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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_435/2020  
 
 
Urteil vom 17. August 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus J. Meier, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Züric h. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 1. April 2020 (VB.2019.00456). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der dominikanische Staatsangehörige A.________ (geb. 1997) reiste am 20. Oktober 2009 zusammen mit seiner Schwester zu seiner hier niederlassungsberechtigten Mutter in die Schweiz ein und erhielt im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung, die regelmässig verlängert wurde. Er trat früh strafrechtlich in Erscheinung und wurde u.a. wie folgt verurteilt: 
 
- mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Zürich Unterland vom 22. März 2013 zu einer persönlichen Leistung von 2 Tagen wegen Tätlichkeit: 
 
- mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Zürich Unterland vom 28. September 2013 zu einer persönlichen Leistung von 4 Tagen wegen erheblicher Sachbeschädigung; 
- mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 19. April 2016 zu einem Freiheitsentzug von 3 Jahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung. Der Vollzug des Freiheitsentzugs wurde im Sinne von Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht, (JStG, SR 311.1) zugunsten einer ambulanten Behandlung aufgeschoben. A.________ wird spätestens am 1. September 2022 entlassen. 
Mit Verfügung vom 6. September 2017 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch von A.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab. Die kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos; zuletzt wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine Beschwerde gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion mit Urteil vom 1. April 2020 ab. 
 
2.  
Mit Eingabe vom 25. Mai 2020 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, das letztgenannte Urteil aufzuheben, ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern und von einer Wegweisung abzusehen. Ferner beantragt er, ihm für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung zu gewähren. Eventuell se das Verfahren zur ergänzenden Feststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventuell sei ihm eine Frist von mindestens sechs Monaten ab Eingang des den Anwesenheitsanspruch abweisenden Urteils anzusetzen. Gleichzeitig wird um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ersucht. 
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht durchgeführt worden. 
Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2020 wurde der Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG in Verbindung mit Art. 83 lit. c Abs. 2 e contrario BGG) betreffend eine ausländerrechtliche Bewilligung ist nur zulässig, wenn das Bundes- oder das Völkerrecht einen Anspruch auf diese Bewilligung gewährt. Die Vorinstanz argumentiert zwar streckenweise wie wenn es um den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ginge, aber aus dem Sachverhalt geht hervor, dass der Beschwerdeführer nur seit 2009 eine letztmals bis Oktober 2014 verlängerte Aufenthaltsbewilligung hat. Streitgegenstand ist somit nicht ein Widerruf, sondern eine Nichtverlängerung. Der Beschwerdeführer hat weniger als zehn Jahre rechtmässigen Aufenthalt, so dass er nicht gestützt auf EMRK 8 i.V.m. BGE 144 I 266 Anspruch auf Bewilligungsverlängerung hat. Ebensowenig hat er Anspruch nach Art. 8 EMRK im Lichte des Familienlebens, da gemäss den verbindlichen (Art. 105 BGG) Feststellungen der Vorinstanz (E. 3.4.1.3 des angefochtenen Entscheides) kein Abhängigkeitsverhältnis zur Mutter besteht und die Beziehungen zur Freundin nicht einem gefestigten Konkubinat entsprechen. Er hätte Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung nach Art. 43 Abs. 1 AlG, sofern das Verfahren auf Verlängerung der Bewilligung vor dem 1. September 2015 (18. Geburtstag) eröffnet wurde (BGE 136 II 497 E. 3) und er damals mit der niedergelassenen Mutter zusammenlebte. Beides ist weder von der Vorinstanz festgestellt worden noch wird es vom Beschwerdeführer behauptet. Somit ist fraglich, ob überhaupt ein Anspruch auf Verlängerung der Bewilligung besteht. Dies kann aber offen bleiben.  
 
3.2. Selbst wenn ein Anspruch besteht: Die Aufenthaltsbewilligung erlischt nach Art. 51 Abs. 1 AlG i.V.m. Art. 62. Abs. 1 lit. b AlG. Der Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. b AlG (längerfristige Freiheitsstrafe) ist offensichtlich erfüllt. Streitig ist nur die Verhältnismässigkeit.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt. Dies wiegt sehr schwer und begründet ein sehr hohes öffentliches Interesse an seiner Fernhaltung. Die Umstände der Tat (Provokation durch das Opfer) fliessen bereits in die verhängte Strafe bzw. Strafzumessung ein, welche für das migrationsrechtliche Verfahren verbindlicher Ausgangspunkt sind. Die Umstände der Tat sind nicht zusätzlich zu berücksichtigen (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216).  
 
3.4. Zwar war der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt erst gut 16-jährig. Dies spricht grundsätzlich für eine mildere Beurteilung. Aber umgekehrt gilt ebenso: Dass er sogar nach Jugendstrafrecht, das sonst eher mildere Strafen vorsieht, zu 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, deutet auf ein erhöhtes Verschulden hin. Anders als in anderen Fällen beging der Beschwerdeführer auch nicht ein einmaliges Delikt, sondern er hat bereits früher delinquiert, mit zunehmender Schwere.  
 
3.5. Der Beschwerdeführer beruft sich vor allem auf eine fehlende Rückfallgefahr. Er ist aber nicht FZA-Berechtigter; mangels Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) muss bei ihm keine Rückfallgefahr vorliegen, damit die Wegweisung zulässig ist, sondern es dürfen auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden (Urteil 2C_945/2019 vom 15. Januar 2020 E. 3.3.2). Das Wohlverhalten im Straf- bzw. Massnahmenvollzug lässt für sich ebenfalls nicht auf nachhaltige Besserung schliessen (vgl. Urteil 6B_490 /2020 vom 29. Mai 2020, E. 3). Ein solches Wohlverhalten wird denn auch erwartet (BGE 139 II 121 E.5.5.2 S. 128).  
 
3.6. Die Vorinstanz hat die Aufenthaltsdauer und die entgegenstehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers entgegen seiner Auffassung zudem korrekt gewürdigt. Zwar ist nach der Rechtsprechung nach einer Aufenthaltsdauer von 10 Jahren von einer Verwurzelung auszugehen (BGE 144 I 266 E. 3).Die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers begann aber erst im Jahre 2009 und wurde nur bis ins Jahr 2014 bewilligt. Seither befindet sich der Beschwerdeführer allein wegen laufenden Verfügungs- und Rechtsmittelverfahren in der Schweiz (vgl. BGE 137 II 1 E. 4.3 S. 8 mit Hinweisen). Entgegen dem Beschwerdeführer besteht also kein zehnjähriger Aufenthalt im massgebenden Rechtssinn. Was die normale Integration betrifft, beruht die Argumentation des Beschwerdeführers wesentlich darauf, dass infolge des zehnjährigen Aufenthalts von einer besonderen Verwurzelung ausgegangen werden könne, die einer Nichtverlängerung entgegenstünde. Abgesehen davon, dass ein solcher - wie gezeigt - nicht besteht, würde er auch nur einen prinzipiellen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung begründen, aber nicht eine qualifizierte Integration, die einer Nichtverlängerung wegen schwerwiegender Delinquenz entgegenstünde. Beim Beschwerdeführer bestehen keine nach Art. 8 EMRK geschützten Familienbeziehungen (vorne E. 3.1) Er hat bis ins Alter von 12 Jahren in der Heimat gelebt und hat nach wie vor Verwandte und Bekannte dort. Im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verfügung war er 20- jährig. Besondere Gründe, die gegen eine Rückkehr sprechen, liegen nicht vor. Die Beziehung zu seiner Freundin besteht erst seit Herbst 2018, begann also nach dem Erlass der erstinstanzlichen Verfügung, somit mussten beide damit rechnen, dass sie ihre Beziehung nicht in der Schweiz würden leben können (vgl. Urteil 2C_679/2011 vom 21. Dezember 2012, E. 3.5).  
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz hätte ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gewähren müssen. 
Die Grundlage dafür liefert Art. 29 Abs. 3 BV oder kantonales Recht: Für beides gilt das qualifizierte Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG. Die Beschwerde enthält keine rechtsgenügende Begründung, so dass auf diesen Antrag nicht einzutreten ist. 
 
5.  
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 65/66 BGG). Vor Bundesgericht hat er kein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Parteikosten sind keine zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. August 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein