Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_716/2021  
 
 
Urteil vom 18. Mai 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Matter. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Schneeberger, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Bern, 
Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei, 
Predigergasse 5, 3000 Bern 7, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), 
Kramgasse 20, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und 
Wegweisung infolge Sozialhilfeabhängigkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 
14. Juli 2021 (100.2019.224). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1974) ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste am 8. Januar 2002 in die Schweiz ein und ersuchte erfolglos um Asyl. Am 27. November 2002 heiratete er eine Schweizer Bürgerin und erhielt gestützt auf die Ehe eine Aufenthaltsbewilligung. Seit dem 31. Oktober 2007 verfügt A.________ über die Niederlassungsbewilligung. Die kinderlos gebIiebene Ehe wurde 2012 geschieden. Aus der später in Algerien geschlossenen zweiten Ehe mit einer Landsfrau ging eine Tochter hervor. Diese Ehe wurde 2018 geschieden, ohne dass es zu einem Familiennachzug kam. 
 
B.  
Die Einwohnerdienste der Stadt Bern widerriefen am 21. September 2017 die Niederlassungsbewilligung von A.________ wegen andauernder Sozialhilfeabhängigkeit. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern wies die hiergegen gerichtete Beschwerde am 5. Juni 2019 ab. Das kantonale Verwaltungsgericht bestätigte den entsprechenden Entscheid am 14. Juli 2021. 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern aufzuheben und vom Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung abzusehen. Gegebenenfalls sei er zu verwarnen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Einwohnergemeinde Bern und das Staatssekretariat für Migration haben sich nicht vernehmen lassen. 
Mit Replik vom 2. Dezember 2021 (sowie Ergänzungen dazu vom 22. Februar 2022) hält der Beschwerdeführer an seinen Rechtsanträgen fest. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 16. September 2021 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde gegen einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist zulässig, da auf den Fortbestand dieser Bewilligung ein Rechtsanspruch besteht (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Da die Beschwerde überdies form- und fristgerecht eingereicht wurde (vgl. Art. 42 und 100 BGG), ist darauf einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Bei der Prüfung wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5) und verfügt es über volle Kognition (Art. 95 BGG; BGE 141 V 234 E. 2). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 1.2; 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurden und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2; 142 I 135 E. 1.6). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung geht das Gericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1).  
 
2.  
Eine Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn einer der gesetzlich vorgesehenen Widerrufsgründe nach Art. 63 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20; bis zum 31. Dezember 2018: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer; AuG; das hier zu beurteilende Widerrufsverfahren wurde vor Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung eingeleitet, weswegen materiell das alte Recht in der bis Ende 2018 gültigen Fassung anwendbar bleibt [Art. 126 Abs. 1 AIG analog]) erfüllt ist. Ein solcher Widerrufsgrund ist namentlich dann gegeben, wenn die Ausländerin oder der Ausländer oder eine Person, für die sie zu sorgen hat, dauerhaft und in einem erheblichen Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG). 
 
2.1. Gemäss Art. 63 Abs. 2 AuG kann die Niederlassungsbewilligung von ausländischen Personen, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, nicht wegen Sozialhilfebezugs (Abs. 1 lit. c) widerrufen werden. Auf diese Bestimmung beruft sich der Beschwerdeführer und macht geltend, im Zeitpunkt des Widerrufs seiner Niederlassungsbewilligung habe er sich bereits länger als 15 Jahre rechtmässig in der Schweiz aufgehalten.  
 
2.1.1. Das Verwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit von Art. 63 Abs. 2 AuG hier verneint: Im Januar 2002 reiste der Beschwerdeführer in die Schweiz ein und ersuchte erfolglos um Asyl. Am 27. November 2002 heiratete er eine Schweizerin, worauf er eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Die entsprechende Verfügung der Einwohnergemeinde Bern ist nicht aktenkundig. Allerdings ist zugunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass ihm der Aufenthalt rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschliessung bewilligt wurde. Wenn hier aber auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist, so hielt sich der Beschwerdeführer bis zum Erlass der Widerrufsverfügung durch die Einwohnergemeinde Bern am 21. September 2017 weniger als 15 Jahre ordnungsgemäss in der Schweiz auf. Deshalb ist Art. 63 Abs. 2 AuG nicht anwendbar.  
 
2.1.2. Dagegen vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die betreffende Bestimmung sei in Wirklichkeit erfüllt: Die am 27. August 2002 eingeleitete Ehevorbereitung sei an den Aufenthalt im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AuG anzurechnen, weil er sich in dieser Zeit rechtmässig im Land aufgehalten habe. Dafür verweist er im Wesentlichen auf BGE 139 I 37 E. 4.1.  
Nach der Rechtsprechung gilt aber nur der ausländerrechtlich bewilligte Aufenthalt als ordnungsgemäss im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AuG, bei in der Schweiz geschlossenen Ehen auch die Zeit zwischen Heirat und Bewilligungserteilung (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.4; Urteil 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 3.2.3). Vorliegend erfüllt die Ehevorbereitung vom 27. August 2002 bis zur Heirat am 27. November 2002 diese Voraussetzungen nicht. Es mag wohl zutreffen, dass der Beschwerdeführer einer solchen Kurzaufenthaltsbewilligung nach damaliger Rechtslage nicht bedurfte. Dennoch ist davon auszugehen, dass er anders als in dem von ihm angeführten Fall (BGE 139 I 37) während der umstrittenen Zeitspanne über keinen bewilligten Aufenthalt verfügte. Mit BGE 137 II 10 E. 4.3 - 4.5 scheint vielmehr folgerichtig, für den Beginn des ordnungsgemässen Aufenthalts auf den Bestand der Ehe abzustellen (vgl. in gleichem Sinne in anderem Zusammenhang BGE 135 I 11 E. 1.2.2). 
 
2.2. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, dass der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt sei.  
 
2.2.1. Ob der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit gegeben ist, wird objektiv - ohne Rücksicht auf das Verschulden - beurteilt. Massgeblich ist die Höhe der ausgerichteten Beträge und die prognostische Beurteilung, ob mit einer Ablösung von der Sozialhilfe (noch) gerechnet werden kann (vgl. das Urteil 2C_48/2021 vom 16. Februar 2022 E. 2). Nach der Rechtsprechung kann bereits ein Betrag von Fr. 50'000.-- als erheblich gelten (vgl. das Urteil 2C_263/2016 vom 10. November 2016 E. 3.1.3 mit Hinweisen; siehe auch das Urteil 2C_1228/2012 vom 20. Juni 2013 E. 2.2 m.H., wonach sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung bei einem Sozialhilfebezug von mehr als Fr. 80'000.- während mindestens zwei bis drei Jahren rechtfertigt, sofern der Widerruf auch verhältnismässig erscheint).  
Beim Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines Ausländers wegen Bedürftigkeit geht es in erster Linie darum, eine zusätzliche künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung ist eine andauernde konkrete Gefahr einer Sozialhilfeabhängigkeit erforderlich. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Ein Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Fürsorgeleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird. Vorausgesetzt ist, dass konkret die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht; blosse finanzielle Bedenken genügen nicht (vgl. u.a. Urteile 2C_176/2020 vom 1. November 2021 E. 3; 2C_9/2020 vom 29. Juni 2020 E. 4.3.4; 2C_666/2019 vom 8. Juni 2020 E. 4.2; 2C_709/2019 vom 17. Januar 2020 E. 4; siehe dazu auch unten E. 4.2.1 u. 4.2.2). 
Ob und gegebenenfalls inwieweit die betroffene Person ein Verschulden an der Sozialhilfebedürftigkeit trifft, bildet aber keine Frage der Erfüllung des Widerrufsgrunds, sondern ist Teil der Prüfung der Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden Massnahme (vgl. u.a. Urteile 2C_176/2020 vom 1. November 2021 E. 3; 2C_9/2020 vom 29. Juni 2020 E. 4.3.4; 2C_666/2019 vom 8. Juni 2020 E. 4.2; 2C_709/2019 vom 17. Januar 2020 E. 4; siehe dazu auch unten E. 3.2.1 u. 3.2.2.). 
 
2.2.2. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von September 2011 bis Mai 2017 Sozialhilfeleistungen im Gesamtbetrag von rund Fr. 137'000.-- bezogen. Wie das Verwaltungsgericht festgehalten hat (vgl. E. 5.2 des angefochtenen Urteils), dürfte sich der Betrag angesichts der fortbestehenden Unterstützungsbedürftigkeit bis heute noch wesentlich erhöht haben und zukünftig ohne absehbares Ende weiter anwachsen. Die Erheblichkeitsschwelle, welche das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 63 Abs. 1 Bst. c AIG entwickelt hat (vgl. oben E. 2.2.1), ist klarerweise erreicht.  
Seit seiner Einreise in die Schweiz hat der Beschwerdeführer nie ein Erwerbseinkommen erzielt. Während seiner ersten Ehe kam seine Frau umfassend für ihn auf. Anhaltspunkte, dass er in Zukunft ohne Sozialhilfe für seinen Lebensunterhalt aufkommen wird, liegen nicht vor, zumal er sich nach wie vor für 100% arbeitsunfähig hält. Die von der Ex-Frau seit der Scheidung erhaltene monatliche Unterstützung von Fr. 460.-- reicht zur Deckung seines Lebensunterhalts bei Weitem nicht aus. Mit einer IV-Rente kann nach der dritten erfolglosen Anmeldung bei der IV nicht mehr gerechnet werden, wobei auch eine volle Rente im Fall des Beschwerdeführers freilich kaum zur Loslösung von der Sozialhilfe führen würde, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat (vgl. E. 5.2 des angefochtenen Urteils). Dies bestreitet letztlich auch der Beschwerdeführer nicht. Der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 Bst. c AIG ist erfüllt. 
 
3.  
 
3.1. Wenn ein Widerrufsgrund vorliegt, so ist landes- wie konventionsrechtlich zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme verhältnismässig ist (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1 AuG; Art. 8 Ziff. 2 EMRK), was eine umfassende Interessenabwägung zwischen dem in Art. 63 Abs. 1 c AuG positivrechtlich verankerten öffentlichen Fernhalteinteresse und dem gegenüberstehenden privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in der Schweiz erfordert (vgl. u.a. BGE 144 I 266 E. 3.7; Urteile 2C_666/2019 vom 8. Juni 2020 E. 4.1; 2C_458/2019 vom 27. September 2019 E. 4.2; 2C_813/2018 vom 5. April 2019 E. 4.2; 2C_633/2017 vom 2. Mai 2018 E. 3.2).  
 
3.1.1. Bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind insbesondere die Natur des Fehlverhaltens des Betroffenen, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile. Auch ist der Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gast- wie zum Heimatstaat Rechnung zu tragen (BGE 144 I 266 E. 3.7; 139 I 16 E. 2.2.1; 135 II 377 E. 4.3, je m.w.H.).  
 
3.1.2. Wie das Bundesgericht in BGE 144 I 266 ff. (dort E. 3.8 und 3.9) erwogen hat, haben sich nach einer rechtmässigen Aufenthaltsdauer von zehn Jahren die sozialen Bindungen zur Schweiz regelmässig so entwickelt, dass besondere Gründe erforderlich erscheinen, um den Aufenthalt einer ausländischen Person zu beenden (siehe auch das Urteil 2C_1035/2017 vom 20. Juli 2018 E. 5.1). Aufgrund dieser langen Aufenthaltsdauer hat sie grundsätzlich ein grosses Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz (vgl. die Urteile 2C_23/2018 vom 11. März 2019 E. 4.3.1; 2C_527/2017 vom 20. November 2017 E. 5.2).  
 
3.2. Im Sinne eines gewichtigen öffentlichen Interesses am Widerruf der Niederlassungsbewilligung hat das Verwaltungsgericht sich auf die langjährige und erhebliche Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers gestützt und erwogen, dass hier keine gesundheitlichen Gründe anzunehmen seien, welche ein Selbstverschulden des Beschwerdeführers ausschliessen würden.  
 
3.2.1. Wenn der betroffenen Person - wie vorliegend - Sozialhilfeabhängigkeit vorgeworfen wird, so sind im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung landes- und konventionsrechtlich namentlich die Ursachen der Sozialhilfeabhängigkeit zu berücksichtigen, ebenso wie die Schwere des Verschuldens an dieser Abhängigkeit (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.7; 139 I 145 E. 2.4; 139 I 31 E. 2.3.1). Für die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Sozialhilfeabhängigkeit (teilweise) selbst verschuldet hat oder durch Krankheit an der Arbeitsaufnahme gehindert wurde, ist der gesamte Zeitraum des Sozialhilfebezugs zu betrachten (vgl. u.a. Urteil 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 6.3.2).  
 
3.2.2. Wie die Vorinstanz festgehalten hat, hat der Beschwerdeführer unbestritten während Jahren und in erheblichem Umfang Sozialhilfe bezogen. Er leidet zwar seit geraumer Zeit an psychischen Problemen und macht geltend, dass er an Schizophrenie leide, deshalb voll arbeitsunfähig sei und Anspruch auf wirtschaftliche Unterstützung durch den Staat habe. Jedoch ergibt sich aus der breit dokumentierten gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers ab September 2011 jedenfalls keine vollumfängliche und durchgehende Arbeitsunfähigkeit. Dementsprechend führten seine zweite und dritte Anmeldung bei der IV zu keinem Rentenanspruch, was das Verwaltungsgericht mit entsprechenden Urteilen in den Jahren 2012 und 2020 bestätigt hat. Es hat festgehalten, dem Beschwerdeführer wäre zumutbar gewesen, sich um eine geeignete Arbeitsstelle zu bemühen - wenn (vorerst) allenfalls auch nur im zweiten Arbeitsmarkt, womit ihn bereits ein gewisses Verschulden an seiner Sozialbedürftigkeit treffe (vgl. Urteile 2C_679/2019 vom 23. Dezember 2019 E. 6.4.2; 2C_1048/2017 vom 13. August 2018 E. 4.5.2).  
Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Urteil wie in seinem Urteil vom 25. November 2020 zur dritten IV-Rentenanmeldung eingehend auf das psychiatrische Gutachten von Dr. med. B.________ vom 27. November 2019 gestützt. Dieses Gutachten verneint das Vorliegen einer Schizophrenie im Allgemeinen wie auch einer paranoiden Schizophrenie im Besonderen mit einleuchtender Begründung und schliesst darauf, dass keine relevante Minderung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit für den massgeblichen Zeitraum anzunehmen sei. Gestützt darauf verneinte die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 13. März 2020 mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens einen Anspruch des Beschwerdeführers auf IV-Leistungen. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. November 2020 rechtskräftig ab (VGE IV/2020/314). 
 
3.2.3. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen Feststellungen hinsichtlich seines (psychischen) Gesundheitszustandes einwendet, kann an der Verbindlichkeit dieser Feststellungen für das Bundesgericht nichts ändern. Er müsste dartun, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts als geradezu offensichtlich unzutreffend einzustufen wäre. Das gelingt ihm nicht, vielmehr beschränkt er sich darauf, der Sachverhaltsermittlung im angefochtenen Urteil seine eigene Sichtweise in Bezug auf seine gesundheitliche Situation entgegenzuhalten. Dasselbe hat für die durch ihn ins Recht gelegten Privatgutachten und Arztberichte zu gelten. Auch aus all diesen Dokumenten ergibt sich nichts, aufgrund dessen das Bundesgericht nicht an die vorinstanzlichen Feststellungen gebunden wäre (vgl. zum Ganzen oben E. 1.2 u. 1.3).  
Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auch mit den durch den Beschwerdeführer eingereichten Gutachten und Arztberichten sorgfältig auseinandergesetzt. Es hat ihm hinsichtlich der durch ihn unterlassenen Arbeitsbemühungen weiter grundsätzlich zugute gehalten, dass sein Sozialarbeiter zumindest ab 2015 von seiner Arbeitsunfähigkeit ausging und ihm offenbar keine nennenswerten sozialen oder beruflichen Integrationsbemühungen mehr abverlangte. Jedoch wusste der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt schon seit drei Jahren um die zweimalige Ablehnung seines IV-Rentenbegehrens und um den der Ablehnung zugrunde liegenden gutachterlichen Befund, dass die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie nicht bestätigt werden kann. 
 
3.2.4. Der Beschwerdeführer macht zudem geltend, wenn hier von einer ordnungsgemässen Aufenthaltsdauer von 14 Jahren und 10 Monaten ausgegangen werden sollte (vgl. oben E. 2.1), so müsse für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ein besonders grosses öffentliches Interesse und somit eine entsprechend schwerwiegende Sozialhilfeabhängigkeit vorliegen, sowohl hinsichtlich der Höhe der bezogenen Unterstützungsleistung wie auch des Selbstverschuldens. Das habe umso mehr zu gelten, als ein Widerruf infolge Sozialhilfeabhängigkeit ohnehin nur mit grosser Zurückhaltung angewendet werden solle. Diese speziellen Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt.  
Gegen diese Sichtweise ist aber mit dem Verwaltungsgericht Zweierlei festzuhalten. Einerseits hat es der Abwägung der massgeblichen öffentlichen und privaten Interessen zu Recht zugrunde gelegt, dass wegen der erheblichen und fortbestehenden Sozialhilfeabhängigkeit von einem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Entfernungsmassnahme auszugehen ist. Es ist nicht ersichtlich, wie über diese langjährige, umfangreiche und ohne absehbares Ende weiterbestehende Abhängigkeit hinaus noch irgendwelche besonders gewichtigen Zusatzerfordernisse erfüllt sein müssten, um von einem grossen öffentlichen Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung auszugehen. 
Andererseits hat die Vorinstanz zutreffend festgehalten, dass sich diese Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers - im Ergebnis und über die ganze Bezugsperiode betrachtet - nicht allein oder hauptsächlich mit dessen gesundheitlicher Situation erklären oder rechtfertigen lässt. Insoweit muss sich der Beschwerdeführer seine Situation zumindest teilweise selbst zuschreiben und ist die Annahme eines erheblichen öffentlichen Interesses an der Entfernungsmassnahme nicht zu beanstanden. 
 
3.3. Dem öffentlichen Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung hat das Verwaltungsgericht auch die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenübergestellt.  
 
3.3.1. Insbesondere hat die Vorinstanz sehr wohl in Betracht gezogen, dass der Beschwerdeführer seit 2002 ununterbrochen in der Schweiz lebt. Die lange Aufenthaltsdauer ist jedoch mit Blick auf seine mangelhafte Integration zu relativieren. Die beruflich-wirtschaftliche Integration des Beschwerdeführers ist denn auch gescheitert, was er nicht bestreitet. Seit seiner Einreise im Jahr 2002 hat er sich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft um eine Anstellung bemüht, danach nicht einmal um Einsätze im zweiten Arbeitsmarkt.  
Hinsichtlich der sozialen Integration kann er wohl einen weiterhin freundschaftlichen Kontakt mit seiner Schweizer Ex-Frau geltend machen, hat sonst aber keine nennenswerten Verbindungen in der Schweiz, ebenso wenig wie familiäre Beziehungen: Die Tochter aus zweiter Ehe lebt seit ihrer Geburt ausserhalb der Schweiz bei der sorgeberechtigten Mutter. Ansonsten scheint der Beschwerdeführer über ein geringes soziales Umfeld zu verfügen und seine Zeit überwiegend allein - mit «Tendenz zu Einsamkeit» - zu verbringen, was auf jeden Fall nicht auf eine starke Verankerung in der hiesigen Gesellschaft und Kultur schliessen lässt, ebenso wenig auf eine gelungene Integration in die hiesigen Verhältnisse. 
 
3.3.2. Der Beschwerdeführer wendet gegen die Annahme einer schlechten wirtschaftlichen und sozialen Integration ein, dass psychische Probleme beim Knüpfen sozialer Kontakte alles andere als förderlich seien. Unter diesen Umständen könne ihm auch nicht vorgeworfen werden, er hätte sich dennoch um eine Stelle zumindest auf dem zweiten Arbeitsmarkt bemühen müssen. Vielmehr habe er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, insbesondere angesichts seiner schweren psychischen Störungen, gut in der Schweiz integriert. Seit beinahe 20 Jahren sei sein Lebenszentrum in der Schweiz; er fühle sich hier sozial eingebettet und zu Hause.  
Diese Ausführungen überzeugen nicht. Stattdessen ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass trotz der langen Anwesenheitsdauer sowohl die wirtschaftliche als auch die gesellschaftliche Integration des Beschwerdeführers als gescheitert gelten muss. Die privaten Interessen sind nach zwanzig Jahren von geringem Gewicht, familiäre Beziehungen bestehen hier nicht; auch ist er in der hiesigen Gesellschaft und Kultur nicht nennenswert verwurzelt. 
 
3.4. Zumutbar erscheint auch eine Rückkehr nach Algerien.  
 
3.4.1. Der Beschwerdeführer hat bis ins Erwachsenenalter im Heimatland gelebt; dort ist er aufgewachsen und wurde er sozialisiert. In der Vergangenheit hat er sich auch wiederholt in seiner Heimat aufgehalten. Dort hat er auch seine zweite Ehe mit einer Landsfrau geschlossen. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass er mit seinem Heimatland in kultureller und sprachlicher Hinsicht nach wie vor verbunden ist. Er ist noch nicht 50 Jahre alt und verfügt in seinem Heimatland zudem über Verwandte. Die wirtschaftlichen Perspektiven im Heimatland dürften für ihn zwar angesichts dessen, dass er keinerlei Arbeitserfahrungen aus seinem Aufenthalt in der Schweiz mitbringen kann, nicht einfach sein. Allerdings hat er auch in der Schweiz wirtschaftlich nicht Fuss fassen können und kann daraus nichts abgeleitet werden.  
 
3.4.2. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Rückkehr nach Algerien wegen seines Gesundheitszustands unzumutbar wäre, da eine angemessene medizinische Versorgung nicht gewährleistet sei. Eine medizinische Notlage steht der Wegweisung nur dann entgegen, wenn eine notwendige medizinische Behandlung im Heimatland nicht zur Verfügung steht und die Rückkehr zu einer raschen und lebensgefährdenden Beeinträchtigung des Gesundheitszustands der betroffenen Person führt. Unzumutbarkeit liegt jedenfalls nicht schon dann vor, wenn im Heimat- oder Herkunftsstaat eine dem schweizerischen Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht möglich ist (vgl. zum Ganzen BGE 139 II 393 E. 6, 137 II 305 E. 4.3; Urteil 2C_653/2021 vom 4. Februar 2022; je m.w.H.).  
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, wie ihm in Algerien der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung oder zu den für ihn gegebenenfalls erforderlichen Medikamenten verwehrt sein sollte. Bei ihm lässt sich die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie weiterhin nicht bestätigen (vgl. oben 3.2.2 u. 3.2.3) : Falls er einer gewissen psychiatrischen Unterstützung bedürfen sollte, so wäre das in seinem Heimatland in ausreichender Form gewährleistet (vgl. das Urteil 2C_525/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 5.5; siehe dazu weiter E. 8.3 des angefochtenen Urteils m.w.H, u.a. zu einer allfälligen Suizidgefahr). 
 
3.5. Gegen seine Wegweisung aus der Schweiz bringt der Beschwerdeführer schliesslich vor, er sei nie gemäss Art. 96 Abs. 2 AuG verwarnt worden. Eine solche vormalige Verwarnung mag wohl beim Entzug der Niederlassungsbewilligung wegen Sozialhilfeabhängigkeit den Regelfall darstellen, ist hier aber nicht erfolgt. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist es jedoch gerechtfertigt, die Niederlassungsbewilligung selbst einer ausländischen Person zweiter Generation ohne Verwarnung zu widerrufen, wenn sich die aufenthaltsbeendende Massnahme als verhältnismässig und den Umständen angemessen erweist (vgl. u.a. Urteil 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 3.2 u. 6.6.3 m.w.H.), was vorliegend - wie gezeigt - der Fall ist.  
 
4.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, weil die Begehren in der Hauptsache aussichtslos erscheinen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei, der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Mai 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Matter