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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_93/2020  
 
 
Urteil vom 18. Juni 2020  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Curchod. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ S.A. 
(ehemals B.________ S.A.), 
vertreten durch Rechtsanwälte Urs Boller und David Peter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
C.________ PTE.LTD, 
vertreten durch Rechtsanwälte Brian Perrott und Lee Forsyth, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Schiedsgerichts mit Sitz in Genf vom 13. Januar 2020 
(SCAI Arbitration 300410-2017). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. C.________ PTE. LTD (Klägerin, Beschwerdegegnerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Singapur, die unter anderem Rohstoffhandel mit Manganerz betreibt.  
A.________ S.A. (ehemals B.________ S.A.; Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine Produzentin von Manganerz mit Sitz in São Paulo, Brasilien. 
 
A.b. Die Parteien haben am 15. Januar 2015 einen Vertrag betreffend den Kauf und die Vermarktung von 1'150'000 Tonnen Manganerz durch die Klägerin abgeschlossen. Die vorliegende Streitigkeit betrifft die sechste Lieferung unter diesem Vertrag. Dabei handelt es sich um eine Lieferung von 49'830 Tonnen Manganerz, die am 29. Dezember 2016 in Brasilien auf ein Schiff geladen und am 22. Februar 2017 in Tianjin/China geliefert wurden. Die Klägerin leistete verschiedene Vorauszahlungen für die Schiffsfracht, die an Endkunden in China hätte verkauft werden sollen.  
Vor der Ankunft des Schiffes in China kam zwischen den Parteien keine Einigung hinsichtlich des Preises zustande, zu welchem die Schiffsfracht an die Endkunden verkauft werden sollte. Schliesslich verkaufte die Klägerin die Schiffsfracht ohne die Zustimmung der Beklagten an eine mit ihr verbundene Gesellschaft zu einem Preis, der geringer als der gesamte Wert der von ihr getätigten Vorauszahlungen war. Anschliessend verlangte sie von der Beklagten die Bezahlung der Differenz zwischen den Vorauszahlungen und einem vernünftigen Preis, zuzüglich einer "  marketing fee ".  
 
B.  
Nachdem die Klägerin ein Schiedsverfahren gegen die Beklagte eingeleitet hatte, ernannte die Swiss Chamber's Arbitration Institution einen Einzelschiedsrichter in Übereinstimmung mit Art. VI ("  Law and Arbitration ") des Vertrages.  
Mit Schiedsurteil vom 13. Januar 2013 verpflichtete der Einzelschiedsrichter die Beklagte, der Klägerin einen Betrag von 3'565'231.81 USD nebst Zins zu 5% seit dem 1. April 2017 zu bezahlen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellt die Beklagte das Rechtsbegehren, der Schiedsspruch des Einzelschiedsrichters vom 13. Januar 2020 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. 
Die Beschwerdeführerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Einzelschiedsrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache redigiert, verwendet das Bundesgericht die von den Parteien gewählte Amtssprache. Bedienen sich die Parteien verschiedener Amtssprachen, ergeht der Ent scheid des Bundesgerichts usanzgemäss in der Sprache der Beschwerde. 
Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt und sich die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache und die Beschwerdegegnerin der französischen Sprache bedienen, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in Deutsch. 
 
2.  
 
2.1. Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG).  
 
2.2. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Genf. Beide Parteien haben ihren Sitz ausserhalb der Schweiz (Art. 176 Abs. 1 IPRG). Sie haben von der Möglichkeit nach Art. 176 Abs. 2 IPRG keinen Gebrauch gemacht und die Anwendung des dritten Kapitels der ZPO nicht in einer ausdrücklichen Erklärung vereinbart. Deshalb gelangen die Bestimmungen des IPRG zur Anwendung (Art. 176 Abs. 2 IPRG).  
 
2.3. Die Beschwerde in Zivilsachen im Sinne von Art. 77 Abs. 1 BGG ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur, d.h. sie kann nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 107 Abs. 2 BGG ausschliesst, soweit dieser dem Bundesgericht erlaubt, in der Sache selbst zu entscheiden). Eine Ausnahme liegt hier nicht vor (vgl. BGE 136 III 605 E. 3.3.4 S. 616 mit Hinweisen).  
 
2.4. Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 119 II 380 E. 3b S. 382).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG). 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe sich im Schiedsverfahren stets auf den Standpunkt gestellt, beim zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag handle es sich um einen Marketing-Vertrag. Dieser Vertrag regle die Bedingungen, unter welchen die Beschwerdegegnerin für die Beschwerdeführerin den Verkauf von Manganerz an Endkunden organisieren solle und dabei eine Kommissionsgebühr erhalte. Ziff. 7.2 des Vertrages, der insbesondere die Zahlung einer Kommission von 3.1% auf den endgültigen Verkaufspreis an die Beschwerdegegnerin sowie das Erfordernis der Zustimmung der Beschwerdeführerin für den Verkauf des Rohstoffes vorsehe, sei dabei für den Entscheid von wesentlicher Bedeutung. Während des ganzen Schiedsverfahrens habe sich die Beschwerdeführerin auf diese Vertragsklausel gestützt. Dabei habe sie betont, dass der Vertrag als Marketing-Vertrag zu qualifizieren sei. Der Einzelschiedsrichter habe jedoch ihre diesbezüglichen Argumente und Vorbringen unberücksichtigt gelassen. Er sei davon ausgegangen, dass es sich beim Vertrag um einen Kaufvertrag handle, ohne sich mit der vereinbarten Kommissionsgebühr auseinanderzusetzen. Aus Sicht der Beschwerdeführerin sei ohne eine diesbezügliche Auseinandersetzung eine Beurteilung der Streitigkeit unmöglich.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit erfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht auch den Anspruch auf Begründung des Schiedsspruchs (BGE 134 III 186 E. 6.1 mit Hinweisen). Dennoch ergibt sich daraus eine minimale Pflicht der Schiedsrichter, die entscheiderheblichen Fragen zu prüfen und zu behandeln. Diese Pflicht verletzt das Schiedsgericht etwa dann, wenn es aufgrund eines Versehens oder eines Missverständnisses rechtserhebliche Behauptungen, Argumente, Beweise oder Beweisanträge einer Partei unberücksichtigt lässt (BGE 142 III 360 E. 4.1.1; 133 III 235 E. 5.2 mit Hinweisen).  
 
3.2.2. Solches zeigt die Beschwerdeführerin nicht hinlänglich auf.  
Dass die Parteien eine "  marketing fee " vereinbart haben, hat der Einzelschiedsrichter sehr wohl berücksichtigt, stellte er doch selber fest, der Vertrag sehe eine entsprechende Kommission vor ("C.________ was to receive a marketing fee of 3.10%."). Dass es der Absicht der Parteien entsprach, dass die Beschwerdegegnerin die Schiffsfracht an Drittkunden in China verkauft, erwog der Schiedsrichter in unmissverständlicher Weise : "The structure of the contract was that the shipment was purchased by C.________ on CFR terms from A.________ with title passing in Brazil. The arrangement was for C.________ having made advance payments to A.________ to resell the cargo to buyers in China in the meantime.". Wie die Beschwerdeführerin selber erkennt, setzte sich der Schiedsrichter mit ihrer Argumentation auseinander, wonach es sich beim abgeschlossenen Vertrag um ein "  reines " Marketing-Agreement handle. Dabei führte er aus, die Beschwerdegegnerin habe sich jedoch nicht nur zur Vermarktung, sondern  auch zum Kauf der Schiffsfracht verpflichtet. Die angeblich nicht berücksichtigten Elemente wurden folglich im Schiedsspruch sogar ausdrücklich thematisiert.  
Dass sich die Beschwerdegegnerin zur Vermarktung der Schiffsfracht gegen eine Kommissionsgebühr verpflichtete, galt folglich aus Sicht des Schiedsrichters - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - als erstellt. Einen Anspruch der Beschwerdegegnerin gegen die Beschwerdeführerin bejahte dieser aus Überlegungen, mit denen sich die Beschwerdeführerin nicht auseinandersetzt. Im Wesentlichen erwog er, die Beschwerdeführerin habe ihre Zustimmung zum Verkauf der Schiffsfracht trotz der fundierten Beratung der Beschwerdegegnerin in treuwidriger Weise verweigert (" In short A.________ were given sound advice by C.________ and continually rejected it without any reasoned basis, other than an irrational and persistent insistence on relying on the Index"). Eine Verletzung des Anspruches der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör wird dadurch nicht begründet. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat der Beschwerdegegnerin deren Parteikosten für das Verfahren vor Bundesgericht zu ersetzen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 21'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 23'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Genf schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Juni 2020 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Curchod