.________ meldete sich im Dezember 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Hinweis auf eine im Jahr 1984 festgestellte Multiple Sklerose. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch; insbesondere veranlasste sie eine polydisziplinäre Begutachtung bei der asim, Universitätsspital Basel (Expertise vom 17. März 2016). Mit Verfügung vom 8. März 2018 sprach die IV-Stelle dem Versicherten vom 1. August 2015 bis 31. Januar 2016 eine ganze Rente und ab 1. Februar 2016 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu. 
 
B.   
Die gegen die Rentenherabsetzung erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. April 2019 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. April 2019 sei aufzuheben, und es sei ihm über den 31. Januar 2016 hinaus eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
 
2.   
Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht bestätigte, dass der Beschwerdeführer ab dem 1. Februar 2016 nur noch Anspruch auf eine Dreiviertelsrente habe. Die ganze Rente vom 1. August 2015 bis 31. Januar 2016 steht ausser Diskussion (Art. 107 Abs. 1 BGG). 
 
3.   
Das kantonale Gericht ermittelte den Invaliditätsgrad in Anwendung der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG). Das Invalideneinkommen hat es anhand der Tabellenlöhne der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik (LSE 2014, Tabelle TA1, Kompetenzniveau 1, Total, Männer), ausgehend von einer Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer angepassten Tätigkeit, unter Berücksichtigung eines Tabellenlohnabzugs von 10 %, auf Fr. 29'990.85 beziffert. Bei einem Valideneinkommen von Fr. 93'617.15 ergab dies einen Invaliditätsgrad von gerundet 68 % (zum Runden vgl. BGE 130 V 121), was Anspruch auf eine Dreiviertelsrente gibt (Art. 28 Abs. 2 IVG). 
Die Beschwerde richtet sich einzig gegen den vorinstanzlichen Tabellenlohnabzug. 
 
4.  
 
4.1. Mit dem Abzug vom Tabellenlohn nach BGE 126 V 75 soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (vgl. dazu BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70) nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Der Abzug darf 25 % nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 79 f.; Urteil 9C_225/2019 vom 11. September 2019 E. 4.2.2).  
 
4.2. Die Frage, ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs eine Ermessensfrage und somit letztinstanzlich nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72).  
 
5.  
 
5.1. Die Vorinstanz erachtete einen Tabellenlohnabzug von 10 % als angemessen, welchen sie mit einem vermehrten Pausenbedarf des Versicherten begründete. Sie erwog, im Sinne der Gesamtbeurteilung sei davon auszugehen, dass die asim-Gutachter bei einer optimal angepassten Tätigkeit von einer Arbeitsfähigkeit von 50 % ausgehen würden, wobei eine 50 %ige Arbeitsleistung einer 50 %igen Arbeitspräsenz entspreche. Bei einer weniger optimal angepassten Tätigkeiten benötige der Beschwerdeführer eine leicht höhere Arbeitspräsenz, um eine 50 %ige Arbeitsleistung zu erzielen. Da der vermehrte Pausenbedarf auf das verbleibende 50 %ige Pensum in einer weniger optimal angepassten Tätigkeit nicht einbezogen worden sei, rechtfertige sich ein Tabellenlohnabzug von 10 %. Keinen Abzug begründen würden hingegen das Alter des Versicherten wie auch der Umstand, dass er keine Führungsfunktion mehr ausüben dürfe.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz habe unbegründet gelassen, weshalb "die flexible Gestaltung der Arbeitsausführungen in zeitlicher Hinsicht", wie von ihm vorgebracht, bei der Festlegung des Abzugs keine Rolle spielen solle. Dass diese Faktoren im angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigt worden seien, sei offensichtlich unhaltbar. Gemäss asim-Gutachten sei er aufgrund der Symptome des Fatigue-Syndroms auf eine flexible Gestaltung der Arbeitszeiten, der Pausengestaltung und des Arbeitstaktes angewiesen. Studien hätten ergeben, dass rund die Hälfte aller vorhandenen Arbeitsplätze ihren Arbeitnehmenden keine flexible zeitliche Arbeitsgestaltung ermöglichten, was bedeute, dass sich für ihn die Auswahl der möglichen Stellen (im Vergleich zu "gesundheitlich nicht oder anderweitig eingeschränkte[n] Arbeitnehmende[n]") um 50 % reduziere. Ebenso zu einem Wettbewerbsnachteil führe der Umstand, dass er seinen Arbeitstakt zumindest mitbestimmen können solle. Diese Faktoren kämen zum vermehrten Pausenbedarf, welcher die Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht einschränke, hinzu, weshalb ein Abzug von 20 % insgesamt als angemessen erscheine.  
 
5.3. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind insofern begründet, als er eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung rügt. Denn in der Tat hat sich die Vorinstanz bei der Festlegung des Tabellenlohnabzugs zu der vom Versicherten geltend gemachten Flexibilität in Bezug auf die Gestaltung von Arbeitszeiten/Pausen und Arbeitstakt nicht geäussert (vgl. E. 5.1). In dieser Hinsicht ist der Sachverhalt zu ergänzen (vgl. E. 1; zur Ergänzung des Sachverhalts bei entsprechend liquider Aktenlage vgl. auch BGE 143 V 19 E. 6.1.3 in fine S. 32) :  
 
5.3.1. Dem Administrativgutachten vom 17. März 2016 ist in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit in Verweistätigkeiten unter anderem zu entnehmen, dass der Belastbarkeit, der Ermüdbarkeit, sowie der Verlangsamung besondere Beachtung geschenkt werden müsse. Der Explorand sei auf eine "flexible Gestaltung der Arbeitszeiten, der Pausengestaltung und des Arbeitstaktes angewiesen" (Gutachten S. 27). Dass dem Versicherten aufgrund dieser Aspekte nicht mehr sämtliche Tätigkeiten im hier zugrunde gelegten Kompetenzniveau 1 (vgl. E. 3) offen stehen, steht ausser Frage. Alleine daraus kann indessen nicht gefolgert werden, dass die Anstellungschancen, verglichen mit einem gesunden Mitbewerber, nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse intakt wären, zumal der (theoretisch) ausgeglichene Arbeitsmarkt, der hier massgeblich ist (vgl. E. 4.1), eine Vielzahl verschiedenartiger Stellen bietet. Was den Arbeitstakt anbelangt, so scheint der Beschwerdeführer selber nicht von einem ausserordentlichen Erschwernis auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt auszugehen, zumal er vorbringt, es sei (lediglich) erforderlich, dass er den Arbeitstakt zumindest mitbestimmen könne. Mangels eines entsprechenden - auch beschwerdeweise nicht weiter dargelegten - Kausalzusammenhangs mit dem letztlich erzielbaren Erwerbseinkommen berechtigen die verminderte Flexibilität in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitszeiten/Pausen und des Arbeitstaktes nach dem Gesagten nicht zu einer Herabsetzung des Tabellenlohnes (vgl. Urteil 9C_310/2019 vom 9. September 2019 E. 5.2).  
 
5.3.2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vor Bundesgericht neu eingereichten Berichten zu den Arbeitsbedingungen / zur Flexibilität der Arbeitszeiten von Arbeitnehmenden in der Schweiz, welchen höchstens eine Aussage über das Spektrum möglicher erwerblicher Tätigkeiten des konkreten (hier nicht relevanten) Arbeitsmarktes zu entnehmen ist, nicht jedoch eine Aussage über (allfällige) lohnrelevante Nachteile auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Die Zulässigkeit dieser Berichte (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden.  
 
5.4. Zusammenfassend hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie der verminderten Flexibilität, was die Gestaltung von Arbeitszeiten/Pausen und Arbeitstakt betrifft, bei der Festlegung des Tabellenlohnabzugs keine Bedeutung beigemessen hat. Im Übrigen werden hinsichtlich des vorinstanzlich gewährten Abzugs von 10 % aufgrund eines vermehrten Pausenbedarfs (in einer weniger optimal angepassten Tätigkeit; vgl. E. 5.1) keine Einwendungen vorgebracht, weshalb sich Weiterungen dazu erübrigen. Die Beschwerde ist somit unbegründet.  
 
6.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 14. Oktober 2019 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger