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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_1047/2018, 2C_1048/2018  
 
 
Urteil vom 14. Dezember 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Quinto. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Beat Baumgartner und Georges Frick, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe DBA (CH-NL), 
 
Beschwerde gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 9. November 2018 (A-1789/2018, A-3611/2018). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Am 28. Januar 2016 unterbreitete der niederländische Belastingdienst (BD) der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ein Amtshilfegesuch bezüglich des in den Niederlanden domizilierten Steuerpflichtigen A.________ und ersuchte um verschiedene Informationen zu zwei schweizerischen juristischen Personen, an denen der genannte Steuerpflichtige vermutungsweise beteiligt sei. Ein weiteres Amtshilfegesuch des BD an die ESTV vom 20. November 2017 richtete sich gegen namentlich nicht bekannte natürliche Personen, welche in einem bestimmten Zeitraum in den Niederlanden domiziliert und neben anderen Kriterien Inhaber eines Kontos bei der Bank B.________ & Co. AG waren. Diesbezüglich ersuchte der BD um die Angabe von Name, Adresse und Geburtsdatum des Kontoinhabers sowie die Kontonummer und den Kontostand (an bestimmten Stichtagen). Der BD stützte seine Gesuche zwecks Gewährung von internationaler Amtshilfe in Steuersachen auf Art. 26 des Abkommens vom 26. Februar 2010 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-NL; SR 0.672.963.61).  
Bezüglich des zweitgenannten Amtshilfegesuches meldete sich A.________ als betroffene Person bzw. Steuerpflichtiger bei der ESTV. 
 
1.2. Nach Durchführung des jeweiligen Amtshilfeverfahrens ordnete die ESTV in beiden Verfahren entgegen den Anträgen von A.________ mittels Schlussverfügungen vom 21. Februar 2018 und 22. Mai 2018 die Übermittlung praktisch aller ersuchten Informationen an. Die gegen diese Schlussverfügungen von A.________ erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen (A-1789/2018 und A-3611/2018) vom 9. November 2018 grösstenteils ab.  
 
1.3. Mit zwei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 23. November 2018 beantragt A.________ (Beschwerdeführer) jeweils die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Nichteintreten auf das betreffende Amtshilfegesuch, eventualiter die Aufhebung und Rückweisung der Sache an die ESTV zur Neubeurteilung sowie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.  
 
2.   
Der relevante Sachverhalt ist sowohl in Bezug auf die angefochtenen Urteile als auch die Beschwerden im Wesentlichen derselbe. In beiden Beschwerden werden dieselben Anträge gestellt und damit begründet, der Beschwerdeführer sei urteilsunfähig bzw. nicht prozessfähig gewesen, weshalb die Prozessführung verboten gewesen und das rechtliche Gehör verletzt worden sei. Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren 2C_1047/2018 und 2C_1048/2018 in sinngemässer Anwendung von Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP i.V.m. Art. 71 BGG zu vereinigen und in einem Urteil zu erledigen (Vgl. Urteil 2C_327/2010, 2C_328/2010 vom 19. Mai 2011 E. 1, nicht publ. in: BGE 137 I 247). 
 
3.   
 
3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen (Art. 83 lit. h BGG). Voraussetzung ist jedoch, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 84a BGG) oder es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84a i.V.m. Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. In der Beschwerde ist detailliert aufzuzeigen, dass und weshalb die jeweilige Sachurteilsvoraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG), es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410).  
 
3.2. Sowohl Art. 84a BGG als auch Art. 84 Abs. 2 BGG bezwecken die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerangelegenheiten. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt. Dies kann zutreffen, wenn die Rechtsprechung in der massgebenden Lehre auf erhebliche Kritik gestossen ist. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können sich ebenfalls nach dem Erlass neuer materiell- oder verfahrensrechtlicher Normen stellen. Das Gleiche gilt, wenn sich aufgrund der internationalen Entwicklungen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen (BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E. 4 S. 342 f. mit weiteren Hinweisen). In jedem Fall muss es sich bei der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung um eine solche auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen handeln (BGE 143 II 120 E. 2.2.2 S. 123; 143 II 425 E. 1.3 S. 427; 137 II 313 E. 1.1.1 S. 316; Urteile 2C_476/2018 vom 4. Juni 2018 E. 2.2.2; 2C_223/2018 vom 14. März 2018 E. 2.3.2).  
Ein besonders bedeutender Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Diesbezüglich steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 BGG eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen (BGE 139 II 340 E. 4 S. 342 f.). 
 
4.   
 
4.1. Vorliegend wirft der Beschwerdeführer in beiden Verfahren die Frage auf, wie die zuständige Behörde bzw. die ESTV sowie die Vorinstanz in einem internationalen Amtshilfeverfahren in Steuersachen gegen eine mutmasslich urteilsunfähige betroffene Person, die im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens durch die ersuchende Behörde nicht verbeiständet ist, vorzugehen haben.  
 
4.2. Die Prozessfähigkeit natürlicher Personen setzt deren Urteilsfähigkeit (Art. 16 ZGB) voraus (MARANTELLI/SAID HUBER, in: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, Waldmann/Weissenberger (Hrsg.), 2. Aufl. 2016, N. 14 zu Art. 6 VwVG). Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Mandatserteilung im Januar 2016 urteilsfähig war. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, sein Gesundheitszustand habe sich im Laufe des Verfahrens dermassen verschlechtert, dass bei ihm Urteilsunfähigkeit zu vermuten sei, was zu einer Umkehr der Beweislast führe. Demnach sei er nachgewiesenermassen urteilsunfähig. Welche Anforderungen an die Urteilsfähigkeit in einem Amtshilfeverfahren in Steuersachen zu stellen seien, sei soweit ersichtlich noch nie gerichtlich entschieden worden.  
 
4.3. Die Vorinstanz hat sich bezüglich der Prozess- und Urteilsfähigkeit im Wesentlichen auf die Rechtsprechung zu den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften (insbes. Art. 16 ZGB) abgestützt und ist der Auffassung, dass generell bei erwachsenen Personen und damit beim Beschwerdeführer die Urteilsfähigkeit zu vermuten ist. Es sei mit keinem Beweismittel ein Zustand wie Altersdemenz oder Altersschwäche beim Beschwerdeführer festgestellt worden, welcher zu einer umgekehrten Vermutung der Urteilsunfähigkeit führe. Der Beschwerdeführer trage die Folgen der Beweislosigkeit der Urteilsunfähigkeit bzw. die Beweislast, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer urteilsfähig und damit prozessfähig sei. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer für die Amtshilfeverfahren eine Anwaltsvollmacht erteilt, welche über den Verlust der Handlungsfähigkeit des Klienten hinaus gelte, was zulässig sei, sodass selbst ein Verlust der Urteilsfähigkeit im Laufe des Verfahrens aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes irrelevant sei.  
 
4.4. Ob eine natürliche Person prozessfähig bzw. urteilsfähig ist und wie bezüglich Beweisanforderungen und Beweislastverteilung vorzugehen ist, beschlägt Rechtsfragen, welche sich in jedem Rechtsverfahren stellen, sei es in einem Zivilprozess oder einem verwaltungsrechtlichen Verfahren (vgl. Art. 67 ZPO; MARANTELLI/SAID HUBER, a.a.O., N. 14 zu Art. 6 VwVG; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, N. 472, 602 ff., 1214; KÖLZ/HÄNER/ BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, N. 697). Das StAhiG verweist bezüglich anwendbarem Verfahrensrecht in Art. 5 Abs. 1 auf das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021). Es handelt sich deshalb um Rechtsfragen, welche nicht spezifisch die internationale Amtshilfe in Steuersachen betreffen. Demzufolge ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen im Sinne von Art. 84a BGG gegeben.  
 
5.  
 
5.1. Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, aufgrund seiner sehr schlechten körperlichen und geistigen Verfassung habe er selbst sich höchstens beschränkt zur Sache äussern und seine Rechtsvertreter nicht sinnvoll bei der Verfahrensführung unterstützen können, weshalb elementare Verfahrensgrundsätze, nämlich der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), verletzt worden seien. Der Beschwerdeführer erblickt darin einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84a i.V.m. Art. 84 Abs. 2 BGG.  
 
5.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wonach keine Umstände vorliegen, aufgrund derer von einer Altersschwäche oder Altersdemenz auszugehen ist, wurde vom Beschwerdeführer nicht beanstandet. Das Bundesgericht ist an diese Sachverhaltsfeststellung gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Insbesondere hat die Vorinstanz aus der im Amtshilfegesuch des BD vom 28. Januar 2016 wiedergegebenen Bemerkung des (niederländischen) Finanzamtes, wonach der Beschwerdeführer 74 Jahre alt ist und sich während des Gesprächs mit dem Finanzamt zeigte, "dass seine Gesundheit einiges zu wünschen übrig lässt",  keine relevante geistige Beeinträchtigung abgeleitet - dies auch deshalb, weil das Finanzamt anfügte, es zweifle an der Mitteilung des Beschwerdeführers, er könne sich an die Anteilstransaktionen nicht mehr erinnern. Ausserdem schloss die Vorinstanz aus einer vom Beschwerdeführer ins Feld geführten Aktennotiz der Bank B.________ & Co. AG vom 12. Januar 2015 zu einer Besprechung mit dem Beschwerdeführer vom 23. Dezember 2014, wonach sich dieser entschieden habe, sich aus gesundheitlichen Gründen in der Schweiz niederzulassen, weil die medizinische Betreuung dort besser sei, gerade  nicht auf eine Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit. Vielmehr wertete die Vorinstanz diese Aktennotiz als Beleg für die Fähigkeit des Beschwerdeführers, vernunftbasierte Entscheidungen zu treffen (vgl. Art. 16 ZGB). Sonstige Beweismittel wie Arztzeugnisse, welche eine geistige Beeinträchtigung des Beschwerdeführers belegen, wurden von ihm nicht vorgelegt.  
 
5.3. Die Berufung auf die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze wie das rechtliche Gehör öffnet praxisgemäss nur dann den Rechtsweg an das Bundesgericht gemäss Art. 84a i.V.m. Art. 84 Abs. 2 BGG, wenn objektiv gesehen ernsthafte Anhaltspunkte für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bestehen (Urteile 2C_261/2016 vom 2. Mai 2016 E. 2.3 und 2.4; 1C_211/2010 vom 25. Mai 2010 E. 4). Dies ist gemäss den Ausführungen unter E. 5.2 vorliegend nicht der Fall.  
 
6.  
Da sich weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt noch aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, ist auf die Beschwerden nicht einzutreten. 
 
7.   
Angesichts des vorliegenden Urteils ist über die Anträge, den Beschwerden sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, nicht mehr zu befinden. Im Übrigen wären diese Anträge in jedem Fall gegenstandslos, da einer Beschwerde in einem Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt (Art. 103 Abs. 2 lit. d BGG). 
 
8.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 2C_1047/2018 und 2C_1048/2018 werden vereinigt. 
 
2.   
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Dezember 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Quinto