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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_163/2021  
 
 
Urteil vom 16. April 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Merz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Davide Loss, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, 
Abteilung für schwere Gewaltkriminalität, Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Anordnung von Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 17. März 2021 
(UB210039). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Sie wirft ihm vor, am 1. März 2021 in der Wohnung von B.________ zusammen mit diesem und C.________ gewaltsam gegen D.________ vorgegangen zu sein. Der Geschädigte sei geschlagen, möglicherweise getreten und mit einem entzündeten Haarspray verbrannt worden. Anschliessend sei er aus der Wohnung getragen und auf die Strasse geworfen worden. Er habe zwei Halswirbelbrüche, diverse Prellungen und Schürfungen am Körper sowie Verbrennungen an der linken Gesichtshälfte und am linken Unterarm erlitten. 
A.________ wurde am 2. März 2021 vorläufig festgenommen und vom Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich am 5. März 2021 wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft versetzt. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 17. März 2021 ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 26. März 2021 beantragt A.________ im Wesentlichen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und er selbst sei unverzüglich in Freiheit zu entlassen. Anstelle der Untersuchungshaft seien ein Rayonverbot und ein Kontaktverbot anzuordnen und bis zum 3. Juni 2021, längstens aber bis zum Abschluss des Vorverfahrens, zu befristen. Eventualiter sei die Verfügung des Bezirksgerichts dahingehend abzuändern, dass die Untersuchungshaft bis zum 9. April 2021, längstens aber bis zum Abschluss des Vorverfahrens, beschränkt werde. 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid betrifft die Anordnung der Untersuchungshaft. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.   
Nach Art. 221 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Abs. 1 lit. b). An ihrer Stelle sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO). Das Obergericht ging von einem dringenden Tatverdacht in Bezug auf eine versuchte schwere Körperverletzung aus. Zudem bejahte es die Kollusionsgefahr (Verdunkelungsgefahr), wobei es Ersatzmassnahmen nicht als hinreichend erachtete. Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht, ist jedoch der Auffassung, die Kollusionsgefahr sei nicht derart ausgeprägt, dass sie nicht mehr durch Ersatzmassnahmen gebannt werden könnte. 
 
3.  
 
3.1. Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO soll verhindern, dass der Beschuldigte die Freiheit dazu missbraucht, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen. Nach Abschluss der Strafuntersuchung bedarf der Haftgrund der Kollusionsgefahr einer besonders sorgfältigen Prüfung (BGE 137 IV 122 E. 4.2 mit Hinweis).  
 
3.2. Das Obergericht erwog, im Falle einer Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung stehe angesichts der diversen Vorstrafen des Beschwerdeführers, der Schwere des Tatvorwurfs und des Verletzungsbilds des Geschädigten eine Freiheitsstrafe im Raum. Der Beschwerdeführer habe deshalb ein grosses Interesse daran, mit den Mitbeschuldigten und/oder dem Geschädigten Kontakt aufzunehmen, um diese zu einer für ihn günstigen Sachdarstellung zu bewegen. Dies gelte insbesondere in Bezug auf den vom Beschwerdeführer bestrittenen Vorwurf der Verwendung von entzündetem Haarspray, der bei der Beurteilung der Tatschwere von zentraler Bedeutung sei. Bei den Mitbeschuldigten bzw. dem Geschädigten handle es sich gemäss den Aussagen des Beschwerdeführers zudem um seine Bekannten bzw. Kollegen. Gemäss der Aussage des Mitbeschuldigten C.________ habe der Beschwerdeführer nach dem Vorfall zu ihm und dem Mitbeschuldigten B.________ gesagt, dass sie der Polizei nichts berichten sollten. Insgesamt bestehe somit eine ausgeprägte Kollusionsgefahr. Ersatzmassnahmen, namentlich ein Kontakt- oder Rayonverbot, erschienen von vornherein als unzureichend. Es sei zu befürchten, dass sich der Beschwerdeführer nicht daran halten würde.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass eine gewisse Kollusionsgefahr bestehe. Sie sei jedoch nicht ausgeprägt. Das zu untersuchende Delikt sei nicht besonders schwer, habe der Geschädigte doch aus der Spitalpflege entlassen werden können. Es gehe um eine versuchte, nicht eine vollendete schwere Körperverletzung. Im Rahmen der bisherigen Strafuntersuchung habe er sich äusserst kooperativ gezeigt. Auch habe er an der Einvernahme vor dem Bezirksgericht glaubhaft dargelegt, dass er sich strikt an Ersatzmassnahmen in der Form eines Kontakt- und Rayonverbots halten würde. Seine Vorstrafen fielen nicht massgeblich ins Gewicht. Als Jugendlicher habe er lediglich Bagatelldelikte begangen. Als Erwachsener sei er wegen Raufhandel, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln verurteilt worden. Diese Delikte lägen teilweise über drei Jahre zurück und belegten keine kriminelle Energie oder Anzeichen für Kollusionshandlungen. Auf die Ausfällung einer unbedingten Freiheitsstrafe lasse sich ebenfalls nicht schliessen. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass der Geschädigte bereits durch die Kantonspolizei befragt worden sei. Am 22. März 2021 habe zudem eine Konfrontationseinvernahme der drei Mitbeschuldigten stattgefunden. Aus all diesen Gründen verletze es die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) bzw. das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK), dass anstelle der Haft keine Ersatzmassnahmen angeordnet worden seien.  
 
3.4. Die Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer befindet sich noch nicht in einem fortgeschrittenen Stadium. Die Konfrontationseinvernahme vom 22. März 2021 fand ohne den Geschädigten statt, da dieser nach dem Spitalaufenthalt in Winterthur in eine Rehaklinik in Davos verlegt wurde. Wie die Verletzungen genau entstanden sind und insbesondere wer dem Geschädigten die Brandverletzungen an Gesicht und Körper zugefügt hat, ist umstritten.  
Hinzu kommt, dass der Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung schwer wiegt, was objektiv gesehen einen erheblichen Anreiz schafft, auf das Beweisergebnis Einfluss zu nehmen. Zudem offenbart das dem Beschuldigten vorgeworfene Vorgehen eine erhebliche Gewaltbereitschaft, was bei der Frage, ob er im Fall einer Freilassung versucht sein könnte, die Mitbeschuldigten oder den Geschädigten einzuschüchtern oder auf andere Weise zu einem ihm günstigen Aussageverhalten zu bewegen, ebenfalls eine Rolle spielt. Der Umstand, dass die involvierten Personen zum Bekannten- bzw. Kollegenkreis des Beschwerdeführers gehören, würde eine solche Manipulation jedenfalls erleichtern. Einen klaren Hinweis auf die Kollusionsgefahr gibt das Aussageverhalten des Mitbeschuldigten C.________. Anlässlich seiner Einvernahme vom 3. März 2021 sagte er aus, dass der Beschwerdeführer sich rittlings auf den Geschädigten gesetzt und ihm den mit einem Feuerzeug entzündeten Haarspray ins Gesicht gesprüht habe. Anlässlich der Konfrontationseinvernahme vom 22. März 2021 dagegen behauptete er, nicht gesehen zu haben, wie der Geschädigte verbrannt worden sei. Auf den Widerspruch hingewiesen, meinte er, an der Einvernahme vom 3. März 2021 vielleicht falsch verstanden worden zu sein. 
Insgesamt besteht aus den genannten Gründen eine ausgeprägte Kollusionsgefahr, weshalb das Obergericht ohne Bundesrecht zu verletzen davon ausgehen durfte, dass Ersatzmassnahmen im aktuellen Verfahrensstadium nicht ausreichen würden. Die Rüge der Verletzung von Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 5 EMRK erweist sich damit als unbegründet. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass das Bezirksgericht die Haftdauer nicht beschränkt habe. Die Staatsanwaltschaft müsse nur noch den Geschädigten einvernehmen. Dessen Gesundheitszustand lasse dies zu. Die weiteren erforderlichen Beweiserhebungen seien abgeschlossen.  
 
4.2. Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Befindet sich eine beschuldigte Person in Haft, so wird ihr Verfahren vordringlich durchgeführt (Art. 5 Abs. 2 StPO). Zur Wahrung dieser Vorgaben kann das Zwangsmassnahmengericht in seinem Entscheid eine Höchstdauer der Untersuchungshaft festlegen (Art. 226 Abs. 4 lit. a StPO).  
Nach der Rechtsprechung ist in einem Haftprüfungsverfahren die Rüge, das Strafverfahren werde nicht mit der gebotenen Beschleunigung geführt, grundsätzlich nur so weit zu beurteilen, als die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in Frage zu stellen und zu einer Haftentlassung zu führen. Dies ist der Fall, wenn sie besonders schwer wiegt und zudem die Strafverfolgungsbehörden, z.B. durch eine schleppende Ansetzung der Termine für die anstehenden Untersuchungshandlungen, erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, das Verfahren mit der für Haftfälle gebotenen Beschleunigung voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen (BGE 140 IV 74 E. 3.2 mit Hinweisen). Bei weniger gravierenden Verletzungen des Beschleunigungsgebots kann unter Umständen angezeigt sein, die zuständige Behörde zur besonders beförderlichen Weiterführung des Verfahrens anzuhalten und die Haft gegebenenfalls nur unter der Bedingung der Einhaltung bestimmter Fristen zu bestätigen. Im Übrigen ist die Frage dem Sachrichter vorzubehalten, der sie unter der gebotenen Gesamtwürdigung beurteilen und auch darüber befinden kann, in welcher Weise - z.B. durch eine Strafreduktion - eine allfällige Verletzung des Beschleunigungsgebots wieder gutzumachen ist (BGE 128 I 149 E. 2.2.2; Urteil 1B_384/2018 vom 4. September 2018 E. 3.1; je mit Hinweisen). 
Von einer schweren Verletzung des Beschleunigungsgebots kann vorliegend keine Rede sein. Das Strafverfahren wurde erst vor ca. eineinhalb Monaten eröffnet. Aus den Feststellungen der Vorinstanz und den Akten geht hervor, dass die Strafverfolgungsbehörden seither verschiedene Untersuchungshandlungen vorgenommen haben, darunter insbesondere Einvernahmen und medizinisch-forensische Abklärungen. Längere Zeitabschnitte der Untätigkeit sind nicht erkennbar. Von den Strafbehörden kann zudem nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen, und das Beschleunigungsgebot ist nicht bereits verletzt, wenn die eine oder andere Handlung etwas rascher hätte vorgenommen werden können (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3; Urteil 1B_328/2019 vom 17. Juli 2019 E. 2.2; je mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, die Haft nur unter der Bedingung der Einhaltung bestimmter Fristen zu bestätigen. Ebensowenig ist zu beanstanden, dass das Zwangsmassnahmengericht die (erstmalige) Anordnung der Untersuchungshaft am 5. März 2021 nicht mit einer Höchstdauer verband. Der Entscheid des Obergerichts, das dieses Vorgehen schützte, ist somit nicht zu beanstanden. 
 
5.   
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers reichte eine Honorarnote über Fr. 1'917.45 ein, was als angemessen erscheint. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Rechtsanwalt Davide Loss wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'917.45 entschädigt.  
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. April 2021 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold