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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_547/2019  
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Laube, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 20. Juni 2019 (IV.2018.00042). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ meldete sich im Februar 2016 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen (u.a. Expertise der ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom 21. August 2017) und durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 11. Dezember 2017 einen Rentenanspruch. 
 
B.   
Die Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. Juni 2019 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________ zur Hauptsache, der Entscheid vom 20. Juni 2019 sei aufzuheben, und es sei ihr eine Rente der IV spätestens seit Februar 2017 zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig [wie die Beweiswürdigung willkürlich; BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444] ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; zur Rüge- und Begründungspflicht der Parteien: Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG sowie BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 und BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). In diesem Rahmen prüft es grundsätzlich frei, ob ein medizinisches Gutachten den Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte genügt (vgl. dazu BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; Urteil 9C_658/2018 vom 11. Januar 2019 E. 1 mit Hinweis). 
 
2.   
Streitgegenstand bildet der von der Vorinstanz in Bestätigung der angefochtenen Verfügung der Beschwerdegegnerin verneinte Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der Invalidenversicherung. 
 
3.   
Die für die Beurteilung der Streitfrage massgebenden Rechtsgrundlagen werden in E. 1 des Entscheids der Vorinstanz richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
 
4.   
Die Vorinstanz hat auf der Grundlage des Gutachtens der ABI vom 21. August 2017, dem es Beweiswert zuerkannt hat, einen Invaliditätsgrad von maximal 25 % ermittelt, was für den Anspruch auf eine Rente nicht ausreicht (Art. 28 Abs. 2 IVG). 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin bestreitet in verschiedener Hinsicht den Beweiswert des ABI-Gutachtens vom 21. August 2017. 
 
5.1. Sie bringt vor, der Expertise fehle die Nachvollziehbarkeit der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit insbesondere betreffend die Kniebeschwerden und die Befunde an der Lendenwirbelsäule (LWS). Die Beurteilung des Orthopäden der Gutachterstelle (Art. 72bis Abs. 1 IVV) sei für die strittigen Belange nicht umfassend und seine Schlussfolgerungen überzeugten nicht (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).  
 
5.1.1. Gemäss dem ABI-Gutachten ist aus interdisziplinärer Sicht aufgrund der chronischen Kniebeschwerden rechts in der angestammten Tätigkeit als Küchenhilfe seit Oktober 2016 von einer Arbeits- und Leistungsfähigkeit von 80 % auszugehen (Ganztagespensum mit vermehrtem Pausenbedarf). Für eine körperlich leichte angepasste Tätigkeit besteht eine zeitlich und leistungsmässig uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit. Die übrigen Diagnosen, u.a. die Angst- und depressive Störung, gemischt (ICD-10 F41.2), die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) sowie das chronische lumbovertebrale Schmerzsyndrom ohne fassbare radikuläre Symptomatik, sind ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit.  
 
5.1.2. Der Orthopäde der ABI erhob im Rahmen seiner klinischen Untersuchung (zu deren Bedeutung bei Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule Urteil 9C_335/2015 vom 1. September 2015 E. 4.2.2) auch den neurologischen Status. Ebenfalls zog er die radiologischen Befunde in seine Beurteilung mit ein. Sodann äusserte er sich zum Verhalten der Versicherten während der Untersuchung. Zusammenfassend hielt er fest, die völlig diffus beklagten Beschwerden liessen sich durch die klinischen, radiologischen und infiltrativen Befunde keinesfalls klar begründen. Inwieweit eine Schmerzverarbeitungsstörung oder eine sonstige psychische Pathologie vorliege und ob dadurch gegebenenfalls ein Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit entstehe, sei Gegenstand des psychiatrischen Teils des Gutachtens. Schliesslich setzte sich der orthopädische Experte ausführlich mit den abweichenden Beurteilungen der Rheumatologen Dr. med. B.________ und Dr. med. C.________ auseinander und legte dar, weshalb diesen nicht gefolgt werden könne.  
Die Vorinstanz hat in ihrer - insofern sehr knappen - Begründung auf die bei der Untersuchung festgestellten deutlichen Inkonsistenzen sowie eine psychische Überlagerung hingewiesen, was weitestgehend auch der Einschätzung des Dr. med. D.________ in seiner psychiatrisch-neurologischen Kurzbeurteilung vom 25. Januar 2016 entspreche. 
 
5.1.3. Mit ihren Vorbringen, soweit damit nicht unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geübt wird (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356), vermag die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Bundesrecht, namentlich der Regeln hinsichtlich des Beweiswerts oder des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (BGE 125 V 352 E. 3a S. 353) darzutun. Mit Bezug auf den Umstand im Besonderen, wonach der Orthopäde der ABI weder Rheumatologe noch Neurologe ist, ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es letztlich den Fachärzten der Gutachterstelle obliegt, über die Erforderlichkeit weiterer Abklärungen bzw. die Beteiligung weiterer Disziplinen zu entscheiden (BGE 139 V 349 E. 3.3 S. 352; Urteil 8C_125/2016 vom 4. November 2016 E. 4.3.2).  
 
5.2. Sodann wird in der Beschwerde eine unvollständige und widersprüchliche Sachverhaltsabklärung zur mangelhaften Nierenfunktion, zur Stoffwechselstörung und zu den Schwindelbeschwerden sowie deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gerügt. Die Vorbringen nehmen indessen weder Bezug auf die diesbezüglichen Erwägungen im Entscheid der Vorinstanz noch auf die Beurteilung des fallführenden Internisten der ABI, womit es sein Bewenden hat (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176). Insbesondere ist nicht auf den appellatorischen Einwand einzugehen, die chronische Niereninsuffizienz schränke die Möglichkeit, Schmerzmittel einzunehmen, ein, was bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit unberücksichtigt geblieben sei.  
 
5.3. Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, im Bericht des Psychiatriezentrums E.________ vom 6. September 2017, der nach dem ABI-Gutachten vom 21. August 2017 erstellt wurde, sei eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % angegeben worden. Zu dieser diametral abweichenden Einschätzung habe der psychiatrische Gutachter nicht Stellung nehmen können. Die Expertise könne daher nicht als umfassend und in den Schlussfolgerungen überzeugend gelten. Diese Argumentation verkennt, dass versicherungsexterne medizinische Gutachten nach Art. 44 ATSG nicht schon deshalb den Beweiswert verlieren, weil die behandelnden Ärzte zu einer abweichenden Beurteilung gelangen. Vielmehr besteht in einem solchen Fall lediglich dann Anlass für weitere Abklärungen, wenn diese wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (Urteil 9C_867/2018 vom 28. Mai 2019 E. 5.1.2 mit Hinweis), wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern ein solcher Tatbestand gegeben sein soll.  
 
5.4. Unbehelflich ist auch der Einwand, die im Bericht des Spitals F.________ vom 7. Dezember 2017 diagnostizierte Anämie trage erfahrungsgemäss zu einer Ermüdung bei, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken könne, was unberücksichtigt geblieben sei. Der Internist der ABI erwähnte bei den Diagnosen u.a. eine grenzwertige, normochrome, normozytäre Anämie (ICD-10 D64.9), welche die Arbeitsfähigkeit jedoch nicht einschränke. Im Übrigen lässt sich nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz den medizinischen Akten, insbesondere auch dem Bericht des Spitals F.________ vom 7. Dezember 2017, nicht entnehmen, dass die im Rahmen der Begutachtung erhobenen Laborwerte sich negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirken würden.  
 
5.5. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe in der Untersuchung durch den Psychiater der ABI Mühe gehabt mit den genauen Angaben von Lebensdaten und auch keine genauen Angaben über die psychiatrische Behandlung machen können. Diese offensichtlichen neuropsychologischen Defizite hätten Anlass für diesbezügliche Untersuchungen sein sollen, was jedoch unterblieben sei. Indessen ist es grundsätzlich Aufgabe des psychiatrischen Facharztes, die Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung allfälliger neuropsychologischer Defizite einzuschätzen. Eine neuropsychologische Abklärung stellt lediglich eine Zusatzuntersuchung dar, welche bei begründeter Indikation in Erwägung zu ziehen ist (Urteil 9C_566/2017 vom 20. November 2017 E. 2.1 mit Hinweis). Es ist davon auszugehen, dass der Psychiater der Gutachterstelle diesbezügliche Untersuchungen durchgeführt hätte, wenn er solche für notwendig erachtete.  
Nach dem Gesagten sind die Einwendungen gegen das ABI-Gutachten vom 21. August 2017 unbegründet. 
 
6.   
Schliesslich bringt die Beschwerdeführerin vor, die Vorinstanz und die Gutachter der ABI hätten eine Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 281 durchführen müssen. 
 
6.1. Die Frage, ob die im ABI-Gutachten erwähnten Diagnosen einer Angst- und depressiven Störung, gemischt (ICD-10 F41.2) und einer chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41; vgl. E. 5.1.1) zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, welche auch rechtlich bedeutsam ist, beurteilt sich in Nachachtung von Art. 7 Abs. 2 ATSG grundsätzlich auf der Grundlage eines strukturierten Beweisverfahrens (Standardindikatorenprüfung) nach BGE 141 V 281 und BGE 143 V 418. Dabei geht es darum, das unter Berücksichtigung sowohl leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren als auch von Kompensationspotentialen (Ressourcen) tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 3.6 S. 294; Urteil 9C_289/2018 vom 11. Dezember 2018 E. 6.1).  
Die Notwendigkeit, ein strukturiertes Beweisverfahren durchzuführen, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Falles. Davon kann etwa abgesehen werden, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann (BGE 143 V 418 E. 7.1 S. 429). 
 
6.2. Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde orientierte sich der Psychiater der ABI bei der Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben gemäss BGE 141 V 281 (vgl. "4.1.10.1 Versicherungsmedizinische Fragen" seines Teilgutachtens). Dazu äussert sich die Beschwerdeführerin einzig insoweit, dass sie sich gegen den Vorwurf wehrt, der Medikamentenspiegel sei unterhalb des therapeutischen Bereichs gewesen. Der Experte habe unberücksichtigt gelassen, dass die chronische Niereninsuffizienz, welche "Schmerzmittel induziert" sei, die Möglichkeit, solche einzunehmen, einschränke. Dieser Einwand betrifft die Indikatoren "Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz" und "behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck" (BGE 141 V 281 E. 4.1.3 S. 297 f.). Dem Bericht des Spitals G.________ vom 4. Dezember 2016, auf welchen sie sich beruft, kann indessen nicht entnommen werden, dass die Einnahme der verordneten "Medikamente bei Austritt" in irgendeiner Weise eingeschränkt wäre oder diesbezüglich bei optimaler Kooperation eine negative Prognose bestünde (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299). Ebenso wenig finden sich in den medizinischen Akten Hinweise auf das Vorliegen einer (unabwendbaren) Unfähigkeit zur Krankheitseinsicht, was für einen tatsächlich bestehenden Leidensdruck sprechen könnte (BGE 141 V 281 E. 4.4.2 S. 304). Die weiteren Feststellungen des psychiatrischen Gutachters zu den Indikatoren sind nicht bestritten. Unter diesen Umständen besteht kein Grund zu einer gesonderten (rechtlichen) Prüfung nach Massgabe des strukturierten Beweisverfahrens (vgl. auch BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 54).  
 
7.   
Die Invaliditätsbemessung der Vorinstanz ist einzig in Bezug auf die zugrunde gelegte Arbeitsfähigkeit von 100 % in angepassten Tätigkeiten gemäss dem ABI-Gutachten vom 21. August 2017 bestritten, worauf, wie dargelegt, jedoch abgestellt werden kann. Damit hat es sein Bewenden (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
Der angefochtene Entscheid hält vor Bundesrecht stand. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
8.   
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 14. Oktober 2019 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler