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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_519/2020  
 
 
Urteil vom 20. Januar 2021  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
SOLIDA Versicherungen AG, Saumackerstrasse 35, 8048 Zürich, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. Juni 2020 (UV 2018/48). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1956, ist seit 1. Februar 1995 beim Kanton U.________ als Lehrkraft angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG (Concordia; seit 1. Januar 2019: SOLIDA Versicherungen AG, SOLIDA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 7. Mai 2017 stolperte sie beim Spazieren im Wald über einen Ast und stürzte auf die linke Schulter (Unfallmeldung vom 10. November 2017). Am 2. November 2017 begab sie sich deswegen erstmals in Behandlung. Dr. med. B.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, diagnostizierte eine Kontusion der linken Schulter mit Supraspinatussehnenruptur und hielt fest, A.________ sei am 5. Juli 2017 auf die linke Schulter gestürzt und habe seither Schmerzen (Arztzeugnis vom 24. November 2017). Am 15. Dezember 2017 führte Dr. med. C.________, Facharzt für Chirurgie, eine Schulterarthroskopie durch. Mit Verfügung vom 16. Januar 2018, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 5. Juni 2018, lehnte die SOLIDA ihre Leistungspflicht mangels natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen den Schulterbeschwerden und dem Ereignis vom 7. Mai 2017 ab. 
 
B.   
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juni 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die SOLIDA schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
1.3. Soweit die SOLIDA geltend macht, auf die Beschwerde könne mangels reformatorischen Rechtsbegehrens nicht eingetreten werden, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar ist es zutreffend, dass die Beschwerdeführerin lediglich den Antrag stellt, die Sache sei unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich jedoch, dass sie eine Rückweisung zur Einholung eines (Gerichts-) Gutachtens und zu neuer Erstellung des Sachverhalts beantragt. Nach der Rechtsprechung genügt es, wenn der Beschwerde insgesamt ein rechtsgenügliches Begehren entnommen werden kann (BGE 137 III 617 E. 6.2 S. 621; 137 II 313 E. 1.3 S. 317; 135 I 119 E. 4 S. 122).  
 
2.   
Streitig ist, ob die Vorinstanz zu Recht die Leistungspflicht der SOLIDA verneint hat. 
 
3.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3.1 S. 181) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181) sowie des massgeblichen Beweisgrades der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und den Beweiswert einer medizinischen Beurteilung (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere bei Berichten versicherungsinterner Ärzte (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469) sowie bei reinen Aktenbeurteilungen (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2). Darauf wird verwiesen. 
 
4.   
Die Vorinstanz erwog, das Ereignis vom 7. Mai 2017 stelle unbestrittenermassen einen Unfall im Rechtssinne dar. Streitig sei hingegen, ob die SOLIDA bei Behandlungsbeginn am 2. November 2017 zu Recht von keinen unfallkausalen Beschwerden mehr ausgegangen und damit nicht leistungspflichtig sei. Soweit die Beschwerdeführerin festhalte, die SOLIDA habe die Leistungspflicht anerkannt und müsse nun den Wegfall der Kausalität beweisen, sei dies unzutreffend. Nach Erhalt der Unfallmeldung habe die SOLIDA Abklärungen vorgenommen, ihre Leistungspflicht verneint und keine Leistungen erbracht. Folglich obliege es nicht der SOLIDA, den Nachweis des Wegfalls des natürlichen Kausalzusammenhangs zu erbringen. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, falls nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Nachweis erbracht werden könne, dass die Schulterbeschwerden auf den Unfall zurückzuführen seien. In der Folge verneinte das kantonale Gericht die von der Beschwerdeführerin gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs und stellte auf die Beurteilungen des Vertrauensarztes, Dr. med. D.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, ab, da auch gestützt auf die Berichte des Dr. med. B.________ und des operierenden Dr. med. C.________ keine auch nur geringe Zweifel an der versicherungsinternen Beurteilung bestünden. Die Supraspinatussehnenruptur sei überwiegend wahrscheinlich nicht auf das Ereignis vom 7. Mai 2017 zurückzuführen. So spreche auch die lange Dauer von fast sechs Monaten zwischen dem Unfall und der ersten Arztkonsultation gegen das Bestehen eines natürlichen Kausalzusammenhangs. Die Folgen der erlittenen Prellung an der Schulter links seien bei allfällig vorübergehender Verschlimmerung eines Vorzustandes bei Behandlungsaufnahme am 2. November 2017 abgeheilt. Die seit 2. November 2017 behandlungsbedürftigen Beschwerden seien überwiegend wahrscheinlich nicht, auch nicht teilursächlich, auf das Ereignis vom 7. Mai 2017 zurückzuführen. Mangels nachgewiesener Unfallkausalität habe die SOLIDA ihre Leistungspflicht für die über den November 2017 hinaus geklagten Beschwerden zu Recht verneint. 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin lässt einen unrichtig resp. unvollständig festgestellten Sachverhalt rügen. 
 
5.1. Soweit sie geltend macht, auf die Einschätzungen des Vertrauensarztes könne nicht abgestellt werden, da dieser pensioniert und nicht mehr auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft sei, handelt es sich bei diesen tatsächlichen Vorbringen um unzulässige Noven nach Art. 99 Abs. 1 BGG. Denn die Frage der Massgeblichkeit der Beurteilungen von Dr. med. D.________ war schon vor Vorinstanz streitig. Die Beschwerdeführerin legt jedoch nicht dar, inwiefern es ihr unmöglich gewesen wäre, diese Rüge und entsprechende Unterlagen bereits im kantonalen Verfahren einzubringen.  
 
5.2. Hinsichtlich der Einwände gegen die Massgeblichkeit der Einschätzungen des Vertrauensarztes ist die Beschwerdeführerin dahingehend zu korrigieren, dass dieser im Bericht vom 5. Dezember 2017 nicht davon ausgegangen ist, der Sturz vom 7. Mai 2017 habe die Ruptur verursacht. Vielmehr hält er explizit fest, das beschriebene Ereignis sei nicht geeignet, eine solche zu verursachen, und die im MRI vom 10. November 2017 festgestellten Schädigungen der linken Schulter seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorbestehend und nicht unfallkausal. An dieser Auffassung hielt Dr. med. D.________ auch nach Einsicht in den Operationsbericht und die erstellten Bilder fest (Berichte vom 9. Januar 2018 und vom 17. September 2018).  
 
5.3. Ebenfalls unzutreffend ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, die SOLIDA habe ihre Leistungspflicht bejaht. Wie die Vorinstanz korrekt festhält, hat die SOLIDA das Ereignis vom 7. Mai 2017 als Unfall anerkannt, nicht aber ihre Leistungspflicht für die im November 2017 geklagten Schulterbeschwerden. Sie hat denn auch keine Leistungen in Zusammenhang mit dem Unfall vom 7. Mai 2017 erbracht. Folgerichtig hat die Vorinstanz geschlossen, dass nicht die Aufhebung einer Leistungspflicht streitig sei, sondern die erstmalige Anerkennung einer solchen für die Folgen des Ereignisses vom 7. Mai 2017. Somit ist auch die vorinstanzliche Erwägung zutreffend, wonach die Beschwerdeführerin die Konsequenzen einer alllfälligen Beweislosigkeit zu tragen hat.  
 
5.4. Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich mit prozentualen Wahrscheinlichkeiten einer traumatisch bedingten Ruptur argumentiert, dringt sie nicht durch. Denn massgebend für die Beurteilung der natürlichen Unfallkausalität sind nicht statistische Werte, sondern die konkreten Umstände im Einzelfall. Diese, namentlich der Unfallmechanismus (direkter Sturz auf die Schulter ohne Abstützbewegung) sowie die lange Dauer zwischen Unfall und Erstbehandlung, sprechen gegen einen natürlichen Kausalzusammenhang. Daran vermag auch die Einschätzung des Dr. med. C.________ vom 27. Februar 2018 nichts zu ändern, die - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - auf die unzulässige Beweismaxime "post hoc ergo propter hoc" (im Sinne von "nach dem Unfall, also wegen des Unfalls"; BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341; SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34 E. 4.2.3, U 290/06; vgl. statt vieler auch Urteil 8C_642/2017 vom 25. Januar 2018 E. 5.4) hinausläuft.  
 
5.5. Abschliessend bleibt festzuhalten, dass sich am Ergebnis auch unter Berücksichtigung der Leistungspflicht für unfallähnliche Körperschädigungen (Art. 6 Abs. 2 lit. f UVG: Sehnenriss) nichts ändert. Denn auch bei diesen ist ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem geltend gemachten Ereignis Leistungsvoraussetzung (vgl. dazu BGE 146 V 51 E. 9.2 S. 71). Ein solcher ist vorliegend aber nicht ausgewiesen.  
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die SOLIDA hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da sie im Rahmen ihres amtlichen Wirkungskreises tätig war (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Januar 2021 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold