Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_642/2020  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Advokat Gaël Jenoure, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 4. Juni 2020 (720 19 362 / 117). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1966 geborene A.________ war vom 1. Mai 1993 bis 22. Februar 2012 Gipser bei der B.________ AG, Mit Verfügung vom 17. Dezember 2013 sprach ihm die IV-Stelle Basel-Landschaft ab 1. Februar 2013 eine ganze Invalidenrente und ab 1. Januar 2014 eine Dreiviertelsrente zu. Am 7. Oktober 2014 bestätigte sie diese Rente.  
 
A.b. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 20. März 2017 hob die IV-Stelle die Invalidenrente auf Ende des folgenden Monats nach Verfügungszustellung auf, da der Invaliditätsgrad nur noch 39 % betrage.  
 
A.c. Vom 18. April bis 28. August 2017 absolvierte A.________ ein von der IV-Stelle veranlasstes Belastbarkeitstraining bei der Eingliederungsstätte C.________. Am 11. September 2017 machte er eine deutliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend. Die IV-Stelle holte ein bidisziplinäres (psychiatrisches und angiologisches) Gutachten der asim (Academy of Swiss Insurance Medicine), Universitätsspital Basel, Basel, vom 21. September 2018 ein. Mit Verfügung vom 3. Oktober 2019 verneinte sie den Rentenanspruch des A.________, da der Invaliditätsgrad 39 % betrage.  
 
B.   
Die Beschwerde des A.________ wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 4. Juni 2020). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm eine Invalidenrente zu leisten. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz oder an die IV-Stelle zur Einholung eines neuen Gutachtens zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit zurückzuweisen und gestützt hierauf sei erneut über seinen Rentenanspruch zu entscheiden. Es sei ihm zudem die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7 S. 308). 
 
2.   
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Verneinung des Rentenanspruchs des Beschwerdeführers bundesrechtskonform ist. 
 
3.   
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG), die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und die bei der Neuanmeldung analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 585 E. 5.3 in fine S. 588 mit Hinweisen) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend den Beweiswert ärztlicher Berichte (E. 1 hiervor; BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Im Rahmen der Rentenaufhebung vom 20. März 2017 ging die IV-Stelle gestützt auf den Bericht des PD Dr. med. D.________, Stv. Chefarzt, und des Dr. med. E.________, Assistenzarzt, Spital F.________, vom 31. Dezember 2016 davon aus, der Beschwerdeführer sei in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 75 % arbeitsfähig.  
 
4.2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, das von der IV-Stelle veranlasste bidisziplinäre asim-Gutachten vom 21. September 2018 erfülle die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage, weshalb darauf abzustellen sei. Gestützt hierauf habe die IV-Stelle zu Recht erkannt, dass beim Beschwerdeführer seit der Rentenaufhebung vom 20. März 2017 keine massgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes eingetreten sei. Er könne weiterhin ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen erzielen. Die rentenverneinende Verfügung vom 3. Oktober 2019 sei somit rechtens.  
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer wendet hinsichtlich seines psychischen Gesundheitszustands im Wesentlichen ein, im asim-Gutachten vom 21. September 2018 sei eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit diagnostiziert und von einer geringen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ausgegangen worden. Demgegenüber habe der behandelnde Psychiater Dr. med. G.________ im Bericht vom 7. Dezember 2017 eine mittel- bis schwergradige depressive Episode diagnostiziert und ausgeführt, der Beschwerdeführer könne höchstens zwei Stunden am Tag in einer behinderungsangepassten Tätigkeit arbeiten. Der psychiatrische asim-Gutachter Dr. med. H.________ habe sich nur marginal mit den Ausführungen des Dr. med. G.________ auseinandergesetzt. Dieser habe im Bericht vom 13. November 2019 denn auch bemängelt, im asim-Gutachten sei sein Bericht vom 7. Dezember 2017 nicht erwähnt worden. Zudem sei der psychiatrische asim-Gutachter auf die von Dr. med. G.________ beschriebene Suizidalität des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Da im psychiatrischen asim-Gutachten somit nicht alle Berichte berücksichtigt worden seien, könne darauf nicht abgestellt werden.  
 
5.2. Vorab ist festzuhalten, dass bei der Bestimmung des Rentenanspruchs grundsätzlich unabhängig von der Diagnose und unbesehen der Ätiologie massgebend ist, ob und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit vorliegt (BGE 143 V 409 E. 4.2.1 S. 413; Urteil 8C_ 313/2020 vom 12. August 2020 E. 8.2.3).  
Im asim-Gutachten vom 21. September 2018 wurden die Berichte des Dr. med. G.________ vom 7. Dezember 2017 und 9. April 2018 zusammenfassend wiedergegeben und waren dem psychiatrischen asim-Gutachter Dr. med. H.________ somit bekannt. Hiervon abgesehen ist es im Rahmen einer Begutachtung nicht erforderlich, dass die Gutachter zu jedem Bericht der behandelnden Arztpersonen Stellung nehmen müssen (Urteil 8C_313/2020 vom 12. August 2020 E. 8.2.1 mit Hinweis). 
Entgegen dem Beschwerdeführer begründete Dr. med. H.________, weshalb er hinsichtlich der Diagnosen und der Arbeitsfähigkeit zu einer anderen Einschätzung als Dr. med. G.________ kam und letztlich eine relevante Veränderung der Arbeitsfähigkeit verneinte. Dr. med. H.________ befasste sich auch mit der von Dr. med. G.________ beschriebenen Suizidalität. Er stellte nämlich im Rahmen der psychopathologischen Befunderhebung nach dem System der AMDP (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie) fest, der Beschwerdeführer benenne zwar passagere Lebensüberdrussgedanken, es fehlten aber Aspekte einer akuten Fremd- oder Eigengefährdung. 
Insgesamt kann der Beschwerdeführer aus den Berichten des Dr. med. G.________ nichts zu seinen Gunsten ableiten, da nicht ersichtlich ist, dass darin wichtige - und nicht rein subjektiver Interpretation entspringende - Aspekte benannt wurden, die vom psychiatrischen asim-Gutachter Dr. med. H.________ unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. nicht publ. E. 6.2 des Urteil BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; Urteil 8C_490/2020 vom 25. September 2020 E. 6.2). Es ist somit nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz in psychischer Hinsicht auf das asim-Gutachten abstellte (vgl. auch E. 7 hiernach). 
 
6.  
 
6.1. In somatischer Hinsicht beruft sich der Beschwerdeführer auf den Bericht des behandelnden Arztes PD Dr. med. D.________ vom 30. Oktober 2017, worin folgende Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit gestellt worden seien: Eine Periaortitis unklarer Ätiologie mit konsekutiver schwerer Claudicatio venosa bei iliakaler und cavaler Venenthrombose und neu ein chronisches lumbovertebrogenes Schmerzsyndrom. Gemäss diesem Bericht sei er in behinderungsangepassten Tätigkeiten nur noch zu 50 % arbeitsfähig. Weshalb diese Beurteilung die Vorinstanz nicht überzeuge, könne nicht nachvollzogen werden, zumal die IV-Stelle bei der Renteneinstellung vom 20. März 2017 auf den Bericht des PD Dr. med. D.________ vom 31. Dezember 2016 abgestellt habe, wonach er in leidensangepassten Tätigkeiten zu 75 % arbeitsfähig gewesen sei (vgl. E. 4.1 hiervor).  
 
6.2. Hinsichtlich der somatischen Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit stimmen der Bericht des Dr. med. D.________ vom 30. Oktober 2017 und das asim-Gutachten vom 21. September 2018 im Wesentlichen überein. Die von PD Dr. med. D.________ festgestellten lumbalen Rückenschmerzen beschrieben die asim-Gutachter als Unterdiagnose der ausgeprägten Claudicatio venosa.  
PD Dr. med. D.________ ging im Bericht vom 30. Oktober 2017 von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in behinderungsangepassten Tätigkeiten aus und legte dar, langfristig werde sie wohl eher bei 50 % als bei 75 % liegen. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass diese Prognose des PD Dr. med. D.________ zu vage ist, um sie zu berücksichtigen (vgl. auch Urteil 8C_553/2018 vom 12. Dezember 2018 E. 9.2.2). Der Beschwerdeführer legt nicht substanziiert dar, inwiefern es offensichtlich unrichtig sein soll, wenn die Vorinstanz auf das asim-Gutachten vom 21. September 2018 abstellte, wonach er somatischerseits in einer leidensangepassten Tätigkeit weiterhin zu 75 % arbeitsfähig sei. Rückfragen bei PD Dr. med. D.________ sind unter diesen Umständen entgegen dem Beschwerdeführer nicht erforderlich (vgl. E. 7 hiernach). 
 
7.   
Insgesamt sprechen keine konkreten Indizien gegen die Zuverlässigkeit des asim-Gutachtens vom 21. September 2018, weshalb die Vorinstanz zu Recht darauf abgestellt und eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers verneint hat (vgl. E. 4.2 hiervor; BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227). Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz darauf verzichten. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5 S. 368 f., 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_539/2020 vom 3. November 2020 E. 7). 
 
8.   
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Er hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. Dezember 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar