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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1430/2020  
 
 
Urteil vom 15. Juli 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Joel Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einsprache gegen Strafbefehl; Zustellfiktion (Verletzung von Verkehrsregeln usw.); Willkür, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 5. November 2020 (2N 20 82). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Strafbefehl vom 22. August 2019 verurteilte die Staatsanwaltschaft Abteilung 2 Emmen A.________ wegen Verletzung von Verkehrsregeln und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 90 Tagessätzen Geldstrafe und Fr. 900.-- Busse. Das Bezirksgericht Hochdorf trat am 22. Juni 2020 auf die dagegen erhobene Einsprache infolge Verspätung nicht ein. Das Kantonsgericht Luzern wies die Beschwerde von A.________ am 5. November 2020 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Einspracheverfahren durchzuführen. Eventualiter sei die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den Strafbefehl kann die beschuldigte Person bei der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen schriftlich Einsprache erheben (Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO). Die Einsprachefrist beginnt mit der Zustellung des Strafbefehls zu laufen. Die Formen der Zustellung sind in Art. 85 StPO geregelt. Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, insbesondere durch die Polizei (Abs. 2; BGE 144 IV 57 E. 2.3; Urteil 6B_860/2020 vom 18. November 2020 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
Die Zustellung einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akten zugestellt werden können, welche das Verfahren betreffen (BGE 141 II 429 E. 3.1; 138 III 225 E. 3.1; Urteil 6B_110/2016 vom 27. Juli 2016 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 142 IV 286 mit Hinweisen). Diese Obliegenheit beurteilt sich nach den konkreten Verhältnissen und dauert nicht unbeschränkt an (Urteil 6B_324/2020 vom 7. September 2020 E. 1.2 mit Hinweisen). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm der Strafbefehl am 26. August 2019 zur Abholung gemeldet wurde und dass dieser nach Ablauf der siebentägigen Frist, d.h. per 2. September 2019 als zugestellt gilt. Ebenso wenig stellt er in Abrede, dass die Einsprachefrist am 12. September 2019 endete und sein Begehren vom 23. September 2019 daher verspätet war. Er macht jedoch geltend, aufgrund der unklaren Rechtsmittelbelehrung irrigerweise davon ausgegangen zu sein, dass die Einsprachefrist erst ab der effektiven Zustellung d.h. dem Empfang durch ihn am 11. September 2019 zu laufen begonnen habe. Er rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie des Gebots von Treu und Glauben.  
 
1.3. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. Es muss als notorisch bezeichnet werden, dass eingeschriebene Post am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt gilt. Diese Regelung kann - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - vernünftigerweise nur dahingehend verstanden werden, dass die Zustellung gemäss dem Gesetz nach Ablauf der Siebentagesfrist erfolgt ist, unabhängig davon, ob der Adressat die Sendung zur Kenntnis genommen hat oder nicht. Andernfalls ginge die gesetzliche Zustellfiktion nach Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO ins Leere und entstünde hinsichtlich des für den Beginn von Rechtsmittelfristen massgebenden Zustellzeitpunkts eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit, die durch die Zustellfiktion gerade vermieden werden soll. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die gesetzliche Regelung somit nicht missverständlich und vermag daher die diese wiedergebende, mithin fehlerfreie Rechtsmittelbelehrung nach Treu und Glauben keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Frist zu begründen.  
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe bei der Post um Verlängerung der Abholfrist ersucht, kann er daraus ebenfalls nichts für sich ableiten. Gemäss Art. 89 StPO können gesetzliche Fristen, zu denen auch die Rechtsmittelfristen gehören, nicht erstreckt werden (vgl. Urteil 6B_182/2020 vom 6. Januar 2021 E. 2.5 mit Hinweisen). Dies muss selbst dann gelten, wenn diese Tatsache dem Beschwerdeführer als Laien nicht bekannt gewesen sein sollte. Ebenso wenig kann eine gesetzliche Frist auf Grundlage einer privaten Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der Post verlängert werden. Andernfalls könnte die gesetzliche Bestimmung gemäss Art. 89 StPO nur allzu leicht unterlaufen und ihres Sinnes entleert werden (vgl. dazu ebenfalls Urteil 6B_182/2020 vom 6. Januar 2021 E. 2.5). Es kann auch offen bleiben, ob die Post als Zustellungsgehilfin der Staatsanwaltschaft betrachtet werden kann, wie der Beschwerdeführer vorbringt. 
Im Übrigen erhellt aus der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer um die Sendung noch vor Beginn seiner Ferien wusste. Er führt selber aus, er habe am Tag des erfolglosen Zustellversuchs, dem 26. August 2019, um Verlängerung der postalischen Abholungsfrist ersucht. Unter diesen Umständen erscheint es geradezu rechtsmissbräuchlich und verdient keinen Rechtsschutz, wenn er sich nun auf den Standpunkt stellt, er habe gemeint, mit dem Begriff der Zustellung sei die tatsächliche Entgegennahme gemeint. 
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Juli 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt