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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_152/2021  
 
 
Urteil vom 19. Oktober 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiber Kessler Coendet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rohrer, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, 
Abteilung Massnahmen, 
Arsenalstrasse 45, 6010 Kriens, 
Zustelladresse: Postfach 3970, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Administrativmassnahmen des Strassenverkehrsrechts, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Luzern, 4. Abteilung, vom 10. Februar 2021 (7H 21 18). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ lenkte am 20. August 2020 einen Lieferwagen in Alberswil. Dabei ergab die Geschwindigkeitskontrolle der Luzerner Polizei eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 27 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge von 5 km/h). Am 24. Oktober 2020 transportierte A.________ mit dem gleichen Lieferwagen auf der Autobahn A2 auf der Ladebrücke ein Quad-Fahrzeug. Eine hinter ihm fahrende Polizeipatrouille stellte fest, dass das Quad-Fahrzeug ungenügend gesichert war. 
Mit Strafbefehl vom 5. November 2020 wurde A.________ von der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit; pflichtwidrig ungenügende Sicherung der Ladung) schuldig gesprochen. Am 21. Dezember 2020 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern A.________ den Führerausweis auf unbestimmte Zeit, mindestens aber zwei Jahre, ab Zustellung der Verfügung. Damit wurde ihm das Führen von Motorfahrzeugen aller Kategorien, Unterkategorien und Spezialkategorien sowie von Schiffen untersagt. Die Wiedererteilung des Führerausweises nach Ablauf der Mindestentzugsdauer machte das kantonale Amt von einem positiven verkehrspsychologischen Gutachten abhängig. Sodann entzog es einer allfälligen Verwaltungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende Wirkung. Mit Urteil vom 10. Februar 2021 wies das Kantonsgericht Luzern die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. März 2021 verlangt A.________, das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 10. Februar 2021 sei aufzuheben. Ihm sei der Führerausweis für unbestimmte Zeit, mindestens zwei Jahre ab dem 22. Dezember 2020, zu entziehen, wobei anzuordnen sei, dass diese Massnahme auch den Entzug allfälliger Lernfahr- und internationaler Führerausweise sowie die Aberkennung ausländischer Führerausweise zur Folge habe. Ihm sei während der Entzugsdauer das Führen von Motorfahrzeugen aller Kategorien, Unterkategorien und der Spezialkategorie F zu untersagen. Das kantonale Amt sei anzuweisen, ihm einen Führerausweis für die Spezialkategorien G/G40 und M zu erteilen. 
Das Strassenverkehrsamt beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht Luzern und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) schliessen ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. 
 
C.  
Am 5. Mai 2021 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung die Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung verfügt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG). Ein Ausnahmegrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist unter Vorbehalt der nachstehenden Erwägungen auf die Beschwerde einzutreten.  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Mit Ausnahme der Verletzung von Grundrechten, die das Bundesgericht nur insofern prüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG), wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Somit ist es weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 143 V 19 E. 2.3; 139 II 404 E. 3). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 144 V 388 E. 2; 135 II 384 E. 2.2.1).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG wird nach einer mittelschweren Widerhandlung der Führerausweis für unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre, entzogen, wenn in den vorangegangenen zehn Jahren der Ausweis dreimal wegen mindestens mittelschweren Widerhandlungen entzogen war. Beim Beschwerdeführer trifft dies zu, weshalb bei ihm die gesetzliche Folge gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG eintritt. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.  
 
2.2. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom 21. Dezember 2020 vom kantonalen Amt das Führen von Motorfahrzeugen aller Kategorien, Unterkategorien und Spezialkategorien untersagt. Der Beschwerdeführer verlangt, von einem Entzug der Spezialkategorien G/G40 (landwirtschaftliche Motorfahrzeuge) und M (Motorfahrräder) abzusehen.  
 
2.3. Gemäss Art. 33 Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) hat der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Kategorie oder Unterkategorie den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller Kategorien, aller Unterkategorien und der Spezialkategorie F zur Folge. Laut Art. 33 Abs. 4 lit. a VZV kann die Entzugsbehörde mit dem Lernfahr- oder dem Führerausweis einer Kategorie oder Unterkategorie auch den Führerausweis der Spezialkategorien G und M entziehen (vgl. zu diesen Spezialkategorien Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 3 VZV). Das kantonale Amt hat dies angeordnet, indem es in seiner Verfügung das Führen von Motorfahrzeugen für alle Kategorien, Unterkategorien und Spezialkategorien untersagte. Jedoch hat das kantonale Amt die Ausdehnung in seiner Verfügung nicht begründet. Vielmehr lieferte es die Begründung erst im Rahmen der Vernehmlassung bei der Vorinstanz am 28. Januar 2021. Dort gab das kantonale Amt an, weshalb dem Beschwerdeführer insbesondere auch für die Spezialkategorie G der Führerausweis zu entziehen sei.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Auffassung der Vorinstanz werde in Lehre und Praxis nicht die Ansicht vertreten, die Ausdehnung des Entzugs auf die Spezialkategorien G und M solle die Regel sein. Die Vorinstanz hat sich jedoch mit der vom kantonalen Amt in dessen Vernehmlassung angeführten Begründung der Ausdehnung auseinandergesetzt und diese für den konkreten Fall als zutreffend bezeichnet. Daher kann die Frage, ob gemäss der Lehre und den von der Vorinstanz zitierten Entscheiden des Bundesgerichtes (Urteile 1C_531/2017 vom 13. April 2018 und 1C_6/2019 vom 23. April 2019) die Ausdehnung des Entzugs die Regel darstelle, offen gelassen werden.  
 
3.  
 
3.1. Art. 33 Abs. 4 lit. a VZV ist eine sogenannte Kann-Vorschrift. Somit wird die Anwendung dem Ermessen der Verwaltung anheimgestellt (vgl. BGE 142 II 268 E. 4.2.3; 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311). Die Vorinstanz hat überprüft, ob das kantonale Amt das Ermessen pflichtgemäss ausgeübt habe. Sie ist zum Schluss gekommen, die Ausdehnung des Sicherungsentzugs sei gesetzes- wie auch verhältnismässig. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, die Vorinstanz hätte dabei zu einem anderen Resultat kommen sollen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer hat in der gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG massgebenden Zeitperiode nicht nur erhebliche Geschwindigkeitsübertretungen begangen, sondern einerseits Unaufmerksamkeit beim Fahren bei gleichzeitigem Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung gezeigt und anderseits die Ladung auf der Ladebrücke ungenügend gesichert. Ein solches Verhalten kann gerade auch beim Führen von Fahrzeugen, zu welchen die Kategorien G und M berechtigen, zu einer erheblichen Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer führen. Dies ist insbesondere bei einer Berechtigung gemäss Art. 4 Abs. 3 VZV zum Führen von Traktoren bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, mit welchen laut Art. 68 Abs. 3 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) auch noch zwei Anhänger gezogen werden können, gegeben. An einem Motorfahrrad darf nur, aber immerhin ein Anhänger mitgeführt werden (vgl. Art. 68 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 4 VRV). Deshalb stellt es auch im Vergleich mit dem Sachverhalt im von der Vorinstanz angeführten Urteil 1C_6/2019 vom 23. April 2019 keine Bundesrechtsverletzung dar, wenn die Vorinstanz die Ausdehnung des Führerausweisentzugs auf alle Spezialkategorien bestätigt hat. Dabei wird kein unzulässiger Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers vorgenommen. Es besteht eine gesetzliche Grundlage für diesen Grundrechtseingriff, ein öffentliches Interesse an der angeordneten Massnahme liegt wegen der Gewährleistung der Sicherheit für die anderen Verkehrsteilnehmer vor, und bei der konkreten Anwendung der Gesetzesbestimmung wurde das Verhältnismässigkeitsprinzip eingehalten. Eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist daher nicht gegeben (vgl. Urteil 1C_312/2018 vom 30. Oktober 2018 E. 4).  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe die Möglichkeit, den Führerausweis bei den Spezialkategorien G und M für berufliche Fahrten zu belassen, nicht einmal in Erwägung gezogen. Die Vorinstanz hat sich jedoch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, er sei aus beruflichen Gründen auf die Spezialkategorien G und M angewiesen. Sie hat angeführt, die berufliche Notwendigkeit des Führerausweises sei grundsätzlich nur beim Warnungsentzug, nicht aber beim Sicherungsentzug zu berücksichtigen.  
 
4.2. Bei dem angeordneten Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit, mindestens für zwei Jahre ab Zustellung der Verfügung vom 21. Dezember 2020, handelt es sich um einen Sicherungsentzug. Dabei ist die Mindestentzugsdauer von zwei Jahren gesetzlich vorgesehen und darf nicht unterschritten werden (vgl. BGE 133 II 331 E. 9.1; Urteil 1C_312/2018 vom 30. Oktober 2018 E. 4 sowie Bernhard RÜTSCHE, in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 91 zu Art. 16 SVG). Auch mit Blick auf die Spezialkategorien G und M rechtfertigt die behauptete berufliche Notwendigkeit, diesbezügliche Fahrzeuge zu führen, es im vorliegenden Fall nicht, den Führerausweis insoweit nur für berufliche Fahrten zu belassen. Vielmehr wird der Beschwerdeführer seinen Betrieb so zu organisieren haben, dass hinreichend qualifizierte Angestellte die erforderlichen Fahrten vornehmen können, wie es auch der Beschwerdeführer im Verfahren 1C_6/2019 vorzukehren hatte.  
 
5.  
Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, Abteilung Massnahmen, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Oktober 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Kessler Coendet