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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1124/2020  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entschädigung des amtlichen Verteidigers; Zuständigkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 18. August 2020 (SST.2020.17). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Rechtsanwalt A.________ hatte die amtliche Verteidigung in einem Strafverfahren übernommen. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Aargau entschied am 18. August 2020 in jenem Strafverfahren, soweit in casu relevant, wie folgt über die Kosten- und Entschädigungsfolgen: 
Ziff. 8.1: "Die obergerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 4'000.00 werden dem Beschuldigten zu ¾ mit Fr. 3'000.00 und dem amtlichen Verteidiger zu 1/6 mit Fr. 666.65 auferlegt. Der Rest wird auf die Staatskasse genommen."  
Ziff. 8.2 Abs. 1: "Die Obergerichtskasse wird angewiesen, dem amtlichen Verteidiger für das obergerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 6'830.00 auszurichten."  
Ziff. 8.2 Abs. 2: "Diese Entschädigung wird vom Beschuldigten zu ¾ mit Fr. 5'122.50 zurückgefordert, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben."  
Ziff. 9.2 Abs. 1: "Die [erstinstanzliche] Gerichtskasse wird angewiesen, dem amtlichen Verteidiger des Beschuldigten für das erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 29'355.00 auszurichten."  
Ziff. 9.2 Abs. 2: "Diese Entschädigung wird vom Beschuldigten zurückgefordert, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben."  
 
C.  
Rechtsanwalt A.________ beantragt beim Bundesgericht mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil in Ziff. 9.2 des Dispositivs aufzuheben, das Honorar für das Verfahren vor dem Bezirksgericht Aarau auf Fr. 39'807.10 festzusetzen und die Vorinstanz anzuweisen, die Auszahlung dieses Betrages durch die Gerichtskasse Aarau zu veranlassen, ferner die Ziffern 8.1 und 8.2 Abs. 2des Dispositivs aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit (Art. 29 Abs. 1 BGG) und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (BGE 144 V 97 E. 1; 143 IV 357 E. 1). 
 
1.1. In der Beschwerde ist darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind. Soweit diese nicht ohne Weiteres ersichtlich sind, ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer Unterlagen nachzuforschen, ob und inwiefern der Beschwerdeführer zur Beschwerde zuzulassen ist (BGE 145 I 121 E. 1; 133 II 353 E. 1).  
 
1.2. Zur Rüge, das Honorar des amtlichen Verteidigers sei zu tief bemessen worden, ist allein der amtliche Anwalt legitimiert, nicht die amtlich verteidigte Person (BGE 140 IV 213 E. 1.4; Urteile 6F_32/2020 vom 17. März 2021 E. 3.2; 6B_353/2018 vom 30. Mai 2018 E. 2.2; 6B_45/2012 vom 7. Mai 2012 E. 1.2).  
Das Bundesgericht ist im Beschwerdeverfahren des Beschuldigen auf die vorliegenden Rechtsbegehren einerseits mangels Begründung und andererseits, soweit den damaligen amtlichen Verteidiger (und heutigen Beschwerdeführer) betreffend, mangels Legitimation des damaligen beschwerdeführenden Beschuldigten nicht eingetreten (Urteil 6B_1123/2020 vom 2. März 2021 E. 1). Der Beschwerdeführer erhob allerdings als amtlicher Verteidiger parallel in eigenem Namen die vorliegende Beschwerde. 
 
1.3. Der Beschwerdeführer ist bezüglich Ziff. 8.1 nur legitimiert, soweit ihm die vorinstanzlichen Verfahrenskosten "zu 1/6 mit Fr. 666.65 auferlegt" wurden. Ziff. 8.2 Abs. 1 ist vor Bundesgericht nicht angefochten; der Beschwerdeführer hat das Urteil diesbezüglich beim Bundesstrafgericht angefochten (Beschwerde S. 3), dessen Entscheidung sich bei einer Gutheissung mittelbar auf Ziff. 8.2 Abs. 2 auswirken kann. Bezüglich Ziff. 8.2 Abs. 2 hat das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
Die Vorinstanz führt bezüglich der Ziff. 8.1 aus, der Beschwerdeführer (als damaliger amtlicher Verteidiger) unterliege mit seinem Begehren betreffend seine Entschädigung im erstinstanzlichen Verfahren beinahe vollständig. Unter diesen Umständen rechtfertige es sich, ihm die obergerichtlichen Verfahrenskosten zu 1/6 mit Fr. 666.65 aufzuerlegen (Urteil S. 57). Die Kostenauferlegung ist die kausale Folge des Unterliegens im Sinne von Art. 428 Abs. 1 StPO. Die Anfechtung begründet der Beschwerdeführer nicht, sodass darauf nicht einzutreten ist. Falls die Beschwerde bezüglich der Entschädigungsrüge zu Ziff. 9.2 Abs. 1 gutzuheissen wäre, würde sich die Gutheissung mittelbar auf die Rückzahlungspflicht in Ziff. 9.2 Abs. 2 auswirken; da Ziff. 9.2 Abs. 2 sich relativ auf Abs. 1 bezieht, würde eine Gutheissung keine Abänderung des Wortlauts von Abs. 2 erfordern, sodass diesbezüglich ohnehin nicht einzutreten ist. 
Die Sachlegitimation (BGE 147 V 2 E. 3.2.1) des Beschwerdeführers ist mithin nur bezüglich Ziff. 8.1 (im Umfang von Fr. 666.65) und Ziff. 9.2 Abs. 1 ( erstinstanzliche amtliche Entschädigung) zu bejahen, wobei Ziff. 8.1 als Nebenfolge einer Gutheissung der Beschwerde zu Ziff. 9.2 Abs. 1 (ungeachtet fehlender Begründung) aufzuheben wäre.  
Das Bundesgericht hätte demnach insoweit einzig auf die Anfechtung von Ziff. 9.2 Abs. 1 des angefochtenen Dispositivs (vorbehältlich hinreichender Begründung) einzutreten. 
 
1.4. Zu prüfen bleibt die Zuständigkeit des Bundesgerichts.  
 
1.4.1. Gemäss Art. 135 Abs. 2 StPO legt das urteilende [erstinstanzliche] Gericht die Entschädigung der amtlichen Verteidigung am Ende des Verfahrens fest. Es hat darüber im Sachurteil zu befinden (BGE 139 IV 199 E. 5.1). Der amtlichen Verteidigung steht die Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz zur Verfügung (Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO). Erhebt eine Partei Berufung und ficht die amtliche Verteidigung ihre Entschädigung an und tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, so sind die Einwände der amtlichen Verteidigung mit der Berufung zu behandeln (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6).  
Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit seiner Entschädigung für das erstinstanzliche Verfahren Beschwerde erhoben. Sie behandelt seine Einwände gegen die Höhe der Entschädigung zutreffend im Berufungsverfahren (Urteil S. 54). 
 
1.4.2. Die Erstinstanz sprach dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 28'894.85 zu. Die Vorinstanz setzt die angefochtene erstinstanzliche Entschädigung auf Fr. 29'355.-- fest (Urteil S. 57).  
Setzt die Strafbehörde die Entschädigung der amtlichen Vereidigung für das kantonale Verfahren vor erster und zweiter Instanz fest, ist die Entschädigung gesamthaft mit der Beschwerde gemäss Art. 135 Abs. 3 lit.b StPO bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 37 Abs. 1 StBOG) anzufechten (BGE 141 IV 187 E. 1.2; Urteil 6B_985/2013 vom 19. Juni 2014 E. 1.2). Diese Rechtsprechung betrifft die originären Entschädigungsentscheide der Beschwerdeinstanz oder des Berufungsgerichts, wenn ausschliesslich diese beiden Punkte angefochten sind (BGE 140 IV 213 E. 1.6 f.; Urteil 6B_647/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 1; NIKLAUS RUCKSTUHL, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 19 zu Art. 135 StPO). 
 
1.4.3. Die Vorinstanz setzt die amtlichen Entschädigungen für das erstinstanzliche Verfahren und für das Berufungsverfahren fest.  
Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren des damaligen Beschuldigten (oben E. 1.2) hat der Beschwerdeführer zutreffend beim Bundesstrafgericht angefochten (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO; BGE 140 IV 213 E. 1.7; Urteile 6B_1/2021 vom 10. Mai 2021 E. 4.2; 6B_236/2019 vom 19. März 2019 E. 2). 
Weil somit diese Entschädigung nicht unangefochten blieb, liegt ein Anwendungsfall von Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO vor, sodass das Bundesstrafgericht insgesamt zuständig wird und die Beschwerde in Strafsachen nicht gegeben ist ( e contrario BGE 140 IV 213 E. 1.7; Urteile 6B_1115/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 1; 6B_75/2017 vom 16. November 2017 E 1).  
Die von der Vorinstanz festgesetzten amtlichen Entschädigungen sind zuständigkeitshalber gesamthaft mit der Beschwerde gemäss Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO beim Bundesstrafgericht anfechtbar (oben E. 1.4.2). 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist mangels bundesgerichtlicher Zuständigkeit nicht einzutreten. Die Sache ist der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu überweisen (Art. 30 Abs. 2 BGG). Dem Beschwerdeführer sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG; Urteil 6B_719/2014 vom 21. April 2015 E. 2 [in BGE 141 IV 187 nicht publiziert]; Urteile 6B_299/2017 vom 23. März 2017 E. 3; 6B_302/2016 vom 2. Juni 2016 E. 3). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Sache wird dem Bundesstrafgericht überwiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juni 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw