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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_238/2021  
 
 
Urteil vom 19. August 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Merz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
 
gegen  
 
B.________, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, 
Zentrum für Stationäre Forensische Therapie, 
Alleestrasse 61A, 8462 Rheinau, 
Verfahrensbeteiligter. 
 
Gegenstand 
Massnahmenvollzugsverfahren; Ausstand eines 
Sachverständigen, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 1. April 2021 (4H 20 31). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte A.________ am 8. Juli 1999 rechtskräftig wegen mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher Gefährdung des Lebens, Freiheitsberaubung und Entführung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und weiteren Straftaten zu sieben Jahren Zuchthaus und Verwahrung. Mit rechtskräftigem Entscheid vom 14. August 2007 sah das Obergericht von der Überführung des Verurteilten in eine therapeutische Massnahme ab und ordnete die Weiterführung der Verwahrung an. Am 27. Juni 2016 verurteilte das Appellationsgericht Basel-Stadt A.________ rechtskräftig wegen mehrfacher sexueller Nötigung und einfacher Körperverletzung zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und Verwahrung. 
 
B.  
Am 25. August 2020 stellte der Verurteilte ein Gesuch um bedingte Entlassung aus dem Verwahrungsvollzug, welches das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle Justizvollzug, mit Entscheid vom 28. September 2020 abwies. Im hängigen Beschwerdeverfahren betreffend bedingte Entlassung aus dem Massnahmenvollzug (4H 20 31) stellte der Verurteilte am 8. März 2021 ein Ausstandsgesuch gegen den von der Verfahrensleitung des Kantonsgerichtes Luzern für die Erstellung eines forensisch-psychiatrischen Verlaufsgutachtens vorgesehenen medizinischen Sachverständigen. Auf Einladung vom 15. März 2021 der Verfahrensleitung des Kantonsgerichtes hin, nahm der vom Ausstandsgesuch betroffene Sachverständige am 19. März 2021 schriftlich Stellung. Mit selbstständig eröffneter prozessleitender Verfügung vom 1. April 2021 wies der Verfahrensleiter des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, das Ausstandsbegehren ab; gleichzeitig erteilte er den Gutachtensauftrag an den Sachverständigen. 
 
C.  
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes vom 1. April 2021 (4H 20 31) gelangte der Ausstandsgesuchsteller mit Beschwerde vom 6. Mai 2021 an das Bundesgericht. Er rügt unter anderem eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs und beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Ausstandssache an die Vorinstanz. 
Am 20. Mai 2021 verzichtete das Kantonsgericht auf eine Stellungnahme. Der vom Ausstandsgesuch betroffene Sachverständige liess sich am 25. Mai (Posteingang: 31. Mai) 2021 vernehmen. Weitere Eingaben gingen innert der auf den 21. Juni 2021 (fakultativ) angesetzten Frist nicht mehr ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher, selbstständig eröffneter Ausstandsentscheid in einem hängigen massnahmenvollzugsrechtlichen Verfahren (Art. 92 i.V.m. Art. 80 BGG). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid stütze sich ausdrücklich auf eine Stellungnahme vom 19. März 2021 des vom Ausstandsgesuch betroffenen Sachverständigen. Die Vorinstanz habe das Ausstandsbegehren am 1. April 2021 abschlägig entschieden, ohne ihm, dem Beschwerdeführer, vorgängig Gelegenheit zu geben, sich zur fraglichen Stellungnahme zu äussern. Dies verletze sein von Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistetes Replikrecht. 
 
3.  
Das Bundesgericht entscheidet im vereinfachten Verfahren und mit summarischer Begründung über die Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden (Art. 109 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 BGG). 
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie umfasst auch das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können. Das Replikrecht hängt nicht von der Entscheidrelevanz der Eingaben ab. Die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die von den übrigen Verfahrensbeteiligten eingereichten Eingaben der Partei rechtzeitig vor Erlass des Entscheides zugestellt werden (BGE 139 I 189 E. 3.1-3.2; 138 I 154 E. 2.3; 484 E. 2.4; 137 I 195 E. 2.2 und 2.3.1-2.3.2; 133 I 100 E. 4.9). In Ausstandsverfahren steht das Replikrecht dem Gesuchsteller auch zu sämtlichen Stellungnahmen der Personen zu, deren Ausstand er beantragt hat (Urteil 1B_459/2012 vom 16. November 2012 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
4.  
Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich als offensichtlich begründet. 
In den Erwägungen des angefochtenen Entscheides (S. 2) stützt die Vorinstanz die Abweisung des Ausstandsbegehrens ausdrücklich auf die Stellungnahme des Sachverständigen vom 19. März 2021. Wie sich aus den Akten ergibt, äusserte sich dieser dort ausführlich zum Ausstandsgesuch. Die Vorinstanz bestreitet die Darstellung des Beschwerdeführers nicht, dass sie ihm die fragliche Stellungnahme erst zusammen mit ihrem Ausstandsentscheid zustellte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Verfahrensakten. Damit wurde das Replikrecht des Beschwerdeführers offensichtlich verletzt. Eine "Heilung" der Gehörsverletzung ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht möglich, zumal sich primär Sachverhaltsfragen stellen und die Kognition des Bundesgerichtes diesbezüglich beschränkt ist (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1-2 BGG; vgl. BGE 133 I 100 E. 4.9 S. 105; zit. Urteil 1B_459/2012 E. 2.6). 
 
5.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen, zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und neuen Entscheidung über das Ausstandsgesuch. 
Der angefochtene Entscheid ist im Übrigen kursorisch begründet und enthält keine Hinweise auf die von der Vorinstanz angewendeten gesetzlichen Vorschriften (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Es kann offen bleiben, ob der angefochtene Entscheid die Voraussetzungen von Art. 112 Abs. 1 BGG erfüllt hätte. 
Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG). Damit wird das subsidiäre Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 BGG) hinfällig. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung vom 1. April 2021 (4H 20 31) des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, aufgehoben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und neuen Entscheidung über das Ausstandsgesuch. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Luzern (Kasse des Kantonsgerichtes) hat Rechtsanwalt Julian Burkhalter für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- (pauschal, inkl. MWST) zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. August 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster